Betrieb & Gewerkschaft

Fast hun­dert­pro­zen­ti­ge Streik­be­tei­li­gung

Öffentlicher Dienst:

Über 200.000 Be­schäf­tig­te im Warn­streik

Streikende mit Schild: »Ohne uns seht ihr alt aus!«.

27.03.2014 | In der Ta­rif­run­de für die rund 2,1 Mil­lio­nen Be­schäf­tig­ten im öf­fent­li­chen Dienst von Bund und Kom­mu­nen be­tei­lig­ten sich letz­te Wo­che laut Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft (ver.di) über 200.000 Be­schäf­tig­te an Ar­beits­nie­der­le­gun­gen in ei­ner zwei­ten Warn­streik­wel­le.

Die­se Mo­bi­li­sie­rung ist be­ein­dru­ckend. Be­schäf­tig­te aus Be­trie­ben und Ver­wal­tun­gen leis­ten ge­mein­sam mit ver.di ei­nen Ab­wehr­kampf, der so in den letz­ten Jah­ren noch nicht statt­ge­fun­den hat. Fast hun­dert­pro­zen­ti­ge Streik­be­tei­li­gung mel­de­ten meh­re­re Bun­des­län­der. Of­fi­zi­ell gab es bei der zwei­ten Ver­hand­lungs­run­de am 20. und 21. März noch im­mer kein An­ge­bot.

Warnstreikende mit roten Fahnen und Transparenten: »Warnstreik, ver.di, Alfried Krupp Krankenhaus«.

Im öf­fent­li­chen Dienst herrscht seit Jah­ren Nach­hol­be­darf. Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Tho­mas de Mai­zié­re (CDU) zeigt sich als Hard­li­ner und nennt die ver.di For­de­run­gen ma­ß­los. Un­ter­stüt­zung be­kommt er da­bei von SPD In­nen­mi­nis­tern der Län­der. Geht es nach de­ren Wil­len, sol­len die Be­schäf­tig­ten mit Al­mo­sen ab­ge­speist wer­den.

­Was die Be­trof­fe­nen da­von hal­ten, zeig­ten sie am 27. März auch in Nord­rhein-West­fa­len. Hier wa­ren es 70.000 Be­schäf­tig­te aus al­len Bran­chen des öf­fent­li­chen Diens­tes. Al­lei­ne zur zen­tra­len Gro­ßkund­ge­bung nach Duis­burg ka­men rund 12.000 Strei­ken­de.

Das Meer von ver.di Fah­nen und Trans­pa­ren­ten war un­über­seh­bar. Selbst­ge­mach­te Pla­ka­te, wie »Oh­ne uns seht ihr alt aus« oder »Kei­ne Al­ters­ar­mut – dar­um So­ckel« wa­ren zu le­sen. Der Be­triebs­rat­vor­sit­zen­de der Rhei­ni­schen Bahn­ge­sell­schaft aus Düs­sel­dorf, Uwe Da­vid, wies dar­auf hin, dass auf die Be­haup­tung der Ma­ß­lo­sig­keit, wie sie von de Mai­zié­re in die­ser Ta­rif­rund for­ciert wird, ent­spre­chend ge­ant­wor­tet wer­den muss. »Ich hal­te es nicht für ma­ß­los, wenn Al­ten­pfle­ge­rin­nen, Kran­ken­schwes­tern, Er­zie­he­rin­nen, Kom­mu­nal­be­schäf­tig­te, Müll­wer­ker oder Fah­rer des Nah­ver­kehrs ein ge­rech­tes Ein­kom­men ha­ben. Dies ist nur der ge­rech­te Ge­gen­wert für die Ar­beit, die wir täg­lich er­brin­gen«. Der Be­triebs­rat wei­ter: »Wenn der In­nen­mi­nis­ter wis­sen will, was ma­ß­los ist, soll er zu­erst mal in sein Ho­hes Haus nach Ber­lin schau­en. 10 Pro­zent an Diä­ten­er­hö­hung, das ist ma­ß­los«. Un­ter gro­ßem Ap­plaus rief er »das hier ist erst der Auf­takt. Wenn wir nicht end­lich zu ei­ner Be­zah­lung kom­men, mit der wir un­se­re Mie­te be­zah­len, un­se­re Fa­mi­li­en er­näh­ren kön­nen, dann kom­men wir wie­der und dies wird kräf­ti­ger wer­den«.

Ga­brie­le Schmidt, ver.di Lan­des­lei­te­rin in Nord­rhein-West­fa­len, rief die Un­ter­neh­mer­sei­te auf, end­lich ein An­ge­bot auf den Tisch zu le­gen. Von die­sen Warn­streiks gin­ge ei­ne deut­li­che War­nung aus, wenn wie­der nichts pas­sie­ren wür­de. Schmidt be­ton­te »noch wä­ren die Streiks ein lau­es Lüft­chen in Nord­rhein-West­fa­len, im Ver­gleich zu ei­nem lang­fris­ti­gen Streik«. In NRW brau­che man sich um de­ren Durch­füh­rung kei­ne Sor­gen ma­chen. Auch ar­gu­men­ta­tiv wä­re man auf der bes­se­ren Sei­te. Die ver.di For­de­run­gen sind be­zahl­bar. In vie­len Kom­mu­nen wird ein Plus von 19 Pro­zent Steu­er­ein­nah­men er­war­tet. Die an­der­seits pre­kä­re La­ge der Ge­mein­den dür­fe nicht auf Kos­ten der Be­schäf­tig­ten aus­ge­tra­gen wer­den. »Sie wä­re mit ei­ner an­de­ren ge­rech­te­ren Steu­er­po­li­tik zu lö­sen« so die Ge­werk­schaf­te­rin.

Steikende mit Transparent: »Musikschul-Lehrer sind Hochschul-Absolventen – keine Hofnarren!…«.

Viel Zu­stim­mung be­kam sie bei den Strei­ken­den, als sie dar­auf hin­wies »dass trotz ei­ner ge­wal­ti­gen Me­di­en­ma­schi­ne­rie ge­mein­sam mit den Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­bän­den, es nicht ge­lun­gen ist, die Men­schen im Land ge­gen ver.di auf­zu­brin­gen«. 63 Pro­zent der Be­völ­ke­rung hät­ten Ver­ständ­nis für den Ar­beits­kampf. Der öf­fent­li­che Dienst be­sit­ze al­les an­de­re als si­che­re Ar­beits­plät­ze. Das wür­de zu­neh­mend er­kannt. Wer Dienst­leis­tung be­an­tra­ge, se­he auch die Ar­beits­be­din­gun­gen. Die sind al­les an­de­re als at­trak­tiv.

­Ver.di for­dert ei­nen So­ckel­be­trag von 100 Eu­ro so­wie 3,5 Pro­zent mehr Lohn und Ge­halt. Au­ßer­dem 30 Ta­ge Ur­laub für al­le. Ei­ne ver­bind­li­che Über­nah­me­re­ge­lung für Aus­zu­bil­den­de. Ver­han­delt wer­den auch der Aus­schluss sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen so­wie ei­ne Nah­ver­kehrs­zu­la­ge von 70 Eu­ro. Für Be­schäf­tig­te in Kran­ken­häu­sern soll es ei­ne An­glei­chung des Nacht­ar­beits­zu­schla­ges ge­ben. Die drit­te Ver­hand­lungs­run­de wur­de am 31.März und 1.April in Pots­dam fort­ge­setzt.

Text und Fotos: Herbert Schedlbauer


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