Betrieb & Gewerkschaft
Zerschlägt Benko Karstadt?
Filetierung geht weiter
Wieder neue Hiobsbotschaften bei Karstadt. Kaum wurde der Warenhauskonzern an den neuen Eigner René Benko im August verscherbelt, plant dieser offenbar mehr, als er bisher verkündete. Offiziell werden sechs Filialen geschlossen. Weitere 3000 der jetzt 16000 Beschäftigten entlassen. Doch in einem Papier, wonach intern in Essen gehandelt wird, ist die Anfang September genannte Schließung von 20 Filialschließungen weiter aktuell.
Der 37-jährige Österreicher ist alles andere als ein Warenhausspezialist. Er spekuliert mit Immobilien. Damit besteht die Gefahr, dass er lieber auf den Verkauf von Filialen und neue profitable Mieten für die Immobilien setzt, als auf den Erhalt von Arbeitsplätzen. René Benko besitzt Mehrheiten an der Signa-Holding, die über Immobilien im Wert von rund 7 Milliarden Euro verfügt. Die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), viele Betriebsräte befürchten, dass es dem Spekulanten deshalb nicht um die Sanierung des Handelsriesen geht. Bestätigt wird dies durch die Schließung von Karstadt Stuttgart. Die Türen bleiben ab Juni 2015 zu, weil die Filiale zu den Bestlagen des Warenhauskonzerns gehört. Auf der Königstraße werden für neu vermietete Ladenlokale 300 Euro je Quadratmeter verlangt. Mit dem Verkauf des Topgrundstücks lässt sich für Benko ein Vielfaches mehr verdienen.
Die Signa selbst führte bereits Gespräche mit der Stadtverwaltung und dem Baurechtsamt. Auf der Internetseite der Holding liest sich der Arbeitsplatzverlust von 230 Beschäftigten so: »Der Standort bietet Potenzial für Filialisten, welche nach innerstädtischen Flächen suchen, die aufgrund des Flächenmangels in den letzten Jahren nicht bedient werden konnten.«
Um ein Höchstmaß an Profit zu erreichen, setzt die neue Konzernspitze die Liste der Grausamkeiten auf allen Ebenen fort. Am 22. Oktober forderte sie, die Beschäftigten auch weiterhin nicht an den Erhöhungen der Löhne und Gehälter des Einzelhandelstarifes anzuschließen. Obwohl bis 2012 das Personal bereits auf 150 Millionen Euro Gehalt verzichtete. Von 2013 bis 2015 sind es weitere 38 Millionen Euro. Der Gesamtbetriebsrat und ver.di rechnen damit, dass sie am 9. Dezember, der dritten Verhandlungsrunde, mit einer weiteren Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich konfrontiert werden. Außerdem will die Kapitalseite ein einfrieren der Gehälter über 2015 hinaus und neue Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Einpeitscher aus der Essener Hauptverwaltung kennen nur ein Ziel. Personalkosten sparen und mehr Ausbeutung. Treibende Kraft dabei ist der Karstadt-Chef Stephan Fanderl, der sich rühmt mit Benko befreundet zu sein. Mit ihm befindet sich an der Spitze des Konzerns ein rigoroser Arbeitsplatzvernichter. Schon bei der Metro, Rewe und Walmart betrieb er diesen Klassenkampf von oben.
Für die Belegschaftsvertreter sollte dies ausreichen, nunmehr konsequent die Beschäftigten zu mobilisieren. Die Konzernspitze an die »Verantwortung für die Belegschaft« und »vernünftige Vorschläge« zu erinnern, wie von einigen Betriebsräten und ver.di eingefordert, wird die geplante Zerschlagung des Handelsriesen nicht verhindern. Was für die Beschäftigten »vernünftig« und in deren Interesse wäre, steht im Widerspruch zur herrschenden Klasse in diesem Land.
Notwendig ist der inner- und außerbetriebliche Widerstand. Die Einbeziehung der Kommunalpolitik, die Gründung von Solidarbündnissen. Durch die Schließung der Filialen veröden die Innenstädte und Mittelstandsbetriebe sind in der Existenz bedroht.
Benkos Ziel: In Luxushäuser von Karstadt investieren, damit diese zu Höchstpreisen verkauft werden können. So erging es dem Berliner KaDeWe, München Oberpollinger und anderen Häusern. Stück für Stück trennt man sich so von den Filetstücken.
Die jetzige Personalpolitik unterscheidet sich weder von Thomas Middelhoff (Arcandor AG) noch Nicolas Berggruen, der den Konzern 2010 für einen Euro aus der Insolvenz heraus kaufte. Deswegen muss auf Belegschaftsversammlungen nicht nur über die Situation im Konzern gesprochen werden. Sondern auch Kampfmaßnahmen beraten und beschlossen werden. Das erfordert jedoch eine ein Umdenken. Die bisherige Orientierung auf die Sozialpartnerschaft mit der Konzernspitze, führt letztendlich immer wieder zu Verzicht und Einschnitten bei den Beschäftigten. Diese jahrelange Praxis, gehegt und gepflegt, unter Einfluss der ehemaligen Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) bei Karstadt wirkt noch heute gegen Betriebsräte, die eine härtere Gangart für nötig halten.
Doch unter dem großen Dach von ver.di wäre einiges mehr möglich. Man könnte Aktionen durchführen, die möglichst gleichzeitig in allen Filialen ablaufen. Belegschaften, die eigenen Mitglieder und Kunden über die Ziele des Konzerns informieren. Statt eine Lösung in Verhandlungen zu suchen. Die Karstadt-Bosse fürchten nichts mehr als die breite Öffentlichkeit.
Neben dem Effekt, sich erfolgreich gegenüber einer Unternehmerwillkür durchzusetzen, die die Existenz von Menschen und ihren Familien bedroht, könnte ver.di so auch die Solidarität der Kunden verstärken. Potential besteht auch darin, den Kampf für den Erhalt von Arbeitsplätzen mit andere Gewerkschaften gemeinsam zu führen. Zahlreiche Beschlüsse, nicht nur die der eigenen Gewerkschaftstage, sondern auch bei der Industriegewerkschaft Metall, sollten endlich dazu veranlassen, die Vernichtung von Arbeitsplätzen als gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung zu führen.
Herbert Schedlbauer
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