Betrieb & Gewerkschaft

Monopoly bei Karstadt

»Kapitalisten« bei der UmFairteil Demo, Köln 2012.

29 Filialen von Schließung bedroht

Schlaf­lo­se Näch­te we­gen un­si­che­rer Ar­beits­plät­ze sind im Ka­pi­ta­lis­mus an der Ta­ges­ord­nung. Die Be­schäf­tig­ten des Wa­ren­haus­kon­zerns Kar­stadt trifft es jetzt er­neut. Im­mer neue Hi­obs­bot­schaf­ten sor­gen für Un­ru­he. Nun ist auch noch die Exis­tenz der üb­rig ge­blie­be­nen Be­leg­schaft be­droht.

Vier Jah­re nach der In­sol­venz und dem Ver­kauf für ei­nen Eu­ro an den Mil­li­ar­där Ni­co­las Berg­gru­en droht die Zer­schla­gung des Kon­zerns. 29 der bun­des­weit 83 Fi­lia­len des Es­se­ner Han­dels­rie­sen sol­len auf ei­ner Schlie­ßungs­lis­te ste­hen. Bis heu­te sind we­der Auf­sichts­rat, Ge­samt­be­triebs­rat (GBR) noch die Be­triebs­rä­te der Fi­lia­len in­for­miert.

Der Kon­zern, der sich schon im­mer mit der In­for­ma­ti­ons­pflicht ge­gen­über den Be­leg­schafts­ver­tre­tern schwer tat und lie­ber nach Guts­her­ren­art sei­ne Ge­schäfts- und Per­so­n­alphi­lo­so­phie be­treibt, hat zur­zeit rund 17000 Be­schäf­tig­te. Un­ter den Pro­fit­ham­mer ge­rie­ten be­reits die Flagg­schif­fe Ka­DeWe in Ber­lin, Mün­chen Ober­pol­lin­ger und das Als­ter­haus in Ham­burg. Sie wur­den an die Si­gna-Grup­pe ver­kauft. Die auf Im­mo­bi­li­en­ge­schäf­te spe­zia­li­sier­te Fi­nanz­grup­pe des ös­ter­rei­chi­schen In­ves­tor Re­ne Ben­ko be­sitzt 75 Pro­zent der An­tei­le an den Pre­mi­um- und Sport-Wa­ren­häu­sern von Kar­stadt.

Heuschreckenpolitik geht weiter

Der plötz­li­che Rück­tritt der Ex-Ikea-Ma­na­ge­rin Eva Lot­ta Sjös­tedt nach nur fünf Mo­na­ten im Ju­li ist das Er­geb­nis ei­ner Heu­schre­cken­po­li­tik, die mit der Zer­schla­gung un­ter Tho­mas Mid­del­hoff be­gann. Berg­gru­en, der die in­sol­ven­te Ar­can­dor AG im Jah­re 2010 über­nahm, ent­pupp­te sich als knall­har­ter Stel­len­ver­nich­ter. Ers­te Ein­drü­cke be­ka­men die Be­schäf­tig­ten kurz nach der Über­nah­me. Ne­ben den schon un­ter Mid­del­hoff und oh­ne gro­ßen Wi­der­stand durch ver.di durch­ge­peitsch­ten Kahl­schlä­gen in Form von Ta­rif­ge­häl­ter­stopps, Strei­chung von Ur­laub- und Weih­nachts­geld, ver­kün­det auch der neue Ei­gen­tü­mer un­ent­wegt Ver­zicht. Al­ler­dings nur bei de­nen, die im Kon­zern al­le Wer­te schaf­fen. 700 Mil­lio­nen Eu­ro wur­den so in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren ein­ge­spart.

Die In­sol­venz, die Tau­sen­de Ar­beits­plät­ze kos­te­te, ist für Berg­grün ein lu­kra­ti­ves Ge­schäft. Aus der ei­ge­nen Ta­sche hat er bis­her nicht ei­nen Cent in­ves­tiert. Im Ge­gen­teil, er pro­fi­tiert von Li­zen­zen, die der Kon­zern für Mar­ken­rech­te zah­len muss. Da­für kas­siert er im Jahr 3 Mil­lio­nen Eu­ro.

Ständiger Arbeitsdruck

Das Per­so­nal, wel­ches die In­ves­ti­tio­nen des neu­en Wa­ren­haus­bos­ses durch Ver­zicht be­zahl­te, wird ei­nem stän­dig stei­gen­den Ar­beits­druck aus­ge­setzt. Die Ar­beits­be­las­tung ist am obers­ten Li­mit. Im­mer we­ni­ger Per­so­nal muss mehr Qua­drat­me­ter Ver­kaufs­flä­che be­die­nen. Er­geb­nis: Be­ra­tung im Ste­nos­t­il, mit War­te­schlei­fen von Kun­den in den Ab­tei­lun­gen, die sich letzt­end­lich auf dem Ab­satz um­dre­hen und wo­an­ders kau­fen.

Das wis­sen auch Berg­gru­en und die Kon­zern­spit­ze. De­ren obers­tes Ziel ist es, die Ar­beits­ver­dich­tung nach oben zu powern, um noch hö­he­re Pro­fi­te ein­zu­strei­chen. Es geht nur dar­um, die Be­schäf­tig­ten stär­ker aus­zu­beu­ten. Das Ma­nage­ment aus der Zen­tra­le in Es­sen, egal aus wel­cher Zeit der Kon­zern­ge­schich­te, igno­riert ge­nau des­halb seit Jahr­zehn­ten die stän­di­gen Hin­wei­se und Kon­zep­te der Ge­werk­schaft und von den Be­triebs­rä­ten vor Ort.

Ver.di appelliert und bittet bei Karstadt einzukaufen

So auch jetzt. Für die an­ge­schla­ge­ne Wa­ren­haus­ket­te ha­ben ver.di und der GBR un­mit­tel­bar nach be­kannt wer­den der neu­en Ar­beits­platz­ver­nich­tun­gen In­ves­ti­tio­nen so­wie ein Zu­kunfts­kon­zept ver­langt. Ver­di-Vor­stands­mit­glied Ste­fa­nie Nut­zen­ber­ger ap­pel­liert an den Kon­zern, ein Kon­zept zur nach­hal­ti­gen Si­che­rung der Stand­or­te und Ar­beits­plät­ze vor­zu­le­gen. Soll de­ren In­halt nicht mit ei­nem wei­te­ren Ver­zicht für das Per­so­nal en­den, wird da­zu Mo­bi­li­sie­rung und Druck von un­ten not­wen­dig sein. Ap­pel­le hel­fen be­kannt­lich ge­gen­über Ka­pi­ta­lis­ten we­nig. Die un­ver­än­der­te Ori­en­tie­rung auf So­zi­al­part­ner­schaft und die Bit­te an die Kun­den, doch bei Kar­stadt ein­zu­kau­fen, wird die Zer­schla­gung des Un­ter­neh­mens nicht ver­hin­dern.

Der Kar­stadt-Auf­sichts­rats­chef Ste­phan Fan­derl ist da schon kon­se­quen­ter. Er hält an sei­ner Un­ter­neh­mens­po­li­tik fest. Im Ju­li kün­dig­te er ei­nen noch här­te­ren Sa­nie­rungs­kurs an und droh­te mit Schlie­ßun­gen. Sei­ne Stra­te­gie des Hin­hal­tens, die Ein­bin­dung von ver.di und gro­ßen Tei­len des GBR hat sich bes­ten be­währt.

Konzernspitze will Ruhe an der Basis

Da­mit dies so bleibt, braucht Fan­derl Ru­he an der Ba­sis. Nur so kön­nen Fi­li­al­schlie­ßun­gen durch­ge­setzt wer­den. Be­reits jetzt müs­sen die Ge­schäfts­füh­rer nach oben mel­den, ob mit Wi­der­stand beim Per­so­nal zu rech­nen ist. Of­fi­zi­ell sol­len die In­ter­es­sen­ver­tre­ter der Be­leg­schaft und ver.di am 21. Au­gust in ei­ner Auf­sichts­rats­sit­zung in­for­miert wer­den. In Es­sen wird der­weil an der For­mu­lie­rung der Be­kannt­ga­be von Fi­li­al­schlie­ßun­gen ge­feilt und an ver­harm­lo­sen­den In­for­ma­tio­nen für die Öf­fent­lich­keit ge­strickt.

Statt ab­zu­war­ten soll­ten die Be­schäf­tig­ten und die Ge­werk­schaft ver.di ih­re bis­he­ri­ge Zu­rück­hal­tung auf­ge­ben und in Ar­beits­kämp­fen ei­ge­ne For­de­run­gen auf­stel­len. Wenn Berg­gru­en sein Haupt­ziel Pro­fit­ma­xi­mie­rung nicht auf­gibt, muss auch über ei­ne Ver­ge­sell­schaf­tung von Kar­stadt nach­ge­dacht wer­den. Statt das Un­ter­neh­men wei­ter­hin ei­nem Fi­nanz­hai zur Aus­plün­de­rung zu über­las­sen.

Herbert Schedlbauer