Betrieb & Gewerkschaft
Monopoly bei Karstadt
29 Filialen von Schließung bedroht
Schlaflose Nächte wegen unsicherer Arbeitsplätze sind im Kapitalismus an der Tagesordnung. Die Beschäftigten des Warenhauskonzerns Karstadt trifft es jetzt erneut. Immer neue Hiobsbotschaften sorgen für Unruhe. Nun ist auch noch die Existenz der übrig gebliebenen Belegschaft bedroht.
Vier Jahre nach der Insolvenz und dem Verkauf für einen Euro an den Milliardär Nicolas Berggruen droht die Zerschlagung des Konzerns. 29 der bundesweit 83 Filialen des Essener Handelsriesen sollen auf einer Schließungsliste stehen. Bis heute sind weder Aufsichtsrat, Gesamtbetriebsrat (GBR) noch die Betriebsräte der Filialen informiert.
Der Konzern, der sich schon immer mit der Informationspflicht gegenüber den Belegschaftsvertretern schwer tat und lieber nach Gutsherrenart seine Geschäfts- und Personalphilosophie betreibt, hat zurzeit rund 17000 Beschäftigte. Unter den Profithammer gerieten bereits die Flaggschiffe KaDeWe in Berlin, München Oberpollinger und das Alsterhaus in Hamburg. Sie wurden an die Signa-Gruppe verkauft. Die auf Immobiliengeschäfte spezialisierte Finanzgruppe des österreichischen Investor Rene Benko besitzt 75 Prozent der Anteile an den Premium- und Sport-Warenhäusern von Karstadt.
Heuschreckenpolitik geht weiter
Der plötzliche Rücktritt der Ex-Ikea-Managerin Eva Lotta Sjöstedt nach nur fünf Monaten im Juli ist das Ergebnis einer Heuschreckenpolitik, die mit der Zerschlagung unter Thomas Middelhoff begann. Berggruen, der die insolvente Arcandor AG im Jahre 2010 übernahm, entpuppte sich als knallharter Stellenvernichter. Erste Eindrücke bekamen die Beschäftigten kurz nach der Übernahme. Neben den schon unter Middelhoff und ohne großen Widerstand durch ver.di durchgepeitschten Kahlschlägen in Form von Tarifgehälterstopps, Streichung von Urlaub- und Weihnachtsgeld, verkündet auch der neue Eigentümer unentwegt Verzicht. Allerdings nur bei denen, die im Konzern alle Werte schaffen. 700 Millionen Euro wurden so in den vergangenen zehn Jahren eingespart.
Die Insolvenz, die Tausende Arbeitsplätze kostete, ist für Berggrün ein lukratives Geschäft. Aus der eigenen Tasche hat er bisher nicht einen Cent investiert. Im Gegenteil, er profitiert von Lizenzen, die der Konzern für Markenrechte zahlen muss. Dafür kassiert er im Jahr 3 Millionen Euro.
Ständiger Arbeitsdruck
Das Personal, welches die Investitionen des neuen Warenhausbosses durch Verzicht bezahlte, wird einem ständig steigenden Arbeitsdruck ausgesetzt. Die Arbeitsbelastung ist am obersten Limit. Immer weniger Personal muss mehr Quadratmeter Verkaufsfläche bedienen. Ergebnis: Beratung im Stenostil, mit Warteschleifen von Kunden in den Abteilungen, die sich letztendlich auf dem Absatz umdrehen und woanders kaufen.
Das wissen auch Berggruen und die Konzernspitze. Deren oberstes Ziel ist es, die Arbeitsverdichtung nach oben zu powern, um noch höhere Profite einzustreichen. Es geht nur darum, die Beschäftigten stärker auszubeuten. Das Management aus der Zentrale in Essen, egal aus welcher Zeit der Konzerngeschichte, ignoriert genau deshalb seit Jahrzehnten die ständigen Hinweise und Konzepte der Gewerkschaft und von den Betriebsräten vor Ort.
Ver.di appelliert und bittet bei Karstadt einzukaufen
So auch jetzt. Für die angeschlagene Warenhauskette haben ver.di und der GBR unmittelbar nach bekannt werden der neuen Arbeitsplatzvernichtungen Investitionen sowie ein Zukunftskonzept verlangt. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger appelliert an den Konzern, ein Konzept zur nachhaltigen Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze vorzulegen. Soll deren Inhalt nicht mit einem weiteren Verzicht für das Personal enden, wird dazu Mobilisierung und Druck von unten notwendig sein. Appelle helfen bekanntlich gegenüber Kapitalisten wenig. Die unveränderte Orientierung auf Sozialpartnerschaft und die Bitte an die Kunden, doch bei Karstadt einzukaufen, wird die Zerschlagung des Unternehmens nicht verhindern.
Der Karstadt-Aufsichtsratschef Stephan Fanderl ist da schon konsequenter. Er hält an seiner Unternehmenspolitik fest. Im Juli kündigte er einen noch härteren Sanierungskurs an und drohte mit Schließungen. Seine Strategie des Hinhaltens, die Einbindung von ver.di und großen Teilen des GBR hat sich besten bewährt.
Konzernspitze will Ruhe an der Basis
Damit dies so bleibt, braucht Fanderl Ruhe an der Basis. Nur so können Filialschließungen durchgesetzt werden. Bereits jetzt müssen die Geschäftsführer nach oben melden, ob mit Widerstand beim Personal zu rechnen ist. Offiziell sollen die Interessenvertreter der Belegschaft und ver.di am 21. August in einer Aufsichtsratssitzung informiert werden. In Essen wird derweil an der Formulierung der Bekanntgabe von Filialschließungen gefeilt und an verharmlosenden Informationen für die Öffentlichkeit gestrickt.
Statt abzuwarten sollten die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di ihre bisherige Zurückhaltung aufgeben und in Arbeitskämpfen eigene Forderungen aufstellen. Wenn Berggruen sein Hauptziel Profitmaximierung nicht aufgibt, muss auch über eine Vergesellschaftung von Karstadt nachgedacht werden. Statt das Unternehmen weiterhin einem Finanzhai zur Ausplünderung zu überlassen.
Herbert Schedlbauer