Betrieb & Gewerkschaft

BVerfG: Du darfst nicht streiken

 Historische Darstellung.

600.000 Kolleginnen und Kollegen betroffen


Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat letzte Woche verboten, dass verbeamtete LehrerInnen streiken. Nachzulesen unter Az. 2 BvR 1738/12. Es hat damit die Rechtsauffassung der Herrschenden bestätigt. Betroffen sind von dem Verbot rund 600.000 Kolleginnen und Kollegen.

Auf die Frage «Ist streiken überhaupt erlaubt!» antwortet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ganz anders: «Das Streikrecht ist verfassungsmäßig im Rahmen der ‹Koalitionsfreiheit› (Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz) geschützt. Man versteht darunter das Recht von ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern, sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen. Aus der Koalitionsfreiheit leitet sich das Recht ab, seine Interessen gemeinsam durchzusetzen und dafür das Mittel des Arbeitskampfes zu nutzen.»

Diese Auffassung teilt der Präsident des BVerfG, Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, nicht. Mit seiner Positionierung hat er das Streikrecht im Sinne der Herrschenden geknickt. Die Politiker, die ihm sogar das Bundespräsidentenamt in der Nachfolge von Christian Wulff (CDU) und Joachim Gauck (CDU/CSU, SPD) zweimal angetragen haben, können stolz darauf sein, einen solchen Juristen in ihren Reihen zu wissen.

Diese Zwerge der Demokratie werfen einen langen Schatten, wenn die Sonne tief steht. Es mutet lächerlich an, wenn sie Unterricht und das Schreiben von Zensuren zum hoheitlichen Akt aufblasen, der Beamten vorbehalten sei. Es ist fern der Wirklichkeit, wenn sie den gesicherten Dauerarbeitsplatz für verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer ins Feld des Klassenkampfes anführen. Wurde schon einmal ein angestellter Lehrer entlassen, weil er nur Angestellter war?

Eine gewisse Angst ging wohl um in Karlsruhe und in den Kultusministerien: Was könnte passieren, wenn die Kolleginnen und Kollegen zu Hauf aus den Lehrerzimmern auf die Straßen strömen würden, um ihr Streikrecht zu praktizieren. Das wäre dann wie in Paris – statt in Paderborn, auf der Avenue des Champs-Élysées statt auf der Pestalozzistraße. Also lautet die Schlussfolgerung: Wehret den Anfängen. Und die beginnt in diesem Fall bei dem Versuch von vier verbeamteten Pädagogen, ihr Streikrecht durchzusetzen.

Es handelt sich mit der Bundesrepublik nicht um die erste Staatsform in Deutschland, in der Streiks von Beamten verboten sind. Herrschaftsnähe war allerdings schon immer erwünscht. So wundert es nicht, dass der Deutsche Lehrerverband das Urteil begrüßte. Die Bundesregierung natürlich auch. Ebenso die große Mehrheit in der deutschen Medienlandschaft.

Eine kleine persönliche Anmerkung: Als angestellter Lehrer habe ich das «Privileg» genossen, streiken zu «dürfen». Wir waren entsprechend dem Grad der Verbeamtung im Kollegium allerdings immer nur eine Minderheit. Es gab aber auch Kollegen, die streikten, obwohl sie Beamte waren. Das war der Beginn von Demokratie im Lehrerzimmer.

Uwe Koopmann
Foto: Gemeinfrei, Link