Jugend

Die Rettung der Bildung aus den Klauen der Kleptokraten

Bun­des­weit De­mons­tra­tio­nen und Kund­ge­bun­gen von Schü­lern und Stu­denten

Demonstranten mit Transparent: »Bildungsstreik Köln. Gute Bildung. Gute Arbeit.«.

Tausende Schü­le­rin­nen und Schü­ler, Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten demons­trier­ten am 17. Novem­ber gegen die Herr­schaft der Plün­de­rer im Bildungs­wesen der Bundes­re­pu­blik.

Button: »Bundesweiter Bildungsstreik 2011«

Der Pro­test war so deut­lich, dass er nicht nur von der lokalen Presse in Berlin, Köln und in vielen ande­ren Städten, son­dern auch von bür­ger­li­chen Me­dien wie Tages­schau und Focus in den Brenn­punkt der aktu­el­len Be­richt­er­stat­tung ge­rückt werden musste. – Ein Hauch von Grie­chen­land wehte in den letzten Tagen über die Straßen und Plätze, durch Hör­säle und Schulen.

Demonstranten mit Transparent: »Bildungsstreik am Start«.

In der bildungs­poli­tischen Aus­ein­an­der­set­zung ging es darum, ob sich die Mecha­nis­men zur Steue­rung des Produktions­pro­zes­ses von wis­sen­schaft­lich aus­ge­bil­de­tem »Human­ka­pi­tal« zer­schla­gen lassen – oder nicht. Die Stoß­rich­tung der Koa­li­tion von Kapital und Kabi­net­ten in Berlin und in den Bun­des­län­dern sei ein­deu­tig: Verkür­zung der Phasen der schu­li­schen und uni­ver­si­tä­ren Wis­sens­ver­mitt­lung, Zu­nah­me des Leis­tungs­drucks und frü­here Ver­wer­tung von Wissen und Fertig­kei­ten. Ein »klassi­scher« Bil­dungs­be­griff, der auf eine all­sei­tige Ent­wick­lung der Per­sön­lich­keit ab­zielt oder gar an einem am Klas­sen­in­ter­es­se orien­tier­ten Bil­dungs­be­wusst­sein geschult wird, stehe für diese Koa­lition nicht auf der Agenda. Es sei denn, es gehe um die Aus­prä­gung von Herrschafts­bewusstsein.

Plakate: »Am 17.11.2011 Bundesweiter Bildungsstreik« und »Am 17.11.2011 Für Solidarität und Freie Bildung«.

Die De­mons­tran­ten nann­ten in der Form sehr laut und basie­rend auf ihren Erfah­run­gen die Kritik­punkte, die ihnen das Lernen erschwe­ren, ohne auch gleich nach alter­na­tiven Inhal­ten zu sehen. Da ging es um das »Turbo-Abi« nach acht Jahren, das ein Jahr eher als bisher den Zugang zur Uni­ver­si­tät mit einem »Doppel­jahr­gang« eröff­nen soll. Dahin­ter steht die Angst der deutschen Wirt­schaft, die befürch­tet, dass deutsche Jung­manager »zu spät« auf dem Arbeits­markt ankom­men. Ein weiterer »quanti­tati­ver« Kritik­punkt: die Klas­sen sind in den Schulen immer noch deutlich zu groß. Da ändert sich auch nichts grund­sätz­lich in den Bundes­ländern.

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler machten deutlich: Ihre Schule darf insge­samt nicht länger zum »Nürn­berger Trichter« verkommen: Schnelle, unkri­tische Auf­nahme von Wissens­stoff und mecha­nisches »Aus­kotzen« bei der nächsten Prüfung (»Buli­mie-Didak­tik«). Ähn­lich sehen es die Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten, wenn sie die Bache­lor-Studien­gänge kriti­sieren: schnelles Pauken für einen schnellen Abschluss.

Demonstranten mit SDAJ-Fahne.

Die De­mons­tran­ten zeigen auf, dass diese Beschleu­ni­gun­gen längst ihre Kehr­sei­ten in Schulen und Uni­ver­si­täten zu erkennen gegeben haben. Die »Ver­dich­tung« des Unter­richts führe zu einer Redu­zie­rung des Zeit­budgets. Sozia­les, poli­ti­sches, kultu­relles Engage­ment bleibe auf der Strecke. Vereine, Par­teien gehe der Nach­wuchs aus. Es fehle sogar an »Freizeit«. In der Uni könne nicht mehr frei gewählt werden, Veran­stal­tun­gen seien über­füllt, Warte­zeiten würden verlängert.

Anatol Gunkel, Schüler­spre­cher am Schiller-Gym­na­sium in Köln kriti­siert ins­be­son­dere das Tur­bo-Abi­tur nach acht Jahren. Leis­tungs­kurse seien mit 30 Schü­le­rin­nen und Schü­lern überfüllt, Unterricht dauere teilweise von 8 bis 18 Uhr. Gunkel: »Das drei­glie­dri­ge Schul­sys­tem ist über­holt und unge­recht.« Er fordert, Geld in die Bildung zu stecken statt hun­derte Milli­arden Steuer­gelder an die Ban­ken zu verteilen.

Demonstranten mit roten Fahnen und Transparent: »Zusammen kämpfen gemeinsam streiken«.

Wie Hoch­schul­po­li­tik mit der Andro­hung von Straf­an­zei­gen durch­ge­setzt wird, zeigte sich an der Lud­wigs-Maxi­mi­lians-Uni­ver­si­tät in Mün­chen. Dort sicher­te die Polizei Hör­säle vor einer Beset­zung. Beson­ders wütend sind Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten in Bayern, weil sie dort immer noch Studien­gebüh­ren zahlen müssen.

Welche Klassen­interes­sen die Kon­zerne in dieser Auseinan­der­set­zung ver­fol­gen, wieder­holte Klaus Stein als Vertre­ter von »Occupy­cologne« auf dem Rudolf­platz in Köln: »Wir sind Teil der Bewe­gung, die in den vergan­genen Wochen überall in der Welt große Aktio­nen zu­stande gebracht hat. Wir demons­trie­ren gegen die Macht der Banken. Wir finden es falsch, dass die Regie­rungen Riesen­summen für die ohne­hin schon Reichen raus­schmeißen. Das ist unso­zial und undemo­kra­tisch. Wir wol­len Demo­kra­tie jetzt.« Dezi­diert kriti­sierte er die Rolle des Bertels­mann-Kon­zerns, der poli­tische, ideo­lo­gische und öko­no­mi­sche Vor­ga­ben liefere: Das »Hochschul­frei­heits­gesetz« öffnet den Kon­zer­nen über die Hoch­schul­räte den Zu­griff auf die Uni­ver­si­täten.

Demonstranten in Video-Fenster.

Stein: »Wir erkennen, dass die herr­schende Poli­tik nicht im Inter­esse kom­mender Genera­tio­nen han­delt, sondern nur Löcher im der­zei­tigen Sys­tem stopft. Ban­ken und Kon­zerne, aber auch die Bun­des­wehr haben an den Schu­len und Hoch­schulen nichts zu suchen. Wir wollen eine demo­kra­tische All­ge­mein­bil­dung statt nur kurz­fristig verwert­barer Quali­fika­tio­nen. Schule darf nicht weiter nach Arm und Reich sor­tieren. Wir wol­len Bil­dung für alle!«

Für diese Forderun­gen wurden deut­liche Sig­nale gesetzt. Jetzt for­dern neben vielen ande­ren Orga­ni­sa­tionen auch Gewerk­schaf­ter, die SDAJ und die DKP, dass der Druck verstärkt werden muss.

Ernst Engels