Jugend

Jugend ohne Job

ILO zieht ei­ne er­nüch­tern­de Bi­lanz

Kind am Webstuhl.

24.01.2014 | Der in Genf ver­öf­fent­lich­te Jah­res­be­richt der Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on der UNO (ILO) zieht ei­ne er­schre­cken­de Bi­lanz: Welt­weit stei­gen­de Ar­beits­lo­sig­keit, die Ar­beits­lo­sen­ra­te ist bei Ju­gend­li­chen drei mal so hoch wie bei Er­wach­se­nen und das an­ge­kün­dig­te mil­li­ar­den­schwe­re Pro­gramm der EU ge­gen Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit blieb oh­ne »mess­ba­re Aus­wir­kun­gen«.

Als we­sent­li­che Ur­sa­che für die welt­wei­te Re­kord­ar­beits­lo­sig­keit se­hen die ILO-Ex­per­ten ei­ne »hart­nä­cki­ge Nach­fra­ge­schwä­che« und ei­ne Spar­po­li­tik der Re­gie­run­gen, die die Wirt­schafts­kraft vie­ler Län­der wei­ter schwä­che. Die Ilo kri­ti­siert, die Nied­rig­zins­po­li­tik in USA und Eu­ro­pa be­güns­ti­ge die Fi­nanz­märk­te und Un­ter­neh­men wäh­rend Pri­vat­haus­hal­te da­durch Ein­kom­mens­ver­lus­te ver­zeich­nen.

Welt­weit sei­en, so die ILO-Ex­per­ten, der­zeit 202 Mil­lio­nen Men­schen oh­ne Be­schäf­ti­gung, al­so rund 5 Mil­lio­nen mehr als im Jahr da­vor. Für das Jahr 2018 rech­net man mit 215 Mil­lio­nen Job­su­chen­den. Jun­ge Men­schen im Al­ter zwi­schen 15 und 24 Jah­ren sei­en be­son­ders stark be­trof­fen. Fast 75 Mil­lio­nen von ih­nen hät­ten im ver­gan­ge­nen Jahr kei­nen Ar­beits­platz ge­habt. Ei­ne Mil­li­on mehr als im Vor­jahr. In »Kri­sen­län­dern« wie Por­tu­gal, Ir­land oder Grie­chen­land nimmt die ab­so­lu­te Zahl der Be­schäf­tig­ten ab. Bei drei Vier­tel der weg­ge­fal­le­nen Ar­beits­plät­ze han­del­te es sich um Jobs jun­ger Men­schen.

In der sog. Lis­sa­bon­stra­te­gie der EU aus dem Jahr 2000 nah­men sich die eu­ro­päi­schen Re­gie­run­gen vor, die EU zur wett­be­werbs­fä­higs­ten Wirt­schafts­zo­ne der Welt zu ma­chen. Die Ver­lie­rer die­ses Wett­be­werbs sind ganz of­fen­sicht­lich die Be­schäf­tig­ten und in be­son­de­rem Ma­ße Ju­gend­li­che in Eu­ro­pa. Die­ser Wett­be­werb hat sie zur Stre­cke ge­bracht.

Und da schreibt Hans Wer­ner Sinn, Chef des Münch­ner IFO-In­sti­tuts am 18.12.13 in der SZ un­ter der Über­schrift »Al­les Präch­tig«: Wäh­rend es in den EU-Län­dern, die deut­sche Ex­por­te ein­füh­ren, »da­hin­düm­pelt« (Frank­reich), oder na­he­zu »ei­ne Ka­ta­stro­phe« statt­fin­det (Ita­li­en), sei­en die Zu­kunfts­aus­sich­ten der Ex­port­na­ti­on Deutsch­land »präch­tig«. Die Kri­sen­län­der der EU wür­den nur ge­sun­den, so Sinn, wenn sie Über­schüs­se in den Leis­tungs­bi­lan­zen schaff­ten und durch sin­ken­de Löh­ne im in­ter­na­tio­na­len Kon­kur­renz­kampf auf­hol­ten.

­Was da emp­foh­len wird, kri­ti­siert ge­ra­de die ILO weil es die Kri­se ver­stärkt, wie Er­fah­rung der Kri­sen­län­der zei­gen. Die Ilo weist ge­ra­de dar­auf hin, dass Ein­spa­run­gen bei Löh­nen und So­zi­al­leis­tun­gen die Nach­fra­ge re­du­zie­ren mit der Fol­ge wirt­schaft­li­cher Sta­gna­ti­on, ver­min­der­tem Wachs­tum, ver­min­der­ter Steu­er­ein­nah­men und er­neu­tem An­stieg der Schul­den und Zins­las­ten so­wie wei­ter stei­gen­der Ar­beits­lo­sig­keit.

Es ist die Po­li­tik der Troi­ka, die Eu­ro­pa spal­tet. In Über­schuss- und De­fi­zit­län­der, in auf­ge­bläh­te Fi­nanz­märk­te und im­mer mehr klam­me Pri­vat­haus­hal­te, in rei­cher wer­den­de Gro­ß­ver­mö­gens­be­sit­zer, für die »al­les präch­tig« ist und Mil­lio­nen Ju­gend­li­che oh­ne Job und oh­ne Zu­kunft. Von die­ser Po­li­tik pro­fi­tie­ren eu­ro­pa­weit na­tio­na­lis­ti­sche, rechts­po­pu­lis­ti­sche und neo­fa­schis­ti­sche Kräf­te. Vor die­sem Hin­ter­grund fin­det ih­re An­ti-Eu­ro­pa-Dem­ago­gie ei­nen frucht­ba­ren Bo­den.

D­a­ge­gen geht es um den Kampf für ein Eu­ro­pa der So­li­da­ri­tät, des ge­mein­sa­men Han­delns al­ler von die­ser Po­li­tik Be­trof­fe­nen. Ein Wirt­schafts­sys­tem, das Mil­lio­nen Ju­gend­li­chen die Zu­kunft stiehlt darf nicht die Zu­kunft Eu­ro­pas sein.

Text: Walter Listl
Foto: ILO