Jugend
Jugendpolitik der DKP
Am 23.03.2014 beschäftigte sich der Bezirksvorstand der DKP Rheinland mit dem Thema Arbeiterjugendpolitik; voraus ging ein Gespräch mit Vertretern des Landesarbeitsausschuss (LAA) der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) Rheinland, dessen Ergebnisse ins Referat einflossen, insbesondere die SDAJ-Kampagne zur Arbeiter Jugend Politik »Unsere Zukunft statt eure Profite«. Großes Gewicht legte der Bezirksvorstand auf die Aktion »Revolution Bildung« der IG-Metall-Jugend.
Es ist nicht die Unzufriedenheit die mobilisierend wirkt, sondern viel mehr das Vorhandensein von Zukunftsvorstellungen, Forderungen, in denen man sich mit anderen einig ist, deren Solidarität man spüren und erleben will. Wenn wir uns an die Großdemonstration der IGM-Jugend »Aktion Übernahme« in Köln erinnern, dann war sie doch geprägt davon, dass es der Gewerkschaftsjugend gelungen ist, vor allem in den Lehrwerkstätten der Großbetriebe zu mobilisieren. Und genau diese »Delegationen« bestimmten die kämpferische Stimmung auf dieser Demo. Also eher jene, denen es noch »besser« geht als vielen ihrer Kolleginnen in Klein- und Mittelbetrieben. Der entscheidende Unterschied liegt offensichtlich darin, dass hier Gewerkschaft, JugendvertreterInnen und Betriebsräte vorhanden und aktiv sind.
Referat Jugendpolitik der DKP
Liebe GenossInnen,
so ziemlich genau vor 11 Jahren am 15.03.2003 fand im Bezirk Rheinland-Westfalen in Düsseldorf das Jugendtribunal der DKP statt. Bis heute sind noch einige Exemplare der damals entstandenen Broschüre erhalten, und ich versichere Euch, sie ist in vielfacher Hinsicht noch aktuell. Ich zitiere aus der Eröffnungsrede:
»So werden wir auf diesem Tribunal beweisen, dass die Bundesregierung das Grundgesetz und die Verfassung bricht, wenn sie den Bildungs- und Jugendetat so drastisch kürzt, wie sie es tut und weiter plant, und wenn sie bei der betrieblichen Ausbildung die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmer und das Kapital so gestaltet, dass ausschließlich die Profite gesichert werden, und sie somit der Jugend die Zukunft versauen.
Wir werden auf diesem Tribunal auch beweisen, dass die großen Konzerne gegen das Recht auf Berufsfreiheit verstoßen und Tausenden von Jugendlichen eine qualifizierte berufliche Ausbildung und eine gesicherte Arbeit verweigern.
Wir werden auf diesem Tribunal beweisen, dass es das kapitalistische System ist, das zu Krieg, Massenarbeitslosigkeit und Armut führt, dass es keineswegs so ist, dass dieses Wirtschaftssystem die genannten Probleme nicht lösen könnte, sondern dass es so ist, dass dieses System genau diese Probleme schafft.«
Natürlich sage ich euch damit nichts Neues, aber ich wollte es dennoch an den Anfang meiner Ausführungen stellen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben uns vorgenommen, auf dieser BV-Sitzung das Thema Jugendpolitik zum Schwerpunkt zu machen. Darunter verstehe ich, dass wir uns zum einen über die Lage der Jugend ein genaueres Bild verschaffen; das geht nicht ganz ohne Zahlen, aber ich habe mich bemüht, sie nur in dem Teil »Berufliche Bildung« zu benennen.
Zum zweiten – denke ich – kommt es darauf an, Schlussfolgerungen für unsere konkrete Politik zu ziehen. Mit welchen Forderungen, Zielen, mit welchen Inhalten wollen wir speziell Jugendliche ansprechen, mit ihnen in die Diskussion kommen. Hier sollten wir uns möglichst über konkrete Projekte verständigen, die wir in den Gruppen und Kreisen diskutieren und entsprechend den jeweiligen Möglichkeiten umsetzen.
In Vorbereitung dieser Sitzung hat ein gemeinsames Gespräch mit dem LAA der SDAJ und unserem Sekretariat stattgefunden, in dem wir diese Fragen ebenfalls diskutiert haben. Zu den Ergebnissen später.
Zur Lage der Jugend
Unser Schulsystem siebt nicht nur radikal aus, es trägt aktiv dazu bei, dass Kinder aus Arbeiterfamilien oder noch extremer bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund oder aus Familien, deren Eltern ungelernte Tätigkeiten verrichten – wenn sie denn überhaupt eine Arbeit haben – dass diese Kinder bei der Förderung ihrer Lernpotenziale und Kompetenzen benachteiligt werden.
Die Ergebnisse aus Pisa 2006 zeigen, dass in kaum einem anderen vergleichbaren Industriestaat der Schulerfolg so sehr vom Einkommen und Bildung der Eltern abhängig ist wie in Deutschland.
Die Schulleistungsstudie IGLU und PISA unterschiedlicher Jahre haben gezeigt, dass die Abhängigkeit des schulischen Erfolgs von der Schichtzugehörigkeit in der Sekundarstufe deutlich ausgeprägter ist als in der Grundschule. Das heißt, soziale Ungleichheit in den Bildungschancen und im Risiko von Bildungsarmut nimmt im Laufe der Pflichtschulzeit zu.
Die Zahlen weisen überdeutlich nach, dass der Schulabschluss der Eltern sowie die Tatsache, ob die Kinder aus einer Familie mit oder ohne Migrationshintergrund kommen, maßgeblich dafür ist, mit welchem Schulabschluss und welchen Kompetenzen ein Kind/Jugendlicher die Schule verlässt.
Diese Zahlen und Aussagen entstammen übrigens, soweit nicht anders benannt, aus einer Studie, die vom DGB in Auftrag gegeben wurde.
Welche enormen Auswirkungen der Schulabschluss auf den weiteren Lebensweg eines jungen Menschen hat, können wir uns ja schon vorstellen, aber dazu später.
An diesen wenigen Aussagen wird aber deutlich, wie gewichtig alle Forderungen nach einem durchlässigen Schulsystem sind, bis hin zu einer Schule für alle, die das Ziel hat, dass Kinder unabhängig ihrer sozialen Herkunft, ihrer Zugehörigkeit von sowieso schon benachteiligten Gruppen in unserer Gesellschaft beschult und wenn nötig gefördert werden.
Dazu gehören auch entsprechend ausgebildete Lehrer in kleinen Klassen. In Schulen, die so ausgestattet sind, dass Lernen und Lehren Spaß macht.
Rotstiftpolitik hat an unseren Schulen nichts zu suchen. Im Gegenteil, eine immer größer werdende Anzahl von Schulen benötigen grundlegende Renovierungen bzw. Neubauten. Statt dessen erleben wir Schulen, in die es hinein regnet, oder solche, in denen die SchülerInnen einen monatlichen Obolus zB für die Reinigung der Toiletten mitbringen müssen.
Immer häufiger werden Schulbücher, Taschenrechner und anderes Lernmaterial empfohlen, weil die Schulen es sich nicht mehr leisten können, ihre SchülerInnen damit auszustatten. Ob Eltern sich diese Kosten leisten können, danach wird nicht gefragt.
Wissen ist zugleich auch Selbstbewusstsein, ist Erkenntnis und die Fähigkeit, besser für die eigenen Interessen aktiv zu werden. Insofern ist Wissen auch Macht und kann damit den Herrschenden in unserem Land gefährlich werden. Das ist schließlich ein Grund dafür, warum lange nicht alle Menschen damit gleichermaßen ausgestattet werden.
Wir sind uns einig mit der LSV NRW in der Forderung einer Inklusiven Ganztagsgesamtschule mit den zentralen Zielen: Abschaffung von Noten, ein inklusives Schulsystem, eine Schule, in der Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen (Schule der Vielfalt) unabhängig von sozialen und sexuellen Unterschieden sowie körperlichen und geistigen Bedingungen. Wir weisen aber auch darauf hin, dass eine solche Schule nicht mit den vorhandenen Mitteln zu realisieren ist. Sie verlangt nicht nur die Bereitstellung von wesentlich mehr Mitteln für die Lehrer, die Ausbildung von Lehrern, die Ausstattung der Schulen mit Lehrmaterialien und Sozialpädagogen und nicht zuletzt eine demokratische Schule, in der Schüler, Eltern und Lehrer die Inhalte und Lernziele bestimmen.
Vor gut zehn Jahren mussten die Kultusminister auf massiven Druck ihrer Länder-Regierungschefs die Schulzeit bis zum Abitur von zuvor 13 auf 12 Schuljahre verkürzen. Dagegen gab es starke Proteste und Schulstreiks, aus denen heraus sich eine beharrliche Arbeit von Initiativen entwickelte.
Die Initiativen verwiesen darauf, dass in allen Meinungsumfragen der übergroße Unmut der Eltern über das »Turbo-Abi« deutlich werde. Dort, wo Eltern nach erfolgreichen Protesten heute zwischen dem Abitur nach 9 oder 8 Jahren frei wählen könnten, gebe es eine »klare Abstimmung mit den Füßen hin zum längeren Lernen«.
Ein breites Bündnis von Eltern, SchülerInnn, LehrerInnn, ÄrztInnen und PsychotherapeutInnen macht sich bundesweit für die Rückkehr zu einer 13-jährigen Schulzeit bis zum Abitur stark. Es gebe »kein einziges pädagogisches Argument« für das »Turbo-Abi« nach nur acht Jahren am Gymnasium (G8), sagte die Sprecherin der Initiative, die Psychologin Anja Nostadt. G8 führe zu mehr Stress, mache mehr Kinder krank. Zugleich litten sportliche, soziale und kulturelle Aktivitäten.
NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen wollte davon bislang nichts wissen. Noch im Februar stellte sie klar: »Eine Rückkehr zu G9 wird es nicht geben.« Doch der Druck wächst, und Löhrmann reagiert: Jetzt kündigte sie an, einen runden Tisch zu diesem Thema einzurichten.
Hier wird deutlich, wie Aktionen der SchülerInnen selber, beharrliche Arbeit der SchülerInnenvertretungen auf allen Ebenen, Initiativen und die Abstimmung mit den Füßen – das Anmeldeverhalten der Eltern (an den Schulen mit G9 ) – Druck erzeugen können, der zumindest wieder neue Spielräume schafft.
Ich möchte zu einem ganz besonderen Lehrinhalt an unseren Schulen kommen:
Die Bundeswehr hat an den Schulen unseres Landes nichts verloren. Wir wollen eine Erziehung zu Toleranz und Frieden an den Schulen. Die Bundeswehr schafft weder Frieden noch Toleranz ebenso wie Waffenlieferungen, egal wohin, niemals zur Lösung von Konflikten beitragen können. Und genauso ist die Bundeswehr kein akzeptabler Ort der Ausbildung; hier kann Mann oder Frau nicht fürs Leben sondern nur für den Tot und Unterdrückung lernen. Wir fordern die Landesregierung auf, sofort die Vereinbarungen mit der Bundeswehr zu lösen, durch die Schulen gezwungen werden, der Bundeswehr Zugang zu gewähren. Und als DKP, als Elternvertreter, als Mitglieder in den Gewerkschaften, in Friedensinitiativen sollten wir genau überlegen, ob es nicht möglich ist, es zumindest an einer Schule in unserem Land zu schaffen sie zu einer Bundeswehrfreien Zone zu erklären. Denn wir können es nicht alleine als eine Aufgabe der Schülerinnen und Schüler betrachten, diesen Kampf zu führen. Dabei sollte es uns nicht in erster Linie darauf ankommen, in Podiumsdiskussionen mit Bundeswehroffizieren an den Schulen zu diskutieren, sondern erfolgversprechender scheinen mir Diskussionen in Elternräten, mit LehrerInnen in der GEW und den SVen und natürlich mit den SchülerInnen selber. Wir sollten also überlegen, an welchen Schulen wir gemeinsam mit der SDAJ Kraft und Zeit investieren, eine Friedensinitiative auf die Beine zu stellen, die sich ein solches Ziel vornimmt.
Welche Perspektive diese Gesellschaft der Jugend zu bieten hat wird insbesondere an dem nächsten Punkt deutlich:
Jugendarbeitslosigkeit
Im Ausbildungsreport 2013 der DGB-Jugend wird festgestellt, dass der Ausbildungsmarkt für junge Menschen zunehmend gespalten ist. Es droht eine »Zweiklassengesellschaft« bei der Ausbildung in Deutschland:
»Ein Teil der Jugendlichen, vor allem jener mit gutem Schulabschluss, profitiert von der demografisch bedingten leichten Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt«, denen es leichter falle als noch vor wenigen Jahren, einen Ausbildungsplatz zu finden. »Für die anderen erhöht sich dagegen das Risiko, dauerhaft vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen zu bleiben.«
Gerade einmal zwei Drittel der Ausbildungsinteressierten kommen überhaupt in eine Ausbildung, die anderen werden mit Alternativen und Abstellgleisen abgespeist, zum Beispiel den Maßnahmen im Übergangsbereich – im Jahr 2012 waren 266.000 junge Menschen betroffen. 1,4 Millionen Jugendliche zwischen 20 und 29 haben keine Ausbildung und keinen berufsqualifizierenden Abschluss, das sind fast 15 Prozent dieser Altersgruppe.
Die soziale Herkunft spielt eine immer größer werdende Rolle. Je reicher die Eltern, desto besser die Ausbildung. Wer der Arbeiterklasse angehört, hat von Grund auf schlechtere Ausgangsbedingungen. Das beginnt in frühester Kindheit, gilt für die schulische Ausbildung und ist Ausgangslage für die berufliche Entwicklung. Tendenz steigend.
Und die Voraussetzungen werden immer schwieriger, denn die Zahl der ausbildenden Betriebe sinkt kontinuierlich. Ihr Anteil liegt zurzeit bei 21,7 Prozent – kein Wunder, dass auch die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge erneut zurückgegangen ist. Sie lag im Jahr 2012 bei 551.272 – der niedrigste Wert seit 2005. Der Kampf um eine Ausbildungsstelle verschärft sich also weiter. Und wer eine Ausbildung ergattert hat, hat damit noch keine Perspektive auf eine feste Arbeitsstelle, denn nach der Ausbildung ist lange nicht gewährleistet, dass Jugendliche auch übernommen werden – schon gar nicht im erlernten Beruf.
Im Ausbildungsreport heißt es dazu:
»Die Hoffnung auf eine Übernahme nach der Ausbildung erfüllt sich keineswegs für alle. Von den Auszubildenden im letzten Ausbildungsjahr hatten lediglich 40 Prozent eine Zusage für eine Übernahme und etwa 14 Prozent wussten, dass sie nicht übernommen werden. Die restlichen 45 Prozent hatten noch keine Auskunft.«
Und auch die Beschäftigungsverhältnisse insgesamt haben sich für Jugendliche in der BRD dramatisch verändert. Von prekärer Beschäftigung, Leiharbeit und Werkverträgen sind Jugendliche besonders betroffen. Mit dem Geld, das sie für ihre Arbeit bekommen, ist häufig ein gutes Leben nicht zu gewährleisten. Sie werden häufig nicht nur zu Dumpinglöhnen eingesetzt, sondern werden automatisch benutzt zur Spaltung der Belegschaften und sind natürlich auch diejenigen, die zuerst ihre Arbeit verlieren.
Und dann kommt Hartz IV!
2012 mussten offiziell fast 800.000 Jugendliche zwischen 15 und unter 25 Jahren von Hartz IV leben, ein Anteil von etwa 8,6 Prozent. Damit ist nahezu jeder zwölfte Jugendliche abhängig von »Sozialleistungen nach Hartz IV«.
Die SDAJ Rheinland Westfalen schreibt auf ihrer Internetseite:
»Die Unternehmer versprechen jedes Jahr mehr Ausbildungsplätze, aber es wurden in den letzten Jahren 15% aller Ausbildungsplätze vernichtet. Jedes Jahr erhalten Zehntausende keine Lehrstelle und der Bedarf steigt weiter an. Die Unternehmer wollen ihre Fachkräfte fertig bereitgestellt bekommen und kein Geld mehr für Ausbildung ausgeben. Dies ist ganz in ihrem Profitinteresse, schon heute werden 60% der Ausbildungskosten vom Staat bezahlt.
- Wir setzen uns ein für ein Lehrstellengesetz, dass die Unternehmer zwingt, Ausbildungsplätze zu schaffen und die Übernahme im erlernten Beruf zu garantieren.
- Das allein reicht aber nicht aus, deshalb treten wir für eine umfangreiche Arbeitszeitverkürzung ein und fordern die 30-Stunden-Woche für mehr Arbeitsplätze und das grundsätzliche Recht auf Arbeit und Ausbildung.«
Die SDAJ fordert ein Ausbildungsplatzgesetz:
- Jeder Jugendliche hat ein Recht auf einen Ausbildungsplatz.
- Jeder Betrieb muss 10% der Arbeitsplätze als Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen.
- Wer nicht ausbildet muss zahlen! Gezahlt wird in einen Ausbildungsfond, aus dem neue Lehrstellen finanziert werden.
- Das Recht auf eine unbefristete Übernahme im erlernten Beruf wird garantiert.
- Quotierte Vergabe von Lehrstellen an Mädchen entsprechen den Bewerbungen.
- Keine Diskriminierung von Jugendlichen ausländischer Herkunft.
- Keine Diskriminierung von Behinderten.
- Erhöhung der Auszubildendenvergütung, damit ein eigenständiges Leben möglich ist.
- Breite Grundausbildung und Erhalt des dualen Systems«
Die DKP unterstützt diese Forderungen. Wir wissen aber auch, dass eine breite Bewegung notwendig sein wird, um diese Forderungen durchzusetzen. Und eine solche Bewegung muss aus den Betrieben kommen zumindest aber mitgetragen werden von Belegschaften, Betriebsräten und Jugendvertretern, von den Gewerkschaften. Es führt also kein Weg an der betrieblichen Arbeit vorbei, wenn er erfolgreich sein soll. Dazu bietet die »Revolution Bildung« der IGM Jugend hervorragende Anknüpfungspunkte. Auf ihrer Internetseite stellt die IGM Jugend fest:
»Auszubildende kommen oft nur mit Nebenjobs über die Runden. Viele Beschäftigte können sich Weiterbildung nicht leisten. Studierende jobben nebenbei, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. An den Schulen fällt Unterricht aus, Lehrkräfte sind überlastet und die Ausstattung veraltet. Eltern zahlen für die Bildung ihrer Kinder – wenn sie können. Jahrelang.
In einer Studie zu den Kosten der Umsetzung einer Ausbildungsgarantie in Deutschland wird festgestellt, dass sich die Investition von jährlich 1,5 Mrd. Euro lohnen würde. Denn stellt man diese Summe den Kosten des Übergangssystems und weiteren Folgekosten des Bildungssystems gegenüber, zeigt sich, dass die öffentlichen Haushalte langfristig das Doppelte der erforderlichen Kosten zurückgewinnen würden.
Statt Bildungsförderung herrscht Bildungsgeiz. Statt das Bildungssystem auszubauen, wird das Versagen finanziert: Deutsche Unternehmen investieren nur 0,7 Prozent ihrer Arbeitskosten in Bildung, die Bundesrepublik nicht einmal sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit liegt Deutschland in einer OECD-Studie weit hinten – auf Platz 30 der 36 ausgewerteten Staaten und deutlich unter dem europäischen Durchschnitt.«
Zum Übergang von Schule zu Berufsausbildung:
- Etwa die Hälfte der befragten Auszubildenden hat unmittelbar nach Schulabschluss mit der Ausbildung begonnen.
- Bei den übrigen lagen zwischen Schulabgang und Einstieg in die Ausbildung zum Teil mehrere Jahre.
- 39,5 Prozent der Auszubildenden sind nach einem Jahr in die Ausbildung eingestiegen, für immerhin 10 Prozent der Befragten lagen mehr als drei Jahre zwischen Schulaustritt und Ausbildungsbeginn.
Die Gründe für den verspäteten Ausbildungsbeginn sind vielfältig. Am häufigsten genannt wurde hier der Wunsch nach einem höherwertigen Schulabschluss (28,6 Prozent), gefolgt von der Tatsache, keinen Ausbildungsplatz gefunden zu haben (27,3 Prozent).
Nach wie vor haben junge Frauen bereits beim Zugang zur Ausbildung schlechtere Chancen in Ausbildung zu kommen als junge Männer. Nur 64,2 Prozent der ausbildungsinteressierten Frauen münden tatsächlich in eine Ausbildung, bei den ausbildungsinteressierten Männern liegt dieser Wert mit 68,6 Prozent etwas höher. Hier stellt sich die Frage nach dem Einstellungsverhalten der Betriebe, in denen oftmals noch tradierten Rollenbildern entsprechend Auszubildende ausgewählt werden. In der Folge ergreifen junge Frauen überdurchschnittlich häufig Ausbildungsberufe, die nicht unbedingt ihren ursprünglichen Interessen entsprechen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass viele der bei jungen Frauen vermeintlich beliebten Ausbildungsberufe von den Befragten nicht als Wunschberuf bezeichnet werden. So gaben nur 12,7 Prozent der angehenden Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandwerk an, eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf zu absolvieren, unter den Kaufleuten für Bürokommunikation und den Zahnmedizinischen Fachangestellten war es gerade einmal jede Fünfte. So verfügten beispielsweise 86,9 Prozent der angehenden Bankkaufleute über ein (Fach-)Abitur – ebenso wie 76,5 Prozent der Industriekaufleute. Demgegenüber lag der Anteil der Auszubildenden mit höchstens Berufsreife-Abschluss in diesen Berufen nur bei gut 1 Prozent.
Und wie sieht es aus wenn der Wettlauf um eine Lehrstelle trotz aller Widrigkeiten erfolgreich war? Zur Situation derjenigen die eine Ausbildungsstelle ergattert haben:
Fast ein Viertel der Auszubildenden (23,4 Prozent) machte seine Ausbildung in einem Beruf, der eigentlich nicht geplant war. Die Auszubildenden in den ungeplanten Berufen sind deutlich seltener zufrieden mit ihrer Ausbildung (56 Prozent) als die Auszubildenden in ihren Wunschberufen (81,5 Prozent).
Gerade bei diesen Auszubildenden ist die Gefahr einer Vertragslösung oder sogar eines Ausbildungsabbruchs entsprechend deutlich höher.
Jugendarbeitsschutz
Für Auszubildende, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, gelten bezüglich der Arbeitszeiten die gesetzlichen Vorgaben des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG), die den jüngeren Auszubildenden einen besonderen Schutz gewährleisten.
Trotz der weitreichenden gesetzlichen Regelungen gaben 16,5 Prozent der befragten Auszubildenden unter 18 Jahren an, durchschnittlich mehr als 40 Stunden zu arbeiten. Zudem macht mehr als ein Viertel der minderjährigen Auszubildenden (29,7 Prozent) regelmäßig Überstunden, von denen nur knapp die Hälfte dafür einen Freizeitausgleich bekommt. Nicht einmal die Fünf-Tage-Woche scheint für alle Auszubildenden unter 18 Jahren die Regel zu sein. So gaben 7,4 Prozent der minderjährigen Auszubildenden an, mehr als fünf Tage pro Woche im Betrieb zu arbeiten.
Ausbildungsplan
Von den befragten Auszubildenden haben nach eigenen Angaben nur 66,8 Prozent einen betrieblichen Ausbildungsplan. 33,2 Prozent gaben an, diesen nicht vorzuliegen zu haben – und dies, obwohl die Ausgabe an die Auszubildenden zwingend vorgeschrieben ist. Auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den Ausbildungsberufen. Während 96,1 Prozent der Bankkaufleute einen Ausbildungsplan bekommen haben, konnten nur 44 Prozent der TischlerInnen und 49,3 Prozent der MetallbauerInnen diese Frage bejahen.
Ausbildungsfremde Tätigkeiten
Nur etwa ein Drittel (33,7 Prozent) der befragten Auszubildenden gab an, »nie« für ausbildungsfremde Tätigkeiten eingesetzt zu werden, 2 Prozent weniger als im Vorjahr. Dabei regelt das Berufsbildungsgesetz eindeutig, welche Aufgaben und Tätigkeiten zu den Pflichten eines/einer Auszubildenden gehören. In weiten Teilen der Praxis sieht es aber nach wie vor anders aus: So geben 10 Prozent der Auszubildenden an, »immer« bzw. »häufig« mit ausbildungsfremden Tätigkeiten befasst zu sein. In der diesjährigen Befragung betraf dies vor allem angehende Maler- und LackiererInnen (35,4 Prozent), MetallbauerInnen (21 Prozent) und Hotelfachleute (17 Prozent). Am niedrigsten ist dieser Wert bei den zukünftigen Bankkaufleuten (3,9 Prozent) sowie bei den Auszubildenden im Bereich Fachinformatik (5 Prozent).
Bei den ausbildungsfremden Tätigkeiten zeigt sich erneut ein unmittelbarer Zusammenhang zur Betriebsgröße. So geben 15,1 Prozent der Auszubildenden aus Firmen mit unter fünf Beschäftigten an, »immer« oder »häufig« zu Aufgaben herangezogen zu werden, die nicht in ihren Ausbildungsplänen zu finden sind. Bei Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten waren dies lediglich 6,4 Prozent.
Berichtshefte
Das Führen des Berichtsheftes gehört zur Ausbildung. Der Arbeitgeber muss daher den Auszubildenden in ihrer Arbeitszeit die Möglichkeit geben, das Berichtsheft zu führen. Trotz der eindeutigen Regelung gaben 34,7 Prozent der Auszubildenden an, ihren Ausbildungsnachweis »nie« während der Ausbildungszeit zu führen, weitere 8,3 Prozent machen dies nur »selten«. Auch hier gibt es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen. Während nur 6,4 Prozent der Bankkaufleute und 7,3 Prozent der Industriekaufleute ihren Ausbildungsnachweis »nie« während der Ausbildungszeit führen, sind es beispielsweise bei den angehenden medizinischen Fachangestellten 55,4 Prozent, bei den TischlerInnen 52,3 Prozent und bei den VerkäuferInnen 51,6 Prozent.
Lohn / Nebenjobs
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2010 untersuchte die Nebentätigkeit von Auszubildenden. Befragt wurden dort die Auszubildenden aus dem zweiten Ausbildungsjahr aus 15 ausgewählten Berufen. Die Studie ergab, dass 27 Prozent der befragten Auszubildenden neben der Ausbildung jobbten. In der Untersuchung wurde auch nach den Gründen für die zusätzliche Arbeit gefragt. Die Ergebnisse unterstreichen dabei das Problem zu niedriger Ausbildungsvergütungen: 27 Prozent der Auszubildenden gaben an, dass sie ohne das zusätzliche Geld nicht ihre Grundversorgung, also Miete, Nahrungsmittel, u. ä. finanzieren könnten. Weitere 38 Prozent antworteten, dass sie den Nebenjob sowohl für die Grundversorgung als auch für zusätzliche Bedürfnisse bräuchten.
Ausbildungszeiten und Überstunden
Auszubildende sind keine ArbeitnehmerInnen im herkömmlichen Sinne. Sie haben einen Ausbildungsvertrag unterschrieben und sind laut Berufsbildungsgesetz im Betrieb, um den Ausbildungsberuf zu erlernen – sie sind also in einem Lernverhältnis. Dass dafür grundsätzlich keine Überstunden notwendig sind, erklärt sich eigentlich von selbst und ist auch durch die Ausbildungsrahmenpläne inhaltlich wie zeitlich abgesichert.
Dennoch gehören überlange Arbeitszeiten und von vornherein fest eingeplante Überstunden für viele Auszubildende zum Alltag. So geben 36,5 Prozent der Befragten an, regelmäßig Überstunden zu leisten. Mehr als drei Viertel (77,3 Prozent) davon müssen ein bis fünf Stunden pro Woche zusätzliche Arbeit leisten, knapp jedeR Fünfte (18 Prozent) muss wöchentlich sechs bis zehn Überstunden machen. Selbst Angaben von mehr als 20 Überstunden pro Woche (!) sind unter den Befragten zu finden (1,1 Prozent), wenn auch in etwas geringerem Umfang als im Vorjahr (1,7 Prozent). Insgesamt ist im Vergleich zur letztjährigen Befragung bei den Überstunden ein leichter Rückgang festzustellen.
Auch bei den Ausbildungszeiten und Überstunden bestehen jedoch nach wie vor deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen und Branchen. In den Industrieberufen und in den kaufmännischen Berufen sieht es nach Ansicht der Auszubildenden überwiegend gut aus. Hier stimmt die – oft tarifvertraglich geregelte – Arbeitszeit, und eventuell anfallende Überstunden werden zeitlich oder finanziell ausgeglichen.
Anders sieht es dagegen, wie auch schon in den letzten Jahren, vor allem bei den Auszubildenden im Hotel- und Gastgewerbe aus. Regelmäßige Überstunden, oftmals ohne Ausgleich, sind hier üblich und betreffen rund die Hälfte aller Auszubildenden in dieser Branche. Auch bei den Ausbildungen im Friseurhandwerk und im Fachverkauf des Lebensmittelhandwerks zeigt sich im Ranking eine hohe Arbeitsbelastung, zu großen Anteilen ohne einen finanziellen oder zeitlichen Ausgleich.
Auch diese Zahlen verweisen noch einmal sehr deutlich, dass eine qualifizierte berufliche Ausbildung in vielen Kleinbetrieben gar nicht möglich ist. Unser Ziel muss es also sein, die Konzernbetriebe in den Fokus des politischen Drucks insbesondere den der Gewerkschaften zu richten. Hier sind die besten Voraussetzungen für den Kampf um mehr und qualitativ gute Lehrstellen. Und sie sind durch Betriebsräte und Jugendvertretungen am ehesten zu kontrollieren.
Übernahme nach der Lehre
Für viele junge Menschen gestaltet sich auch dieser Übergang also von der Lehre in das Berufsleben nach wie vor sehr schwierig. So wussten 61,7 Prozent der Auszubildenden zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht, ob sie im Anschluss an ihre Ausbildung übernommen werden.
Nicht einmal ein Drittel (29,6 Prozent) hatte bisher eine Zusage erhalten, und 8,8 Prozent wussten bereits, dass sie nicht übernommen werden.
Von den Auszubildenden mit Übernahmezusage erhielten gerade einmal knappe zwei Drittel (63,7 Prozent) eine unbefristete Zusage, die anderen hatten unterschiedliche Befristungen. Von den Auszubildenden, denen bereits eine klare Absage vorlag, hatten 44,5 Prozent zum Zeitpunkt der Befragung keinerlei konkrete Perspektive, wie es mit ihnen im Anschluss an ihre Ausbildung weitergehen wird.
Benachteiligung von Frauen in der Ausbildung:
Wie dem Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2013 der Bundesregierung zu entnehmen ist, bestehen weiterhin deutliche Unterschiede bei der durchschnittlichen Höhe der Vergütungen zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden. Während männliche Auszubildende im Jahr 2012 in den alten Bundesländern im Durchschnitt 751 Euro brutto im Monat verdienten, erhielten weibliche Auszubildende dagegen durchschnittlich nur 715 Euro.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in den neuen Bundesländern: Dort kamen männliche Auszubildende im Durchschnitt auf 692 Euro, während ihre Kolleginnen nur 642 Euro erhielten. Dabei betonen die AutorInnen des Datenreports erneut, dass die abweichenden Vergütungsunterschiede ausschließlich aus der unterschiedlichen Verteilung von männlichen und weiblichen Auszubildenden auf die Berufe resultieren 22. Die Daten des Berufsbildungsberichtes stützen somit die Ergebnisse des Ausbildungsreports, der bereits in den vergangenen Jahren aufgezeigt hat, dass junge Frauen häufiger in Berufen mit niedrigeren Ausbildungsvergütungen ausgebildet werden als junge Männer und somit hinsichtlich der Vergütung strukturell benachteiligt sind.
Noch immer gibt es aber strukturelle Unterschiede zwischen männlich bzw. weiblich dominierten Berufsgruppen.
So leisten Auszubildende in den weiblich dominierten Berufen häufiger Überstunden als in den männlich dominierten, der Unterschied (40,5 Prozent zu 35,8 Prozent) ist wieder deutlicher ausgefallen als im Jahr zuvor (38,4 Prozent zu 36,3 Prozent). Noch deutlicher gestalten sich die Unterschiede bei der Regelung des Überstundenausgleichs. Drei Viertel der Auszubildenden in den überwiegend von Männern favorisierten Berufen können die Überstunden mit Freizeit ausgleichen oder bekommen die mehr geleistete Arbeit bezahlt. In den überwiegend weiblich geprägten Berufen trifft dies nur für die Hälfte der Auszubildenden zu. Lediglich 8,9 Prozent der Auszubildenden in den männlich dominierten Berufen gaben an, keinen Überstundenausgleich zu erhalten. Bei den hauptsächlich weiblich geprägten Ausbildungsberufen traf dies für 29 Prozent der Befragten zu.
Deutliche Unterschiede zwischen männlich und weiblich dominierten Ausbildungsberufen zeigen sich auch bei der Übernahmesituation. Während 35,8 Prozent der Auszubildenden in den männlich dominierten Berufsgruppen eine Übernahmezusage haben, ist dieser Anteil bei den Auszubildenden in den weiblich dominierten Berufen mit 22,8 Prozent deutlich niedriger.
Die dargestellten strukturellen Benachteiligungen im Bereich der von Frauen bevorzugten Ausbildungsberufe schlagen sich auch in der Gesamtzufriedenheit nieder. So lag der Anteil der »zufriedenen« und »sehr zufriedenen« Auszubildenden in den männlich dominierten Ausbildungen mit 76 Prozent erneut deutlich über dem der weiblich dominierten Berufe (65,4 Prozent).
Soweit zur Lage der Auszubildenden.
Wir haben es also in der schulischen wie der beruflichen Bildung mit weitreichenden Verschlechterungen in einem Ausmaß zu tun, dass man meinen könnte, dass sich massenhafter Protest entwickeln müssten. Wie wir alle wissen, ist dem aber nicht so. Jugendliche beteiligen sich zwar in ungefähr gleichbleibendem Maß an vorhandenen Protesten und Aktionen, wie auch jetzt gerade an den Warnstreiks der von ver.di, und bringen ihre Forderungen ein, aber es bleiben punktuelle Aktionen. In der Masse werden schlechter werdende Lebens-, Lern- und Arbeitsbedingungen hingenommen, bzw. auch Jugendliche versuchen in dieser Situation, »das Beste daraus zu machen«. Es wird nach individuellen Lösungen gesucht. Hierzu noch mal die Studie des DGB:
»Allerdings deuten die vorliegenden Befragungsergebnisse darauf hin, dass die Entscheidung, einen Alternativberuf zu ergreifen, häufig nicht auf neue bzw. erweiterte Interessenlagen der Jugendlichen zurückzuführen ist. Vielmehr scheint sich im Laufe der Zeit der Wunsch zu verstärken, überhaupt eine Ausbildung beginnen zu können, so dass die persönlichen Ansprüche an diese zunehmend gesenkt werden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Jugendlichen in ihrem »Kompromissberuf« dann auch glücklich werden. Denn auch in der Gruppe der »verspäteten AusbildungseinsteigerInnen« sind Auszubildende in Berufen, die nicht ihrem Wunsch bzw. ihren persönlichen Interessen entsprechen, deutlich unzufriedener als Auszubildende, die das Glück hatten, ihre Vorstellungen bei der Berufswahl realisieren zu können.«
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die platte Lüge, dass genügend Lehrstellen vorhanden wären, es aber an geeigneten BewerberInnen fehle, durchaus nicht ihre Wirkung bei Jugendlichen und Eltern verfehlt. Hinzu kommt die bürgerliche Berichterstattung über die Lage der Jugendlichen vor allem in Griechenland und Spanien, die auch bei uns Ängste schürt, Ansprüche herabsetzt und eben nicht mobilisierend wirkt. Wo und wann konnten Jugendliche die Erfahrung machen, dass Kämpfe, Arbeitskämpfe zu Erfolgen führten im Sinne von einer Verbesserung der Lage der Klasse? Wenn überhaupt, haben sie an Kämpfen teilgenommen oder diese eventuell beobachtet, die vom Charakter Verteidigungskämpfe waren, wo Schlimmeres verhütet wurde.
Um so wichtiger ist es, dass jetzt die Forderung nach der Übernahme nach der Ausbildung bei ver.di in die Tarifforderungen aufgenommen wurde. Deutlich sichtbar war die Verdijugend auch bei den Warnstreiks sichtbar.
Unzufriedenheit mit der eigenen Situation führt nicht automatisch zu aktivem Handeln für die eigenen Interessen. Zum eigenen Handeln gehört zumindest auch die Erkenntnis, dass die eigene Wünsche und Hoffnungen berechtigt und realisierbar sind. Dazu gehören Interessensvertretungen und das Wissen um die eigenen Rechte.
Es ist nicht die Unzufriedenheit die mobilisierend wirkt, sondern viel mehr das Vorhandensein von Zukunftsvorstellungen, Forderungen, in denen man sich mit anderen einig ist, deren Solidarität man spüren und erleben will. Wenn wir uns an die Großdemonstration der IGM-Jugend »Aktion Übernahme« in Köln erinnern, dann war sie doch geprägt davon, dass es der Gewerkschaftsjugend gelungen ist, vor allem in den Großbetrieben deren Lehrwerkstätten zu mobilisieren. Und genau diese »Delegationen« bestimmten die kämpferische Stimmung auf dieser Demo. Also eher jene denen es noch »besser« geht als vielen ihrer Kolleginnen in Klein- und Mittelbetrieben. Der entscheidente Unterschied liegt offensichtlich darin, dass hier Gewerkschaft, Jugendvertreter und Betriebsräte vorhanden und aktiv sind.
Unter den befragten Auszubildenden, die auf eine betriebliche Interessenvertretung zurückgreifen können, geben 82,2 Prozent an, mit ihrer Ausbildung »sehr zufrieden« oder »zufrieden« zu sein. Bei den Auszubildenden in Betrieben ohne Interessenvertretung waren dies nur 62,9 Prozent – und damit deutlich weniger. Umgekehrt sind nur 3,7 Prozent all jener mit ihrer Ausbildung »unzufrieden« bzw. »sehr unzufrieden«, die eine betriebliche Interessenvertretung an ihrer Seite wissen. Ohne diesen Beistand liegt der Anteil bei 11,1 Prozent und somit deutlich höher.
Die Aktion Revolution Bildung der IGM-Jugend die seit dem April 2013 läuft und die Großaktion am 27. September in Köln vorbereitet, ist in dem Zusammenhang ein beachtenswertes Projekt. Sie umfasst die schulische – wie die betriebliche – als auch die Ausbildung an den Unis. Teil dieser Revolution Bildung ist ein Bildungsmanifest, in dem es heißt:
»Bildung schafft Chancen – Bildung ist Persönlichkeitsentwicklung und sichert Arbeits- und Lebenschancen jedes einzelnen Menschen. Bildung entscheidet über die berufliche Perspektive und auch über das Einkommen.
Bildung ist eine entscheidende Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen.
Unser Bildungssystem bietet immer weniger Chancengleichheit: Der soziale Status der Eltern bestimmt die Zukunftschancen der Kinder. So wird Ungleichheit reproduziert und die soziale Spaltung gefestigt.
Ein Bildungssystem hat Demokratie und Emanzipation zu fördern und Menschen in die Lage zu versetzen, mitzubestimmen und das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Es ist Zeit zu handeln. Bildung ist die Antwort auf die kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fragen unserer Zeit.
Wir brauchen Angebote und Lösungen für alle.
Ein Schulsystem, das zulässt, dass Schüler oder Schülerinnen ohne Abschluss entlassen werden, ist ein Skandal. Wir brauchen mehr individuelle Förderung, damit alle die Chance auf einen Schulabschluss haben!
Alle Jugendlichen sollten auf Wunsch ein Ausbildungsangebot erhalten – und damit die Chance auf einen qualifizierten Einstieg ins Berufsleben.
Die Sicherstellung der Qualität in der Berufsausbildung hat oberste Priorität. Schmalspurausbildungen, bei denen es nur um die wirtschaftliche Verwertbarkeit geht, lehnen wir ab.
Eine politische Offensive zur Förderung der beruflichen Weiterbildung ist dringend geboten.
BILDUNG MUSS ALLEN ZUGÄNGLICH SEIN!
Wir müssen gerechte Bildungschancen schaffen.
Jedes Kind hat ein Recht auf frühkindliche Bildung und Förderung!
Unser Bildungssystem muss viel durchlässiger werden. Der Wechsel zwischen den Schularten muss erleichtert werden. Eine längere gemeinsame Schulzeit muss zu einem Leitbild der Bildungspolitik werden!
Wir brauchen mehr Zugangswege zum Studium. Eine abgeschlossene Berufsausbildung muss zur Aufnahme eines Studiums berechtigen! Und wir brauchen mehr berufsbegleitende Studiengänge.«
Das waren nur Auszüge, die deutlich machen sollen, dass wir uns einbringen und beteiligen sollten an der Revolution Bildung. Das geht vom Unterzeichnen des Manifestes bis hin zu Angeboten, die wir der Gewerkschaftsjugend vor Ort machen könnten, z. B. Materialien zu verteilen oder uns auch zur Diskussion zur Verfügung zu stellen. Da sollten wir nicht bis zum September warten, schon in Vorbereitung des 1. Mai gibt es mit Sicherheit Möglichkeiten, entweder Aktionen der Gewerkschaftsjugend zu unterstützen oder entsprechende Materialien z. B. an Berufsschulen zu verteilen. Eine Vielzahl solcher Materialien wird im Internet angeboten.
Darüber hinaus müssen wir uns natürlich auch überlegen, wie wir unseren Auftritt an dem zentralen Aktionstag selber organisieren. Es bedarf etwas Fingerspitzengefühl, unseren Beitrag so zu gestalten, dass er als hilfreich angesehen wird und nicht als parteiegoistisch.
Organisatorische Entwicklung der SDAJ
In dem Gespräch zwischen den Vertretern des LAA der SDAJ und dem Sekretariat des Bezirksvorstandes hat die SDAJ ihre organisatorische Entwicklung dargestellt. Sie verfügt zur Zeit über Gruppen in Köln, Aachen, Düsseldorf und jetzt auch in Siegen. Hier konnte die SDAJ mit Hilfe der DKP acht Mitglieder gewinnen und eine Gruppe gründen.
Schwerpunkt des Gespräches war die auf dem letzten Kongress der SDAJ beschlossene Kampagne zu Arbeiterjugendpolitik. Ihr Motto: Unsere Zukunft statt Eure Profite! Hierzu gibt es ein Material mit Argumenten und Forderungen bzw. Anforderungen an ein Ausbildungsgesetz. Ziel dieser Kampagne ist es, mit Outing-Aktionen besonders krasse Fälle von Ausbeutung, miesen Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Gleichzeitig sollen Kontakte zu den Gewerkschaften geknüpftt werden. Wir als DKP wollen diese Ziele unterstützen, der SDAJ behilflich sein und uns als Diskussionspartner anbieten. Dabei sollten wir nicht all zu hohe Anforderungen stellen, was die Schritte der SDAJ angeht, hin zu einem Arbeiterjugendverband. Hier wird auch von unserer Seite ein längerer Atem notwendig sein. Wir werden nicht umhinkommen uns mit Fragen der Qualität beruflicher Bildung auseinander zu setzen. Die ersten Aktionen der Kampagne sollen übrigens auf dem Pressefest dargestellt werden. Die SDAJ Rheinland hat uns vorgeschlagen, im Rahmen des Bezirksbeitrages auf dem Pressefest ebenfalls einen Beitrag zu leisten, darüber freuen wir uns, auch wenn im Moment noch nicht klar ist, wie dieser aussehen soll. Die SDAJ teilte uns mit, dass sie zu den EU-Wahlen ein eigenes Material erarbeitet hat, das demnächst zur Verfügung steht. Darüber hinnaus gibt es eine Zusage der SDAJ, im Arbeitskreis Bayer kontinuierlich mitzuarbeiten. Und sie werden prüfen, ob und mit welchen jungen GenossInnen eine politische Berufsberatung sinnvoll wäre. Auch über das LLL- Wochenende und eine gemeinsame Vorbereitung der Anreise haben wir uns verständigt.
Am Schluss dieses Gespräches waren wohl alle der Auffasung, dass wir eine gute Grundlage für die gemeinsame Arbeit geschaffen haben.
Dabei wissen wir wie beschränkt oder auch klein unsere Kräfte sind, aber gerade deshalb sollten wir das tun was wir leisten können.
Jetzt wird an den Programmen zur Kommunalwahl gearbeitet, da sollten wir die Forderungen nach einer 10 %igen Ausbildungsquote für alle kommunalen Betriebe aufnehmen, ebenso wie die Forderung nach Übernahme nach der Lehre. Gleichzeitig könnte dieser Forderungen ein wesentliches Kriterium sein, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.
In einigen Stätten in unserem Bezirk, wie in Solingen, gibt es Jugendparlamente, diese können hilfreich sein Jugendinteressen zu formulieren und für Bewegung zu sorgen auch das könnte eine Forderung für die Kommunalwahl darstellen.
In Vorbereitung des 1. Mai können wir der Gewerkschaftsjugend anbieten, uns an Aktionen und Verteilungen zu beteiligen.
Liebe GenossInnen
lasst mich zum Schluss noch auf die Jugendpolitische Beratung des Parteivorstandes hinweisen, die gemeinsam mit der SDAJ durchgeführt wird. Sie findet statt am 5. April 2014 in Köln in der Alten Feuerwache. Wir sollten uns aus unserem Bezirk nach Kräften daran beteiligen und unsere Erfahrungen einbringen.
Klaus Weißmann
Foto: Uwe Koopmann