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Hein Kolberg 90

Der Aachener Kom­munist Hein Kolberg ist am 21. Novem­ber 90 Jahre alt gewor­den

 

Hein Kolberg mit Gratulanten. Darüber Luftballons: »90«.

 

Dem achtzig­jäh­ri­gen Hein Kolberg, dem »vorbild­lichen Gewerk­schafter«, hatte der NRW-DGB-Bezirks­vorsit­zende Walter Haas die höchste Auszeich­nung des DGB verliehen, die Hans-Böckler-Medaille für seine »heraus­ragen­den Leistun­gen bei der Vertre­tung von Arbeiterinteressen«.

 

 

Jetzt gibt es ist einen Film über ihn. »Hein Kolberg – Ein Gewerk­schafter erin­nert sich«. Der DGB Aachen (DGB-Region NRW Süd-West) hat unse­rem Genos­sen zu seinem 90. Geburts­tag ein Denk­mal gesetzt. Die Aachener Nach­richten berichten an diesem Tag: »Unge­zählte Stunden saß ›der Hein‹ in den vergangenen zwei Jahren vor der Kamera. Und erzählte, erzählte, erzählte. Erin­nerte sich mit seiner einneh­men­den, rauen, tiefen Stimme im wasch­echten Öcher Tonfall an Geschich­ten und Geschichte. Aus den vielen Stunden ist ein mit Archiv­material, Fotos und Doku­menten unterlegter 90-minü­tiger Film geworden, bei dessen Urauf­füh­rung im Apollo-Theater rund 100 Gewerk­schafter, Freunde und politische Weg­gefähr­ten dem Hein Kolberg am Ende ergrif­fen und respektvoll applau­dier­ten. ›Unsag­bar stolz‹ übers gelungene Werk sagte Aachens DGB-Chef Ralf Woelk: ›Heins Erzäh­lungen helfen, gelebte Geschichte nicht zu verges­sen und bieten uns die Chance, aus ihr zu lernen.‹«

 

 

Eine Woche später, am folgen­den Samstag­nach­mittag, drängen sich etwa 200 Freunde und Genos­sen im Saal des Aachener DGB-Hauses, um den Jubi­lar zu feiern. Sie stehen Schlange, um Hein zu gratu­lieren. Die Reihe der Fest­red­ner beginnt mit dem jungen Ober­bürger­meister von Aachen, Marcel Philipp, CDU. Ange­sichts der jüngsten Erkennt­nisse über faschis­tischen Terror, verspricht er gemeinsam mit Hein gegen den »Rechts­extre­mis­mus« vorzu­gehen. Dann sprechen Dieter Jan, der Ver.di-Bezirks­sekretär, sowie Karl Schult­heis, SPD-MdL, Vor­sit­zen­der der AWO in Aachen und vor zwei Jahren unter­le­ge­ner OB-Gegen­kan­didat von Marcel Philipp. Es folgt die Reihe von Genos­sin­nen und Genos­sen, zunächst Tabea Becker von der Aachener SDAJ, Erich Meurer für die Kreis­organi­sation Aachen und Klaus Stein für den Bezirk Rhein­land-West­falen der DKP. Für die Aachener VVN hält Rainer Geginat eine Rede, in der er drei Stellen aus Brechts »Kom­mu­nis­ti­schem Mani­fest« ihrer aktuel­len Bedeu­tung wegen zitiert und kommentiert.

 

Danach wird es gemütlich. Es gibt reichlich Getränke, Suppe, Gespräche, Hein immer konzen­triert und geduldig. In Aachen unentbehrlich.

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Hein Kolberg 90

Lieber Hein.

Dass aus Dir etwas besonderes wird, ist Dir nicht in der Wiege gesun­gen worden. Das Leben, das Du bis 1947 geführt hast, das hatten viele. Ein Menge Leute hat dort gewohnt, wo Du aufgewachsen bist. Viele haben ihre Kindheit in Armut ver­bringen müssen. Viele sind es dann gewesen, die als Soldaten der faschis­tischen Wehr­macht Europa über­roll­ten. Nicht ganz so viele haben all das überlebt.

Aber nur wenige haben die Konse­quen­zen daraus gezogen, wie Du das gemacht hast. Das zeichnet Dich aus.

Viele haben noch in der Nach­kriegs­zeit gehun­gert, aber mit der als Wirt­schafts­wun­der beschrie­be­nen Kon­junk­tur, mit der Ein­füh­rung der D-Mark und der Flut von Waren dann auch ihren Frieden mit der west­lichen Eigen­tums­ord­nung gemacht. Du nicht!

Viele haben wieder Arbeit bekom­men und bei steigen­den Ein­kom­men ihren Frie­den mit dem Arbeit­geber geschlos­sen. Du nicht. Du hast Dich für Deine Kollegen einge­setzt und warst über­rascht, dass sie Dir Vertrauen geschenkt haben.

Die, die ihren kleinen Frieden mit dem Unter­nehmer und der kapita­lis­tischen Eigen­tums­ord­nung gemacht hatten, ließen im Großen Remi­li­ta­ri­sie­rung, Kalten Krieg und Auf­rüs­tung zu. Du hast Dich gewehrt.

Nach dem Krieg dauerte es nicht lange und die alten Nazis saßen wieder in den Ämtern und Behörden. Aus dem anti­faschis­tischen Kon­sens der Nach­kriegs­zeit war bald ein anti­kom­mu­nis­ti­scher geworden. In der Zeit wurdest Du Kom­mu­nist und bliebst es trotz viel­fäl­tiger Verfol­gung – und was manchmal schwerer zu ertra­gen ist – bös­arti­ger Dis­kri­mi­nie­rung.

Leider sind uns nicht so viele nach­gewachsen, dass wir auf Dich verzich­ten könnten. Die NATO hat vor kurzem Libyen bom­bar­diert. Angeb­lich wollte sie die Zivil­bevöl­kerung schützen. 50 000 Menschen hat dieser Schutz das Leben gekostet. Die erste Amts­hand­lung der neuen Regierung sind Han­dels­ver­träge bezüg­lich des Öls.

Am nächsten Wochen­ende wird in Peters­berg bei Bonn die Verlän­ge­rung des Krie­ges in Afgha­nis­tan und den Umfang der deutschen und euro­päischen Beteili­gung daran beraten.

In diesen Tagen wird deutlich, dass der Verfassungsschutz seit Jahren unter dem Vorwand, die NPD und andere faschistische Organisationen beobachten zu müssen, mittels V-Leuten just diese Organi­satio­nen finan­ziert, ihr Ent­stehen fördert und am Leben hält. Für den Fall krisen­hafter Entwick­lungen mit der Folge sozialer Unruhen, hält der kapita­listi­sche Staat nicht nur Polizei und Militär bereit, sondern offenbar auch faschisti­schen Terror gegen eine auf­begeh­rende Bevöl­kerung in Reserve.

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschis­mus: diese Forde­rung ist leider aktuell geblieben. Lieber Genosse Hein Kolberg, Du wirst noch gebraucht!

 

Klaus Stein, DKP-Bezirk Rheinland-Westfalen,
Aachen, 26. November 2011

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