Partei
Vor den Landtagswahlen – eine Bilanz
15. April 2012 | Rede der Vorsitzenden des Bezirks Rheinland-Westfalen auf der Landesmitgliederkonferenz der DKP in Bottrop
Bilanz der SPD/Grüne-Regierung seit 2010 und der Tätigkeit der Partei Die Linke im Landtag
Liebe Genossinnen und Genossen,
die Landesregierung unter Hannelore Kraft hat keine zwei Jahre gehalten. Gestattet mir, dass ich mit einem Rückblick etwas weiter aushole.
Am 21. April 1997, vor ziemlich genau 15 Jahren, hatte der französische Staatspräsident Jacques Chirac die Nationalversammlung aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen. Überraschend gewannen aber die Sozialisten die Wahl.
Chirac mußte am 2. Juni 1997 Jospin zum Premierminister ernennen. Jospins Regierung gehörten auch zwei Kommunisten an. Vor allem aber: mit dem Gesetz zur 35-Stunden-Woche wurde ein wichtiges Wahlversprechen eingelöst. Einige Monate darauf, im Oktober 1997, entzog die Rifondazione Comunista der italienischen Regierung ihre Unterstützung. Es ging ihr um die Verhinderung der Kürzung von Renten und Pensionen. Kurze Zeit schien es, als wenn die Kommunisten politischen Spielraum verlieren würden. Aber sie mobilisierten überall im Lande, es gab Massendemonstrationen, und erst, nachdem im neuen Regierungsprogramm die 35-Stunden-Woche versprochen worden war, konnte sich Prodi wieder auf eine Mehrheit stützen. Nicht nur in diesen beiden Europäischen Ländern wurde der Protest gegen Arbeitslosigkeit mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung verknüpft.
Der eine oder andere wird sich erinnern, dass das Jahr 1998 in ganz Europa durch Arbeitslosenproteste geprägt war.
Die Proteste hatten eine hinreichende Wucht, um Helmut Kohl, der seit 1982 im Amt war, als Bundeskanzler durch Gerhard Schröder abzulösen. Schröder gab in seiner Regierungserklärung zu: »Die Bundesregierung ist sich völlig im klaren darüber, daß sie ihre Wahl wesentlich der Erwartung verdankt, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrängen zu können.«
Diese Arbeitslosigkeit war indes nicht einer konjunkturellen Delle zu verdanken. Denn im Jahre 1997 hatte es ein Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent gegeben. Allerdings war auch die Arbeitsproduktivität gestiegen, die sogar um 3,7 Prozent. Nicht zufällig war am Ende des Jahres die Zahl der Arbeitslosen um 1,4 Prozent höher als zu Beginn. Wenn die Produktion hinter der Produktivität zurückbleibt, wird entlassen, solange Profit der Maßstab des Wirtschaftens bleibt. Diesen Zusammenhang wollte die neue Regierung vertuschen, um den Druck auf die Arbeitszeit abzuwehren. Die durfte nämlich auf keinen Fall gekürzt werden. Im Gegenteil.
Im Juni 1999 entstand das Schröder-Blair-Papier. Das gab vor, ein Modernisierungskonzept zu formulieren. Es ging aber in dem Papier um eine konzernfreundlichere Ausrichtung der Europäischen Sozialdemokratie. Der Sozialabbau wurde »Reform der Sozialsysteme« genannt, die Minderung der Löhne bekam den Namen »Flexibilisierung der Arbeitsmärkte« – im Kern wurde die Agenda 2010 vom Frühjahr 2003 vorweggenommen, deren Grundaussage Euch geläufig ist.
Im Schatten des Jugoslawienkrieges, der damals große Aufmerksamkeit beanspruchte, folgte die rot-grüne Bundesregierung bis in die Formulierungen hinein dieser Linie. Folglich strich sie im Juni 1999 die Arbeitslosenhilfe für Jugendliche, sorgte für die Minderung der Bemessungsgrundlage der Sozialversicherungsbeiträge bei Arbeitslosen sowie für weitere Einsparungen bei Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe. Erlös dieses Manövers: 10,4 Milliarden DM. Begründung in allen drei Fällen: Erhöhung des Anreizes zur Aufnahme bezahlter Arbeit.
Auch Lafontaine tutete damals in dieses Horn, als er »Arbeitslosengeld nur bei Bedürftigkeit« gewähren wollte. Sein Rücktritt als Finanzminister im März zusammen mit dem Schröder-Blair-Papier vom Juni 1999 markieren endgültig den Kurswechsel der SPD.
Der 98er Sieg der SPD ist folgerichtig schon 1999 wieder verspielt gewesen. Was sie den arbeitenden Menschen, den Rentnern und Arbeitslosen nahm, reichte die Regierung an die Reichen in Gestalt von Steuererleichterungen weiter. Allein unter Eichel, der im März 1999 Lafontaine als Finanzminister ablöste, wurde den Konzernen im Jahr 2001 durch eine Kürzung der Körperschaftssteuer 25 Milliarden DM pro Jahr geschenkt. Die drastische Umverteilungspolitik hielt seither an und hat die Zahl der SPD-Wähler, die 1998 bei über 20 Millionen lag, innerhalb von 10 Jahren auf weniger als 10 Millionen halbiert.
Im September 1999 verlor die SPD in NRW große Teile ihrer traditionellen Wählerschaft bei den Kommunalwahlen. Diese Niederlage hatte hauptsächlich die Wahlenthaltung vormaliger SPD-Wähler bewirkt. Die Wahlbeteiligung ging auf 58, in den kreisfreien Städten sogar auf 50,6 % zurück.
Die CDU kam 1999 landesweit auf 52,8 % (1994 43,6 %), gewann in fast allen Gemeinderäten des Landes die Mehrheit mitsamt den Bürgermeisterposten. Es war ein Erdrutsch. Das stetige Schwinden von Zustimmung zur SPD hat sicher mit der Deindustrialisierung des Ruhrgebiets zu tun, dieser Einbruch von 1999 aber wurde durch den offenen und brutalen Sozialabbau der Bundesregierung bewirkt. Schröder indes hielt an seiner Linie fest.
Neben den Arbeiterhaushalten belastete der Sozialabbau insbesondere die Kommunen. Die nahmen ihre finanzielle Lage zum Anlass, das so genannte Tafelsilber zu verkaufen, zu privatisieren, was nicht niet- und nagelfest war. Da gab es vielerlei Formen. Eine heißt Leasing. Man verkauft und mietet die Einrichtungen zurück. Kurzfristig wird ein Plus im Haushalt ausgewiesen, langfristig wird es teuer. Wenn dieses Leasing über die Grenze geht, heißt es Cross Border Leasing. Hier wurden zusätzliche Erlöse auf der Grundlage von Steuerlücken namentlich der USA erzielt, bis der Gesetzgeber dort diesem Betrugssystem ein Ende setzte. In vielen NRW-Gemeinden werden gegenwärtig unter hohen Verlusten derartige Verträge stillschweigend rückabgewickelt. Aber immer noch lassen sich die Kommunen zu so genannten PPP-Geschäften verführen, Private-Public-Partnership. Ein Investor bietet den Bau herrlicher Gebäude an. In Köln lockte der Oppenheim-Esch-Fonds mit dem Neubau eines Rathauses, der Messe und anderer Schmuckstücke. Er geht in Vorkasse, will dann aber hohe Miete. Nur sehr wenige Menschen verdienen damit Geld, viel Geld. Die Stadt muss zahlen, im Falle der Messe waren es 300 Millionen mehr, als wenn Köln sie in Eigenregie gebaut hätte. In Düsseldorf ist 1999 von der damaligen VEBA, heute Eon, per PPP der Kunstpalast und das Kunstmuseum privatisiert worden. In der Stiftung Museum Kunst Palast hat Eon das Sagen, allerdings geht dem Konzern gegenwärtig das Geld aus und nun ziert er sich, wenn es um Geld geht.
Alle diese Maßnahmen haben selbstverständlich die Kommunen weiter in die Schuldenfalle getrieben.
Beispiel Mülheim/Ruhr: auch hier bekam die CDU 1999 die Mehrheit. Dr. Jens Baganz von der CDU gewann ganz knapp. Er machte sich sogleich beherzt ans Privatisieren. Es wurde in Mülheim nicht lange diskutiert. Die Wasserwerke, die Trinkwasserleitungen, die Müllentsorgung, die Abwasserentsorgung, die Versorgung mit Gas und Fernwärme, der städtische Nahverkehr – alles weg und das meiste zu Freundschaftspreisen an den Konzern RWE, in dessen Aufsichtsrat der Mülheimer OB einen Sitz hat und sich reichlich mit etwa 100 000 DM/Jahr bezahlen ließ. In der Öffentlichkeit wurden die Privatisierungen nicht diskutiert, selten in der Lokalpresse. Zumal damals in allen anderen Städten NRWs ähnliche Konzepte umgesetzt wurden.
Im Januar 2005 trat Hartz IV in Kraft, im Mai 2005 verloren SPD und Grüne die Landtagswahl im größten Bundes?land. Die Schröder-Regierung musste Neuwahlen im Herbst des Jahres ansetzen und wurde vorzeitig durch eine Große Koalition abgelöst.
Der Sieg von Rüttgers war der Startschuss für weitere Privatisierungsregelungen. Dr. Baganz, der sich offenkundig dafür in Mülheim qualifiziert hatte, wurde Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und mit der jetzt fälligen Neufassung der Gemeindeordnung befasst. Durch sie sollte die wirtschaftliche Tätigkeit der Städte und Gemeinden eingeschränkt werden. Anders gesagt, es wurde ein gesetzlicher Zwang zur Privatisierung geschaffen.
Die Landesregierung schritt beim Privatisieren voran und verkaufte die landeseigene LEG an eine Heuschrecke, an Whitehall, ein Fonds, der zu Goldman Sachs gehört. Pro Wohnung wurden bei diesem Verkauf gerade mal 5000 Euro erlöst, bei einem Gesamtpaket von fast 100 000 Wohnungen. Das war ein Geschenk. Gegenwärtig erfahren die Mieter, was passiert, wenn diese Wohnungen nicht mehr nach sozialen Maßgaben, sondern allein nach Profitgesichtspunkten bewirtschaftet werden.
Merkwürdig ist nur, dass in den vergangenen beiden Jahren weder durch die SPD-Grüne-Landesregierung die Rückführung der LEG-Wohnungen in Landeseigentum befördert noch von der PDL gefordert worden ist.
Als eine ihrer ersten Amtshandlungen hat die Regierung unter Hannelore Kraft eben diese Gemeindeordnung geändert. Diese Änderungen charakterisieren ganz treffend, was heute sozialdemokratische Politik heißt.
In die GO wurde zunächst ein neuer § 107 a eingeführt. Er lautet:
»(1) Die wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen der Strom-, Gas- und Wärmeversorgung dient einem öffentlichen Zweck und ist zulässig…«
Dieser Satz sagt nichts anderes als die alte Fassung der Gemeindeordnung, in der in § 107,3 den Gemeinden die energiewirtschaftliche Betätigung als eine von drei Ausnahmen zugestanden wird. Er dehnt die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden nicht weiter aus, als schon in der alten Gemeindeordnung vorgesehen. Eigentlich überflüssig.
SPD und Grüne behaupteten bei der Vorlage der Novelle der GO, dass sie das Gemeindewirtschaftsrecht wieder in den Stand vor der Gesetzesänderung im Jahr 2007 bringe.
Liebe Genossinnen und Genossen, eine Privatisierungsbremse ist aber daraus nicht geworden. Nach wie vor legt die Gemeindeordnung Privatisierungen nahe und regelt sie. Der gegenwärtige Zustand des Landes verlangt zusammen mit der Landesverfassung aber etwas ganz anderes, namentlich ein Sozialisierungsgesetz nach Artikel 27, das regelt, wie Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, in Gemeineigentum zu überführen sind. Es sind nicht zuletzt die Energiekonzerne, unter ihnen namentlich RWE in Essen und Eon in Düsseldorf, die sich durch überhöhte Preise für Strom, Gas, Kraftstoffe die entgangenen Laufzeitverlängerungsgewinne entgelten lassen!
Auf Landesebene arbeitet ein weiterer gesetzesförmiger Privatisierungsmechanismus. Er stammt aus der Zeit, als SPD und Grüne mit Wolfgang Clement als Ministerpräsidenten die Regierung stellten. (Vielleicht erinnert sich noch jemand an Wolfgang Clement. Er wurde später als Lobbyist bekannt unter anderem für RWE und die Zeitarbeitsfirma Adecco.)
Ich spreche vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW.
Nach dem Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz – BLBG – vom 12. Dezember 2000 hat der BLB »die Aufgabe, Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten.« (§ 2,1 BLBG). Die Floskel von der »Beachtung der baupolitischen Ziele des Landes« dient dabei als Feigenblatt für die betriebswirtschaftliche Organisierung und Vorbereitung von Privatisierungen.
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans mußsste vor einem Jahr, am 8. April 2011, im Haushalts- und Finanzausschuss mitteilen: »dass für die Vergangenheit massive Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung, namentlich gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot durch den BLB NRW begründet und hinreichend zu besorgen sind.«
Offenbar waren einige Manager der BLB zu hektisch bei der Privatisierung vorgegangen. An ihnen haftet jetzt der Verdacht der Bestechlichkeit. Von denen, die sie bestochen haben, wird aber nicht geredet. Hier wäre dringend in Erwägung zu ziehen, ob nicht endlich nach Artikel 27,2 der Landesverfassung Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, zu verbieten sind, namentlich solche, die sich mittels Bestechung Vorteile verschaffen.
Der im Mai 2010 neu gewählte Landtag bequemte sich nach den merkwürdigen Geschäften des BLB endlich im Mai 2011 – ein Jahr später, aber so lange dauert sowas eben – zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Erstmals zusammengetreten ist dieser Ausschuss im Oktober vergangenen Jahres.
Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft ermittelt gegen führende BLB-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Es ist von einem mindestens dreistelligen Millionen-Schaden für das Land auszugehen. Bekannt geworden sind die merkwürdigen Kostensteigerungen beim Duisburger Landesarchiv, anlässlich des Kaufs von Schloss Kellenberg, des Erweiterungsbaus Polizeipräsidium Köln-Kalk und der Geschäfte mit dem Kölner ehemaligen Dombrauereigelände im Frühjahr 2009. Hier hatte die Firma Bouwens des Adenauer-Enkels und Kölner IHK-Vorsitzenden Bouwens-Adenauer innerhalb von 8 Wochen durch den Handel allein mit einem Teilstück einen schönen Gewinn von 10,5 Millionen Euro gemacht.
Nachdem der BLB-Untersuchungsausschuss schließlich im Oktober 2011 seine Arbeit aufnehmen konnte, liegen heute noch keine Ergebnisse vor. Mit der Auflösung des Landtags am 14. März ist er ebenfalls aufgelöst und wir müssen abwarten, ob der neue Landtag noch einen Untersuchungsbedarf sieht. Ein Schuft, der Schlechtes dabei denkt.
Genossinnen und Genossen,
die beiden NRW-Bezirke haben in ihrer Erklärung vom 21. März eine wirksame Entschuldung der Kommunen angemahnt. Von den 396 NRW Gemeinden verfügen nur 11 über einen ausgeglichenen Haushalt. 177 Kommunen mussten ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Davon befinden sich 144 Gemeinden in einem Nothaushalt. Aber die Kommunen werden nicht entlastet. Vielmehr verordnet die Landesregierung mit dem »Stärkungspakt Stadtfinanzen« 34 Städten, darunter Duisburg, Wuppertal, Oberhausen und Hagen, ein Spardiktat. Dieses Spardiktat wird den Druck erhöhen, weiteres öffentliches Eigentum in privates zu verwandeln.
In der gegenwärtigen Krise verliert das Kapital aus Angst vor Entwertung sichtlich jede Hemmung, verzweifelt sucht es nach neuen Anlagemöglichkeiten. In einer solchen Situation mitleidend bot die damalige Rüttgers-Regierung kommunales und Landeseigentum zur Verwertung an, aber die Politik von Hannelore Kraft ist nicht anders. Von Politikwechsel kann ohnehin nicht die Rede sein. Ohne zusätzliche öffentliche Gelder wird die in vielen Jahrzehnten geschaffene kommunale Infrastruktur im Sozial-, Kultur- und Bildungsbereich verkommen.
Enttäuschend ist die Bildungspolitik der Landesregierung. Nach wie vor übt die Bertelsmann-Stiftung den entscheidenden Einfluss aus. Sie hat dafür gesorgt, dass Banken und Konzerne in den vom Einfluss des Landes befreiten Hochschulräten Forschung und Lehre kontrollieren. Der Ganztagsbereich der Schulen ebenso wie die Kitas sind unterversorgt. Zwar wurden mit der Abschaffung von Kopfnoten und Studiengebühren zwei bildungspolitische Fehler der vorigen Regierung revidiert. Aber nach wie vor hängt der Schulerfolg vom sozialen Status der Eltern ab. Statt mit der »Schule für alle« die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems abzuschaffen, haben wir in NRW seit dem Schulkonsens mit der CDU eine weitere Schulform: die Sekundarschule, die in der Regel eingerichtet wird, sobald Haupt- und Realschule zu viele Schüler verlieren.
Bildung wird abgebaut und privatisiert. Auch künftig wird die Schulzeit für Abiturienten auf 12 Jahre reduziert. Die Landesregierung hält das Kooperationsabkommen mit der Bundeswehr aufrecht. Es öffnet Jugendoffizieren und Kriegspropaganda einen privilegierten Zugang zu den Schulen.
Im Januar 2011 zog die CDU die Notbremse, um zu verhindern, dass der Nachtragshaushalt für das Jahr 2010 verabschiedet wird. Der Verfassungsgerichtshof in Münster stoppte ihn in einer Einstweiligen Anordnung. Damals wurde schon einmal von Neuwahlen gesprochen. Der Nachtragshaushalt des Finanzministers hatte eine Erhöhung der Neuverschuldung von 6,6 auf 8,4 Milliarden Euro vorgesehen. Vor allem gegen die Aufstockung einer Rücklage für die WestLB in Höhe von 1,3 Milliarden Euro hatten CDU und FDP Verfassungsklage eingereicht. Zwei Monate später war es in der Tat so weit. Der Verfassungsgerichtshof verbot die vorgesehene Kreditaufnahme, weil sie nicht ausreichend begründet sei.
Bezüglich der Größenordnung konnte die strittige Neuverschuldung übrigens mit den mehreren hundert Millionen Euro Korruptionsverlusten des BLB durchaus mithalten.
Aber zu diesem Zeitpunkt, vor genau einem Jahr, kündigte sich schon an, dass die Minderheitsregierung an Haushalts- und Finanzfragen würde scheitern können. Und so kam es. Aktuell wollte die FDP bei der Entscheidung über den Landeshaushalt weitere Einsparungen durchsetzen. Sie hatte nur das Pech, dass SPD und Grüne angesichts der Umfragewerte auf einen für sie günstigen Ausgang von Landtagswahlen hoffen konnten und trickreich dafür sorgten, dass die Ablehnung eines Einzelhaushalts zur Auflösung des Landtags führte. Auch mit der PDL mochte die Regierung nicht mehr reden, geschweige denn Zugeständnisse machen. Die Partei Die Linke wollte ein landesweites Sozialticket für 15 Euro, sie beanspruchen mehr Geld für die Kommunen, für Kitas und den Wohnungsbau.
Aber SPD und Grüne wollen die lästige PDL aus dem Landtag drängen. Sie kalkulieren, dass sie nach der Wahl am 13. Mai die Mehrheit bekommen und durchregieren können. So kann der gescheiterte Landeshaushalt noch durchgesetzt werden. Ohne Rücksicht auf die Lage der Menschen, die auf Lohn, Rente oder Hartz VI angewiesen sind. Er liegt auf der Linie der in Bund, Ländern und Gemeinden herrschenden Politik: mehr Geld für die Reichen, weniger für die Armen! Bei den kommunalen Finanzen, der Bildung und sozialen Vorsorge wird bis zum Anschlag auf die Schuldenbremse getreten, während die Banken anlässlich und mittels der Schuldenkrise an öffentlichen Haushalten sich dusselig verdienen.
Mit dem Einzug von 11 Abgeordneten der Partei Die Linke in den Landtag im Mai 2010 waren sicher einige Illusionen verbunden. Etwa die, dass sie als Zünglein an der Waage fungieren und damit revolutionär andere Entscheidungen in diesem Landtag durchsetzen könne. Tatsächlich haben sich SPD und Grüne diesbezüglich besorgt gezeigt. Aber es kommt auf den außerparlamentarischen Druck an, und das sagt die Fraktion selbst: »Unsere parlamentarische Opposition kann letztlich nur so stark sein wie der gesellschaftliche Druck der sozialen Bewegungen.« Manchmal wird das vergessen, wenn gesagt wird, ohne PDL wäre Kopfnoten und Studiengebühren nicht abgeschafft worden. In Wahrheit sind es selbstverständlich die Bildungsstreiks der letzten Jahre gewesen, die das bewirkt haben.
Die PDL-Landtagsfraktion hat aber gleich dafür gesorgt, dass das Landespersonalvertretungsgesetz (LPVG), das unter Rüttgers erhebliche Verschlechterungen erfahren hatte, in Absprache mit dem DGB novelliert wurde. Die PDL-Fraktion macht ein Tariftreue- und Vergabegesetz zum Thema, steht in vielen Fragen konsequent an der Seite der Gewerkschaften. Nicht alles kommt an die große Glocke, was sie tun. Unter anderem deshalb lehnen sie den Verkauf beziehungsweise Börsengang von rund 130 000 Evonik/THS Wohnungen ab.
Wir finden die PDL-Fraktionsmitglieder bei den Aktionen gegen Neonazis. Konsequent war, dass sie ihren Fraktionsraum nach Jupp Angenfort benannt haben. Bärbel Beuermann schreibt in ihrem Statement in einer Broschüre der Fraktion: »Das wichtigste Ereignis bei meiner Arbeit im Landtag war die Umbenennung des Fraktionsvorstandsraums in ›Jupp-Angenfort-Raum‹. Ich werde auch weiter für die Rehabilitierung der Opfer des so genannten Kalten Krieges kämpfen. Zumal Angenfort, der 1951 als jüngster Abgeordneter für die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) in den nordrhein-westfälischen Landtag einzog, sein ganzes Leben dem Kampf gegen Faschismus und Krieg widmete und beide Themen auch meine Herzensangelegenheit sind.« Weder ihr, die auch am Grab von Jupp Angenfort gesprochen hat, noch den anderen Abgeordneten der PDL sollten wir den Respekt für die Arbeit in den vergangenen beiden Jahren versagen.
Bei der Frage des außerparlamentarischen Drucks sollten wir uns vor allem an die eigene Nase fassen.
Die PDL hat dem von Hannelore Kraft vorgelegten Landeshaushalt die Zustimmung verweigert. Das beweist immerhin, dass sie bislang den Versuchungen des parlamentarischen Systems mit seinen Pöstchen und Pfründen stand halten konnte. Die beiden DKP-Bezirke sagen in ihre Erklärung vom 21. März: »Offenkundig muss für soziale Fortschritte in NRW mehr außerparlamentarischer Druck entwickelt werden. Die DKP ist dazu bereit. Wir wollen niedrigere Energiepreise, billige Mieten und günstige Tarife im öffentlichen Nahverkehr. Zur Durchsetzung eines Sozialtickets für 15 Euro sind wir bereit, gemeinsam mit der PDL und anderen Kräften Aktionen zu planen und Druck zu machen.«
Bis zum 13. Mai haben wir nicht mehr viel Zeit. Mit oder ohne PDL im Landtag, für derartige Kampagnen wird unsere Partei auch noch danach gefordert sein.
Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit
Anne Frohnweiler
15. April 2012 | Rede der Vorsitzenden des Bezirks Rheinland-Westfalen auf der Landesmitgliederkonferenz der DKP in Bottrop