Partei

100 Jahre KP Chile

Porträt Nina Hager.

07.06.2012 | Am 4. Juni 1912 wurde die KP-Chile gegrün­det. Alle Verfol­gung, Unter­drü­ckung,und Morde ver­moch­ten es in diesen 100 Jahren nicht die KP-Chile zu besie­gen. Unter dem Titel »100 Jahre KP Chile: Die aktu­elle poli­ti­sche Situa­tion in Chile«, hatte die Junge Welt in ihre Berli­ner Laden­galerie einge­laden zu einem Vor­trag des Genos­sen Oscar Aroca Contreras, Mit­glied des Zentral­komitees und Mit­glied der Poli­ti­schen Kommis­sion der Kommu­nis­ti­schen Partei Chile. Auf der sehr bewe­gen­den Veranstal­tung hielten auch Wolfgang Gehrcke, Mdb Die Linke, und Nina Hager, stell­ver­tre­ten­de Partei­vor­sit­zende der DKP, ein Gruß­wort. Wir doku­men­tie­ren den Bei­trag von Nina Hager.

 


Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Anwesende,

 

es ist mir eine große Ehre und Freude, heute unseren chilenischen Genossinnen und Genossen zum 100. Geburtstag der Kommunistischen Partei Chiles zu gratulieren.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

Ich überbringe euch die herzlichen Glückwünsche der Mitglieder und des Partei­vorstandes der Deutschen Kommunisti­schen Partei, der DKP.

 

Voller Hoffnung verfolgen wir die aktuellen Kämpfe in eurem Land. Vor allem die seit vielen Monaten anhaltenden Proteste und Aktionen der Schülerinnen und Schüler, der Studierenden, der Lehrenden und Eltern gegen die Privatisierung des Bildungswesens. Heute sind in Chile bekanntlich große Teile des Gesundheits- und Rentensystems, des Kupferabbaus, der Wasserversorgung sowie des Bildungssystems aufgrund der durch das Pinochet-Regime im Interesse großer – vor allem US-amerikanischer – Konzerne durchgesetzten neoliberalen kapitalistischen Wirtschaftspolitik privatisiert.

 

Laut OECD werden nur noch 25 Prozent des Hochschulsektors in Chile öffentlich finanziert. Studenten müssen im Schnitt umgerechnet 4 500 Euro im Jahr für ihre Ausbildung bezahlen. Dabei verdienen vier Fünftel aller Chilenen im Schnitt nur 700 Euro monatlich.

 

Doch bei den anhaltenden Auseinander­setzungen in Chile geht es um weitaus mehr als nur um ein besseres, kostenloses Bildungs­system, das allen – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – gleiche Chancen bietet: Soziale und demokratische Grund­rechte werden einge­fordert. Die Menschen lassen sich nicht mehr durch sogenannte Reformen der Regierenden abspeisen. Der Widerstand wird nicht aufhören, so die Einschätzungen selbst bürgerlicher Zeitungen in unserem Land. Die Mobilisierung greift über auf andere Teile der Gesellschaft.

 

Kommunistinnen und Kommunisten spielen in diesen Auseinander­setzungen eine herausragende Rolle. Ihr werdet – wie in all den vielen Jahrzehnten zuvor – trotz Repression auch hier euren Weg gehen, einen Weg, der darauf ausgerichtet ist, die Kräfte des Widerstandes zusammenzuführen.

 

Denn nur das vereinte Volk wird siegen! An dieser Erkenntnis geht kein Weg vorbei.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

 

in eurer Geschichte gab es große Erfolge und tiefe Niederlagen. Eure Partei wurde von Beginn an verfolgt, mehrfach verboten, die Mitglieder wurden ins Exil getrieben, eingesperrt, ermordet.

 

Es waren wie bei der Partei, in deren Tradition die DKP steht, der Kommunisti­schen Partei Deutschlands, Lernprozesse , die trotz ideologischer Meinungs­unterschiede mit anderen linken Kräften zur Volksfront­politik der »Frente Popular« führten. Ihr seid diesem Weg trotz Enttäu­schungen durch Bündnis­partner, trotz mehr­facher Verbote und politischer Verfol­gungen weiter gefolgt.

 

Der Kalte Krieg hatte auch in Chile die Folge, dass Kommunis­tinnen und Kommunisten wieder ausgegrenzt wurden. Ende 1947 wurden die kommunis­tischen Minister aus der Regierung entlassen, im Januar 1948 wurde das Ley Maldita (»verdammtes Gesetz«) erlassen. Dieses verbot nicht nur die Kommunis­tische Partei. Damit konnten alle Kommunis­tinnen und Kommu­nisten aus gewählten Mandaten und öffent­lichen Ämtern entfernt werden. Gestrichen wurden per Gesetz auch alle Wähler der KP Chiles aus den Wahl­registern. In Pisagua wurde ein Konzentrations­lager für die politischen Gefangenen eingerich­tet. Dieses KZ wurde zeitweise von Augusto Pinochet geleitet, der es nach dem Putsch von 1973 wieder errichteten ließ.

 

Ihr habt trotzdem – wie auch unsere Vorgänger­partei, die KPD, die 1956 in West­deutsch­land verboten wurde – nie aufge­geben. Ihr habt weiter­gekämpft und gemeinsam mit anderen erreicht, dass die »Unidad Popular« letztlich die Regierung stellen konnte. Mit dem sozialis­tischen Präsi­denten Allende. Diese Volks­front­regie­rung hat in wenigen Monaten für die Mehrheit des chileni­schen Volkes große Erfolge erreicht.

 

Und hier komme ich als Zeitzeugin ins Spiel. Ich war beim Sieg der Volksfront 19 Jahre alt. Voller Hoffnung haben wir auf Chile geschaut. Die Fort­schritte gesehen, aber auch den durch die USA unter­stützten Wider­stand der Reaktion.

 

Unsere Besorgnis war groß.

 

Und dies wurde auch auf der Abschluss­veranstal­tung der Welt­fest­spiele der Jugend 1973 auf dem damaligen Marx-Engels-Platz, dem heutigen Schlossplatz in Berlin, Hauptstadt der DDR, deutlich. Gladis Marin sprach an diesem Tag über die Situation in Chile. Aber wir alle hofften noch, dass das Volk in Chile allen Angriffen wider­stehen würde.

 

Noch wenige Tage nach dem 11. September glaubten wir, dass die Arbeiter ihre Regierung verteidigen könnten.

 

Das war für uns alle eine ganz bittere Niederlage.

 

Chile war, blieb und bleibt in unserem Herzen. Und auch die Erfahrungen, die gewonnen wurde, blieben und bleiben wichtig nicht nur für die heutigen und künftigen Kämpfe in Latein­amerika, sondern waren und sind auch für die DKP und alle Kommunis­tinnen und Kommu­nisten weltweit bedeutsam.

 

Mitglieder aller Organisationen, die mit der »Unidad Popular« verbunden waren, Partei ergriffen, wurden nach dem 11. September verfolgt, viele Menschen ermordet. Vor allem Mitglieder eurer Partei wurden eingesperrt und umgebracht.

 

Die internationalen Solidarität, die euch damals weltweit – und vor allem auch durch die SED und durch die DKP – entgegen­gebracht wurde, habt ihr mit Solidarität beant­wortet. Das zeigte sich nach 1990 vor allem bei der herzlichen Aufnahme von Erich und Margot Honecker …

 

Liebe Genossinnen und Genossen.

 

mit euch 100 Jahre Kommunistische Partei Chiles zu feiern, bedeutet aber vor allem, sich an Mut machende Jahre des Kampfes und am Wider­stand zu orien­tieren. Wir wollen und wir werden durch unseren Kampf in diesem Land gemeinsam mit euch und vielen anderen dazu beitragen diese Welt zu verändern!

 

Die Geburtstagsfeier fordert uns aber auch heraus, noch einmal darüber nachzudenken, was euer große Dichter Pablo Neruda, Mitglied der Kommunis­tischen Partei und 1970 euer Präsi­dent­schafts­kandidat, in seine Memoiren schrieb. Neruda:

»Ich habe in meiner Partei, der Kommunistischen Partei Chiles, eine große Gruppe einfacher Menschen gefunden, die persönliche Eitelkeit, Caudillismus, materielle Interessen weit von sich gewiesen haben. Ich war glücklich, ehrbare Leute kennenzulernen, die für die gemeinsame Achtbarkeit, das heißt für die Gerechtigkeit kämpften.

Ich habe nie Schwierigkeiten mit meiner Partei gehabt, die mit ihrer Bescheidenheit außerordentliche Siege für das Volk von Chile, für mein Volk, errungen hat. Was kann ich noch sagen?

Ich wünsche nur, so einfach zu sein wie meine Kameraden, so beharrlich und unbezwinglich, wie sie es sind. …«

Diese Beharrlichkeit und Unbezwingbarkeit findet sich bei Kommunistinnen und Kommunisten weltweit, auch bei den Mitglieder der DKP. Doch ich wünsche mir, dass auch bei uns alle jene Bescheidenheit im Interesse der gemeinsamen Sache aufbringen, die Kommunistinnen und Kommunisten auszeichnen muss.

 

Der sozialistische Präsident und Marxist Allende erklärte am 11. September kurz vor seinem Tod:

»… ich kann euch versichern, dass ich die Gewissheit habe, dass nichts verhindern kann, dass die von uns in das edle Gewissen von Tausenden und Abertau­senden Chilenen ausgebrachte Saat aufgehen wird. Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurück­kehren, aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaft­lichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte gehört uns, es sind die Völker, die sie machen.«

Er hatte Recht. Es sind die Völker, es ist die Mehrheit der Menschen, die Geschichte machen.

 

Und wir sind ein Teil dieser Bewegung, als Kommunistinnen und Kommunisten weiterblickend, konsequenter in vielen Schlussfolgerungen als andere aufgrund tiefer wissenschaft­licher Einsicht, aber eben immer auch ein Teil einer großen Bewegung, an der wir arbeiten und die Hoffnung macht.

 

Herzlichen Glückwunsch, liebe Genossinnen und Genossen!