Politik

Birlikte – Zusammenstehen

Gegen faschistischen Terror

 

Diskussionspodium.

 

»Im Ex­trem­fall ge­rinnt die Angst vor dem Frem­den zu Ge­walt und Ter­ror.« (Kai Pfundt in ei­nem Kom­men­tar zum »Bir­lik­te«-Fes­ti­val in der Köl­ni­schen Rund­schau am Ta­ge nach der Ver­an­stal­tung)

 

Ge­r­in­nung? Ha­ben wir es bei fa­schis­ti­schem Ter­ror des NSU mit ei­nem un­auf­halt­sa­men na­tür­li­chen Ge­rin­nungs­pro­zess zu tun oder kann er ge­stoppt, ge­hemmt oder gar ge­för­dert wer­den? In wel­cher Wei­se Ver­fas­sungs­schutz­äm­ter bei der Or­ga­ni­sie­rung des rech­ten Ter­rors be­hilf­lich wa­ren und die Ter­ro­ris­ten vor dem Zu­griff der Po­li­zei ge­schützt ha­ben – die­se Fra­gen wur­den im Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­tags zum NSU ge­stellt, aber un­zu­läng­lich be­ant­wor­tet. War­um sind gan­ze Kon­vo­lu­te von Ak­ten auf An­wei­sung ge­schred­dert wor­den? War­um kön­nen die An­lei­ter von V-Leu­ten nicht be­fragt wer­den? Die­se Fra­gen wer­den im­mer drän­gen­der ge­stellt. Auch zu Pfings­ten auf der Ke­up­stra­ße.

 

Die Rechts­an­wäl­te der Ne­ben­klä­ger im Münch­ner NSU-Pro­zess sind be­müht, den gan­zen Um­fang der Ta­ten zu er­mit­teln, die Be­schrän­kung der An­kla­ge auf ei­nen klei­nen Kreis von Tä­tern zu durch­bre­chen. In ei­ni­gen Land­ta­gen wer­den ge­gen­wär­tig neue Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se ein­ge­rich­tet, die sich mit den Ta­ten und Un­ter­las­sun­gen ih­rer Lan­des­äm­ter für Ver­fas­sungs­schutz be­fas­sen wer­den. Da sind vie­le Fra­gen zu klä­ren.

 

A­ber es gibt wei­te­re: Am 9. Ju­ni 2004 ex­plo­dier­te um 15.56 Uhr in der Ke­up­stra­ße die Bom­be. Um 17.09 Uhr mel­de­te das LKA an das Düs­sel­dor­fer In­nen­mi­nis­te­ri­um: Der An­schlag sei als »ter­ro­ris­ti­sche Ge­walt­kri­mi­na­li­tät« ein­zu­stu­fen. Aber kurz vor 18.00 Uhr be­rich­tet dpa das Ge­gen­teil. Schon der zwei­te Satz be­haup­tet: Es ge­be »der­zeit kei­ne An­zei­chen für ei­nen ter­ro­ris­ti­schen Hin­ter­grund«.

 

Nach­dem näm­lich um 17.25 Uhr das La­ge­zen­trum NRW-In­nen­mi­nis­ter Fritz Beh­rens er­reicht hat­te, wies das In­nen­mi­nis­te­ri­um das Lan­des­kri­mi­nal­amt nur 11 Mi­nu­ten spä­ter, um 17.36 Uhr, an, aus dem Schrift­ver­kehr den Be­griff »ter­ro­ris­ti­scher An­schlag« zu strei­chen.

 

Das war kein Lap­sus. Am Fol­ge­tag ver­kün­det Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Ot­to Schi­ly: »Die Er­kennt­nis­se, die un­se­re Si­cher­heits­be­hör­den bis­her ge­won­nen ha­ben, deu­ten nicht auf ei­nen ter­ro­ris­ti­schen Hin­ter­grund, son­dern auf ein kri­mi­nel­les Mi­lieu.«

 

So et­was hat die Qua­li­tät ei­ner An­wei­sung. Die An­schlagsop­fer der Ke­up­stra­ße ha­ben es zu spü­ren be­kom­men.

Diskussions-Podium.

Klaus-Die­ter Frit­sche, da­mals Staats­se­kre­tär im Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, do­zier­te im Ok­to­ber 2012 ge­gen­über dem NSU-Un­ter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­ta­ges, wie Par­la­ment und Me­di­en mit Ak­ten um­zu­ge­hen hät­ten und war­um der Aus­schuss kei­nes­wegs al­le Do­ku­men­te er­hal­ten dür­fe. Er be­klag­te »Durch­ste­che­rei­en« der Pres­se, warb für das V-Leu­te-Sys­tem und be­grün­de­te sei­ne fes­te Ab­sicht, Staats­ge­heim­nis­se zu wah­ren, die sonst die Ar­beit der Re­gie­rung un­ter­mi­nie­ren könn­ten. So ein Mann macht Kar­rie­re.

 

In der ge­gen­wär­ti­gen Bun­des­re­gie­rung übt er das Amt des Ge­heim­dienst­ko­or­di­na­tors aus.

 

Der Fisch stinkt vom Kopf her.

 

Das Bir­lik­te-Fest zu Pfings­ten hat da­zu bei­ge­tra­gen, Frem­den­angst zu ver­rin­gern. Aber soll­ten die bür­ger­li­chen Or­ga­ni­sa­to­ren, zu de­nen auch der STERN ge­hör­te (Gru­ner & Jahr, zu 75% in Ei­gen­tum von Ber­tels­mann) be­ab­sich­tigt ha­ben, die Fra­gen nach den staat­li­chen Hel­fern des NSU und dem hel­fen­den Staat zu ver­ne­beln – und vie­les deu­tet auf ei­ne der­ar­ti­ge Ab­sicht – dann sind sie ge­schei­tert. Denn die­se Fra­gen wur­den im­mer wie­der und laut ge­stellt. Es fiel schon das Wort vom »tie­fen Staat«.

 

In­so­fern dürf­te die bib­li­sche Apos­tel­ge­schich­te über das Pfingst­wun­der (»Da kam plötz­lich vom Him­mel her ein Brau­sen, wie wenn ein hef­ti­ger Sturm da­her­fährt, und er­füll­te das gan­ze Haus, in dem sie wa­ren.«) nicht den plötz­li­chen Ab­bruch des Fes­tes um 20.15 Uhr be­schrei­ben, son­dern den po­li­ti­schen Sturm, der noch zu er­war­ten ist.

 

Text und Fotos: Klaus Stein
Pfings­ten 2014