Politik

Vor neuer Kürzungswelle

Bundeshaushalt 2015: Finanzminister Schäuble vermeidet neue Schulden und alle freuen sich.

Die Schuldenbremse nennt er: Schwarze Null. Die Lasten werden auf die Kommunen überwälzt.

Demo mit Satire und Ironie, Schild (in Gold): »Unfair teilen statt umverteilen!«.

Hin­ter­grund ist der Ko­ali­ti­ons­ver­trag: »Die von der letz­ten Gro­ßen Ko­ali­ti­on ver­ab­schie­de­te Schul­den­re­gel im Grund­ge­setz ist strikt ein­zu­hal­ten. […] Die ge­samt­staat­li­chen Ver­pflich­tun­gen aus dem Eu­ro­päi­schen Fis­kal­pakt sind ein­zu­hal­ten. Die Sta­bi­li­täts­kri­te­ri­en für De­fi­zit- und Schul­den­quo­te nach dem ver­schärf­ten eu­ro­päi­schen Sta­bi­li­täts- und Wachs­tums­pakt sind ein­zu­hal­ten. Der Sta­bi­li­täts- und Wachs­tums­pakt ver­langt ei­ne kon­se­quen­te Rück­füh­rung der ge­samt­staat­li­chen Schul­den­stands­quo­te auf un­ter 60 Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP). Wir wol­len die Quo­te in­ner­halb von zehn Jah­ren von 81 Pro­zent (En­de 2012) auf we­ni­ger als 60 Pro­zent zu­rück­füh­ren. Bis En­de 2017 stre­ben wir ei­ne Ab­sen­kung der Quo­te auf un­ter 70 Pro­zent des BIP an.«

Zu die­sem Zweck will Schäu­b­le den Rot­stift zen­tra­li­sie­ren. »Auch die Län­der müs­sen ih­re ge­samt­staat­li­che Ver­ant­wor­tung wahr­neh­men. […] Des­we­gen wol­len wir den Sta­bi­li­täts­rat, der die Fi­nanz­si­tua­ti­on von Bund und Län­dern über­wacht, mit zu­sätz­li­chen Kom­pe­ten­zen aus­stat­ten, da­mit er in Zu­kunft Haus­hal­te zu­rück­wei­sen kann.« (Re­de im Bun­des­tag, 9. Sep­tem­ber)

Durch die Schul­den­brem­se ent­ste­he, so der Deut­sche Städ­te­tag vor zwei Jah­ren, »ein An­reiz für Län­der, ih­re De­fi­zi­te auf die kom­mu­na­le Ebe­ne zu ver­la­gern und da­mit den Kon­so­li­die­rungs­zwang auf die Kom­mu­nen ab­zu­wäl­zen«.

Kürz­lich rück­te das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt mit ei­ner neu­en Dar­stel­lung der Fi­nanz­la­ge der Kom­mu­nen her­aus (»In­te­grier­te Schul­den der Ge­mein­de und Ge­mein­de­ver­bän­de«, Wies­ba­den, 14. Au­gust 2014). Durch die Ver­la­ge­rung von öf­fent­li­chen Auf­ga­ben auf »Ein­hei­ten au­ßer­halb der Kern­haus­hal­te« sei die Aus­sa­ge­kraft und Be­last­bar­keit der fi­nanz­sta­tis­ti­schen Da­ten be­ein­träch­tigt. Die Dar­stel­lung der »in­te­grier­ten Schul­den« be­rück­sich­ti­ge nun­mehr die Schul­den der aus­ge­la­ger­ten Be­trie­be, der »sons­ti­gen Fonds, Ein­rich­tun­gen und Un­ter­neh­men« (FEU). Köln wei­se mit ei­ner Ge­samt­ver­schul­dung von rund 6,7 Mil­li­ar­den Eu­ro das grö­ß­te Vo­lu­men auf (pro Kopf 6 619 Eu­ro) – bis­her wa­ren nur 2,7 Mil­li­ar­den Eu­ro Schul­den re­gis­triert. Es fol­gen die Ruhr­ge­biets­städ­te Es­sen (4,4 Mil­li­ar­den Eu­ro) und Duis­burg (4,0 Mil­li­ar­den Eu­ro).

Demonstranten, am Rücken befestigt: »um fair teilen, Reichtum besteuern, Banken enteignen!«.Nach ei­ner ak­tu­el­len Um­fra­ge von Ernst & Young kommt an­ge­sichts der de­so­la­ten Fi­nanz­la­ge vie­ler Städ­te und Ge­mein­den ei­ne wei­te­re Wel­le von Leis­tungs­kür­zun­gen und Steu­er­er­hö­hun­gen auf die Bür­ger zu: Drei Vier­tel der Kom­mu­nen wol­len in den kom­men­den zwei Jah­ren Steu­ern und Ge­büh­ren er­hö­hen. Und 34 Pro­zent pla­nen, Leis­tun­gen zu re­du­zie­ren oder ganz ein­zu­stel­len, et­wa im Be­reich Stra­ßen­be­leuch­tung oder bei der Kin­der- und Se­nio­ren­be­treu­ung.

Kurz: Mit der Ban­ken­ret­tung durch den Fis­kal­pakt wer­den im Ge­gen­zug kom­mu­na­le Kür­zungs­pro­gram­me auf­ge­legt und Ar­mut or­ga­ni­siert. Für die ei­nen.

Aber Schäu­b­le will auch, dass der Reich­tum wächst. Für die an­de­ren. Im An­ge­sicht der ge­gen­wär­ti­gen An­la­ge­pro­ble­me ver­spricht der Fi­nanz­mi­nis­ter die Ver­meh­rung oh­ne­hin gro­ßer Ver­mö­gen:

»Na­tür­lich ar­bei­ten wir auch dar­an, den Be­reich In­fra­struk­tur stär­ker für In­ves­ti­tio­nen der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, der Pen­si­ons­kas­sen und der an­de­ren gro­ßen Ka­pi­tal­sam­mel­stel­len zu öff­nen. Da­zu über­prü­fen wir, in­wie­weit Re­gu­lie­rung In­ves­ti­ti­ons­mög­lich­kei­ten un­nö­tig ver­sperrt.«

Es sei ei­ne »ein­fa­che Wahr­heit, dass In­ves­ti­ti­ons­pro­jek­te für Ka­pi­tal­an­le­ger Ren­di­te­er­war­tun­gen ent­hal­ten müs­sen. Sonst wer­den sich Ka­pi­tal­an­le­ger nicht en­ga­gie­ren. Des­we­gen müs­sen wir auch über neue For­men der Auf­ga­ben­tei­lung zwi­schen Staat und Pri­va­ten nach­den­ken.«

Schäu­b­le be­dau­ert, da es in der Ver­gan­gen­heit »ei­ne Ver­schie­bung von Aus­ga­ben zu­las­ten von In­ves­ti­tio­nen und zu­guns­ten von eher ge­gen­warts­ori­en­tier­ten So­zi­al­aus­ga­ben ge­ge­ben« ha­be. Folg­lich plant er die Er­hö­hung des Ren­ten­ein­tritts­al­ters und die Fle­xi­ren­te. Er ver­spricht bil­li­ge En­er­gie für die In­dus­trie, Ab­bau von Han­dels­bar­rie­ren durch das Trans­at­lan­ti­sche Frei­han­dels­ab­kom­men, steu­er­li­che För­de­rung von Wag­nis­ka­pi­tal. Aber: null Ge­dan­ke an die vor­ma­li­gen Sät­ze der Kör­per­schafts­steu­er, null Ver­mö­gen­steu­er, null Fi­nanz­trans­ak­ti­ons­steu­er.

Text und Fotos: Klaus Stein