Antifaschismus
Bundeswehr möchte die Täter des Überfalls auf die Niederlande ehren
Geschichtsklitterung: Täter werden zu Opfern stilisiert
Am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Heeresgruppe B völkerrechtswidrig die neutralen Niederlande. Die Niederländer, die gehofft hatten, dass ihre Neutralität von den Nazis respektiert würde, wurden in nur wenigen Tagen überrollt. Ihre Opfer: 2890 Gefallene und 6900 Verwundete. Zu den Ergebnissen des Überfalls und der anschließenden Besetzung zählt, dass über 100.000 jüdische Niederländer in die Konzentrationslager deportiert und ermordet werden konnten.
Die Bundeswehr möchte jetzt die deutschen Soldaten der Nazi-Wehrmacht, die bei dem Überfall auf den neutralen Nachbarn ums Leben kamen, in der niederländischen Stadt Bronckhorst-Vorden (Provinz Gelderland) ehren. Neben der Tatsache an sich wird bei den niederländischen Antifaschisten eine besondere Provokation darin gesehen, dass dieses Gedenken am 4. Mai stattfinden soll. Der 4. Mai ist der nationale Gedenktag an die Erinnerung der niederländischen Opfer der Nazi-Barbarei. Im ganzen Land herrscht für zwei Minuten eine symbolische Stille. In Amsterdam gibt es ein landesweites Gedenken beim Denkmal (op de Dam) mit der Königin, mit Ministern und einer militärischen Ehrung für die Opfer des II. Weltkrieges. – Der 5. Mai wird dann als Tag der Befreiung begangen.
Die Versuche, Militär der Bundeswehr aus Deutschland am Gedenktag 4. Mai einzuladen, sind bis heute wegen der Proteste der Bevölkerung gescheitert. Protestiert haben unter anderem das »National Komitee 4 en 5 Mei«, die AFVN/BvA und die Jüdische Gemeinschaft. Auch wurde vom Gericht eine weitere Erinnerung an die Wehrmachtsoldaten, die im Ort Vorden begraben liegen, durch einen Aufmarsch an diesem Tag verboten.
Der Bürgermeister der Gemeinde Bronckhorst, Henk Aaldering von der rechtsliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Demokratie (VVD), hatte aber schon im vergangenen Jahr die Auffassung vertreten, dass es am 4. Mai eine »Erinnerung auch an die in Vorden, Gemeinde Bronckhorst, begrabenen Wehrmacht-Soldaten geben muss als Zeichen ›einer Versöhnung‹(…),« Für 2013 hat die Gemeinde Bronckhorst nun gerichtlich durchgesetzt, dass eine »Erinnerung an die dort begrabene Wehrmachtsoldaten« erlaubt ist.
Die niederländische Vereinigung der Antifaschisten und Widerstandskämpfer (AFVN-BvA) sieht in diesem neuerlichen Anlauf für eine Ehrung der Täter als Opfer eine Beleidigung der tatsächlichen Opfer des II. Weltkrieges und eine Geschichtsverfälschung.
In einer Stellungnahme der AFVN-BvA heißt es: »Als Antifaschistischer Verein in den Niederlande werden wir – zusammen mit dem National-Komitee 4/5 Mei, mit den Jüdischen Vereinen und anderen Organisationen – dagegen protestieren unter dem Motto ›Wir sind auch für Versöhnung, aber nur mit den Kräften, die gegen Faschismus und Krieg sind‹. Mit Überlebenden und Familien von Opfern aus Deutschland und Antifaschisten aus Deutschland und anderen Ländern protestieren wir gegen jede Verehrung einer Kriegsarmee, die im Dienst eines kriminellen Nazi-Regimes stand! Wir rufen unsere Kameraden und Freunde der VVN/BdA auf, unsere Aktionen zu unterstützen und am 4. Mai in Vorden zusammen mit allen Kräften aus den Niederlanden zu protestieren.« Dieser Aufruf geht über die VVN-BdA hinaus und richtet sich insgesamt gegen den wieder anwachsenden Faschismus, gegen Krieg in Europa und in der Welt. Er fordert, die Erinnerung an die Schrecken des II. Weltkrieges lebendig zu halten.
Uwe Koopmann