Betrieb & Gewerkschaft

20. Ordent­liche DGB-Bezirks­konferenz in Nord­rhein-West­falen

Himmelblau und wenig rot

Zahlreiche Demonstranten mit Gewerkschaftsfahnen und Transparenten zum Beispiel: »Gute Leute - gute Arbeit - gutes Geld« und »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit«.

Un­ter dem Mot­to «Gu­te Ar­beit. In NRW. Für NRW» fand in Neuss vom 13. bis 14. De­zem­ber 2013 die 20. Or­dent­li­che DGB-Be­zirks­kon­fe­renz Nord­rhein-West­fa­len statt. 100 De­le­gier­te ver­tra­ten rund 1,5 Mil­lio­nen Mit­glie­der.

In seiner Eröffnungsrede wies Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des DGB NRW, darauf hin, es gäbe mit Blick auf die große Koalition endlich aus Berlin positive Signale beim Mindestlohn und der Rente. Meyer-Lauber lobte dafür die anwesende nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Der Landeschef vertrat die Meinung, dieses wäre der konsequenten Haltung der SPD zu verdanken. Unerwähnt blieb, dass dies nur auf Druck fortschrittlicher Gewerkschafter und der Linken im Lande geschah, die seit Jahren die bürgerlichen Parteien damit konfrontierten.

Da war sie wieder, die Harmonie der Gewerkschaft mit der SPD. Sie lässt befürchten, dass sich nicht nur der nordrhein-westfälische DGB für die Zeit der großen Koalition zurückhält. Wie anders soll man bewerten, wenn man hört, der Koalitionsvertrag bedeute eine «Trendwende in der Arbeitsmarktpolitik». Passend dazu bemerkte dann auch ein ver.di Delegierter im Gespräch mit unserer Zeitung: «Die Lobhudelei des DGB auf die SPD und die Bühnendekoration haben eines gemeinsam. Jede Menge himmelblau und wenig rot».

Wenn auch bei der Politik des DGB noch keine Kehrtwende zu erwarten ist, bei der Mitgliederentwicklung scheint der Trend der Austritte gestoppt. Der DGB NRW hat durch Zuwächse der Einzelgewerkschaften bis 27 Jahre ein deutliches Plus erreicht. Insgesamt bleibt die Zahl der DGB Mitglieder im Berichtszeitraum leicht rückläufig.

Zwanzig Monate nach Rotgrün bleibt die Ausbildungssituation und Arbeitsmarktpolitik im größten Bundesland miserabel. Meyer-Lauber will deshalb eine Ausbildungsverpflichtung für die Betriebe und eine Umlage für alle Unternehmen, die Ausbildungsplätze verweigern. «24.000 junge Frauen und Männer haben 2013 keinen Ausbildungsplatz bekommen». Stärker als bisher wird sich der DGB auch an den Universitäten engagieren. Dort will man in den kommenden Jahren verstärkt Mitglieder werben. Grund: Erstmals übersteigt in 2013 die Zahl der Studierenden die der Auszubildenden. Rein gar nichts ist besser geworden für die Arbeitslosen in NRW. «Nach wie vor sind rund 750.000 Menschen ohne Job», so Meyer-Lauber in der Ergänzung zum Geschäftsbericht.

Gegen den Trend der Sozialpartnerschaft mit dem Kapital musste am zweiten Tag der Konferenz noch einmal viel Elan aufgewandt werden. Zu beschließen waren 86 Anträge. Dabei ging es um Arbeitszeitverkürzung, die Erhöhung des Mindestlohnes auf 10,00 Euro und der Vergesellschaftung von Energiekonzernen. Anträge gab es auch zum Thema politisches Streikrecht, gegen Polizeigewalt gegenüber Demonstranten sowie Aktionen des zivilen Ungehorsams der DGB-Jugend. Schon im Vorfeld der Konferenz gab es Kritik. Die Antragsberatungskommission (ABK) wollte alle die oben genannten Anträge vom Tisch haben. Ihre Empfehlung «Ablehnung».

Als erstes traf es den DGB-Stadtverband Hagen, der sich mit einem Antrag an den DGB Bundeskongress im Mai 2014 richtete. «Der DGB Bundesvorstand wird aufgefordert, eine gesellschaftliche und gewerkschaftliche Initiative zur Durchsetzung einer Kampagne, zur Verkürzung der Arbeitszeit auf einen Wochendurchschnitt von 30-Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich, zu entwickeln». Obwohl in der Vergangenheit hierzu zahlreiche Beschlüsse in den Einzelgewerkschaften, auch im DGB gefasst wurden, erhielt der Antrag keine Zustimmung. Damit fiel die Mehrheit der Delegierten hinter den Beschlüssen des letzten DGB Bundeskongress 2010 in Berlin zurück. Weiter ging es mit dem Antrag zur Erhöhung der DGB Mindestlohnforderung auf mindestens 10,00 Euro. Dazu Helmut Born, ver.di Delegierter und Betriebsratsvorsitzender des Kaufhof-Wehrhahn in Düsseldorf: «8,50 Euro im Koalitionsvertrag werden nicht zeitnah umgesetzt. Bestenfalls gibt es den ab 2018. Da haben wir bereits schon wieder eine neue Bundesregierung». Den Antrag als Material an den Bezirksvorstand weiterzureichen, wie die ABK dies empfehle sei ein «schwaches Zeichen» so Born.

Bei der «Vergesellschaftung der Energieversorgung» erteilten die Delegierten der ABK eine Klatsche. Als abzusehen war, dass die Mehrheit einer erneuten Ablehnungsempfehlung nicht folgen würden, wurde «Annahme als Material» empfohlen und beschlossen.

Erfreulich und konstruktiv auf dieser Konferenz, die DGB Jugend. Sie setzte immer wieder Pflöcke gegen den Konservatismus aus den Reihen der IG BCE, der GdP, aber auch Teilen der IG Metall. So forderte der DGB-Bezirksjugendausschuss NRW im Antrag VI/64 das Recht auf politische Streiks. «Der DGB setzt sich auf allen Ebenen für das Ziel ein, dass im Grundgesetz das politische Streikrecht verankert wird». Die jungen Gewerkschafter machten darauf aufmerksam, dass in den meisten Staaten Europas das Recht auf diese Streiks durch Verfassungen oder Gesetze abgesichert ist. «Nur in England, Österreich und Deutschland sind politische Streiks verboten». Es sei Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, dem entgegenzuwirken. Treffend formulierte es eine junge Delegierte: «Politisches Streikrecht ist immer auch Ausdruck von wirtschaftlicher und politischer Macht».

Gleich drei Redner der Gewerkschaft der Polizei (GdP) machten Front gegen den Antrag VI/65 der sich mit der zunehmenden Gewalt von Polizeikräften gegenüber friedlichen Demonstranten beschäftigte. So verstieg sich Arnold Plickert, NRW Landesvorsitzender der GdP, zu der Aussage, er würde diesen Antrag als Generalangriff auf die Polizei sehen. Wenn dieser durchgehe «sieht die GdP die Einheit des DGB gefährdet». Dabei wurden in der Diskussion konkrete Beispiele genannt. So haben Polizisten bei einer Demonstration in Frankfurt gegen die Europäische Zentralbank über 1000 Teilnehmer fünfzehn Stunden in einem Kessel festgesetzt. Sie wurden mit Fausthieben, Schlagstöcken und Pfeffersprays durch Polizeibeamte martialisch angegriffen. Im Antrag wurde deshalb gefordert, eine Kennzeichnungspflicht von uniformierten Polizeikräften im geschlossenen Einsatz einzuführen. Eine konsequente Ahndung von Dienstvergehen einzuleiten. Hierzu müsse der DGB NRW die Einführung von Untersuchungsinstanzen verlangen, die unabhängig von Polizei und Staatsanwaltschaft agieren. Diese sollen bei Vorwürfen gegen Polizeibeamte unparteiisch und umfassend ermitteln. Obwohl bei Demonstrationen auch Gewerkschaftsmitglieder betroffen sind, folgte eine Mehrheit der Delegierten der Empfehlung auf Ablehnung des Antrages.

Nicht durchsetzen konnte sich die Jugend auch mit einem Antrag für Aktionen des zivilen Ungehorsams. Das Mittel der Blockade als Form des zivilen Widerstandes lehnte die Konferenz ab. Obwohl das Grundgesetz diese Möglichkeit zulässt (Antrag VII/86).

Angenommen wurde ein Antrag mit 39 zu 35 Stimmen bei der Forderung der Verbesserung von Antragsrecht bei DGB Konferenzen. Darin wird der neu gewählte Bezirksvorstand NRW aufgefordert, einen Antrag auf Satzungsänderung an den DGB Bundeskongress zu stellen. Abgesichert werden soll, dass die DGB Konferenzen in ihren jeweiligen Ebenen ein Antragsrecht für die nächsthöhere Konferenzebene erhalten. Die bisherige Praxis ließ dies nicht zu. Sie wurde zunehmend als mangelnde Demokratieentfaltung innerhalb des DGB gesehen.

Ordentliche DGB-Bezirkskonferenzen finden alle vier Jahre statt. Gewählt wurde Andreas Meyer-Lauber (SPD) erneut als Bezirksvorsitzender. Der Lehrer bekam 88,2 Prozent der abgegebenen Stimmen. Von 2004 bis 2010 war er Vorsitzender der GEW NRW. Auf die stellvertretende Vorsitzenden Dr. Sabine Graf (CDU) entfielen 78,6 Prozent.

Text: Herbert Schedlbauer
Foto: Uwe Koopmann