Frieden

Brigadegeneral Gschoßmann lässt in Griechenland scharf schießen

Raketenabschussvorrichtung auf fahrbarem Untersatz.

Die Bundeswehr übt an der Süd-Ost-Front der NATO mit »Olelot«, »Ozelot« und »Patriot«

Runde Geburtstage werden bisweilen mit großem Aufwand gefeiert. Als die »NATO Missile Firing Installation« (NAMFI) im Süden Griechenlands auf der Insel Kreta vor einem Jahr ein halbes Jahrhundert »rundete«, gab es hohen Besuch. Die Bundewehr ließ sich mit einer Delegation unter der Leitung von Brigadegeneral Michael Gschoßmann auf der Raketenstation vertreten. Es gab Programm. Kränze wurden abgelegt. Die Kampfflugzeuge »F-16 Block 52« und »115 Combat Wing« wurden in den Himmel geschickt. Höhepunkt: Raketen von »Olelot« und »Ozelot« durften »Hase und Igel« spielen.

Auf Kreta wird mit scharfer Munition Krieg geübt. Mit dabei: USA, Griechenland, die Niederlande, Deutschland. Die Flugabwehrraketengruppe 24 nutzt diese Situation, denn im heimischen Bad Sülze lassen sich »feindliche« Drohnen vielleicht doch nicht so komplikationslos mit dem »Patriot«-Waffensystem bekämpfen. Es wird hier nicht aus Spaß gefeuert.

Der Ernstfall ist längst eingetreten. Zur »Verteidigung« der Türkei setzt Staatspräsident Erdogan die »F-16« ein und eliminiert Kurden in Syrien und im Nordirak. Vor vermeintlichen Gegenangriffen lässt sich das NATO-Mitglied durch die »Patriots« verteidigen. Die wurden mit einem Mandat des Bundestages von der Bundeswehr in Kahramanmares »rein defensiv« positioniert. Mittlerweile gibt es allerdings in Berlin eine dezente Auseinandersetzung: Tobias Pflüger (Die Linke) fordert mit dem »Rückholrecht« im Parlamentsbeteiligungsgesetz den Abzug der »Patriot«-Einheit. Niels Annen von der SPD (Ex-Vorsitzender der Jusos) will vom Patriot-Einsatz nicht abrücken. Gleichzeitig gesteht Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CSU, in der »Welt« ein, dass »der IS über keinerlei Waffen verfügt, die von der Patriot bekämpft werden müssten.«

Das kümmert die Bundeswehr nicht. Sie setzt auf die »Patriot«, bis das Nachfolgemodell »Medium Extended Air Defence System« (MEADS) kriegstauglich ist. Als Verteidigungskomponente lässt die Rakete ohnehin Zweifel aufkommen, denn die Reichweite der verschiedenen Typen variiert zwischen 15 und 160 Kilometern. Die »Bekämpfungsreichweite« wird von der Bundeswehr mit 68 Kilometern angegeben. Vom Stützpunkt Bad Sülze bis zur russischen Exklave Kaliningrad, der nächsten »feindlichen« Stadt, die nicht zur NATO gehört, sind es allerdings an die 500 Kilometer. Die ex-sowjetischen Raketen oder Flugzeuge könnten unter diesen Bedingungen über Polen vom Himmel geholt werden.

Es bleibt also nur noch die Verteidigung der deutschen Heimat auf dem Territorium der NATO-Partner Griechenland und Türkei, wobei der »Verteidigungsfall« in der Türkei nicht gegeben ist. Erdogan greift vielmehr die Kurden auch außerhalb des eigenen Staatsterritoriums an. Er bekämpft damit die Gegner des IS und macht gleichzeitig innenpolitische Schachzüge mit dem Ziel, primär die PKK zu vernichten.

Die USA als politische und militärische Dominanzmacht der NATO bedient sich beider Länder: die Türkei als Basis gegen die Sowjetunion und nun gegen Russland, Griechenland (Kreta) als Ausgangspunkt gegen Nordafrika und den Nahen Osten. Der Bereich Souda/Akrotiri ist dabei ein besonderer Schwerpunkt, denn hier konzentrieren sich gleich mehrere Waffengattungen: der Marinestützpunkt Souda Bay, geeignet für Flugzeugträger und U-Boote, der Militärflughafen mit der Startbahn für die raketenbestückte F-16 und NAMFI etwas weiter nördlich auf der Akrotiri-Halbinsel als Raketenschießplatz. Gefeuert wurde auch schon mal von der 170 Kilometer entfernten Insel Makra – quer durch die südliche Ägäis. Und dann muss auf NAMFI »verteidigt« werden.

NAMFI steht für den »sauberen Krieg« der dominanten Seite. Die zu zerstörenden Objekte des Gegners befinden sich in großer Entfernung. Die Soldaten am »Joystick« der »Patriot« sind dagegen für den Gegner unerreichbar. Auch in dieser Hinsicht ist »Kreta« mit »Kalkar« vergleichbar, denn im »Zentrum Luftoperationen« wird der Krieg »nur« am Bildschirm geführt.

Die USA bedienen sich über die NATO oder im Rahmen bilateraler Abkommen der Bundeswehr und der griechischen Streitkräfte. Sie stationieren Waffen und Munition in den jeweiligen »Partner-Ländern«, in Deutschland auch Atombomben am Fliegerhorst Büchel. Die Bundeswehr ist dicht dran, denn sie bildet in Büchel Jagdbomberpiloten für den Einsatz mit Atombomben aus.

In den aktuellen Regierungsprogrammen in Athen und Berlin gibt es keine konkreten Vereinbarungen, dass die USA aus den »Besatzungsländern« abgezogen werden und der Austritt aus NATO avisiert wird. Diese Forderungen sind in beiden Ländern der Friedensbewegung und den kommunistischen Parteien vorbehalten.

Beim diesjährigen Friedensmarsch von Marathon nach Athen kritisierte Dimitris Koutsoumbas, Generalsekretär der KKE, die Regierung habe erklärt, »dass sie den Souda-Stützpunkt erweitern werde, dass ein neuer NATO-Stützpunkt auf einer Ägäis-Insel errichtet werden soll, und dass Streitkräfte unseres Landes für die imperialistischen Interventionen der USA und der NATO in der Mittelmeerregion verfügbar sein sollen.« Verteidigungsminister Panagiotis Kammenos (Jg. 1965, ANEL) hatte den USA einen Stützpunkt auf der Insel Karpathos angeboten.

Gelegenheit zu einem unübersehbaren Protest in Griechenland und Deutschland bietet die NATO-Großübung »Trident Juncture 2015« vom 28. September bis 6. November 2015. Beteiligt sind die Peripherie-Staaten Griechenland, Italien, Portugal und Spanien. Insgesamt werden etwa 30.000 Soldaten aus 30 Nationen ins Gefecht geschickt. Die Bundeswehr ist mit 3.000 Mann dabei. Sie sorgt nach eigenen Angaben für Lufttransport, Luftbetankung, Objektschutz sowie für »Planung und Führung von Luftoperationen«. Drohnen und Cyber-Attacken kündigt »n-tv« an. Wenn die USA einen Flugzeugträger schicken, kommen noch »5.000 Mann« dazu, rechnet Bundeswehr-Sprecher Harald Kammerbauer. Generalleutnant Richard Roßmanith erwartet, dass die Botschaft der Großübung auch beim russischen Präsidenten Putin ankommt. Dabei wird nur ein »Weltkrieg ums Wasser« (BILD, 23.06.2015) in Afrika simuliert.

Im Vorfeld von »Trident Juncture 2015« gibt es am 13. September in Duisburg eine informative Tagung der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner NRW. Thema: »Für einen entmilitarisierten Niederrhein«. Veranstaltungsort: Internationales Zentrum, Flachsmarkt 15. Beginn: 11 Uhr, Ende: 18 Uhr. Lühr Henken vom Kasseler Friedensratschlag referiert über »Drohnenkrieg und automatisierte Waffensysteme«. MdB Sevim Dagdelen erläutert die »Militärstandorte am Niederrhein und ihre Rolle« (Kalkar, Geilenkirchen, Nörvenich/Kerpen, Köln). Eine Diskussionsrunde zu den »Herausforderungen an die Friedensbewegung« schließt sich an.

Am Samstag, 3. Oktober, 11.30 Uhr, beginnt die Auftaktkundgebung auf dem Marktplatz Kalkar. Eine Demonstration zur Von-Seydlitz-Kaserne (NATO-Zentrale) schließt sich an. Geplant sind um 14 Uhr eine Menschenkette und die Abschlusskundgebung vor der Kaserne. Veranstalter ist »Ostermarsch Rhein/Ruhr«.

Uwe Koopmann
Foto: Wikipedia, gemeinfrei