Jugend

28. September, Köln: Jugendkongress der SDAJ

»Verknüpfung von betrieblichen und gesellschaftlichen Kämpfen«

 

SDAJ-Logo, angeschnitten.UZ-Interview mit Paul Rodermund, Vorsitzender der SDAJ

UZ: Die SDAJ veranstaltet Sonntag, den 28. September, im Anschluss an die Aktionen der IG-Metall-Jugend, einen Jugendkongress. An wen richtet sich der Jugendkongress und worum wird es dort gehen?

Paul Rodermund: Der Jugendkongress richtet sich vor allem an gewerkschaftlich organisierte Jugendliche bzw. Azu- bis, die sich in betrieblichen Auseinandersetzungen befinden sowie an poli- tisch aktive Jugendliche – also genau diejenigen, die auch die IG-Metall-Jugend nach Köln mobilisiert. Unter ihnen machen wir gezielt Werbung für unseren Jugendkongress und werden dies auch in Köln noch tun. Inhaltliches Ziel ist es, einen Raum zu schaffen für die Diskussion um eine kämpferische Betriebs- und Gewerkschaftspolitik aus Perspektive der Jugend. Hier gibt es nach meiner Auffassung einen Mangel sowohl bei Gewerkschaftsjugendorganisationen als auch bei anderen politischen Jugendverbänden, die sich zu selten mit betrieblichen und Gewerkschaftsfragen auseinandersetzen.

UZ: Welche Probleme siehst Du, die der arbeitenden und lernenden Jugend unter den Nägeln brennen?

Paul Rodermund: Zunächst einmal ist die Frage, ob ich überhaupt einen Ausbildungsplatz habe. Derzeit wird wieder die alte Leier vom Mangel an Ausbildungswilligen rauf- und runtergespielt. Tatsächlich aber stecken über 300000 Jugendliche in Warteschleifen und anderen Maßnahmen. Für diejenigen, die einen Ausbildungsplatz haben, spielt u. a. die Frage nach Übernahme eine zentrale Rolle: Werde ich überhaupt übernommen? Zu welchen Bedingungen? Lande ich bei einer Leiharbeitsfirma? Unsichere Arbeitsverhältnisse sind bei Jugendlichen besonders stark verbreitet. Das muss unseres Erachtens gesetzlich geregelt werden. Wer eine Ausbildung ab- schließt, hat ein Recht auf einen unbefristeten Arbeitsplatz, der der Qualifikation entspricht.

UZ: Was sind eure Vorstellungen zu den Ausbildungsbedingungen?

Paul Rodermund: Es gibt eine Menge Punkte, die sich bei der Ausbildungsqualität verbessern müssen, das geht von einer Durchsetzung des Verbots ausbildungsfremder Tätigkeiten, über bessere Praxisanleitung bis zur Abschaffung von Schmalspurausbildungen. Auch während der Ausbildung muss es möglich sein, von seiner Ausbildungsvergütung selbstständig zu leben. Wir haben das als SDAJ mit 1200 Euro Netto beziffert. Das scheint viel, auch weil die meisten Schülerinnen und Schüler ein Ausbildungsgehalt unabhängig von der Höhe erst einmal als Verbesserung empfinden. Und auch in den Gewerkschaften wird eine solche Mindestausbildungsvergütung kritisch diskutiert, weil Auszubildende eben noch in der Ausbildung sind und keine »vollwertigen« Arbeitskräfte darstellen. Einen klaren Beschluss hierzu zu fassen hat beispielsweise der DGB- Bundesjugendkongress versäumt.
Uns ist schon bewusst, dass Auszubildende nicht die gleichen Werte schaffen können wie Ausgelernte. Hier geht es um die Frage, wer in die Arbeitskraft investieren muss, derjenige, der sie ausbeutet oder derjenige, der ausgebeutet wird. Die allgemeine Auffassung ist, dass die Auszubilden- den sich individuell durchbeißen müssen, erst einmal nicht aufmucken sollen und mit der Perspektive auf eine spätere Besserung die Ausbildung als eine Phase des Verzichts akzeptieren müssen.

UZ: Die SDAJ hat in diesem Jahr mit ihren Outings unter dem Titel »Unse- re Zukunft statt eure Profite« eine gan- ze Reihe von Betrieben öffentlich für schlechte Arbeitsbedingungen kritisiert. Wie sind die Aktionen bisher gelaufen?

Paul Rodermund: Die Outings laufen noch bis zum LLL-Wochenende in Berlin. Als Zwischenfazit kann ich aber jetzt schon sagen, dass die Kampagne in der gesamten SDAJ gut angenommen wurde. Das heißt, es gab auch einen Bedarf bei den SDAJ-Gruppen, praktisch im Bereich der Arbeiterjugendpolitik (AJP) aktiv zu werden. Außerdem haben wir festgestellt, dass die betriebliche und gewerkschaftliche Verankerung des Verbandes doch erheblich stärker geworden ist, das zeigen beispielsweise auch die AJP-Treffen auf Bundesebene. Die Stimmung ist also gut und dazu haben die Outings, die inzwischen in allen Bundesländern durchgeführt wurden, beigetragen. Es gab viel positive Resonanz. Immer wurden sie in der Nähe der Betriebsstandorte durchgeführt, dort wo diese Innenstadt nah waren, gab es auch positive Rückmeldungen von Passanten. Da wo sie außerhalb lagen, gab es positive Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen.

UZ: Gab es keine negativen Reaktionen?

Paul Rodermund: In erster Linie bei Geschäftsführung und Filialleitung, aber die wollten wir ja auch öffentlich bloßstellen. Selbstverständlich gibt es auch Kolleginnen und Kollegen, die Angst haben, ihre Arbeitsbedingungen zum Thema zu machen oder bei denen sich sozialpartnerschaftliche Ideologie ziemlich festgesetzt hat. In beiden Fällen ist große Sensibilität gefragt und die haben wir auch durchgängig gewahrt. Gerade in gewerkschaftsfeindlichen Betrieben schauen wir sehr konkret, ob ein offenes Auftreten von Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen überhaupt möglich ist. Da gibt es genaue Absprachen im Vorfeld. Aber die Stärke der Outings ist ja auch, dass sie von Genossinnen und Genossen außerhalb des Betriebes auch dort durchgeführt werden konnten, wo ein offenes Auftreten als Gewerkschafterin oder Gewerkschafter für die Beschäftigten bereits unmöglich ist.

UZ: Noch einmal zurück zum Aktionstag der IG-Metall-Jugend und zum Jugendkongress: Wie wird das Wochenende aussehen?

Paul Rodermund: Wir werben für die Teilnahme an Kundgebung, Demo und Konzert der IG-Metall-Jugend am Samstag und für den Jugendkongress am Sonntag. Es gibt auch Absprachen mit der Gewerkschaftsjugend, dass Busse erst am Sonntag zurückfahren, so zum Beispiel in Hessen. Wir werden mit Transpis, und Kampagnenmaterial während der Demonstration als SDAJ deutlich sichtbar sein, werden aber nicht in einem eigenen Block auftreten. In erster Linie geht es uns am Samstag darum, die Reihen der Gewerkschaftsjugend zu stärken und gleichzeitig noch einmal für unseren Kongress und unsere Inhalte zu werben.

UZ: Wo siehst du inhaltliche Unterschiede zwischen SDAJ und Gewerkschaftsjugend?

Paul Rodermund: Zunächst einmal sehe ich die Gemeinsamkeit, dass wir Jugendliche in interessengeleitete Auseinandersetzungen führen. Hier liegt auch unser gemeinsames Ziel: die Lage der lernenden und arbeitenden Jugend zu verbessern. Da geht es sicherlich in erster Linie darum, den Preis der Ware Arbeitskraft zu erhöhen und die Arbeiterklasse ökonomisch zu stärken.

Die SDAJ unterscheidet sich aber von den Gewerkschaftsjugendorganisationen nicht nur in der Frage, dass wir den Kapitalismus ohne Wenn und Aber überwinden wollen. Ich sehe durchaus, dass unsere Strategie in den kleinen Auseinandersetzungen effektiver ist. Ein Beispiel hierfür wäre der Mindestlohn, bei dem sich die Gewerkschaften selbst auf den Füßen standen, auch deshalb, weil sie an ihrer Orientierung auf Stellvertreterpolitik oder ihrer Aufgabe als »Lobbyorganisation« für die Arbeitsklasse festgehalten haben, anstatt zu mobilisieren. Wir orientieren als SDAJ sehr stark auf die Verknüpfung von betrieblichen und gesellschaftlichen Kämpfen und sehen auch, dass wir in dieser Frage gerade bei der Gewerkschaftsjugend zunehmend Verbündete finden. Das werden wir forcieren, das wird Thema unseres Jugendkongresses sein. Für Jugendliche, die mehr wollen als den täglichen, zähen Lohnkampf ist der Kampf mit und in der SDAJ sicherlich der beste Weg.

Das Gespräch führte Lars Mörking
UZ, Nr. 38 vom 19. September 2014
unsere zeit – Zeitung der DKP

 

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