Kultur

Bert Brecht übers Knie gebrochen

Porträt Bertolt BrechtKöln, 31.01.2012 | Am vergan­ge­nen Frei­tag war die Premiere von Brechts »Herr Puntila und sein Knecht Matti« im Kölner Schau­spiel­haus. Regie: Herbert Fritsch. Vorher hatte sich dieser Regis­seur schon zu seiner Arbeit per Inter­view ver­nehmen las­sen. Unter anderem in der Kölner Stadt­revue. Dieses Inter­view kom­men­tiert der Autor Maurice Andante.

Über die öffentlichen Äußerungen des Dramatikers Herbert Fritsch

Der Theatermacher Fritsch insze­niert gerade den »Puntila« von Bert Brecht im Kölner Schau­spiel­haus. Seine Insze­nie­rung ist nichts weniger als der Versuch, das Schaf­fen Brechts ins Sub­jek­ti­vis­tisch-Post­mo­der­nis­ti­sche hinein­zu­zie­hen und so die Arbeit Brechts in ihrer Wirk­weise zu unter­graben.

 

Der Regisseur räumte gegen­über der Kölner Stadt-Revue ein, dass seine Auf­füh­rung nicht viel mit dem Anlie­gen Brechts gemein habe. Letzt­lich führt Fritsch Brecht so auf, wie es ihm gerade in den Kopf kommt. Die große brechtsche Thea­ter­tra­di­tion wird vom Tableau geräumt, sowohl for­mal-ästhe­tisch als auch inhalt­lich in ihrem Stel­lung­neh­men gegen Krieg, Armut, Herr­schaft, Faschis­mus und Kapi­ta­lis­mus. Fritsch inter­es­siert sich eher für Lust, Rausch, Sado-Maso-Bezie­hun­gen und Freude, und unter­rührt dieses halb­gar in die Kunst-Suppe, die er aufkocht. Oben­drein desa­vou­iert er noch Brechts Ein­mi­schung in die Zeit mit der Bemer­kung: »Wenn sich Regis­seure zur tages­poli­ti­schen Lage als Exper­ten gerie­ren, bin ich nicht dabei.« Von der wirk­li­chen Wirk­lich­keit will Fritsch eben nicht viel wissen. In heuch­le­ri­scher Beschei­den­heit gibt er vor, die Rea­li­tät nicht zu ver­ste­hen. Sie scheint ihm aus Rat­lo­sig­keit und brö­ckeln­den Philo­so­phien zu bestehen. Außer­dem deutet er an, dass Brecht heute nicht mehr rele­vant sei, mit dem Hin­weis darauf, dass die Wirk­lich­keit sich verän­dert habe. Was denn nun? Eine Wirk­lich­keit, die eh nur Philo­so­phie ist und oben­drein brö­ckelt, also quasi nicht mehr exis­tiert, hat sich gegen­über früher verän­dert? Da sei Karl Valentin zitiert: »Früher war die Zukunft auch mal besser!«

 

Als ob das nicht alles aus­reicht, bläst Fritsch zum Sturm­an­griff auf eine der ent­schei­denen Leis­tun­gen des brecht­schen Thea­ters, näm­lich die Fähig­keit, Figu­ren so an­zu­le­gen, dass sie einer­seits noch kon­krete indi­vi­du­elle Men­schen dar­stellen, anderer­seits bestimmt werden durch Geschichte, Zeit und die prä­gen­den gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen. Diese komplexe Dar­stel­lung des Men­schen in seiner Subjekt-Ob­jekt­haf­tig­keit wird von Fritsch in gegen­auf­klä­re­ri­scher Manier als »thesen­haf­tes Gebrab­bel« bezeich­net. Nun ja, die Was­ser der Ein­di­men­sio­na­li­tät sind tief.

 

Maurice Andante
Foto: Archiv

 


Interview in Kölner Stadt­revue