Kultur
Kein Marx ohne Lenin
Was wäre von Marx im 20. Jahrhundert geblieben, wenn nicht die von Lenin und den Bolschewiki durchgeführte Oktoberrevolution stattgefunden und der Aufbau des ersten sozialistischen Staates der Arbeitern und Bauern, der sich in seinem Selbstverständnis von Marx leiten ließ, gewesen wäre?
Was wäre von Marx und seiner Lehre übriggeblieben, wenn nicht dieser Staat den mit ungeheuren Blutopfern bezahlten Sieg über den Hitlerfaschismus errungen und wenn nicht dank dieser Vorbildwirkung und dank seines politischen, militärischen und ökonomischen Einflusses nach 1945 der globale Imperialismus 45 Jahre im Zaum gehalten worden wäre?
Was wäre im 21. Jahrhundert von Marx zu hören, wenn nicht auch dank der Existenz des realen Sozialismus nach 1945 die Kolonialregime zerbrochen worden wären und wenn nicht auch wegen dieser weltpolitischen Konstellation sich selbst nach dem Ende des »Sowjetblocks« Länder wie Kuba, Vietnam, die Volksrepublik Korea und das riesige »Rot-China« sich weiter einer sozialistischen Option verpflichtet fühlten? Bei allen Widersprüchen, die es in diesen Staaten gibt.
Doch war Lenin nicht auch nur ein »Schüler« von Marx? So wie andere prominente Marxisten zu Ende des 19. bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts? So wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Georgi Plechanow, Nikolai Bucharin? Müsste es dann nicht eigentlich heißen: »Kein Lenin ohne Marx«?
Hans-Peter Brenner
Quelle: jungeWelt
Bild: Wikipedia
4.12.2010 | In diesen Tagen erscheint Heft 6/2010 der Marxistischen Blätter (MB) mit dem Schwerpunktthema »Marx lesen«. Die Ausgabe enthält, neben dem hier gekürzt vorabgedruckten Text Hans-Peter Brenners, weitere Beiträge – u.a. von Thomas Metscher, Erich Hahn und Robert Steigerwald – der Konferenz »Marx2010!«, die im Juni in Jena stattgefunden hat. Zu bestellen sind die MB über www.marxistische-blaetter.de (Einzelheft 8,50 Euro).