Lage in NRW und die Landtagswahlen

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Zur Lage in NRW und den anstehenden Landtagswahlen

Kreismitgliederversammlung der DKP Köln 10. November 2016
Referat: Klaus Stein, Kreisvorsitzender

Ganz Europa steht noch unter dem Schock des Wahlergebnisses der US-amerikanischen Präsidentenwahl. Der Rechtspopulismus ist im Machtzentrum des Imperialismus angekommen. Bei allem Rätselraten über Trumps politische Ziele wird deutlich, und er hat es am Wahlmorgen gesagt, dass es dabei nicht auf die Aussagen ankommt, die er im Wahlkampf gemacht hat. Künftig wird auf die Zustimmung zu seiner Politik wenig Wert gelegt. Schon in der Vergangenheit konnte die US-Diplomatie die militärische Aggressivität des US-Imperialismus nicht verhüllen. Selbstverständlich stimmen auch im Verhältnis zum Krieg im Nahen Osten, im Verhältnis zur Türkei Reden und Handeln nicht überein. Anstelle von Heuchelei und Lüge wird die offene Gewalt eine wachsende Rolle spielen. Der Krieg rückt näher.

Um die Richtung einzuschätzen, die die Politik des US-Imperialismus nimmt, hilft ein Blick auf die Aktienkurse.

Die Aktie von Rheinmetall machte gestern einen Sprung von 6%. Ein hochrangiger Rüstungsmanager erläuterte in der heutigen FAZ, Berlin werde mit Trumps Einzug ins Weiße Haus die Lücke bis zu den zugesagten 2 Prozent des BIP für den Rüstungsetat schleunigst auffüllen müssen, was einer Aufstockung von bis zu 20 Mrd Euro gleichkomme. Trump werde die Beistandsverpflichtungen seines Landes im Militärbündnis NATO an harte Bedingungen knüpfen und erwarte stärkere Beiträge von den europäischen Mitgliedern.

Auch der Kurs der Deutschen Bank gewann. Er stieg um 3,6%.

Die Zeitung zitiert den Chefstrategen des dänischen Vermögensverwalters Danske Invest, Andersen. Er setzt auf steigende Zinsen, von denen der Finanzsektor profitieren werde. «Ein weiterer positiver Aspekt für die Bankaktien seien die nachlassenden Sorgen über eine straffere Regulierung, die der Branche mit Clinton als Präsidentin gedroht hätten.

Deutlich zulegen konnten Pharma- und Gesundheitswerte. Hier sorgte der Erfolg von Trump für Erleichterung, weil Clinton Maßnahmen gegen hohe Arzneipreise geplant hatte. Die Pfizer-Aktie sprang kurz nach Handelseröffnung in New York um 8,3% nach oben. Fresenius-Aktien gewannen in Frankfurt 7 Prozent an Wert, Bayer 5,2 und Merck 4,9 Prozent.»

Verlierer war die VW-Aktie mit 2 Prozent, auch BMW blieb im Minus.

Im Jahr 1960 hatte das Ruhrgebiet mit 5,6 Mio Einwohnern den Höchststand der Bevölkerungsentwicklung erreicht. Seit 1957 verfallen die industriellen Grundlagen. Bis zur Gründung der Ruhrkohle 1969 wurden 54% der Kohleförderkapazitäten mit mehr als 200 000 Arbeitsplätzen stillgelegt. 133 Zechen- und Kokereistandorte wurden aufgegeben. Ab den 1970er Jahren reduzierte sich im Zuge der Minderung der Stahlproduktion die Zahl der dort Beschäftigten. Ganze Stahlstandorte verödeten. Wir erinnern uns an den Kampf der Arbeiter von Rheinhausen 1987.

Seit Mitte der 1970er Jahre sinkt die Bevölkerungszahl im Ruhrgebiet auf wenig mehr als 5 Millionen in den 80er Jahren. Auch gegenwärtig hält die Abwanderung an.

Den Industrieabbau haben Bund und Land subventioniert und sozial abgefedert. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park als umfassendes städtebauliches Projekt, das die Deindustrialisierung begleitete, um politische Konflikte zu vermeiden und Widerstand zu zähmen. Es gab viel Geld dafür, etwa 5 Milliarden DM.

In der Sprache der IBA heißt Deindustrialiserung Strukturwandel. Aus industriellen Betrieben wurden Freizeiteinrichtungen. Der Himmel über der Ruhr ist nunmehr so blau, wie es einst die SPD versprochen hatte. Wie die Leute ihr Geld verdienen, ist nicht mehr von Belang, sondern nur, wie sie es ausgeben. Wir staunen, wie wenig Widerstand diese Veränderungen ausgelöst haben. Viele Bewohner des Ruhrgebiets wanderten ab.

Aber auch andernorts, namentlich auf dem Gebiet der DDR nach deren Anschluss, wurden Industriebetriebe stillgelegt. Die offizielle Gesamtzahl der Arbeitslosen stieg in Deutschland infolgedessen nach 1989 auf 4 Millionen. Aber erst in den Jahren 1997 und 1998 kam es zu einer europaweiten Bewegung gegen Arbeitslosigkeit. Überall in der Bundesrepublik wirkten Arbeitsloseninitiativen. Es gab Demonstrationen und lokale Aktivitäten, unterschiedlich stark und durchschlagskräftig, aber bemerkbar.

Nach der Bundestagswahl im September 1998 musste die Regierung Kohl ihren Abschied nehmen. In seiner ersten Regierungserklärung am 10. November 1998 sagte der neue Bundeskanzler Schröder: «Die Bundesregierung ist sich völlig im klaren darüber, daß sie ihre Wahl wesentlich der Erwartung verdankt, die Arbeitslosigkeit wirksam zurückdrängen zu können. Genau dieser Herausforderung werden wir uns stellen.»

Die Folge indes: die SPD-Regierung in der Koalition mit den Grünen hat nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen bekämpft.

Wolfgang Clement, seinerzeit noch in der SPD und zu diesem Zeitpunkt Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, mittlerweile selbst in der Zeitarbeitsbranche tätig, hob am 1. Januar 2003, zwecks «Flexibilisierung des Arbeitsmarktes» mehrere gesetzliche Rahmenbedingungen für die Zeitarbeit aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ersatzlos auf. Es handelte sich um die Beschränkung der Höchstüberlassungsdauer, das Befristungsverbot, das Wiedereinstellungsverbot und das Synchronisationsverbot. Die Zahl der Leiharbeiter betrug Ende 1998 230.000, 2002 waren es 310.000, gegenwärtig sind etwa eine Million registriert.

Mittlerweile ist die Leiharbeit nicht mehr die bevorzugte Form von Lohnkostensenkung und Prekarisierung der Arbeit. An ihre Stelle treten Werkverträge, auf deren Grundlage Fremdfirmen außer- und untertariflich Arbeiten erledigen.

Das Arbeitslosengeld II, genannt Hartz IV, ist seit dem 1. Januar 2005 Gesetz. Entscheidend ist nicht mehr, was in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt worden ist, sondern die Bedürftigkeit. Das hat die Arbeiterklasse der SPD bis heute nicht verziehen. Schon bei den NRW-Kommunalwahlen im September 2004 wurde die SPD abgestraft. Viele SPD-Wähler gingen nicht zur Wahl. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,4%, die SPD bekam noch 32% der Stimmen, fünf Jahre vorher waren es noch 36% gewesen. Ein halbes Jahr später, im Mai 2005, verlor die SPD bei der Landtagswahl noch einmal 6 Prozent mit der Folge, daß sie nach 39 Jahren aus der NRW-Regierung flog. Diese Wahlniederlage führte dazu, daß Schröder im Bundestag die Vertrauensfrage stellte. Der Bundestag wurde am 21. Juli 2005 aufgelöst. Neuwahlen erfolgten am 18. September. Schröder wollte am Wahlabend seine Niederlage nicht wahrhaben. Es kam ohne ihn zur großen Koalition. Seitdem ist Merkel Bundeskanzlerin. Schröder ging zu Gazprom. Und für uns in NRW liegen seitdem zwischen Landtags- und Bundestagswahlen knappe vier Sommermonate.

Gegenwärtig prägt Armut nicht nur die Emscherzone.

Im Februar rechneten uns die Wohlfahrtsverbände vor, dass im Ruhrgebiet jeder Fünfte arm ist. In Dortmund fallen nach ihrer Berechnung 21,4% unter die Armutsgrenze, in Düsseldorf 16,3%, in Köln 17,5%. Auch hier wächst sie rapide, in den vergangenen sieben Jahren um ein Drittel.

Es gibt gegenwärtig noch kein einklagbares Recht auf Nahrung, das sich auf die Menschenrechtskonvention berufen könnte. Die sozialen Menschenrechte harren noch der Übernahme durch die Europäische Menschenrechtskonvention. Aber es gibt mittlerweile 919 Tafeln in Deutschland, in denen 60 000 Helfer in annähernd 3000 Ausgabestellen regelmäßig mehr als 1,5 Millionen bedürftige Personen mit Lebensmitteln versorgen – knapp ein Drittel davon waren im vergangenen Jahr Kinder und Jugendliche. Auffällig ist die Entwicklung der Zahlen bei den Rentnern. Die Menge der Rentner, die die Tafeln in Anspruch nimmt, hat sich innerhalb weniger Jahre mehr als verdoppelt. Während im Jahr 2007 etwa 12 Prozent der Tafel-Kunden im nacherwerbstätigen Alter waren, ist ihre Zahl laut aktueller Tafel-Umfrage auf knapp 24 Prozent angestiegen. Sie hat sich verdoppelt.

Über die drei Landtagswahlen 13. März diesen Jahres habe ich schon an anderer Stelle gesprochen. Wir erinnern uns an die alarmierend hohen Zahlen für die AfD. In Baden-Württemberg kam sie auf 15,1%, in Rheinland-Pfalz 12,6%. Allein in Sachsen-Anhalt waren es 24,2%. Auffällig war dabei, dass in allen drei Bundesländern erstmals die Wahlbeteiligung gestiegen war (Sachsen-Anhalt um 9,9% auf 61,1%, in Baden-Württemberg von 66,3% auf 70,4% und in Rheinland-Pfalz von 61,8% auf 70,4%.)

Derartige Ergebnisse wiederholten sich am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern: Die AfD kam auf Anhieb auf 20,8%, bei einer Wahlbeteiligung von 61,7%. Fünf Jahre vorher betrug sie noch 51,5%, also 10,2% weniger. In Berlin bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 18. September kamen aus dem Stand für die AfD 14,2% zusammen, die Wahlbeteiligung war von 60,2 auf 66,9% - also um 6,7% gestiegen.

Die AfD mobilisiert offenkundig Wählerinnen und Wähler, die bisher auf die Stimmabgabe verzichtet haben. Wahlverzicht ist indes ein Merkmal in solchen Stadtvierteln und Gegenden gewesen, die durch einen hohen Anteil von prekär Beschäftigten und Hartz IV-Beziehern markiert sind. Die Armut wählt rechts.

Demgegenüber hat die Landesmitgliederversammlung der DKP am 23. Oktober festgestellt, dass die Reichen immer reicher werden. Allein 30 Milliardäre leben in NRW, mehr als in jedem anderen Bundesland. Die Millionäre und Milliardäre in NRW haben ein Vermögen von 600 Milliarden Euro.

Schon eine Millionärssteuer von 2 Prozent würde dem NRW-Haushalt jährlich zusätzliche 12 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Eine Kürzung der Rüstungsausgaben um 20 Prozent, die Streichung der Hochrüstungspläne des Kriegsministeriums und die Beendigung der weltweiten Kriegseinsätze der Bundeswehr brächten für NRW weitere 4 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Damit stünden jährlich 16 Milliarden Euro für die Schaffung von Arbeitsplätzen, Schulen, KITAs und Wohnungen in NRW zur Verfügung.

Seit der Schuldenbremse von 2009 und dem Bankenrettungsschirm des ESM wird finanzielle Lage der Kommunen verschärft, weil Bund und Länder die Schulden auf die Städte und Gemeinden überwälzen.

Der Deutsche Städtetag beklagt zudem die Einführung von Finanzausgleichs- bzw. Abundanzumlagen. «Auf diese Weise würden Mittel von ‹reicheren› Kommunen abgeschöpft und zu ‹ärmeren› Kommunen umgeleitet. Der Landeshaushalt wird dabei nicht belastet; das Land erspart sich eigene Anstrengungen und lässt diese durch die kommunale Ebene tragen.»

Diese Methode wird übrigens durch den Kommunalen Finanzreport der Bertelsmannstiftung nahegelegt. Das heißt dort Disparitätenanalyse und bietet die Grundlage für die Propagierung eines derartigen für die Länder kostenneutralen Ausgleichs unter den Kommunen.

Dabei sind die Zinsen gegenwärtig auf einem Tiefstand. Aber immer wieder wird von einem Ende der Niedrigzinspolitik nicht nur geraunt, gegenwärtig erwartet es die Finanzwelt von der Regierung Trump. Die Schuldner dieser Welt werden es befürchten. Höhere Zinsen würden insbesondere die hochverschuldeten Städte und Gemeinden treffen. Die bürgerliche Kommunalpolitik bietet keine andere Perspektive als die Schuldenfalle oder allenfalls ihre knappe Vermeidung. Die unzulängliche finanzielle Ausstattung der Kommunen zusammen mit der Zwangsjacke des Kommunalkredits sind Teil dieser Umverteilungsprogramme von Arm zu Reich.

Stattdessen verlangt das DKP-Sofortprogramm für NRW einen Schuldenschnitt. Die Kommunen sollen auf Kosten der Banken entschuldet und von ihren Zinszahlungen entbunden werden. Bund und Land müssen ihnen die notwendigen Mittel für ihre Aufgaben zur Verfügung stellen.

Der Chemikonzern BAYER beharrt weiterhin auf der gefährlichen CO-Pipeline zwischen Dormagen und Uerdingen. Seine überteuerten Pharmaprodukte machen Gesundheit zunehmend unbezahlbar. Bayer sind schwere Menschenrechtsverletzungen vorzuwerfen, unter anderem Import von Rohstoffen aus Kriegsgebieten, Finanzierung unethischer Medikamentenversuche, Behinderung eines Entwicklungslandes bei der Herstellung und Vermarktung lebenswichtiger Medikamente, Vertrieb gefährlicher Pflanzengifte, Ausbeutung und Kinderarbeit bei Rohstofflieferanten. Mit Coltanimporten finanziert eine Tochterfirma seit Jahren den Krieg im Osten des Kongo, der schon Millionen Tote gekostet hat. Bayer verweigert wie andere große Konzerne Gewerbesteuer. Die Körperschaftssteuer, die noch unter Kohl 45% betragen konnte, ist zugunsten der Gewinne großer Konzerne auf 15% reduziert worden.

In NRW sind die Energiekonzerne RWE und E.ON zuhause. Deren Großkunden erhalten Rabatte, zeitweilig zahlungsunfähigen Privathaushalten aber wird der Strom abgestellt. RWE verpestet die Luft mit CO2 und zerstört die Landschaft, statt schleunigst auf erneuerbare Energie umzustellen.

Das DKP-Sofortprogramm für NRW erinnert auch an den Artikel 27 der Landesverfassung, der vorsieht, dass Großbetriebe der Grundstoffindustrie sowie Monopole und Banken in demokratisch kontrolliertes öffentliches Gemeineigentum zu überführen sind. Das sollte auch für BAYER und seine Konzerntöchter gelten.

Wer heute in Köln eine Wohnung sucht, muss adrett und solvent aussehen und mit einer Miete von 13 Euro pro Quadratmeter rechnen. Ausgerechnet im untersten Preissegment steigen die Mieten am stärksten – bei Neuvermietungen jährlich über fünf Prozent. Gegenwärtig werden 17 Euro pro qm in Appartments unter 30 qm bezahlt. Das können sich immer weniger Menschen leisten. Und diejenigen, die noch bezahlbare Mieten haben, geraten häufig in die Lage, gekündigt zu werden. Den Vermietern helfen Gesetze, die es erlauben, für energetische Sanierung die Mieten zu verdoppeln und unter dürftigen Vorwänden Zwangsräumungen zu veranlassen. Der Widerstand dagegen hat nach einigen spektakulären Aktionen, insbesondere solchen wie der Bewegung gegen die Zwangsräumung von Kalle Gerigk in der Fontanestraße, nachgelassen. Die Initiative Recht auf Stadt wird auf der anderen Seite mit einer großen Menge von Fällen beschäftigt, die sich individuell beraten lassen wollen. Sie wird für zuständig gehalten.

Die Tatsache, dass angesichts der anhaltenden Überproduktionskrise heute Milliardensummen an überschüssigem Kapital vergeblich in der Industrie nach profitablen Anlagemöglichkeiten suchen, führt zu einem Immobilienboom, der sich zur Blase aufbläht, und zu galoppierenden Mieten. Gleichzeitig führt die wachsende Kluft von Arm und Reich zur Vertreibung der gering Verdienenden in die Stadtrandzonen oder aus der Stadt heraus und in Wohnungen, die massenhaft von Wohnungskonzernen aufgekauft, dann aber vernachlässigt werden.

Solange der Wohnungsbau ein Geschäft ist, wird sich das nicht ändern. Der Markt hat es nie gerichtet und wird es nicht richten. In der Vergangenheit half der Soziale Wohnungsbau, in den große Summen öffentlicher Gelder zum Nutzen privater Bauherren und Vermieter flossen. Der soziale Wohnungsbau sorgte zwar noch für bezahlbare Wohnungen. Mittlerweile sinkt aber die Zahl der gebundenen Wohnungen rapide. Fast die Hälfte der Kölnerinnen und Kölner hat einen Wohnberechtigungsschein, dabei ist aber der Anteil derjenigen, die gebundene Wohnungen nutzen können, auf weniger als 7% gesunken.

Seit Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit im Jahr 1990 gibt es für den Profit im Wohnungmarkt kein Halten mehr. Die Mietpreisbremse wirkt nicht, zumal angesichts des Wohnungsmangels kein Mieter wagt, die notwendigen Daten beim Vermieter zu erfragen. Bezieher von Sozialleistungen, erst recht Flüchtlinge und Asylanten werden häufig in gesundheitsgefährdende und überhaupt menschenunwürdige Wohnverhältnisse gezwungen.

In dieser Lage schwinden die Unterschiede zwischen den kommunalen Wohnungsunternehmen und den finanzmarktorientierten Vermietungskonzernen. Nötig sind kommunale Wohnungsunternehmen, die ihre Wohnungen dauerhaft halten und nicht am Gewinn, sondern am Gemeinwohl orientiert sind.

Wesseling ist ja nicht Köln, sagt die städtische GAG, und fühlt sich ihren Wesselinger Mietern nicht mehr verpflichtet. Kürzlich hat die GAG dort 440 Wohnungen einem Käufer überlassen. Der Verkauf von weiteren 152 Wohnungen droht. Die Politik der GAG ist immer noch zu Gewinnen verpflichtet und die Stadt Köln legt Wert darauf, dass ihre Wohnungsgesellschaft diese abführt.

Offenkundig wirken die drei Maßnahmen nicht, die der Stadtrat im Dezember 2013 mit Stimmen fast aller Parteien beschlossen hat. Das waren

  • Erstens: Milieuschutzsatzungen. Diese Maßnahme ist bislang noch Absicht.
  • Zweitens: Das «Kooperative Baulandmodell». Bauherren sollen mit günstigen Grundstücken zu einer Quote von 30 % Sozialwohnungen veranlasst werden. Das klappt nicht, zumal die Bauherren die Sozialwohnungsquote herunterhandeln.
  • Drittens: das Sonderprogramm «Bezahlbaren Wohnraum sichern» verspricht den Bauherren 150 Euro pro qm zusätzlich, wenn sie Sozialwohnungen schaffen. Wegen der Deckelung auf 2 Mio Euro könnten damit allenfalls 150 Wohnungen entstehen. Das reicht nicht. Die Stadt verfehlt ohnehin ihr Ziel von jährlich 1.000 neuen Sozialwohnungen.

Angesichts des geringen Zinsniveaus empfinden Bauherren die Sozialbindung als vermeidbare Belastung und lassen öffentliches Baugeld liegen. So sinkt die Zahl der Sozialwohnungen stetig. Was hilft? Stadt und Land müssen selbst bauen auf Gelände, das ihnen gehört. Es ist einfach nicht sinnvoll, private Gewinne zu subventionieren mit Krediten, die an die Baukosten heranreichen, statt öffentlichen Wohnungsbau preiswert zu betreiben.

Das sind lange nicht alle Probleme, die wir der Landespolitik zuordnen. Der Landtag selbst hat vier Parlamentarische Untersuchungsausschüsse (PUA) eingerichtet. Wir hören allgemein nur von dem PUA zu Kölner Silvesternacht. Die anderen werden medial merkwürdig kurz gehalten. Wer weiß von den Machenschaften des Bau- und Liegenschaftsbetriebes? Wer kennt die Ergebnisse der Untersuchungen über die WestLB? Wer weiß, was der PUA zum Verhältnis von Landesbehörden und NSU herausbekommen hat? Das und weitere landespolitische Fragen werden uns am kommenden Wochenende und den folgenden Monaten beschäftigen.

Ziel unseres Seminars in Jalhay ist die Überprüfung der bisherigen landespolitischen Forderungen mit Blick auf die drängender gewordenenen sozialen Probleme und ihre Ergänzung um Positionen zur Braunkohleförderung, zum Korruptionsherd Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW sowie zur

Finanzierung von Wohnungsbau durch das Land. Es sind die bildungspolitischen Forderungen namentlich bei den Themen Inklusion, G8, Sekundarschule und Hochschule zu aktualisieren. Wir wollen Forderungen zur Beendigung der Zusammenarbeit von Landesbehörden mit Faschisten und Rechtsterroristen entwickeln sowie solche zur Bekämpfung des Einflusses von Militär auf die Landespolitik. Die AfD darf nicht in den Landtag kommen!

Das Sofortprogramm für NRW kann dabei eine Hilfe sein. Es ist zu ergänzen. Wir wollen überzeugen. Gegen rechte Demagogie wird nur Bewegung helfen: gegen die Wohnungsnot, für günstige Mieten, bessere Bildung und Ausbildung, gegen den Krieg, für mehr Demokratie.

 Text und Foto: Klaus Stein