Stimmenklau gescheitert

Verfassungsgerichtshof kassiert Verfassungsbruch

 Grafik: Ergebnisse der Kommunalwahlen in Düsseldorf 2014.

Um den Deal zur Kommunalwahlreglementierung wasserdicht und ewigkeitstauglich zu machen, hatten SPD, CDU und Grüne im Düsseldorfer Landtag eine temporäre supergroße Koalition geschmiedet. Das war die quantitative Voraussetzung, um die Verfassung zu knacken. Das Ergebnis ihrer Bemühungen: Sie sind gescheitert. Ihre beantragte 2,5 %-Sperrklausel für die Kommunalwahl wurde verboten.

Hintergrund: in NRW gab es eine 5%-Sperrklausel, die von Gerichts wegen am 6. Juni 1999 als nicht demokratiekonform aufgehoben wurde. Und nun der neue Anlauf der drei «großen» Parteien: Wenigstens 2,5 Prozent hoch sollte die Sperre sein, um kleinere Parteien aus dem Rathaus zu entfernen. Aber auch damit sind SPD, CDU und Grüne nun in Münster gescheitert. Festgelegt im «Kommunalvertretungsstärkungsgesetz» vom 14. Juni 2016 .

Um für die Zukunft mit dieser Sperre sicher zu sein und nicht wieder Angriffe gegen das Gesetz fürchten zu müssen, wurde von der übergroßen Landtagsmehrheit nun nicht allein das Kommunalwahlrecht ausgehebelt. Es wurde großes Geschütz aufgefahren: Das Wahlrecht sollte im Rahmen der Verfassung geändert werden. Damit wären dann die kleinen Parteien und Einzelbewerber – unter 2,5 Prozent – für immer weg vom Fenster. Abgesichert in der Landesverfassung in Artikel 78 Absatz 1 Satz 3.

Um die Verfassung für diese Zielsetzung zu ändern, hätten gravierende Argumente vorgetragen werden müssen. Aber das, was von den Rechtsvertretern der großen Drei vorgetragen wurde, genügte dem Maßstab des Verfassungsgerichtshofes (VerfGH) nicht: Der Ratssaal wäre zu vielfältig bestückt, die Sitzungen würden zu lange dauern, das wäre alles zu lästig und von Ehrenamtlern nicht zu leisten. Als Zeugen für die Belastung der Mandatsträger wurden die Bürgermeister bemüht. Sie, die Mitglieder von SPD und CDU sind und verschiedentlich von Koalitionen mit den Grünen getragen werden, bestätigten natürlich die Bedenkenträger. Fazit: die Ratsversammlungen seien nicht mehr handlungsfähig.

Der Verfassungsgerichtshof konterte scharf: «Die gesetzgeberische Prognose drohender Funktionsstörungen aufgrund einer parteipolitischen Zersplitterung entbehrt einer tragfähigen, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständigen Grundlage.» Zusammengefasst kommt der VGH zu dem Schluss: «Auch ist die gegebene Begründung nicht in jeder Beziehung nachvollziehbar.»

Das Gericht erkannte, dass der Verfassungsbruch von SPD, CDU und Grünen festschreiben sollte, dass alle Stimmen, die für eine Partei unter 2,5 Prozent bleiben würden, wegfallen, also nichts wert sind. Diese unterschiedliche Gewichtung der Wählerstimmen wollte das Gericht nicht zulassen. Das Gericht spricht davon, «dass die 2,5 %-Sperrklausel bei Kommunalwahlen gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit verstößt.» Und die Pressemitteilung des VerfGH ergänzt: «Die Sperrklausel bewirke die Ungleichgewichtung der Wählerstimmen hinsichtlich ihres Erfolgswertes, da Stimmen für solche Parteien und Wählervereinigungen, die an der 2,5%-Hürde scheiterten, ohne Einfluss auf die Sitzverteilung blieben.» Anders ausgedrückt: Jeder Sitz im Rathaus, der danach nicht an die kleinen Parteien geht, würde an SPD, CDU oder Grüne gehen. Die DKP spricht von Stimmenklau.

Daher begrüßt die DKP die Entscheidung des VerfGH Münster. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass die Aufhebung der Sperrklausel nicht für die Wahlen zu den Bezirksvertretungen und zur Regionalversammlung Ruhr gelten soll, weil die «weniger strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterlägen.» Von SPD, CDU und den Grünen wurde die Entscheidung zum Verbot der 2,5 %-Klausel mit Unverständnis aufgenommen. Sie erkannten sich in ihrem im «Kommunalvertretungsstärkungsgesetz» vom 14. Juni 2016 nicht als Verfassungsbrecher

(VerfGH NRW, Urteil vom 21.11.2017 – VerfGH 21/16)
Uwe Koopmann
Grafik: Wikipedia