Partei
Die gegenwärtige Lage der Partei
Referat auf der Bezirksvorstandssitzung vom 21. September 2014
Liebe Genossinnen und Genossen,
Die Zahlen, die Euch nach der Auswertung der Mitgliedsbuchneuausgabe vorliegen, belegen unsere anhaltende Schwäche. Dabei ist die Lage so, dass die kommunistische Partei nötiger denn je ist. Alle gesellschaftlichen Probleme schmachten nach sozialistischen Lösungen. Während die Arbeiterklasse weitgehend still hält, gibt sich die Gegenseite, die herrschende Klasse, im Verhältnis dazu recht munter.
Im Juli 2014 hatten die 18 Euro-Länder Schulden von 9.055.513.000 Euro, das sind 93,9% des BIP. Drei Monate vorher waren es noch 92,6%, 150 Milliarden Euro weniger.
Offenkundig kann oder will die Bundesregierung ihre Schulden nicht abbauen oder dafür sorgen, dass andere Länder davon runter kommen. Tatsächlich geht es nur darum, dass die Schulden bedient werden und die Gläubigerbanken und andere Finanzinstitute sich darauf verlassen können. Deswegen heißt es im Koalitionsvertrag ganz ungeschminkt und brutal:
Die von der letzten Großen Koalition verabschiedete Schuldenregel im Grundgesetz ist strikt einzuhalten. Der Bund hat die für ihn geltenden Verpflichtungen bereits frühzeitig erfüllt und darf dahinter nicht zurückfallen. Die gesamtstaatlichen Verpflichtungen aus dem Europäischen Fiskalpakt sind einzuhalten. Die Stabilitätskriterien für Defizit- und Schuldenquote nach dem verschärften europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sind einzuhalten. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verlangt eine konsequente Rückführung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wir wollen die Quote innerhalb von zehn Jahren von 81 Prozent (Ende 2012) auf weniger als 60 Prozent zurückführen. Bis Ende 2017 streben wir eine Absenkung der Quote auf unter 70 Prozent des BIP an.
Für den absehbaren Fall, dass das nicht gelingt, wird der staunenden Öffentlichkeit ein anderes, ein günstigeres Bild verkauft. Es beruht aber nicht auf verbesserten Tatsachen, sondern auf einer neuen Berechnungsgrundlage. Sie gilt ab dem 1. September. Der größte Posten betrifft die Berücksichtigung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Sie belaufen sich in Deutschland auf 3 Prozent des BIP. Aber es soll auch die Prostitution eingerechnet werden. Hier wird eine »Bruttowertschöpfung« von 7,3 Milliarden Euro geschätzt. Das entspricht knapp einem Drittel Prozent des BIP in Deutschland. Außerdem wird künftig der Drogen- und Zigarettenschmuggel als Wirtschaftsleistung berücksichtigt. Die »Wertschöpfung« des Drogenhandels wird mit 2,738 Billionen Euro berechnet, ein Zehntel-Prozent des BIP. Die Neuerungen vermehren das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) – und vermindern umgekehrt die Schuldenquoten der EU-Länder. Wie verzweifelt muss die Lage sein, wenn die Herrschenden sie mit solchen Mitteln zu verharmlosen suchen!
In der Tat dauert der Zustand der Überakkumulation an. Dazu hatte ich im Mai schon einige Takte mitgeteilt. Die Hypertrophie des Finanzsektors verhindert den fälligen, der kapitalistischen Krise üblicherweise folgenden Wiederaufschwung. Das führt erfahrungsgemäß zu Kreditblasen, die aus geringfügigem und zufälligem Anlass platzen können und in den seinerzeit schon von Merkel befürchteten Abgrund führen. Es wären erhebliche Schuldenschnitte fällig. Es gibt aber keine gesellschaftliche Instanz unter den Bedingungen imperialistischer Konkurrenz, die diesen Vorgang vereinbaren und realisieren könnte.
Im Gegenteil. Das jüngste Beispiel der argentinischen Schuldenkrise zeigt, dass und wie derartige Lösungen verhindert werden. Die argentinische Staatverschuldung begann mit Übernahme der Macht durch das Militär im März 1976. Im Mai 2003 waren sie auf astronomischer Höhe und völlig unbedienbar geworden. Néstor Kirchner vereinbarte angesichts dessen einen Schuldenschnitt von durchschnittlich 50%. Der größte Teil der Gläubiger nahm im Februar 2005 das Angebot an. Aber nicht alle. Der Hedgefonds NML Capital von Paul Singer erwarb einen Teil der nicht umgeschuldeten Anleihen, beschränkte sich dabei, das versteht sich, auf die Bonds, die auf US-Dollar lauteten und nach US-amerikanischem Recht, mit Gerichtsstand in den USA, ausgegeben worden waren. Bezahlt hat er dafür 48 Mio US-Dollar. Der greise New Yorker Bezirksrichter Thomas Griesa verurteilte Argentinien am 22. November 2012 zu einer Zahlung von 1,33 Milliarden US-Dollar an den Hedgefonds. Ende Juni 2014 verbot er Argentinien, andere Schulden zu bedienen, solange der Hedgefonds nicht ausbezahlt werde. Der oberste Gerichtshof der USA hat das Urteil mittlerweile bestätigt. Griesa wies die zuständige New York Mellon Bank an, das Geld an Argentinien zurück zu überweisen.
Das argentinische BIP erreicht knapp 500 Mrd Dollar im Jahr. Die Staatsverschuldung beträgt etwa die Hälfte dieser Summe. Sollte Argentinien dem Urteil Folge leisten, käme es wieder zur Staatspleite. Im übrigen umfassen die Bonds, die Singer ausbezahlt haben will, nur 15% der nicht umgeschuldeten Anleihen. Im Falle der Befriedigung von Singer würden folglich weitere Zahlungen an andere Umschuldungsverweigerer fällig und zwar in Höhe von 20 Mrd Dollar. Sollten die schon abgefundenen Gläubiger infolge dieser Vorgänge klagen, wären mehr als 120 Mrd Dollar fällig.
Staatspleiten sind schon länger Thema. Der seinerzeitige Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, schlug vor dem Hintergrund der mexikanischen Staatsverschuldung einen Schuldenerlass für Dritt-Welt-Länder vor. Das war vor 25 Jahren. Der Schuldenerlass hätte US-amerikanische Finanzinstitute hart getroffen, die Deutsche Bank indessen weniger. Herrhausen fiel bekanntlich im November 1989 einem Attentat zum Opfer. Hilmar (»Peanuts«-) Kopper vermied es, die schöne Idee seines Vorgängers aufzugreifen.
Der Fall Argentiniens und die Frage des Schuldenschnitts hat grundsätzliche Bedeutung. Angesichts der krisenbedingt aufgeblähten Massen von Geldkapital, das verzweifelt und vergeblich nach Anlagemöglichkeiten sucht, ist früher oder später die Vernichtung von Kapital fällig. Entweder organisiert im Zuge von Schuldenschnitten, spontan in Gestalt von wirtschaftlichen Kollapsen oder aber mittels Kriegen.
Mittlerweile sind die Kriege real. Die Gefahr besteht, dass sie sich ausweiten. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht. Seit unserer letzten BV-Sitzung am 11. Mai sind Tausende von Zivilisten in der Ukraine, im Gaza-Streifen, im Nordirak und in Syrien militärischen Maßnahmen zum Opfer gefallen. Barack Obama droht, Syrien aus der Luft anzugreifen.
Vor einem Jahr haben wir über das Assoziationsabkommen der EU mit Syrien gesprochen. Seine Maßnahmen mündeten in den Bürgerkrieg. Ähnlich ist es mit dem Assoziationsabkommen, das jetzt die Ukraine mit der EU abgeschlossen hat. Auch wenn einige der neoliberalen Maßnahmen aufgeschoben worden sind, mit Privatisierung und Sozialabbau kommen die Armutsprogramme. Die lassen sich nur mit faschistischer Gewalt verwirklichen.
Im Koalitionsvertrag hört sich das so an: »Es liegt im vitalen Interesse Deutschlands und der EU, Stabilität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung auch in den anderen angrenzenden Regionen zu fördern. In diesem Zusammenhang hat sich die Europäische Nachbarschaftspolitik bewährt. Für die Östliche Partnerschaft bleiben Assoziierungs-, Freihandels- und Visaerleichterungs-Abkommen die besten Instrumente.«
In den herrschenden Medien wird der Krieg der von Faschisten durchsetzten Kiewer Regierung gegen die Zivilbevölkerung in der Ostukraine verschwiegen oder verharmlost. Die NATO baut mittels Sanktionen und provokanten Manövern an den russischen Grenzen eine militärische Front gegen Russland auf.
Auch das ist schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich zitiere:
Wir setzen uns dafür ein, die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen und Europas zivile sowie militärische Fähigkeiten zur Krisenprävention und Konfliktbeilegung zu verbessern. Die Streitkräfteplanung in Europäischer Union und Nordatlantischer Allianz ist enger aufeinander abzustimmen. [...] Wir wollen, dass gemeinsame europäische Einsätze zur Wahrung und Stärkung der Sicherheit Europas vorrangig in unserer geographischen Nachbarschaft durchgeführt werden.
Mit dem Neusprech gegen »Putinversteher«, von »prorussischen Separatisten« und überhaupt mit nationalistischen Feindbildern durchdringt militärisches Denken 100 Jahre nach dem Beginn des 1. Weltkriegs das öffentliche Leben. Es soll die jetzt noch skeptische Bevölkerung dazu bringen, die Aggressionen der NATO zu akzeptieren.
Der Programmbeirat der ARD hat im Juni Veranlassung gehabt, die Berichterstattung über die Ukraine zu rügen. »Fragmentarisch«, »tendenziös«, »mangelhaft« und »einseitig« sei die Berichterstattung gewesen. Und er zählt detailliert eine Reihe von Mängeln auf (Telepolis am 18. September). Wesentliche Aspekte seien vernachlässigt worden. Wörtlich: »Der Programmbeirat kam aufgrund seiner Beobachtungen zu dem Schluss, dass die Berichterstattung im Ersten über die Krise in der Ukraine teilweise den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt hat und tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen gerichtet war.«
Die Kritisierten reagieren mit Wut. Das zeigt, dass die Kriegshetzer erwischt worden sind.
Gleichzeitig kommt es zu bemerkenswerten friedenspolitischen Konstellationen. Da tummeln sich, nicht nur in Berlin, schon mal organisierte Nazis auf vorgeblichen Friedensdemonstrationen, genannt Friedensbewegung 2014. Andererseits geraten Veranstaltungen, die als Heldengedenken angelegt sind, zu Friedensappellen. Aus Anlass des Untergangs des Kreuzers »Cöln« mit 500 Todesopfern vor hundert Jahren, hatte der Freundeskreis Marineschiffe an der Kölner Eigelsteintorburg zu einem Zeremoniell geladen. Die Initiative »Bundeswehr Wegtreten« und andere Friedensfreunde befürchteten Kriegsverherrlichung und gaben diesen Befürchtungen mittels Transparent und Flugblättern Ausdruck. Aber die Redner seien sich einig gewesen, berichtet der Freundeskreis Marineschiffe, dass es sich beim Ersten Weltkrieg um eine Urkatastrophe für Europa handelte. Der Zweite Weltkrieg habe noch mehr Leid über die Menschen gebracht. »In den Gebeten wird dazu aufgerufen, dass es Frieden werden möge in der Ukraine, dem aktuellen Schauplatz von Gewalt in Europa«, hieß es.
Oder wir hören Papst Franziskus, der im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium am 24. November 2013 folgendes verkündet:
Ebenso wie das Gebot ›du sollst nicht töten‹ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein ›Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen‹ sagen. Diese Wirtschaft tötet.[...] Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren vernichtet.
John Heartfield illustrierte mit eine Hyäne über einem Schlachtfeld den Satz: »Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen.« Eine andere Collage von ihm zeigt einen getroffenen, fallenden Soldaten vor einer Wand von Aktien: »Wollt Ihr fallen, damit die Aktien steigen?«
Der Zusammenhang von kapitalistischer Krise und Krieg war früher, namentlich in den zwanziger Jahre, offenkundig geläufiger. Kommunisten sind berufen, ihn zu erforschen und auf Flugblättern neu zu erläutern. Liebe Genossinnen und Genosse, lasst uns Losungen formulieren, Gedichte reimen, Lieder singen, Transparente malen, die diesen Zusammenhang auf den Begriff bringen!
Der Ostermarsch hatte in diesem Jahr etwas mehr Teilnehmer als sonst, es gab auch mehr Veranstaltungen. Um den 8. Mai herum beteiligten wir uns an den Mahnwachen, zu denen der Friedensratschlag nach dem Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa aufgerufen hatte. Etwas machtvoller waren die zahlreichen Aktionen am 1. September.
In Kalkar werden durch 1600 Soldaten Luftkriege geplant und gegenwärtig Eurofighter und AWACS-Flugzeuge an die russische Grenze herangeführt. Auch Kampfdrohnen werden von Kalkar aus gelenkt. Am 3. Oktober, 11.30 Uhr, werden wir auf dem Marktplatz dieser Stadt gegen das NATO-Luftkriegszentrum in Kalkar protestieren.
Nun zu den Ergebnissen der Kommunal- und EU-Wahlen in NRW vom 25. Mai 2014, namentlich im Bezirk Rheinland-Westfalen:
Liebe Genossinnen und Genossen,
Die Beteiligung ist bei den Kommunalwahlen von 51,9% auf 50% gesunken. In eine absolute Zahl übersetzt, sind das 347 964 Wähler weniger als vorher.
Die FDP hat sich halbiert. Die CDU hat absolut und relativ Stimmen verloren (38,7% auf 37,7%), die SPD hat relativ gewonnen (von 29,4 auf 31,3%), allerdings in absoluten Zahlen etwas kümmerlich (von 2 122 466 auf 2 155 447, Differenz 32 981), Grüne haben absolut und relativ verloren (12,00 auf 11,7%), fast 60 000 Stimmen. Die Linke hat 8684 Stimmen gewonnen, kam von 311 155 (4,3%) auf 319 739 (4,6%). Die DKP rutschte von 6286 (2004), über 3389 (2009) auf 2954 Stimmen.
Pro NRW, NPD und REPs haben Stimmen verloren, dafür konnte die Alternative für Deutschland (AfD) 174 668 Stimmen = 2,5% gewinnen. Wenn man Faschisten, Rechtspopulisten und die bürgerlichen Parteien zusammenzählt und ihnen SPD, Grüne und linke Parteien gegenüberstellt, ist festzustellen, dass das Aufkommen der AfD den Vertrauensverlust gegenüber rechten und bürgerlichen Parteien nicht hat kompensieren können, zusammen kommen sie auf einen Verlust von 372 043 Stimmen gegenüber der Kommunalwahl am 30. August 2009. SPD, Grüne und linke Parteien konnten dagegen 92 065 Stimmen mehr erreichen. In relativen Zahlen: das bürgerliche Lager bekam statt 49,04% nur noch 45,87%, das eher »linke« statt 45,84% schon 49,25%.
Wohlgemerkt, es handelt sich um das Ergebnis von Kommunalwahlen. Und selbstverständlich sind derartige Lagerrechnungen ohnehin mit Vorsicht zu bewerten. Sie haben aber einen gewissen Erkenntniswert, wenn wir die kürzlichen Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg vergleichen. In Sachsen ist die Wahlbeteiligung unter die 50%-Marke gerutscht (49,1%), es haben noch 1.637.493 Menschen gewählt, Linke, SPD, Grüne und Piraten zusammen 38,1%. Demgegenüber waren es 57,9%, die CDU, AfD, NPD und FDP gewählt haben. Mehr als 2009, damals waren es 55,8%. Verloren hat allein die Linke 61.000 Stimmen.
In Thüringen waren es bei den Wahlen 2009 43,62% für das bürgerliche Lager, 52,1% für SPD, PdL und Grüne. Die große Koalition hat vor allem der SPD geschadet. Am vergangenen Sonntag verlor sie 78.000 Stimmen, sie kam nur noch auf 117.000. So muss sich das linke Lager bei einer Wahlbeteiligung von 52,7% mit 47,3% der Wählerstimmen begnügen, das bürgerliche kommt auf 50,3%.
In Brandenburg, wo auch unsere kleine - dort sogar sehr kleine - Partei zum Landtag auf einer Liste kandidiert hat und beachtliche 2356 = 0,2% der Stimmen auf sich ziehen konnte, fiel der vorige Wahltermin mit der Bundestagswahl zusammen, so dass die Beteiligung von 67% nur schwer mit den diesjährigen Ergebnis von 47,9% zu vergleichen ist. Mir ist es merkwürdigerweise auch nicht gelungen, an die absoluten Zahlen heranzukommen. Aber der Lagervergleich ist auch mit den relativen Zahlen aussagekräftig: 2009 kam das bürgerliche Lager auf 29,6%, jetzt waren es 38,9%. Das linke Lager ist von 65,9 auf 56,7% zusammengeschmolzen. Hier hat vor allem die PdL Stimmen verloren (von 27,2% auf 18,6%). Weder ist der SPD in Thüringen die Regierungsbeteiligung in der Koalition mit der CDU honoriert worden, noch der PdL in Brandenburg die Koalition mit der SPD. Kurz gesagt, wir müssen in den genannten Bundesländern von einer Rechtsentwicklung sprechen. Auffällig ist die hohe Zustimmung zur AfD. Auch viele vormalige PdL-Wähler haben AfD gewählt.
Das war am 25. Mai bei den Kommunalwahlen in NRW noch nicht so schlimm. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die gerade erst aus der Taufe gehobene AfD noch nicht über hinreichend Personal verfügte, um überall Kandidaturen wahrzunehmen. Die AfD kompensierte mit ihren 174 668 Stimmen (= 2,5%) zwar nicht vollständig die Summe der Verluste von CDU (189 070), Faschisten und anderen Rechtspopulisten (25 536). Aber innerhalb dieses Lagers gibt es eine Verschiebung nach rechts, der auf der anderen Seite eine keineswegs eindeutige Linksverschiebung entspricht (Gewinn der Piraten 112 042, Gewinn der Linken gerade mal 8 684).
Die Rechtstendenzen im bürgerlichen Lager waren schon im Mai spürbar, aber noch ambivalent. Zwar haben Pro NRW, REPs und NPD deutlich Stimmen verloren, aber es gibt einige Großstädte, in denen Faschisten erstmals in die Rathäuser einziehen. Die NPD sitzt jetzt in Essen und in Bochum im Stadtrat. In Duisburg ist mittels einer widerlichen Kampagne gegen Flüchtlinge erreicht worden, dass jetzt erstmals 4 Pro NRW-Mitglieder und ein NPD-Mitglied im Stadtrat sind, dazu kommen noch Sitze für die AfD. In Dortmund gesellt sich zum NPD-Stadtrat der Protagonist der »Rechten«. Ebenfalls sitzt jetzt im Stadtrat von Hamm ein Mitglied der Partei »Die Rechte«.
Auch entspricht der Verlust an Sitzen noch lange nicht dem Verlust an Stimmen. Pro NRW, NPD, REPs und »Rechte« haben zusammen immer noch 36 von vorher 37 Sitzen in den NRW-Stadträten und Kreistagen. Pro NRW: 23 (vorher 15), NPD: 8 (vorher 13), REPs: 3 (vorher 9) Rechte: 2. Die AfD kommt insgesamt schon auf 84 Sitze.
Im Bezirk Rheinland-Westfalen sitzt je ein NPD-Mitglied im Kreistag des Märkischen Kreises, des Rhein-Sieg-Kreises, in Heinsberg und in der Stadt Viersen.
Von diesen hauchdünnen Verschiebungen im Parteiengefüge profitierte unsere Partei nicht. Im Gegenteil. Generell sind Verluste zu verzeichnen.
In Bottrop: Von 3.425 (2004) = 6,5% über 2.689 Stimmen (2009) = 5,6% auf 1.778 (2014) = 4,0%. Die Partei verliert einen von drei Sitzen. Hier hat auch die Linke verloren. Sie kommt von 2.206 (2009) = 4,6% auf 1.833 (2014) = 4,1%. Insgesamt ist die Wahlbeteiligung in Bottrop überproportional gesunken, von 51,8 auf 48,5 %. SPD konnte 1000 Stimmen gewinnen, das führt statistisch angesichts der geringeren Wahlbeteiligung zu einem Sprung von 42,2 auf 47,7%. CDU hat wenig verloren.
In Essen: In einem Kraftakt konnte die DKP hier eine Stadtratsliste sichern (38 von 41 Wahlkreise), blieb aber mit 635 Stimmen = 0,03% noch unter der Zahl von mehr als 1000 Unterstützungsunterschriften. Außerdem hat sie in vier Bezirksvertretungen kandidiert: BV III 139 Stimmen = 0,4% und BV VII 114 Stimmen = 0,5% ; Im Bündnis und Teil der Bürgerliste Nord wurden in der BV V: 291 Stimmen erreicht = 2,1% und in der BV VI 185 = 1,3%.
2004 hatten 1 855 EssenerInnen der DKP ihre Stimme gegeben (= 0,8%), 2009 waren es immerhin noch 1.261 Stimmen (= 0,6%).
Dortmund: BV Innenstadt Nord: 78 = 1,0%, BV Innenstadt West: 87 = 0,4%. Das Linke Bündnis haben die Dortmunder GenossInnen nicht mehr aufrecht erhalten können. Die PdL konnte deutliche Gewinne verzeichnen: von 5.072 Stimmen 2009 (= 3,5%) kam sie auf 13.839 = 6,8%, das ist mehr als eine Verdoppelung in den absoluten Zahlen, wobei berücksichtigt werden muss, dass bei den vergangenen Wahlen in DO außer der Reihe eine Wahlbeteiligung von nur 32,7% erzielt wurde, jetzt waren es immerhin 44,9%. Die Stadt Dortmund steht in NRW an erster Stelle bei den kommunalen Zugewinnen der PdL mit 3,4%.
In Düsseldorf war Uwe Koopmann mit seiner Kandidatur für die Gerresheimer BV nicht erfolgreich. Die DKP erhielt 318 Stimmen = 1,59% (2009 432 Stimmen = 3,26%). In Düsseldorf hat die PdL bei Steigerung der Wahlbeteiligung prozentual Stimmen verloren (von 5,4 auf 5,2%), absolut hat sie 902 Stimmen gewonnen.
Die Kölnische Rundschau schlagzeilte am Montag nach der Kölner Kommunalwahl: »Rot-Grün siegt nach Zitterpartie« und stellt erleichtert fest, dass SPD (27) und Grüne (18) über die Hälfte der 90 Sitze im Stadtrat verfügen, so dass mit der Stimme des Oberbürgermeisters erneut eine rot-grüne Mehrheit gesichert sei. Das der CDU nahestehende Blatt ängstigte sich offenkundig vor einer Konstellation, in der SPD und Grüne auf Vereinbarungen mit der PdL angewiesen wären. Gegenwärtig sieht es so aus, als wenn eine Mehrheit im Stadtrat, der erstmals am 30. September zusammentreten wird, eine Neuauszählung beschließen wird, die die Bezirksregierung indes verhindern will.
Die Zusammensetzung des Kölner Stadtrats hat sich aber deutlich nach links verschoben. Die PdL gewann mehr als zwei Prozentpunkte dazu und verfügt über sechs Sitze, zwei mehr als vorher. FDP (5) und CDU (24) haben zusammen fünf Sitze verloren, vorher waren es noch 34 Sitze. Pro Köln verlor von fünf Sitzen drei, die werden allerdings von der AfD übernommen. Bei den kleineren Parteien haben sich mit zwei Piraten und zwei von »Deine Freunde« (vorher ein Sitz) eher solche durchgesetzt, die dem ganz vorsichtig als links einzuschätzenden Lager zuzurechnen sind. Die konservativen Freien Wähler konnten mit ihren 0,4% ihren Sitz nur knapp halten.
Links ist stärker im Stadtrat vertreten, Rechts schwächer.
Das gilt auch im Vergleich mit anderen Städten. Ein Indiz ist die Zustimmung zur PdL. Köln steht mit 2,1% an dritter Stelle der Zugewinne für diese Partei in NRW-Städten nach Dortmund (3,4%) und Bonn (2,5%).
Wir haben als Partei in Köln zu zwei Bezirksvertretungen kandidiert, Innenstadt und Kalk. Das Ergebnis muss enttäuschen (112 bzw. 57 Stimmen ergeben jeweils 0,1%). Dennoch dürfen wir feststellen, dass unser Wahlauftritt zur erwähnten Linksentwicklung beigetragen hat. Zunächst waren wir in der erfolgreichen Bewegung gegen die Kürzungen im städtischen Haushalt führend vertreten. Beteiligt waren wir an den Aktionen gegen Zwangsräumungen, sicherlich zu wenig indes gegen Pro Köln. Die Aktionen gegen Pro Köln waren recht aufwendig. Pro Köln konnte kaum Infostände oder Mahnwachen machen, ohne von schimpfenden Bürgern verjagt zu werden. Manchmal mehrmals am Tag. Aber wir fehlten da.
Zudem taten unsere Kleinzeitungen und Flugblattaktionen sowie die richtige kommunalpolitische Schwerpunktsetzung ihre Wirkung. Die PdL hatte just in den Wohngebieten in der Innenstadt bemerkenswert überproportionale Zuwächse zu verzeichnen, wo wir regelmäßig präsent waren und für unseren Einzug der DKP in die Bezirksvertretung geworben haben.
Das Abschneiden der Mülheimer Bürgerliste (492 Stimmen = 1,06 %), an der Mitglieder der DKP engagiert beteiligt waren, wird von ihr selbst als Erfolg gewertet, der zum Weitermachen ermutige.
Wuppertal ist die Stadt mit dem höchsten Ergebnis, nämlich 8%, für die PdL. Hier wie in einigen anderen Städten kandidierten unsere Genossen auf den Listen der PdL. Nach Dortmund (3,4%), Bonn (2,5), Köln (2,1), Aachen (2,0) und Münster (1,7) gehört Wuppertal zu den Städten, wo die PdL im Verhältnis zu den vergangenen Kommunalwahlen 2009 die größten Zuwächse verzeichnen konnte: 1,7 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Kommunalwahl.
Einige Genossinnen und Genossen waren mit ihrer Kandidatur auf Listen der PdL erfolgreich. Gratulation!
- Renate Linsen ist wieder in den Aachener Stadtrat gewählt worden.
- Manfred Kriegeskorte zieht in der Rat der Stadt Wiehl im Oberbergischen ein.
- In Velbert beerbt Sonja Spiekermann den Ratssitz ihres Vaters Günter Judick.
- In Neuß ist unser junge Genosse Vincent Cziesla Mitglied des Stadtrats geworden.
- Wolfgang Aschenbrenner ist in Troisdorf in den Stadtrat und zum Fraktionsvorsitzenden der PdL-Fraktion gewählt worden.
- Jürgen Köster ist Bezirksvertreter in Wuppertal-Ronsdorf,
- Hartmut Kissing in Wuppertal-Cronenberg,
- Walter Herbster zog für die PdL in die Bezirksvertretung Solingen-Wald ein, wo er als Alterspräsident die erste Sitzung zu leiten hatte.
Das sind fünf Sitze in Stadträten, drei in Bezirksvertretungen.
Die Bereitschaft unserer Genossinnen und Genossen, sich kommunalpolitisch zu engagieren, aber auch ihre Kompetenz ist in den letzten fünf Jahren spürbar gewachsen. Das findet in der Regel Anerkennung in der PdL. Auch in Dormagen, Kerpen und Bergisch Gladbach wurden unsere GenossInnen von der PdL als Wahlkreis- oder Listenkandidaten nominiert und kandidierten. Auch wenn sie nicht gewählt wurden, beteiligen sie sich in der Regel an der kommunalpolitischen Arbeite der Fraktionen dort. Und das ist gut so.
Liebe Genossinnen und Genossen,
das alles belegt die relativ hohe Aktivität der Gruppen und Kreise unseres Bezirks mindestens im Vorfeld der Wahlen. Wir dürfen feststellen, dass wir kommunalpolitisch an Ausstrahlung gewonnen haben. Das ist nicht zuletzt Ergebnis einer längerfristigen Orientierung, die nicht erst mit unserer kommunalpolitischen Konferenz am 15. Juni vergangenen Jahres begonnen hat und mit der wohnungspolitischen Konferenz des PV am 22. März diesen Jahres nicht beendet wurde. Aber der Weg ist steinig und es wurden einige Probleme sichtbar, die nicht nur organisatorischer Art sind.
Ihr werdet Euch erinnern, dass uns auf der ao BDK im Oktober vergangenen Jahres ein Antrag aus Aachen beschäftigt hat, der eine Reihe von zentralen Beratungen vorschlug und diesen Vorschlag mit einer Kritik am Bezirkssekretariat verbunden hat. Es finde eine geregelte politische Leitungsarbeit nicht mehr statt. Das konnte, so hoffe ich, im Referat widerlegt werden. Aber ich habe damals schon warnend darauf hingewiesen, dass wir die Kräfte im Bezirk nicht mit übermäßig vielen zentralen Beratungen oder revolutionären Ausflügen (Vorschlag aus Aachen, zu einer Parteifeier Novemberrevolution nach Kiel zu fahren) überfordern sollten. Die Aachener selbst hatten zu keiner der drei Bezirksberatungen des Jahres 2013 kommen können. Wir haben in der Folge zum AK Kompol eingeladen. Leider gab es für den 22. Januar zu viele Abmeldungen. Wir mussten den Termin ausfallen lassen. Der Folgetermin wurde gerade mal von Düsseldorf, Neuß, Bergisch Gladbach und Köln wahrgenommen. Das ist wenig. Ich denke aber, dass der Erfahrungsaustausch und die politische Debatte unter den kommunalpolitisch Aktiven und Mandatsträgern in der Bezirksorganisation weiterhin von uns angestrebt und organisiert werden wird.
Offenkundig fehlte die Kraft für einen intensiven EU-Wahlkampf, jedenfalls bei den Gruppen und Kreisen, die sich an den Kommunalwahlen beteiligten. Immerhin haben wir als Bezirk ein überdurchschnittliches Ergebnis bei der Sammlung der Unterstützungsunterschriften erzielt, in einigen Städten ist auch mittels Veranstaltungen Wahlkampf betrieben worden. In Düsseldorf fand eine in Gerresheim zusammen mit der KKE statt, in Köln konnten wir eine Veranstaltung mit Patrik Köbele, eine andere mit Lucas Zeise machen. Aber die Wahlergebnisse zur EU blieben fast durchweg unterhalb unseres Republikschnitts und den Zahlen von 2009.
Insgesamt haben sich 29 836 916 BundesbürgerInnen (=48,1% der Wahlberechtigten) an der EU-Wahl beteiligt. 2009 waren es 26 923 614 (=43,3%). Die DKP konnte mit 25 204 Stimmen 0,084% erreichen. 2009 waren es noch 25 615 = 0,095%.
- In Köln erreichten wir 246 Stimmen = 0,063%. 2009 waren es bei 303 194 Wählern in Köln (= 42,9%) 290 Stimmen = 0,096%. 2004 waren es 348 = 0,13%.
- Düsseldorf 204 = 0,09% (2009: 200 = 0,1%)
- Aachen 46 = 0,05% (2009: 58 = 0,07%)
- Wuppertal 65 = 0,06% (2009: 155 = 0,16%)
- Troisdorf 13 = 0,05%
- Wiehl 5 = 0.05% (2009: 13 = 0,13%)
- Velbert 20 = 0,1%
- Neuß 37 = 0,07%
- Dormagen 11 = 0,05%
- Kerpen 8 = 0,04%
- Bergisch Gladbach 13 = 0,03%
- Krefeld 46 = 0,06% (2009: 79= 0,12%)
- Bonn 93 = 0,07 (2009: 96 = 0,09)
Das Pressefest ist ein wichtiger Anker unserer Öffentlichkeits- und Kulturarbeit. Darüber berichtet gleich noch Klaus W.
Aber unsere Kreisorganisationen und Gruppen betätigen sich diesbezüglich auch vor Ort. Dabei gibt es große Unterschiede. Eine zentrale Seite auf der Homepage des PV enthält die Links zu unseren Kleinzeitungen. Da sieht es nicht schlecht aus. Allerdings erscheinen die Kleinzeitungen unterschiedlich häufig und auch in unterschiedlicher Auflage und Qualität.
Von den 11 Blättern, die dort aufgeführt sind, sind ein paar schon längere Zeit nicht mehr erschienen.
Die Aachener DKP gibt den »Roten Oecher« heraus. Im vergangenen Jahr zwei Mal, in diesem Jahr zwei Mal. Die Bonner »Roten Blätter« gab es letztmalig im vergangenen Sommer. Der »Klartext« aus Düsseldorf-Eller erscheint schon einige Jahre nicht mehr. Die »Flaschenpost« aus Düsseldorf Gerresheim wird auf der genannten Homepage von einer Ausgabe vom Sommer 2012 repräsentiert. Aber wir wissen, dass im vergangenen und in diesem Jahr mehrere Ausgaben erschienen sind. Auflage 10.000. »uns Ihrefeld« aus Köln-Ehrenfeld hat es gerade mal zu einer Ausgabe im vergangenen Jahr geschafft. »De rude Pooz« von der Gruppe Köln-Innenstadt erscheint fünf Mal im Jahr in einer Auflage von 2.500. Sie wird auf unserer Homepage noch einmal in dieser Größenordnung angeklickt.
Die Sonderausgabe zur Wahl ist 5000 mal gedruckt und vollständig verteilt worden. »Kalk Konkret« erscheint ebenfalls mehrmals im Jahr, Auflage 800. Die »Müllemer Brück« wird unregelmäßig erstellt. Die Zeitung »Linker Niederrhein« ist im Jahr 2012 sehr oft erschienen, später weniger häufig. In diesem Jahr zwei Mal. Auflage 5000. Auch die Solinger bringen ihre »Klingenstadt« regelmäßig heraus. Nach mehr als einem Jahr Pause konnten wir auch »die Pille« wiederbeleben.
Ebenso unterschiedlich ist die Internetpräsenz. Viele Gruppen haben verstanden, dass so etwas sehr nützlich ist. Insbesondere muss man aber die Homepage des Bezirks loben, die von Helge betreut wird. Er macht es sehr gut. Mir scheint sogar, dass wir damit an der Spitze der Internetseiten unserer Partei liegen, was Qualität, aber auch was den Zuspruch betrifft. Ein Hemmnis für diese Arbeit ist die oben genannte Altersstruktur. Denn ein großer Teil der älteren Genossinnen und Genossen wird sich nicht mehr an eine derartige Kommunikationsmittel gewöhnen wollen und können.
Wir werden im Rahmen des Bezirks eine Beratung über unsere Internetseiten organisieren.
Liebe Genossinnen und Genossen,
eine Woche hat sieben Tage mal 24 Stunden, zusammen sind das 168 Stunden. Die durchschnittliche reale Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten beträgt 42 Stunden in der Woche. 13 % der Vollzeitbeschäftigten geben an, gewöhnlich mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. Der Anteil der Erwerbstätigen, die abends arbeiten, ist zwischen 1992 und 2011 von 15 % um gut zwölf Prozentpunkte auf 27 % gestiegen. Der Anteil derer, die samstags arbeiten, stieg im selben Zeitraum von 20 % auf 27 %. Der Anteil der Sonntagsarbeiter und -arbeiterinnen von 10 % auf 14,5 %. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten benötigt länger als eine Stunde für den Weg zur und von der Arbeitstelle. Jeder zwanzigste gibt an, sogar mehr als vier Stunden unterwegs zu sein.
So gehen durchschnittlich 47 Stunden für Arbeit und Arbeitsweg drauf. Aber immer weniger arbeiten Vollzeit. Der Anteil der Teilzeitarbeitenden ist gestiegen. 1991 war er 14 % und stieg bis 2011 auf 27 % an. Die Zahl der prekär Beschäftigten und der Aufstocker hat zugenommen. Das führt aber nicht zur Vermehrung geselliger und kultureller Aktivitäten, zur Verbreitung von Bildung oder gar im Selbstlauf zu oppositioneller Politik.
Im Jahr 1992 erfreute sich jede Bundesbürgerin, jeder Bundesbürger, Säugling wie Greis im Schnitt an 158 Minuten täglichen Fernsehens, 1997 waren es schon 183 Minuten. Im Jahr 2004 saß man 210 Minuten vor der Glotze, 2011 bereits 225 Minuten, also 3,75 Stunden. Das sind hochgerechnet weitere 27 Stunden in der Woche.
Folglich steigt der Zeitaufwand sowohl für die Arbeit wie für den Fernsehkonsum. Es gibt sicherlich Untersuchungen, wieviel Zeit der Durchschnittsbürger im Netz verbringt, besser wären noch nach Alter und sozialer Lage differenzierte Daten dazu, die für unsere Öffentlichkeitsarbeit von Belang sind.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Problematisch ist die Altersstruktur unserer Mitgliedschaft. Aber auch die soziale Struktur der Klasse hat sich verändert und wirkt auf die Partei. Werner Seppmann schreibt zu den Strukturveränderungen in der Arbeiterklasse:
Würde die Arbeiterklasse theoretisch auf ihre industrielle Kernstruktur reduziert, besäßen die Auffassungen ihres Bedeutungsverlustes tatsächlich eine gewisse Plausibilität, denn der Anteil der Industriearbeiter an den abhängig Beschäftigten verringert sich kontinuierlich. Die Zahl der im Fertigungsprozess unmittelbar auf die Veränderung ihres Arbeitsgegenstandes Einwirkenden (und somit die eigentliche Industriearbeiterklasse repräsentierenden) beträgt gegenwärtig knapp 13 Millionen. [...] Seit den späten 50er Jahren bis zum Ende der 90er Jahre bewegte sich die absolute Zahl immer jenseits der 12 Millionen-Grenze, wobei jedoch ihr Anteil an den abhängig Beschäftigten von 61 Prozent (1961) auf 55 Prozent (1970) und knapp 39 Prozent im Jahr 1998 zurück ging. Dennoch stellen die industriellen Segmente der Lohnabhängigenklasse nicht nur einen großen, sondern immer noch den größten sozialen Block dar. Und nach wie vor ist die materielle Produktion (und die sie gewährleistende Klasse) der Dreh- und Angelpunkt gegenwärtiger kapitalistischer Ökonomien.
Gleichzeitig stellt Seppmann aber auch fest, dass es tiefgreifende Veränderungen in der Struktur der Klasse in den letzten Jahrzehnten gegeben hat. Charakteristisch sei die Tendenz,
dass die Stabilisierung oder sogar wachsende Zahl der Beschäftigungsverhältnisse vor der 2008er Krise weitgehend aus dem Anstieg der Teilzeitbeschäftigung und sogenannter Minijobs resultierten. In der Tendenz wird das ›Normalarbeitsverhältnis‹ immer weiter zurück gedrängt. Alleine zwischen 1996 und 2004 sind in der BRD 2,5 Millionen Vollerwerbsarbeitsplätze verschwunden. Sie sind zwar immer noch die häufigste Beschäftigungsform, jedoch mit abnehmender Tendenz. Darin, dass die Zahl der Vollerwerbsarbeitsplätze sich nur noch auf 26 Millionen beläuft und 2006 nur noch 67,5 Prozent der Erwerbstätigen voll versicherungspflichtig waren, drückt sich eine krisenhafte Transformation kapitalistischer Lohnarbeit aus. Teilzeitarbeit muss nicht unbedingt mit bedürftigen Lebensverhältnissen korrespondieren – jedoch ist dies immer öfter der Fall.
Der unbefristete Vertrag verliert schleichend seine hegemoniale Bedeutung, weil unterdurchschnittlich bezahlte und ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse sich ausbreiten.
Das ›Normalarbeitsverhältnis‹ wird durch befristete Verträge (die mittlerweile fast der Hälfte aller Neueinstellungen zugrunde liegen), Leiharbeit, Arbeit auf Abruf und diversen Formen von Scheinselbstständigkeit zurück gedrängt. Der überwiegende Teil der Neueinstellungen vollzieht sich in diesen ›enttraditionalisierten‹ Formen. Das Leben gestaltet sich für die Betroffenen zunehmend unkalkulierbar. Eine Planungssicherheit selbst für die nächste Zukunft existiert nicht mehr.
Das ist für Seppmann eine Folge von Klassenauseinandersetzungen. Gleich zu Beginn seines Textes stellt er fest:
die defensive Position der Arbeiterklasse, die wir gerade erleben, ist nichts anderes als das Ergebnis eines Klassenkrieges, den das Kapital gegen die Arbeiterklasse geführt – und gewonnen hat: Systematisch sind die Menschen durch einen schon lange währenden Krisendruck verunsichert und durch die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust diszipliniert worden. Es ist eine Drohkulisse aufgebaut worden, durch die den Beschäftigten immer neue Zugeständnisse abgepresst werden können.
An anderer Stelle sagt er:
»In der Regel reagieren aufgrund einer unterentwickelten Kultur des Widerstandes die Krisenopfer mit Resignation und schuldgeprägten Selbstbezichtigungen – und dennoch hat die Verschärfung des Klassenkampfes von Oben deutliche Spuren in den Gesellschaftsbildern hinterlassen. Durch die krisenhaft veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen ist wieder unmittelbar erfahrbar geworden, was kapitalistische Klassendominanz bedeutet: Die existenzielle Abhängigkeit von den Verwertungsstrategien der Vermögens- und Produktionsmittelbesitzer. Sie bestimmen mit ihren Renditeerwartungen und Investitionsentscheidungen über das Lebensschicksal der Lohnabhängigen. Diese elementaren Erfahrungen schlagen sich zunehmend (wieder) in den Gesellschaftsbildern nieder. Schon vor einigen Jahren beklagte das Allensbach-Institut, dass alte Formeln von Klassengegensätzen und Klassenkampf großen Teilen der Lohnabhängigen wieder zur Beschreibung der sozialen und ökonomischen Realität geeignet scheinen: Die Gesellschaft wird trotz individualistischer Illusionen, als eine in ein Oben und ein Unten gespaltene erlebt. Solch ein Realismus in den Gesellschaftsbildern ist jedoch noch kein Klassenbewusstsein. Sinnvoll wäre es von einer Klassenmentalität zu sprechen, die sich ›spontan‹ durch die arbeits-alltäglichen Konflikterfahrungen entwickelt.
Lenin hat in diesem Sinne von einem ›elementaren Klassenbewusstsein‹ gesprochen. Es ist eine Frage des politisch-ideologischen Kräfteverhältnisses welche politische Bedeutung die klassenspezifischen Konflikterfahrungen und Mentalitätsformen erlangen. Gegebene Bewusstseinszustände sind nicht zementiert, aber an ihrer Veränderung muss gearbeitet werden.
Profiliertes Klassenbewusstsein ist kein zwangsläufiges Resultat objektiver Umstände, sondern ein Ergebnis politischer Vermittlung auf deren Grundlage. Diese kann nur in den alltäglichen Kämpfen um den Lohn, die Arbeitsbedingungen und immer öfter um den Arbeitsplatz selbst, geleistet werden. Wesentlich für solche Formierungsprozesse sind die strukturellen Voraussetzungen. Sind die Betriebseinheiten klein (wie im Handwerk oder im Einzelhandel) lässt sich gewerkschaftliche Gegenmacht nur schwer organisieren, weil die Beschäftigten eingeschüchtert werden können. dass dagegen die Belegschaften in den Großbetrieben in der Industrie den höchsten Organisationsgrad und die besten Widerstandsmöglichkeiten haben, ist kein Zufall: Industrielle Sozialisation und die Organisationsmuster des ›Werkalltagslebens‹ (Marx) bieten die Chance zur politischen Formierung.
Der Industriebetrieb bietet Kommunikationsstrukturen, die eine gemeinsame Verarbeitung der alltäglichen Widerspruchserfahrungen ermöglichen. Als organisations- und widerstandsfähig haben sich in der letzten Zeit jedoch auch die Beschäftigten in größeren Betriebseinheiten der Krankenversorgung und des Transportwesens erwiesen. Erinnert sei an den Lokführerstreik, der aus einheitsgewerkschaftlicher Sicht zwar problematische Seiten hatte, durch den jedoch die Durchsetzungsfähigkeit von Berufsgruppen deutlich wurde, die nicht den klassischen Industriesektoren zugehören.
Werner Seppmanns Feststellungen stimmen mit unseren aktuellen Erfahrungen überein. Die genannten Veränderungen wirken selbstverständlich in unsere Partei hinein. In der Tat hat in der jüngeren Vergangenheit der Anteil derjenigen, die im traditionellen Vollarbeitsverhältnis beschäftigt sind, stetig abgenommen zugunsten des Anteils der Mitglieder, die befristet, scheinselbständig, als Leiharbeiter oder Praktikanten, jedenfalls prekär arbeiten. Ebenfalls hat abgenommen der Anteil derjenigen, die in einem Großbetrieb der materiellen Produktion arbeiten. Das hat übrigens erhebliche ideologische Wirkungen, übrigens nicht nur solche, die aus den unmittelbaren Erfahrungen im Betrieb herrühren. Ein Betriebsrat, der in einem Betrieb die Interessen der Kollegen zu vertreten hat, die in der Regel in der übergroßen Mehrheit standortorientiert sind und das auch von ihren Interessenvertretern erwarten, hat es nicht leicht, gemeinsame Interessen der Branche, womöglich auch international, ins Spiel zu bringen, von revolutionären gar nicht zu reden, also vom Teewasser zu den großen Fragen der Weltpolitik zu kommen. Da ist manche Gradwanderung fällig und innerhalb der Partei Verständnis für solche Gradwanderungen. Im Großbetrieb sind andere Erfahrungen und Taktiken bestimmend als in den Initiativen und Bewegungen, in denen der mittlerweile größere Teil der Mitglieder unserer Partei politisch sozialisiert worden ist. Es muss zu denken geben, dass wir gerade eine Betriebsgruppe in einem Großbetrieb durch Austritte verloren haben und eine Reihe weiterer Genossinnen und Genossen, die auf dem Gebiet der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit profiliert sind.
Voluntaristischer Aktionismus (»man muss nur wollen«) ist die Rückseite der weiten Verbreitung von politischer Resignation (»man kann doch nichts machen«).
Jedenfalls wäre es hilfreich, in der Parteidiskussion den materiellen Hintergrund von unterschiedlichen Kampferfahrungen zu berücksichtigen. Üblicher ist leider die vorschnelle Sortierung in die bekannten Kategorien der Abweichung von der revolutionären Linie.
Gegenwärtig werden bei Ford Köln elf Tage Kurzarbeit im Oktober geplant. Uwe informiert uns eben darüber, dass bei Mercedes in Düsseldorf die Sprinterproduktion heruntergefahren werden soll und Entlassungen anstehen. Selbstverständlich halten wir uns auch über die Umgruppierungen im Bayerkonzern auf dem Laufenden. Der bleibt unser Schwerpunktkonzern, allerdings gibt es noch viele Tore, an denen die Pille nicht verteilt wird.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Wera hat am vergangenen Wochenende auf einer immer noch lückenhaften statistischen Grundlage die Neuausgabe der Parteibücher ausgewertet. Die Partei sei regional sehr unterschiedlich aufgestellt – das betreffe alle Bereiche: vom Erfahrungsstand, über die ideologische Bildung, über den Grad der Verankerung bis hin zur Handlungs- und Aktionstätigkeit. An manchen Orten seien Erfahrungen zum Beispiel in Fragen der Kassierung oder bei der Organisation eines Gruppenabends oder Infostandes durch den Generationswechsel nicht mehr vorhanden. Das gelte natürlich in besonderem Maße für das ideologische Grundwissen.
Probleme sieht sie vor allem in den Flächenländern. Längst nicht alle Mitglieder und Sympathisanten würden hier über die Grundgliederungen erreicht. Oft sind weite Strecken zu überwinden.
Die Partei werde kleiner und älter und drohe zu verschwinden, wenn es nicht gelänge, neue Mitglieder zu gewinnen. Mitglieder gewinnen und halten wir an der Basis, in unseren Grundeinheiten, also in der Fläche. Zwei Probleme wären deswegen vordringlich:
Wie reorganisieren wir unsere Strukturen vor allem in Hinblick auf die Handlungsfähigkeit und Attraktivität der Grundorganisationen? Was bedeutet das für unsere (Leitungs-)Strukturen? Wie und wo gewinnen wir neue Mitglieder? Diese Probleme müssten umfassend diskutiert und praktisch angegangen werden. Ein drittes Problem sei die Frage nach der Verankerung der DKP in der Klasse. (Soweit Wera. Es ist gewiss kein Zufall, dass Peter in seinem Bericht von der PV-Tagung dieselbe Stelle aus ihrem Referat hervorgehoben hat.)
Wir sollten, liebe Genossinnen und Genossen, das Problem von unten angehen, den Zustand unserer Gruppen ins Auge fassen und verändern. Wir werden uns in die Niederungen des Konkreten begeben, Allgemeinheit hilft da nicht viel. Jede Gruppe im Bezirk nehmen wir einzeln in den Blick.
Es gibt Gruppen, die in der Lage sind, Mitglieder aufzunehmen, und solche, die das nicht sind. Was versetzt eine Gruppe in die Lage, Mitglieder aufzunehmen und zu halten? Darüber reden wir heute und in den nächsten Wochen.
Klaus Stein