Partei

Arturo Gallegos befragt Uwe Koopmann

Porträt Uwe Koopmann.

Interview mit
Arturo Gallegos
für die PPS Mexiko

(Sozialistische Volkspartei Mexikos, Partido Popular Socialista de México)

10-01.2019

Frage: Die DKP ist in verschiedenen Städten – wie etwa in Bottrop – in den Rathäusern vertreten. Was ist relevant dafür und was ermöglicht dies der DKP?

Antwort

Grundsätzlich: Der Klassenkampf in einem imperialistischen Land wie der Bundesrepublik Deutschland wird nicht hinter schweren Brokatvorhängen in den Rathäusern entschieden, denn die Entscheidungen in der Kommunalpolitik fallen eher in den Hinterzimmern der Konzerne, der Banken und Interessenverbände. Das ist dann knallharter Klassenkampf von oben.

Aber auf der Grundlage der Erkenntnisse von Marx, Engels und Lenin können wir feststellen, dass diese Klassenauseinandersetzungen nicht eindimensional sind, sondern dialektisch verlaufen. Wir wissen um die Bedeutung der Kämpfe für bessere Arbeitsplätze in den Krankenhäusern, für kostenlose Kindertageseinrichtungen, für gut ausgestattete Schulen... Wer gewinnt dabei? Das ist derjenige, der – jedenfalls zur Zeit – die Macht hat. Und im Kapitalismus sind das der Kapitalist und seine Helfer – auch in den Rathäusern.

Kommunisten, die von den Bürgern ins Rathaus gewählt wurden, haben eine wichtige Aufgabe: Wie mit einer Lupe machen sie alle Vorgänge im Rathaus sichtbar. Dabei haben sie schon so manche «Schweinerei» aufgedeckt und an die Öffentlichkeit gebracht. Transparenz zu schaffen, ist also eine der ersten Aufgaben. Dem Wissen um die Dinge folgt die Schaffung von Bewusstsein und Kampfbereitschaft. Und der dritte Schritt ist das gemeinsame politische Handeln.

Diese drei Schritte würde es ohne Kommunisten in den Rathäusern nicht geben. Die Bürger von Düsseldorf-Gerresheim haben mich für zwei Legislaturperioden (zehn Jahre) als Vertreter der DKP ins Rathaus gewählt. Und noch heute gibt es Anerkennung: Wenn die Rathaus-Mehrheit auf die DKP gehört hätte, wäre das kommunale Krankenhaus nicht mehrheitlich an einen Krankenhaus-Konzern verkauft worden. Jetzt kämpfen wir für die Rekommunalisierung.

Logo PPS.

Frage

Hallo Genosse, wer bist du und was machst du bei der DKP?

Antwort

Mein Name ist Uwe Koopmann. Ich werde in zwei Monaten 72 Jahre alt und bin seit 1973 in der DKP, also seit 45 Jahren. Seit ebenfalls 45 Jahren bin ich unter Beobachtung des «Verfassungsschutzes».

Zwischenzeitlich hatte ich als Lehrer 15 Jahre Berufsverbot (1977 bis 1992). Nach vielen öffentlichen Protesten wurde ich für die letzten 20 Jahre wieder in den Schuldienst eingestellt. Als Lehrer arbeitest du in der Schule nicht parteipolitisch. Aber friedenspolitisch. So haben wir eine Schulpartnerschaft und einen Schüleraustausch mit einer Schule in Moskau initiiert. Schwerpunkt war die Begegnung mit ehemaligen Zwangsarbeitern aus der Sowjetunion, die in Deutschland ausgebeutet worden waren. Das ist dann Friedensarbeit und zugleich antifaschistisches Engagement. Jetzt bin ich Rentner, aber immer noch in meiner Gewerkschaft, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Als Jugendlicher war ich bei den Jusos (Jugendorganisation der SPD). In meinem SPD-Ortsverein war auch Hans Apel (SPD), unter anderem «Verteidigungsminister». Ich fand das Primat des Militärischen gegenüber sozialen Defiziten unerträglich. Diese herrschende Politik wollte ich nicht mittragen und trat aus der SPD aus.

In der DKP stehe ich für Kommunalpolitik, die einen Fokus bildet und mit allen Politikbereichen verbunden ist: Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Bildungspolitik. Und überall geht es um die Frage: Wie lässt sich die Situation der «kleinen Leute» wirklich verbessern? Dabei geht es nicht nur um die Erscheinungsformen, sondern genauso um die Benennung der klassenabhängigen Ursachen.

Frage

Bitte erzähl’ uns ein bisschen über die Haltung der DKP zur Europa-Wahl, was ist das Ziel und warum ist es wichtig?

Antwort

Die DKP hat den Beschluss gefasst, zur Wahl zum Europaparlament anzutreten. Sie hat dazu ein Programm beschlossen, das sie von allen anderen Parteien unterscheidet. Dabei gilt: Die DKP hält die EU und deren Parlament in Grundlegung, Zielsetzung und Arbeitsweise für eine imperialistische Konstruktion, die nicht im Sinne der Arbeiterklasse reformierbar ist. Eine Wahl in das Europaparlament würde also nicht bedeuten, dass die Machtverhältnisse verschoben werden. Aber es ist so wie bei der Kommunalpolitik in den Rathäusern: Nur durch die Kontrolle, die von den Kommunisten ausgeht, lassen sich die Machenschaften der Herrschenden aufdecken.

Frage

Was ist die Meinung der DKP zum Rücktritt Angela Merkels als CDU-Vorsitzende? Wie ändert das das politische Spiel?

Antwort

Der Rücktritt war nicht freiwillig, sondern Einsicht in die Tatsache, dass sie den Machtverhältnissen in der Partei, im Bundestag, im EU-Parlament und vor allem gegenüber den Kommandostellen der Wirtschaft nicht mehr gerecht wurde. Die Vorwürfe: Sozialdemokratisierung der CDU, zu weiche Flüchtlingspolitik, fehlende Konsequenzen bei den Rüstungsexporten, mangelhafter Schutz für Autokonzerne wegen deren CO2-Mauscheleien... Wenn man auf den Kern kommt, kann man sagen: Merkel hat die Konzerne nicht mehr optimal bedient.

Merkels Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, ist sicherlich nicht «linker» als «Mutti». Auch sie ist ein unglücklicher Kompromiss, denn wenn es nur nach dem Wirtschaftsflügel von CDU (und CSU und FDP und AfD) ginge, wäre der Multimillionär Friedrich Merz der kommende Parteivorsitzende und Bundeskanzler geworden. Insgesamt geht die politische Kurve also nach rechts.

Frage

Gäbe es überhaupt einen Unterschied, wenn der nächste Kanzler aus der SPD kommen würde?

Antwort

Martin Schulz und Gerhard Schröder waren die Kometen der SPD. Schulz als Kanzlerkandidat für wenige Wochen. Schröder als Kanzler für sieben Jahre (1998 bis 2005). Schulz konnte nichts umsetzen, weil er nicht gewählt wurde. Schröder bestand die «Meisterprüfung», indem er den deutschen Kapitalvertretern Hartz IV vorlegte. Geradezu ambivalent wird es bei Schröder, wenn man verfolgt, dass er nicht direkt in den Krieg im Nahen Osten eingestiegen ist. Aber er hat die Waffen geliefert. Hier wird ein «Credo» der SPD sichtbar: «Ja ­Aber!» Zudem bleibt die Frage: Mit wem wollte die SPD eine Koalitionsregierung bilden? Wie es mit der CDU/CDU (nicht) läuft, können wir jeden Tag verfolgen.

Frage

Oder wäre es zum Beispiel noch schlimmer mit der AfD eventuell in einer Regierungskoalition mit der Union?

Antwort

Allein die Vorstellung weckt Grauen! Aber sie ist nicht jenseits dessen, was man sich vorstellen kann. Christian Hartmann, Fraktionsvorsitzender der CDU in Sachsen, hat eine Koalition mit der AfD in Dresden nicht mehr ausgeschlossen. Dass dies möglich ist, zeigt auf nationaler Ebene das Parlament in Athen: Der «Linke» Alexis Tsipras (Syriza) koaliert mit dem Rechtspopulisten Panos Kammenos (ANEL)...

Die DKP wird sich anstrengen, Stimmen von den Bürgern zu gewinnen, die sich als Abgehängte ausgestoßen fühlen.

Wie schnell man zu den Ausgesonderten gehören kann, haben die Kommunisten wahlrechtlich am eigenen Leibe seit 50 Jahren erfahren. Die DKP darf nur dann zur Wahl antreten, wenn sie dafür vor jedem Urnen-Gang Tausende von Unterschriften bekommt. Dabei soll die Wahl doch geheim sein...

... bezahlbare Wohnungen fehlen.

Frage

Und wäre eine «linke» Koalition mit SPD-Linke und Grünen wesentlich besser in Deutschland?

Unter Gerhard Schröder (SPD) gab es eine Koalition mit Joschka Fischer (Grüne). Wir kennen das Ergebnis: Es gab den ersten Krieg nach dem Faschismus mit deutscher Beteiligung. Zu Hartz IV habe ich schon gesprochen. Generell: eine Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei halte ich aus wahlarithmetischen Gründen in absehbarer Zeit für illusionär – auch wenn es eine solche Koalition auf Landesebene in Thüringen gibt. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) ist mit dieser Konstruktion allerdings auch keinen Millimeter weiter in Richtung Sozialismus gekommen. Auf Bundesebene gibt es bei keiner dieser Parteien ein geschlossenes Bild für einen Dreier-Bündnis.

Frage

Was sind die kurzfristigen Ziele der DKP?

Antwort

Bei der Frage nach meiner Person hatte ich darauf hingewiesen, dass mich der «Verfassungsschutz» seit 45 Jahren auf dem «Radar» hat. Was müssen wir für eine gefährliche Partei sein, mit der dieser Aufwand getrieben wird?

Ungeachtet der Schnüffeleien der Schlapphüte sei angemerkt, dass die DKP sich nicht versteckt. Ein wunderbares Zeichen dafür war im vergangenen Jahr das UZ-Pressefest in Dortmund, bei dem ja auch die Sozialistische Volkspartei Mexikos vertreten war.

In diesem Jahr gibt es in Köln zu Pfingsten das Festival der Jugend. In Leverkusen wird im Moment die Karl-Liebknecht-Schule für viel gespendetes Geld gründlich renoviert. Und dazu gibt es jeden Tag und immer wieder die Arbeit, «das Einfache, das schwer zu machen ist.» (Lob des Kommunismus von Bertolt Brecht)

 

Fotos: Bettina Ohnesorge