Politik
Proteste gegen CO-Pipeline
Bayer ist tödlich
- Tiefgehende Erörterung
- Entlarvende Kritik der Pipeline-Gegner
- Argumentative Resistenz bei Bayer
- Über die Macht im Kapitalismus
Die Auseinandersetzung um die hochgiftige CO-Pipeline war heiß. In Essen wurde ein explosives Thema in der Grugahalle vom 5. bis 7. November 2013 erörtert. Grund waren 24.000 Einwendungen gegen die Firma Bayer MaterialScience (BMS), Tochter des Bayer-Konzerns. Die Einwendungen richteten sich dagegen, dass BMS Planvorgaben zur hochgiftigen Kohlenmonoxid-Pipeline eigenmächtig unterlaufen hatte und nachträglich genehmigt bekommen wollte.
Mit Uwe Koopmann, einem der Einwender, sprach Herbert Schedlbauer über den Verlauf der Anhörung und die weiteren Perspektiven des Protestes gegen das 67 Kilometer lange Giftgasrohr.
Bevor wir zur Erörterung kommen: Wie sieht es aus an der Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen?
Uwe Koopmann: Wenn man – wie Bayer – die Abweichungen in den Bauplänen und die Verstöße gegen die Bauvorgaben vernachlässigen würde, könnte man sagen: Die lebensbedrohende CO-Pipeline ist praktisch fertig. Kohlenmonoxid (CO) befindet sich aber nicht in der Leitung, denn eine Inbetriebnahme wurde verboten. Zur Zeit befindet sich nach Angaben von Werner Breuer, dem BMS-Projektleiter, Stickstoff in der Leitung, das in reiner Form durch Ersticken ebenfalls tödlich wirkt.
Über die Planverstöße des Weltkonzerns wurde nun verhandelt.
Uwe Koopmann: …und zwar vor der Bezirksregierung Düsseldorf. Die ist zugleich die Behörde zur Genehmigung der Pipeline vor Baubeginn, zur Kontrolle der gesamten Verlegung einschließlich der verwendeten Materialien während der Bauarbeiten und schließlich zur Prüfung und Entscheidung über die Planabweichungen von Bayer und über eigene Fehler bei der Baukontrolle. Umgangssprachlich könnte man sagen: Die Bezirksregierung ist ihr eigener «Verteidiger», der «Ankläger» gegen Bayer und der «Richter» in der Auseinandersetzung zwischen Bayer und den 24.000 Einwendern, hinter denen wiederum 110.000 Unterzeichner eines Protestresolution gegen Bayer stehen. Es geht um die Frage, ob Bayer seine «Industriepolitik nach Gutsherrenart» durchziehen kann. Und es geht um die Fragen, ob hier viele Millionen Euro durch eigenmächtiges Konzernhandeln in den Sand gesetzt wurden.
Eine große Verantwortung für die Bezirksregierung, die ja «neutral» sein müsste?
Uwe Koopmann: In der Tat. Sie hat mit Datum vom 22. Oktober 2013, also nur wenige Tage vor dem Erörterungstermin «Hinweise» über 22 Seiten veröffentlicht, in denen die «Spielregeln» dargestellt werden. Die gehen so weit, dass in Regel 6 «Verbotene Gegenstände» aufgelistet werden: «Waffen oder gefährliche Gegenstände sowie Sachen, die, wenn sie geworfen werden, bei Personen zu Körperverletzungen führen können.» Die Umsetzung dieser Regel: Vor dem Podium waren mehrere Ordner in schwarzen Anzügen, mit roten Schlipsen postiert, die schicke Regenschirme bei sich führten.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sah die Neutralität durch die Gutachterauswahl verletzt.
Uwe Koopmann: Diese Kritik teilen wir alle. Es kann nicht sein, dass der TÜV-Gutachter Christian Engel, der im Auftrag von Bayer drei Gutachten erstellt hat, anschließend von der Bezirksregierung als ihr Gutachter bestellt wird. Jan Pehrke (CBG) erinnerte daran, dass Bayer eine Gründungsmutter des TÜV sei. Auch das Verwaltungsgericht hatte «fehlende Neutralität» moniert. Es entstand der Eindruck, dass der «Richter» über Bayer hier zum «Verteidiger» des Weltkonzern mutierte. Der Antrag der Pipeline-Gegner, den Gutachter Engel zu ersetzen, wurde von der Behörde abgelehnt.
Beschränkt war aber wohl auch der Verhandlungsgegenstand?
Uwe Koopmann: Die Tagesordnung sah nur ganz wenige Planänderungsanträge von Bayer in der Kritik der Einwender: Zum Beispiel die fehlerhafte Geogrid-Matte über der Pipeline, das fehlerhafte Rohrmaterial, die Abweichung vom genehmigten Trassenverlauf. Ich habe BMS-Projektleiter Breuer gefragt, warum das Unternehmen die 80 cm breite «Schutzmatte» nur in 60 cm Breite verlegt hat. Die Gleichstellung von 80 cm und 600 mm wurde nicht erklärt. Das war aber nicht nur ein mathematisches Problem. Man kann davon ausgehen, dass dies einfach nur billiger war.
Es gab wohl auch scharfe Kritik aus der Praxis?
Uwe Koopmann: Aus der Landwirtschaft wurde nachgewiesen, dass die Matten und auch ein dünnes gelbes «Sicherheitswarnband» für einen Tiefpflug kein Hindernis darstellen. Es werde nicht einmal wahrgenommen. Das gelte auch für Baggerfahrer. Die Baggerschaufeln würden Matte und Band problemlos zerreißen. Erwin Schumacher, engagierter Pipeline-Kritiker aus Monheim, demonstrierte, wie leicht es ist, die Matte mit bloßen Händen zu zerreißen.
Das Stichwort «Bombe» fiel.
Uwe Koopmann: Erich Hennen von der Initiative in Duisburg wies darauf hin, dass die Giftgasleitung im Duisburger Süden wenige Meter neben Schulen und Kindergärten verlaufe. Er erinnert auch an den Bombenfund, den es dort gab. Das mit der Verlegung der Pipeline beauftragte Unternehmen rief nicht nach dem Bombenräumkommando. Es machte Anstalten, den Fund an anderer Stelle selber zu «entsorgen». Dieser Vorgang war nur aufgeflogen, weil die hervorragend aufgestellte Duisburger Initiative die Bauarbeiten permanent unter Beobachtung hatte. Das war allein auch deshalb sinnvoll, weil die Trasse vor der Verlegung der Pipeline – regelwidrig – nicht nach Weltkriegsmunition untersucht worden war.
Es gibt eine Wahrscheinlichkeitsberechnung, die der Pipeline bescheinigt, dass sie nicht in alle Ewigkeit sicher ist. Was passiert, wenn eine Undichtigkeit eintritt?
Uwe Koopmann: CO ist geruchlos, feuergefährlich, farblos, es verdrängt den Sauerstoff aus dem Blut, wirkt auch in kleinerer Dosierung vergiftend bis tödlich. Mehrere Wissenschaftler, Ärzte und Leute von der Feuerwehr haben bei der Veranstaltung auf diese Gefahren hingewiesen und auch darauf, dass im Falle eines Lecks oder eines Bruches keine Hilfe möglich ist. Es gibt in Düsseldorf, also im Einzugsbereich der Trasse, zwei Liegeplätze in einer Sauerstoff-Rettungsstation. Bei einer Explosion kann es aber innerhalb von Minuten Hunderte von Patienten geben.
Die Feuerwehr und andere Rettungsdienste können also nichts machen?
Uwe Koopmann: Sie haben die notwendige Ausstattung gar nicht im erforderlichen Umfang. Der vorgeschriebene «Allgemeine Gefahrenabwehrplan» (AGAP) liegt den Feuerwehren nicht vor, nicht einmal der «Sonderrettungsplan». Die Feuerwehren an der Trasse sind stinksauer! Ebenso die Initiativen. Bayer war sogar so unverfroren, dass am 19. März 2009 ein Eilantrag gestellt wurde, mit dem die Leitung vorzeitig in Betrieb genommen werden sollte. Dabei hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster schon am 17.12.2007 verkündet, dass die CO-Pipeline nicht vor einer abschließenden juristischen Klärung in Betrieb genommen werden darf.
Der Erörterungstermin wurde nach rund 20 Stunden beendet. Wie geht es nun weiter?
Uwe Koopmann: Die Bezirksregierung muss entscheiden, wie sie die Kritik der 24.000 Einwender berücksichtigt. Am Ende wird sich zeigen, ob sie, wie in unserem Lande eher üblich, die Erwartungen von Bayer erfüllt. Die Initiativen haben Hoffnungen, aber keine Illusionen. Wenn die sachlichen Argumente der Pipeline-Gegner berücksichtigt würden, müsste die CO-Pipeline morgen auf Dauer für Kohlenmonoxid geschlossen werden. Das brächte Sicherheit für die Menschen. Die soll auch der noch nicht genau terminierte Prozess vor dem OVG Münster bringen. Da Bayer unterstellt, dass das Konzerninteresse hinsichtlich dieser Pipeline identisch ist mit dem «Allgemeininteresse» und das Pipeline-Netz in Zukunft sicherlich noch ausbauen möchte, geht es um viel mehr. Es geht um eine neue Drehschraube des Kapitalismus, ausgelegt an den Profitinteressen eines Sektors der chemischen Industrie.
Uwe Koopmann war zehn Jahre Mitglied der Bezirksvertretung 7 in Düsseldorf-Gerresheim. Er ist Kandidat der DKP zur Europawahl am 25. Mai 2014.
Text: Herbert Schedlbauer
Fotos: Irène Lang