Politik

Griechenland: Die Lage nach der Wahl vom 25. Januar 2015

KKE warnt vor Illusionen und Bruch der Wahlversprechen

Diskussionsrunde.

Die Parlamentswahl in Griechenland ist seit rund zwei Monaten verstrichen. Die KKE hat bei dieser Wahl 61.000 Stimmen und drei zusätzliche Sitze im »Vouli ton Ellinon«, dem Parlament am inzwischen weltbekannten Syntagma-Platz (Platz der Verfassung), hinzugewonnen. Damit gingen insgesamt 338.138 Stimmen und 15 Sitze an die KKE. Die Düsseldorfer DKP diskutierte – mit dabei: zahlreiche Gästen aus der KKE – die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Wahl für die griechischen Kommunisten zwischen Thessaloniki und Kreta ergeben. Exzellenter Vertreter der KKE-Position: Manolis Korakis.

Porträt: Manolis Korakis.

Manolis Korakis fasste das Ergebnis zusammen: »Das allgemeine Wahlergebnis reflektiert die große Unzufriedenheit und die Wut des Volkes gegenüber den Parteien Nea Dimokratia und PASOK, sowie denjenigen, die mit ihnen kooperierten, die das Volk in Armut und Arbeitslosigkeit in den Jahren der Wirtschaftskrise gestürzt haben. Beispiele: LAOS und DIMAR. (…) Das Votum für SYRIZA ist hauptsächlich ein Votum der Ablehnung der vorhergegangen volksfeindlichen ND-PASOK-Regierung. Es ist ein Votum, das Erwartungen beinhaltet, die mit reduzierten Forderungen und mit Illusionen über den Charakter der EU einhergehen.«

In zahlreichen »linken« Medien, auch in den Reihen der DKP, wurde das Wahlergebnis wegen der Erfolge von Syriza und ihrem vielfach bewunderten Vorsitzenden Alexis Tsipras als »Linksruck« bezeichnet. Das Ansehen des Parteivorsitzenden führte automatisch zu seiner Wahl zum neuen Ministerpräsidenten. Er steht der Regierungskoalition von Syriza und ANEL (Anexartiti Ellines, Unabhängige Griechen) vor. ANEL wiederum wird als »nationalkonservativ« und »rechtpopulistisch« bezeichnet. In dieser Konstellation kann der Regierungskoalition platterdings nicht das homogene Prädikat »links« verliehen werden.

Ein historischer Exkurs beleuchtete den entleerten Begriff »links«. Andreas Georgiou Papandreou und seine sozialdemokratische Partei (PASOK) wurden als »links« gefeiert. Vor der Wahl 1981 versprach Papandreou den Austritt aus der Nato und den Abzug der US-Truppen aus Griechenland. Nach der Wahl wurden die Versprechungen nicht eingelöst. In seiner Amtszeit trat Griechenland der EWG bei. – Schröder galt bei vielen Wählern als »links« (im Vergleich zu Merkel und Kohl). Die »rot«-grüne Koalition brachte Politik im Interesse des Kapitals: Agenda, Hartz IV, »Basta« und Kriegsbeteiligung gegen Jugoslawien. Inzwischen koaliert die SPD seit Jahren mit der CDU unter Angela Merkel. – Die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) verbrannte sich durch ihren Eintritt in die Regierung von François Mitterand. Sie konnte ihre »linken« Wahlversprechen in dieser Koalition nicht einlösen.

In der Diskussion klang an, dass nur wenige Wochen nach der Wahl in Griechenland die Wahlversprechen für das Volk nicht so umgesetzt werden, wie sie vor der Wahl Stimmung und Sympathie eingefangen hatten. Das lächerlichste Beispiel: die Umbenennung der »Troika« (EZB, IWF und EU) in »die Institutionen«, ohne dass sich die Aufgaben der Herrschenden gegenüber Athen geändert hätten.

Bereits in diesen wenigen Tagen der Regierung sei erkennbar, dass diese EU unter der Regie vornehmlich des deutschen Kapitals keine positive Entwicklung im Interesse der Arbeiterklasse nehme. Das gelte nicht nur für Griechenland. Die Syriza/ANEL-Regierung hat die Vorgaben nach anfänglich scheinbarer Widerborstigkeit aufgegriffen: Von Schuldenschnitt ist keine Rede mehr. Weder in Griechenland noch in einem anderen Land der EU werden die griechischen Milliardäre geschröpft. Geschröpft wird nur die Arbeiterklasse. Die Regierung spricht verschleiernd von »sparsamer Lebensführung«.

Ähnlich wie vor Jahren bei der PASOK und der KPF, wie in jüngerer Zeit unter Schröder und nun unter Merkel wird die »nationale Phrase« bedient: Lohndumping ist geboten, damit – bei uns – der Standort Deutschland gesichert werden könne. Die Außenhandelsbilanz des deutschen Kapitals, die anderen Ländern und dort vor allem der Arbeiterklasse den Hals abschnürt, wird durch zahlreiche Maßnahmen in Griechenland abgesichert: Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Auflösung von Tarifverträgen, Zerstörung der medizinischen Versorgung, der Bildungseinrichtungen.

Die KKE verdeutlichte: Diese Politik lässt sich nicht verändern, wenn die Regierung nicht mit den Strukturen der Verantwortlichen konsequent bricht. Diesen Bruch will Syriza nicht. Wenn die EU für die Memoranden-Politik (Knebel-Verträge) stehe und Syriza gleichzeitig die EU anerkenne, können Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis so oft wie sie wollen in Berlin bei Angela Merkel (CDU) und Wolfgang Schäuble (CDU) oder in Brüssel bei Martin Schulz (SPD) und Jean-Claude Juncker (Christlich Soziale Volkspartei Luxemburg) vorsprechen. Sie werden nur die Krümel bekommen, die das Kapital vom Tisch auf den Boden fegt. Schlimmer noch. Die »Reformen« werden durchgepeitscht: Die Privatisierungen werden nicht zurückgenommen, sondern – entgegen den Wahlversprechen – fortgesetzt.

Die KKE schätzt ein, dass die neue Regierung wesentlich auf den alten Schienen der Politik fahren wird:

  • EU als Einbahnstraße
  • Zugeständnisse und Kompromisse durch Tsipras
  • Verpflichtungen gegenüber dem Großkapital, den Monopolen, der EU und der NATO
  • Fortsetzung der volksfeindlichen Politik, um durch die Politik von EZB-Chef Mario Draghi dem Kapital Liquidität zu verschaffen, ohne die von der Krise verursachten Verluste zurückzugewinnen. Finanzminister Yanis Varoufakis beklagte bereits, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Griechenland unzureichend bediene und der Regierung den Atem nehme. Es gebe lediglich Notkredite von 600 Millionen Euro.

Aus den Reihen der DKP wurde die Frage gestellt, ob eine Regierungsbeteiligung der KKE im Interesse des griechischen Volkes nicht sinnvoll gewesen wäre. Als Beleg wurde auf Georgi Dimitroff verwiesen, der 1935 beim VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale im Kampf gegen den Faschismus die Einheit der Arbeiterklasse gefordert habe. Befürchtet wurde auch, dass die KKE sich isolieren könne, wenn sie nicht kompromissbereit sei.

Dazu Korakis’ Antwort: Die KKE könne sich nicht an einer Regierung beteiligen, mit der es in grundsätzliche Fragen keine Übereinstimmung gibt. Also: Austritt aus der Nato, Austritt aus der EU, Schuldenschnitt. Deutlich wurde auch, dass es nicht genüge, die Bezeichnung »sozialistisch« oder »kommunistisch« im Parteinamen zu führen. Diese Ausrichtung müsse in Wort und Tat gelebt werden. Das aber sei mit Syriza nicht möglich.

Für die KKE könne es keinen Kompromiss geben, wenn dadurch die Verarmung des Volkes fortgesetzt werde.

Auch außenpolitisch orientiere sich die neue Regierung bereits an den Vorgaben der EU: Vor der Wahl war sie gegen Sanktionen gegen Russland, nach der Wahl stimmte sie dafür.

Die KKE kämpft dagegen für die Loslösung von EU und NATO, für eine einseitige Schuldenstreichung, für die Vergesellschaftung der konzentrierten Produktionsmittel, für die Arbeiter- und Bauernmacht. Das werde nicht leicht sein. Deshalb müsse die Bewegung zur Stärkung des Volksbündnisses verbessert werden. Dazu zählen Initiativen zur Entlastung der Arbeitslosen und Familien aus den unteren Volksschichten. Im Parlament werde sich zeigen, wie sich die Regierung dazu positioniert.

Die Proteste der KKE nach der Wahl auf dem Syntagma-Platz sind erste Schritte, um zu verdeutlichen, in welche Richtung eine wirklich klassenorientierte Politik in Griechenland gehen muss. Die Erfahrungen vieler Griechen verdeutlichten, dass der Kapitalismus nicht die Zukunft sein könne. Aus diesem Wissen müsse Bewusstsein erwachsen, das in Handlungsfähigkeit umschlage. Ein parlamentarischer Schritt ist der KKE-Gesetzentwurf zur Annullierung der 300 Vereinbarungen (Memoranden) mit der Troika. Vor der Wahl stimmte Syriza dem Antrag zu. Nach der Wahl hat Syriza bei aller Rabulistik gezeigt, dass sie enger an der EU hängt als am Volk. – Die Diskussion über diese Entwicklungen bedarf der Fortsetzung.

Text und Foto: Uwe Koopmann