Politik

Wie akut ist die faschistische Gefahr?

Europakarte Entwicklung der NATO.


Zum Zusammenhang von
ökonomischer Krise,
Kriegsvorbereitung
und Faschismus

«782 Milliarden Dollar sind eine Menge Geld. In dieser Größenordnung befindet sich beispielsweise die Jahreswirtschaftsleistung der Türkei. Ungefähr so hoch wird auch das Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten im gerade zu Ende gegangenen Haushaltsjahr geworden sein, Stichtag ist der 30. September. Das sei der zentrale Grund, aus dem heraus die größte Volkswirtschaft der Welt derzeit sogar noch etwas schneller wächst als in den vergangenen Jahren und auch die amerikanische Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht. Ökonomen wundert das nicht: Sie wissen, dass durch Schulden finanzierte höhere Staatsausgaben oder Steuersenkungen die Konjunktur befeuern, zumindest kurzfristig.»

Das schreibt heute die FAZ online, um dann anlässlich der gegenwärtigen Tagung des Internationalen Währungsfonds dessen Chefökonom Maurice Obstfeld zu zitieren, der die USA wegen ihrer prozyklischen Fiskalpolitik kritisiert. Sie gefährde damit die Stabilität und trage zur Überhitzung bei. Als Hinweis dient, dass die Rendite amerikanischer Staatsanleihen gerade auf 3,3 Prozent gestiegen sei, auf den höchsten Stand seit sieben Jahren.

Unter dem Titel «Weltkonjunktur steht vor härteren Zeiten» gilt der Zeitung als Risiko für die globale Konjunktur, dass es die meisten Länder bisher nicht vermocht hätten, finanzielle Puffer für die nächste Krise zu bilden. Die Schuldenstände seien so hoch wie selten.

Das ist sehr zurückhaltend von der FAZ formuliert.

Auf der BDK am 16. Dezember letzten Jahres hatte ich auf die globalen Gesamtschulden verwiesen. Es handelt sich hierbei um Berechnungen des Institute of International Finance, die globale Lobbyorganisation der Banken. Die Daten bezogen sich auf das erste Quartal 2017. Die Gesamtschuldensumme betrug damals 217 Billionen Dollar, das entsprach 327% des Welt-BIPs, also mehr als das Dreifache. Auch heute verfüge ich nicht über die neuesten Daten, aber immerhin die vom ersten Quartal 2018, die Anfang Juli mitgeteilt worden sind. Die globalen Schulden beliefen sich demnach mittlerweile auf 247 Billionen Dollar (Welt-BIP 2017: 80 Bio). Das sind 30 Billionen, also 13,8 % mehr als vor einem Jahr. Allein im ersten Quartal 2018 stiegen sie um 8 Bio Dollar. 12 Jahre zuvor, im Jahr 2006, waren es 144 Bio, im Jahr 1996 63 Bio.

Zum Vergleich: das deutsche BIP 2017 betrug 3,7 Bio Dollar. EU 17,5 Bio, USA 19,4 Bio.

Es ist erkennbar, dass diese wachsenden Wechsel auf die Zukunft nie eingelöst werden können.

Vor diesem Hintergrund entsteht offenbar das Bedürfnis, sich die Lage schönzureden. Unter dem irreführenden Titel «Auto-Verkaufsrausch» gab die Kölnische Rundschau am 20. September bekannt, im August seien im Vergleich zum Vorjahresmonat die Zahl der Neuzulassungen in Europa um 31,2 Prozent gestiegen. Diese Prachtzahl wird zwar durch Vorzieheffekte erklärt. Denn durch das neue Abgasprüfverfahren WLTP dürfen seit dem 1. September nur Wagen zugelassen werden, die diesen Test bestehen. Tatsächlich wurden in der Republik 316.405 Personenkraftwagen (Pkw) im August neu zugelassen – ein Plus 24,7 Prozent im Verhältnis zum Vorjahresmonat.

Hergestellt aber wurden in diesem August 310.400 Autos, das sind nun mal 31% weniger als im August des vergangenen Jahres. Insgesamt zeigt die Produktionskurve seit Mai steil nach unten. Und prompt folgt im September der Produktionskurve ganz brav die Zulassungskurve. Mit 200.134 neu zugelassenen Personenkraftwagen lag sie im September 2018 mit minus 30,5 Prozent unterhalb des Vorjahresmonats, laut Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) am 2. Oktober. Bei Audi waren es sogar minus 77,7 %, bei VW minus 61,9 %.

Tatsächlich ist die Situation in der Autoindustrie ernst. Wegen Nachfragerückgangs beim Passat hat VW Emden schon im Juli 12 Tage Kurzarbeit für die zweite Jahreshälfte angemeldet. Auch in Wolfsburg ruhten von Ende Juli bis Ende September die Bänder im Stammwerk an insgesamt zwölf Tagen komplett. Opel leidet seit der Übernahme durch PSA. Anlass für Kurzarbeit bei Audi Ingolstadt (von Anfang August bis Ende des Jahres) ist, dass Audi nur für einen Teil seiner Modellvarianten über eine Zulassung nach dem ab 1. September geltenden Abgasprüfstandard WLTP verfügt. Und bei Ford steht die gesamte europäische Produktion in Frage.

Insgesamt stellten Industrie, Bau und Energieversorger im August zusammen 0,3 Prozent weniger her als im Vormonat. Der dritte Rückgang in Folge. Aber Flaute herrscht gegenwärtig in der gesamten Industrie des Landes. Dabei hatten die Ökonomen 0,4 Prozent Wachstum erwartet. So rechnen denn die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten lediglich mit einem Mini-Wachstum des BIP von 0,1 Prozent im dritten Quartal. Die FAZ resümiert heute: «Donald Trump, Streit mit China, Brexit, Italien, die Türkei oder der gestiegene Ölpreis: Es gibt genügend Gründe, pessimistischer zu sein als noch vor sechs Monaten.»

Für das Problem des Schuldenbergs gibt es im Prinzip drei Lösungen: Spontane Entwertung mittels Crash, organisierte durch Schuldenschnitt oder der Krieg. Auf letzteren bereitet sich das Kapital mittels Aufrüstung und uns mittels Kriegshetze vor.

Hier im Kreisvorstand hatte ich mich vor zwei Jahren, am 13. September 2016, über das Weißbuch der Bundeswehr und die Konzeption Zivile Verteidigung geäußert, Texte, mit denen Aufrüstung gerechtfertigt und Kriegshetze angeschoben werden.

Das Weißbuch malt ein Bedrohungsszenario: der internationale Terrorismus, Cyberangriffe, Beeinflussung der öffentlichen Meinung mittels digitaler Kommunikation, hybride Kriegsführung sowie die Renaissance klassischer Machtpolitik blecken die Zähne.

Unter hybrider Kriegsführung versteht die Bundesregierung den Einsatz militärischer Mittel unterhalb der Schwelle eines konventionellen Krieges, also subversive Unterminierung durch die Verbindung von zivilen und militärischen Mitteln, deren Zwecke erst im Nachhinein zu erkennen sind. Dagegen helfe Vernetzung zwecks Resilienz, also sowas wie Widerstandsfähigkeit gegen hybride Bedrohungen. Wörtlich: «Hierzu gehören auch ein besserer Schutz kritischer Infrastrukturen, der Abbau von Verwundbarkeiten im Energiesektor, Fragen des Zivil- und des Katastrophenschutzes, effiziente Grenzkontrollen, eine polizeilich garantierte innere Ordnung und schnell verlegbare, einsatzbereite militärische Kräfte. Politik, Medien und Gesellschaft sind gleichermaßen gefragt, wenn es darum geht, Propaganda zu entlarven und ihr mit faktenbasierter Kommunikation entgegenzutreten.» (Weißbuch S. 39) Unter dem Vorwand von Sicherheitsvorsorge wird uns eine durchorganisierte Gesellschaft mit kontrollierter Kommunikation, Medien- und Innenpolitik angedroht. (Weißbuch S. 48). Ein Programm für eine Militärdiktatur!

Die Konzeption Zivile Verteidigung (KZV, S. 13) geht noch weiter ins Detail. Sie fordert eine Verbesserung des Bewusstseins für hybride Bedrohungen, Stärkung der Resilienz, Stärkung von Prävention und sogenannter Krisenreaktion. Die militärische Abwehrbereitschaft wird zivile Bereiche durchdringen. So fällt unter die Rubrik Abwehrbereitschaft die Sicherung von Informations-, Kommunikations-, Versorgungs-, Transport- und Handelslinien samt Rohstoff- und Energiezufuhr. (KZV S. 41)

Sicherheitsvorsorge wird auf S. 59 nicht nur als staatliche, sondern immer mehr als gemeinsame Aufgabe von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft verstanden.

Staat und Wirtschaft verbinde bereits eine vertrauensvolle Sicherheitspartnerschaft. Bezeichnend für den militaristischen Geist des Papiers ist die Auffassung auf Seite 60, dass nunmehr die öffentliche Meinung sicherheitsrelevant sei. Es gehe um die Fähigkeit, Angriffen zu widerstehen. Das Wort dafür: Resilienzaufbau. Dazu müsse man frühzeitig und präventiv Verwundbarkeiten identifizieren. «Die materielle Infrastruktur von Staat und Wirtschaft ist ebenso Angriffsziel wie die öffentliche Meinung, die vielfach Versuchen externer Einflussnahme ausgesetzt ist.»

Die strategischen Nuklearfähigkeiten der Allianz, insbesondere die der USA, seien der ultimative Garant der Sicherheit. «Die NATO ist weiterhin ein nukleares Bündnis. Deutschland bleibt über die nukleare Teilhabe in die Nuklearpolitik und die diesbezüglichen Planungen der Allianz eingebunden. (…)» Gleichzeitig stellt sich das Bündnis auf asymmetrische und hybride Bedrohungen einschließlich Cyberangriffen, ein. Ein Merkmal hybrider Kriegführung, die Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden, stelle dabei besondere Herausforderungen an die Feststellung des Bündnisfalls nach Artikel 5 des NATO-Vertrags (S. 65). In der Tat ist die Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden die militaristische Kernaussage des Weißbuches. Damit wird der Übergriff des Militärischen auf das Zivilleben, die Militarisierung weiterer Bereiche des Alltags, ihre Unterordnung unter militärische Ziele begründet.

Die Kölnische Rundschau schlagzeilte am 23. August 2016 zu diesem Thema: «Bund bereitet Bevölkerung auf den Kriegsfall vor» nicht ohne in der Unterzeile zu kolportieren, dass Moskau die europäische Friedensordnung in Frage stelle.

Zwei Jahre später geht es mit der «Konzeption der Bundeswehr» (KdB) vom August 2018 weiter. Die KdB propagiert faktisch eine Rüstungsoffensive gegen Russland. Die Fokussierung auf Auslandseinsätze wird abgelöst durch das neue Gewicht von Landes- und Bündnisverteidigung. Die sicherheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre hätten die kollektive Bündnisverteidigung wieder in den Fokus der strategischen Überlegungen der NATO gerückt. «Abschreckung und Verteidigung auf Grundlage einer geeigneten Mischung aus konventionellen, nuklearen und Raketenabwehrfähigkeiten» seien weiterhin ein Kernelement der Gesamtstrategie. Landes- und Bündnisverteidigung sei außerdem «der bestimmende Parameter für die Grundaufstellung der Bundeswehr».

Aus dem gegenwärtig lautstark artikulierten finanziellen Mehrbedarf folgt die Forderung,

das eine, also Bündnisverteidigung wieder tun, ohne das andere, nämlich Auslandseinsätze, lassen zu wollen. Die Zielstellungen des KdB stammen aus den «Vorläufigen konzeptionellen Vorgaben für das künftige Fähigkeitsprofil der Bundeswehr», das unter der Ägide von Generalleutnant Erhard Bühler verfasst und als Bühler-Papier im April 2017 bekannt wurde. Schon da wurde deutlich, dass nunmehr der «Bündnisverteidigung» und damit faktisch der Rüstung gegen Russland künftig wieder mehr Bedeutung zukommen soll. Deutschland müsse bis 2031 drei schwere Divisionen mit je 20.000 Soldaten in die NATO einbringen können, die erste bereits 2026. Die Landstreitkräfte müssten dringend mit mehr Panzern und vor allem schwerer Artillerie ausgestattet werden, aber auch bei der Luftwaffe und der Marine existiere milliardenschwerer Rüstungsbedarf. «Damit würden die Divisionen wieder die klassische Struktur aus der Zeit vor 1990 einnehmen.» (FAZ 19.4.2017)

Von der Leyen formulierte auf der Bundeswehrtagung am 14. Mai 2018: «Was heißt Landes- und Bündnisverteidigung in Zukunft? Lackmustest wird sein, ob und wie wir uns auf die hybriden Bedrohungen einstellen. Die Truppe braucht dafür ein verlässliches Gerüst, aus dem heraus sie handeln kann. Wir haben die Muster vor Augen: Fake-news Kampagnen um Unruhe zu schüren; das Einsickern von irregulären Kräften an den Rändern des Bündnisterritoriums; Cyberattacken gegen kritische Infrastruktur, Regierungsnetzwerke und unsere Bankensysteme; die Bedrohung durch Raketen jeglicher Reichweite und Wirkung; Angriffe auf unsere Handelswege auf See; Einsätze von Drohnenschwärmen gegen zivile Ziele; bis hin zur ‹klassischen› Verteidigungsoperation an der Landesgrenze. Auf all das müssen wir uns neu ausrichten. Und zwar nicht nur in der Programmatik und durch das Verfassen von Denkpapieren, sondern durch ganz konkrete Maßnahmen bei Personal und Material, in der Ausbildung, mit unseren Partnern und ressortgemeinsam.»

In der KdB wird anschaulich von der Randmeerkriegsführung gesprochen: «Die Befähigung zur Randmeerkriegführung bleibt unverändertes Ziel für die Ausgestaltung der deutschen Seestreitkräfte. Im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung spielen dabei der Nordflankenraum der NATO und die Ostsee zunehmend eine wichtige Rolle.» Vor allem sei es erforderlich, für die «Baltischen Staaten» falls nötig eine «Nachversorgung über die Ostsee» sicherzustellen.

Seit dem 13. Juni 2018 wissen wir auch, dass die Bundeswehr ab 2020 den Einsatz von Drohnen vorbereitet.

Das alles ist teuer. Der Bundeswehr-Etat stieg von 23,8 Mrd. Euro im Jahr 2000 auf etwa 38,5 Mrd. im Jahr 2018 an und soll bis 2022 gemäß der Anfang Mai 2018 vom Kabinett beschlossenen Eckwerte bei 42,6 Mrd. landen. Dazu kommen allein 2022 noch 1,17 Mrd., die als «Personalmittelverstärkung» in den Einzelplan 60 verschoben wurden. Bis 2024 soll der Etat des Verteidigungsministeriums den Wert von 1,5 Prozent des BIP erreichen. In Euro umgerechnet sind das 62,5 Milliarden. Und Angela Merkel betonte in der Haushaltsdebatte im Bundestag am 16. Mai 2018, sie fühle sich weiter dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO verpflichtet. Unter dem Strich käme sie damit auf 85 Mrd Euro.

Kurz vor der NATO-Tagung am 11./12. Juli 2018 in Brüssel wurden die NATO-Rüstungsausgaben veröffentlicht: Sie stiegen von 895 Mrd. Dollar 2015 auf geschätzte 1013 Mrd. Dollar in diesem Jahr an. Der Anteil der europäischen Länder kletterte dabei von 222 Mrd. (2015) auf 286 Mrd. (2018) ebenfalls steil nach oben. Gleichzeitig wurde der Ton gegenüber Russland verschärft. Tatsächlich aber sank der russische Rüstungsetat laut SIPRI im vergangenen Jahr um 20% auf 66,3 Mrd Dollar, während der Etat der NATO-Länder in diesem Jahr die Marke von einer Billion übersteigen wird.

Am Schluss des NATO-Treffens setzte Donald Trump noch einen drauf: Zunächst wollte er, dass alle Verbündeten das 2%-Ziel sofort und nicht erst 2024 umsetzen. Am Ende ließ er sogar verkünden, alle Verbündeten sollten künftig 4% des BIP in den Rüstungshaushalt stecken. Im Falle von Deutschland hätte das eine Größenordnung von jährlich 160 Mrd. Euro! Das ist eine Summe, die rund einem Drittel des gegenwärtigen Bundeshaushalts entspricht.

Hier scheint neben dem militärischen auch der finanzpolitische, gar krisenregulierende Sinn solcher Ausgaben auf. Im Unterschied zur zivilen Produktion sind Rüstungsgüter Waren, deren Bedarf in der Regel politisch hergestellt, legitimiert und gelenkt wird. Der Staat bietet mit dem Rüstungsetat ein Konjunkturprogramm, allerdings für nur wenige Nutznießer. Er schafft im rechtskeynesianischen Sinn angesichts der anhaltenden Überproduktionskrise Kapitalanlagemöglichkeiten, rettet Kapital vor Entwertung.

Aber die geplanten Größenordnungen von Aufrüstung sind nach meiner Einschätzung nicht ohne weiteres parlamentarisch durchzusetzen, weil mit dem Widerstand der Bevölkerung zu rechnen ist. Für den Krieg selbst wird ebenso wie für seine Vorbereitung die Zustimmung der Bevölkerungen ausbleiben. Zwar wird gegenwärtig mittels Hetze gegen Flüchtlinge, mit Ausländer- und Islamfeindlichkeit alles versucht, militärische Aktionen politisch akzeptabel zu machen. Aber es gelingt nicht. Und wir tun alles, damit das so bleibt.

Die Herrschenden müssen zudem angesichts drohender Crashs, Bank Runs, plötzlicher Arbeitslosigkeit und Geldentwertung mit Widerstand, sogar mit Revolten rechnen. Sie verlassen sich nicht darauf, dass die Arbeiterklasse in solchen Lagen sich in die herrschende Ordnung fügt und still hält. Davon zeugen der forcierte Demokratieabbau, namentlich die Maßnahmen zur Massenüberwachung samt der Serie von Polizeigesetzen in den Bundesländern mit der Aufhebung der Unschuldsvermutung, den Möglichkeiten der Polizei, bei angeblich «drohender Gefahr» nach Belieben wegzusperren. Die Nazis nannten das Schutzhaft. Auf die Integrationskraft einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie wollen und können sich die Herrschenden angesichts der Krise nicht länger verlassen. Zunehmend wird Gewalt angedroht und eingesetzt, um das Volk still zu halten. Rechtsterrorismus und AfD sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Faschisten setzen mit Gewalt und Terror das Recht des Stärkeren durch, sobald die Demogogie ihre Wirkung verliert. Aus Sarrazins Hetze werden Hetzjagden. Es sind parlamentarische Kräfteverhältnisse schon abzusehen, wo CDU und CSU mit der AfD koalieren, damit sie gemeinsam Gesetze im Parlament formulieren, die mehr oder weniger uniformierte Schlägertrupps auf der Straße umzusetzen haben.

Es handelt sich um eine langfristige Strategie der Herrschenden. Denn sie können und wollen sich – zumal in Krisenzeiten – nicht auf die Überzeugungskraft der kapitalistischen Eigentumsordnung verlassen.

Stehen wir am Vorabend des Faschismus? Patrik Köbele hat sich vor anderthalb Jahren, am 3. Februar 2017, auf der 7. PV-Tagung zu dieser Frage geäußert.

Er sagte: «Derzeit hat die herrschende Klasse keine Notwendigkeit zum Faschismus zu greifen, dafür ist die Linke zu schwach und die Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung zu stark eingebunden.» Und im Weiteren zur Frage, «ob wir nicht von einer schleichenden Entwicklung hin zum Faschismus sprechen müssen. Die Diskussion ist zu führen. Ich sehe das allerdings anders und sehe in der Formulierung die Gefahr, dass sie vermittelt, dass wir am Vorabend des Faschismus stehen – das wiederum sehe ich nicht. Natürlich behält sich die herrschende Klasse in Deutschland diese Karte immer vor, aber eine Notwendigkeit dazu gibt es derzeit für sie nicht.»

Dazu ist folgendes zu sagen. Die Metapher «Vorabend» ist allemal unzutreffend. Sie erfasst die politischen Prozesse nicht, mit denen wir es zu tun haben. Sie suggeriert, wir würden eines Morgens aufwachen und der Faschismus stünde überraschend vor der Tür. Oder als das etwas günstigere alternative Szenario: Wir würden am Vorabend vom Aufkommen des Faschismus durch den PV gewarnt, wappnen uns hurtig oder suchen das Weite.

Nein. Wir haben es vielmehr mit Prozessen tun, die allmählich und für viele unmerklich ablaufen. Insofern ist die Abwehr des Faschismus eine langfristige, zähe, vor allem eine stetige Aufgabe, für die wir die Arbeiterklasse und ihre Organisationen gewinnen müssen. Je stärker die Linke, je organisierter die AK ist, umso demokratischer ist eine Gesellschaft und die Gefahr des Faschismus geringer – und nicht umgekehrt!

Klaus Stein, im Kreisvorstand Köln, 9. Oktober 2018