Umwelt

Der Sonderbericht des Weltklimarates und der Kapitalismus

Chronik einer
angekündigten
Katastrophe

Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine elementare Bedrohung für viele Staaten. (Foto: Public Domain) Der Anstieg des Meeresspiegels ist eine elementare Bedrohung für viele Staaten.


Als der Gott Apol­lon nicht bei der schö­nen Kas­san­dra lan­den konn­te, soll er sie ver­flucht und dafür ge­sorgt haben, dass nie­mand ihren Weis­sa­gun­gen Glau­ben schenk­te. In ge­wis­ser Weise er­geht es dem «Welt­kli­ma­rat» IPCC ähn­lich. Ob sich der In­ter­go­vern­men­tal Panel on Cli­ma­te Chan­ge mit der Schön­heit Kas­san­dras ver­glei­chen kann, ist eine an­de­re Frage, aber der heu­ti­ge Gott Apol­lon, der Ka­pi­ta­lis­mus, dürf­te sich mit sei­nen Pro­fit­in­ter­es­sen vom IPCC ähn­lich zu­rück­ge­wie­sen füh­len wie sein an­ti­ker Vor­gän­ger von der Toch­ter des Pria­mos. Der von der UNO 1988 ins Leben ge­ru­fe­ne IPCC stößt seit sei­ner Grün­dung auf ähn­lich taube Ohren wie die an­ti­ke Hel­din.


Dabei gibt sich der IPCC alle Mühe. Tau­sen­de Wis­sen­schaft­ler in aller Welt haben bis­lang fünf um­fang­rei­che Sach­stand­be­rich­te und mehr als zehn Son­der­be­rich­te zum Kli­ma­wan­del und sei­nen Ri­si­ken er­ar­bei­tet. Richt­li­nen für die Er­stel­lung von Treib­haus­gas­in­ven­ta­ren, die Grund­la­ge des Emis­si­ons­rech­te­han­dels, wur­den er­stellt. Und bis auf we­ni­ge Ver­bohr­te aus der Öl-und-Koh­le-Frak­ti­on zwei­felt auch kaum je­mand seine The­sen öf­fent­lich an.

Am 8. Ok­to­ber stell­te der IPCC wie­der ein­mal einen Son­der­be­richt, den SR1,5, im süd­ko­rea­ni­schen In­che­on vor. Dies­mal in ge­wis­ser Weise als Auf­trags­ar­beit in der Folge der Pa­ri­ser Kli­ma­kon­fe­renz von 2015. In Paris war als Ziel be­nannt wor­den, den An­stieg des durch­schnitt­li­chen glo­ba­len Tem­pe­ra­tur­an­stiegs auf etwa 1,5° C zu be­gren­zen. Diese Ver­schär­fung des Ziels von vor­mals 2°C kam auf die drin­gen­de In­ter­ven­ti­on von Staa­ten wie Ban­gla­desch zu­stan­de, die in ihrer Exis­tenz durch Ex­trem­wet­te­rer­eig­nis­se, Tro­pen­stür­me, Über­schwem­mun­gen und Dür­ren sowie dem An­stieg des Mee­res­spie­gels exis­ten­ti­ell be­droht sind.

Und um die wich­tigs­ten Be­fun­de, «die im Zu­sam­men­hang mit glo­ba­ler Er­wär­mung um 1,5°C und für den Ver­gleich zwi­schen glo­ba­ler Er­wär­mung um 1,5°C und 2°C ge­gen­über vor­in­dus­tri­el­lem Ni­veau re­le­vant sind» (SR1.5, Haupt­aus­sa­gen), geht es dabei. Die glo­ba­le Er­wär­mung habe durch mensch­li­che Ak­ti­vi­tä­ten ge­gen­über vor­in­dus­tri­el­len Wer­ten um etwa 1°C zu­ge­nom­men. Sie er­rei­che 1,5°C wahr­schein­lich zwi­schen 2030 und 2052 bei Bei­be­hal­tung der ak­tu­el­len Ge­schwin­dig­keit. Das mit gro­ßer Be­geis­te­rung ver­kün­de­te Pa­ri­ser Kli­ma­ziel werde also in 34, wenn nicht sogar schon in 12 Jah­ren er­reicht, wenn sich an den bis­he­ri­gen Emis­sio­nen nichts dra­ma­tisch än­dert. Aber was kommt da­nach?


Für die Be­gren­zung auf 1,5°C

Der IPCC macht sich im 1,5- bzw. 2°C-Ver­gleich noch ein­mal für das ehr­gei­zi­ge­re 1,5°C-Ziel stark. Der An­stieg des Mee­res­spie­gels, der bis weit über das Jahr 2100 an­hal­ten werde, die Ex­trem­wet­te­rer­eig­nis­se, das Ab­schmel­zen der Glet­scher, Pol­kap­pen und des Grön­land­ei­ses, das Ar­ten­ster­ben und die «Ko­ral­len­blei­che» wür­den weit ge­rin­ger aus­fal­len und durch mensch­li­che und na­tür­li­che An­pas­sungs­ka­pa­zi­tä­ten leich­ter be­herrsch­bar sein. Es gehe um Mil­lio­nen Men­schen in den Ent­wick­lungs­län­dern und gro­ßen Fluss­del­tas, die viel­leicht nicht so ele­men­tar in ihren Le­bens­grund­la­gen be­droht seien. Der Kli­ma­wan­del wird zwar vor­wie­gend in den ka­pi­ta­lis­ti­schen In­dus­trie­staa­ten pro­du­ziert, China, die USA, In­di­en, Russ­land, Japan und Deutsch­land pro­du­zie­ren mehr als die Hälf­te des glo­ba­len CO2-Aus­sto­ßes. Be­son­ders be­droh­lich ist er aber für den neo­ko­lo­ni­al ver­arm­ten Süden.

Um die Ziele 1,5°C bzw. 2°C zu er­rei­chen, wer­den zwei Emis­si­ons­pfa­de zkiz­ziert. Um eine Er­wär­mung von 2°C nicht zu über­schrei­ten, müss­te die CO2-Net­to-Neu­emis­si­on bis 2030 um etwa 20 Pro­zent sin­ken, kon­ti­nu­ier­lich (etwa 2 Pro­zent CO2/Jahr) wei­ter sin­ken und um das Jahr 2075 netto Null er­rei­chen. Um ma­xi­mal plus 1,5°C zu schaf­fen, sieht der Pfad we­sent­lich am­bi­tio­nier­ter aus. Bis 2030 minus 45 Pro­zent CO2, dann minus 3 Pro­zent CO2/Jahr und 2050 netto Null. Da kei­nes­wegs klar ist, wel­chen Pfad die Mensch­heit, ge­nau­er ge­sagt, die Mäch­ti­gen der ka­pi­ta­lis­ti­schen Haupt­staa­ten ein­schla­gen wird bzw. wer­den, be­zif­fert der IPCC die mög­li­che Spann­wei­te in 2100 mit plus 1,1°C bis plus 6,4°C. Letz­te­res mit kaum zu kal­ku­lie­ren­den Fol­gen für die Be­wohn­bar­keit gro­ßer Teile des Glo­bus.


Das CO2-Bud­get-Mo­dell

Grob for­mu­liert geht die zu­grun­de­lie­gen­de Kli­ma­theo­rie von dem Um­stand aus, dass die Treib­haus­ga­se, ein­mal in die At­mo­sphä­re ver­bracht, dort für lange Zeit­räu­me ver­blei­ben. Dass also die An­rei­che­rung der At­mo­sphä­re mit Kli­ma­ga­sen, vor allem CO2, ein, in­ner­halb mensch­li­cher Di­men­sio­nen be­trach­tet, ir­re­ver­si­bler Pro­zess ist. Aus dem na­he­zu li­nea­ren Zu­sam­men­hang von Treib­haus­gas­emis­sio­nen und Tem­pe­ra­tur­an­stieg folgt, dass es eine be­grenz­te Menge Treib­haus­ga­se gibt, die ma­xi­mal in die At­mo­sphä­re ver­bracht wer­den kann, falls man eine be­stimm­te Er­wär­mung nicht über­schrei­ten will. Der IPCC gibt diese Menge – für das 2°C-Ziel – mit etwa 2 900 Gi­ga­ton­nen CO2 an (1 Gi­ga­ton­ne = 1 Mrd. Ton­nen). Die vom Men­schen bis 2011 in die At­mo­sphä­re ver­brach­te Menge CO2 be­trägt etwa 1 900 Gi­ga­ton­nen. Ver­blei­ben etwa 1000 Gi­ga­ton­nen für 2°C. Für 1,5°C sind die Werte mit etwa 60 Gi­ga­ton­nen deut­lich ge­rin­ger. Pro Jahr kom­men ge­gen­wär­tig etwa 40 Gi­ga­ton­nen CO2 dazu. Ten­denz stei­gend. Was bei gleich­blei­ben­den Be­din­gun­gen be­deu­tend, dass spä­tes­tens in 25 Jah­ren das glo­ba­le 2°C-CO2-Bud­get er­schöpft ist.

Als Beleg für die tat­säch­li­che CO2-Kon­zen­tra­ti­on dient die Kee­ling-Kur­ve, be­nannt nach dem US-Kli­ma­for­scher Charles David Kee­ling. Sie zeigt den mitt­le­ren glo­ba­len Kon­zen­tra­ti­ons­ver­lauf von CO2 in der Erd­at­mo­sphä­re seit 1958. Nach heu­ti­gem Stand ist an­zu­neh­men, dass die CO2-Kon­zen­tra­ti­on in den letz­ten 800000 Jah­ren nie höher als 300 ppm (parts per mil­li­on, = 300 Teile zu einer Mil­li­on = 0,03 Pro­zent) ge­le­gen hat. In den letz­ten 750 Jah­ren vor 1750 lag der Wert zwi­schen 275 und 285 ppm. Da­nach stieg der Wert in 200 Jah­ren bis 1970 um etwa 50 ppm. Und für die nächs­ten 50 ppm plus brauch­te die Mensch­heit nur noch 30 Jahre. Heute wird mit einem Wert von über 400 ppm ge­rech­net. An­ge­nom­men wird ein Grenz­wert von 450 ppm, bei dem sich das Kli­ma­ziel von 2°C ge­ra­de noch er­rei­chen lässt. Al­ler­dings las­sen letz­te Mes­sun­gen auf einen be­schleu­nig­ten An­stieg der CO2-Kon­zen­tra­ti­on von mehr als 3 ppm/Jahr schlie­ßen. Damit würde sich das Fens­ter für plus 2°C in den nächs­ten 15 Jah­ren end­gül­tig schlie­ßen. Bei all­dem soll­te er­wähnt wer­den, dass sich leicht Un­ter­su­chun­gen fin­den las­sen, von durch­aus re­nom­mier­ten In­sti­tu­ten, die einen noch deut­lich dra­ma­ti­sche­ren Ver­lauf prä­sen­tie­ren. Zu be­ach­ten ist auch, dass mit einer Kli­ma­wirk­sam­keit von CO2 erst nach etwa zehn Jah­ren nach der Emis­si­on ge­rech­net wird. Wir sehen alles mit einer Zeit­ver­schie­bung von min­des­ten 10 Jah­ren. Mög­li­cher­wei­se auch von mehr.
Der SR1,5 da­ge­gen ver­sucht nun Mut zu ma­chen, dass das 1,5°C-Ziel doch noch zu er­rei­chen sei. Die Zeit­räu­me und Bud­gets er­schei­nen ge­streckt ge­gen­über den frü­he­ren, re­strik­ti­ve­ren Va­ri­an­ten. Die Be­gren­zung auf 1,5°C sei «in­ner­halb der Gren­zen von Che­mie und Phy­sik mög­lich», glaubt der Ko-Vor­sit­zen­de der zu­stän­di­gen Ar­beits­grup­pe, Jim Skea, aber sie ver­lan­ge «bei­spiel­lo­se Ver­än­de­run­gen». Ver­än­de­run­gen in der Form der Strom­er­zeu­gung, der Fort­be­we­gung, der Land­wirt­schaft, der In­dus­trie­pro­zes­se und der städ­ti­schen In­fra­struk­tur. Tat­säch­lich sind die Treib­haus­gas­emis­sio­nen seit dem Jahr 2000 wei­ter­hin ge­stie­gen. Gleich­zei­tig nimmt die Wir­kung der Koh­len­stoff­sen­ken durch die Bio­sphä­re der Tro­pen ab. Die Ab­hol­zung der Re­gen­wäl­der, die Dür­ren auf­grund des re­kord­ho­hen Tem­pe­ra­tur­an­stiegs dürf­ten eine ne­ga­tiv-be­schleu­ni­gen­de Wir­kung haben.


CO2, der Markt und der Pro­fit

Neben dem CO2 mit einem An­teil von 72 Pro­zent stel­len Me­than (18 Pro­zent) und Stick­oxi­de (9 Pro­zent) den Haupt­teil der Treib­haus­ga­se. Ihre Pro­duk­ti­on ver­teilt sich im We­sent­li­chen auf die Sek­to­ren:

  • Kraft­wer­ke 21,3 Pro­zent
  • In­dus­tri­el­le Pro­zes­se 18,8 Pro­zent
  • Trans­port, Ver­kehr 14 Pro­zent
  • Land­wirt­schaft­li­che Ne­ben­pro­duk­te 12,5 Pro­zent
  • Ge­win­nung, Ver­ar­bei­tung, Ver­tei­lung fos­si­ler Brenn­stof­fe 11,3 Pro­zent
  • Woh­nun­gen und Han­del 10,3 Pro­zent
  • Land­wirt­schaft und Bio­mas­se­ver­bren­nung 10 Pro­zent.

Womit auch klar ist, dass die vom IPCC ge­for­der­ten «bei­spiel­lo­sen Ver­än­de­run­gen», Net­to-Null-CO2-Em­mis­si­on in 2050, nur das Re­sul­tat en­er­gi­scher und fä­hi­ger staat­lich-ge­sell­schaft­li­cher Maß­nah­men sein könn­ten.

Un­glück­li­cher­wei­se gibt es für die CO2-Pro­duk­ti­on keine na­tür­li­che Gren­ze, die mit den Kli­ma­zie­len zu­min­dest an­satz­wei­se kom­pa­ti­bel wären. Nach heu­ti­gem Wis­sens­stand dürf­ten etwa ein Drit­tel der Erd­öl­re­ser­ven, die Hälf­te der Erd­gas­re­ser­ven und 80 Pro­zent der Koh­le­re­ser­ven nicht ver­brannt wer­den, wenn das Plus-2°C-Ziel er­reicht wer­den soll. Damit er­schei­nen so­wohl eine markt­kon­for­me «Lö­sung», als auch ganz all­ge­mein eine «Lö­sung» unter den Be­din­gun­gen des ge­gen­wär­ti­gen neo­li­be­ral-fi­nanz­ka­pi­ta­lis­tisch ent­grenz­ten Ver­wer­tungs­mo­dells als aus­ge­spro­chen zwei­fel­haft. Der Zu­griff auf diese gro­ßen Men­gen fos­si­ler En­er­gie­trä­ger, ins­be­son­de­re wenn sie zu Ende gehen, be­deu­tet nicht nur gi­gan­ti­sche Pro­fi­te, son­dern auch die Herr­schaft über die Welt. Kohle, das be­deu­tet Ka­pi­ta­lis­mus, eben­so wie Erdöl und Erd­gas Im­pe­ria­lis­mus be­deu­tet.

Ent­spre­chend gibt es den groß­flä­chi­gen Ein­satz von Fracking-Tech­no­lo­gi­en, mit denen die letz­ten Koh­len­stoff­re­ser­ven aus dem Boden ge­presst wer­den, wur­den nach der Nie­der­la­ge des Roten Ok­to­ber vom US-Im­pe­ri­um Krie­ge um die glo­ba­len Öl- und Gas­res­sour­cen und seine in­ter­na­tio­na­len Trans­port- und Pipe­line­rou­ten vom Zaun ge­bro­chen und wird nun mit bra­chia­ler Ge­walt der Kampf gegen China, Russ­land, Iran und all jene ge­führt, die sich dem Wa­shing­to­ner Öl- und Dol­lar-Dik­tat nicht beu­gen wol­len.


Ka­pi­ta­lis­mus, das ist Kohle

Eine der we­sent­li­chen tech­no­lo­gi­schen Grund­la­gen der in­dus­tri­el­len Re­vo­lu­ti­on und damit der eu­ro­päi­schen Ex­pan­si­on war die Oxi­da­ti­on, das Ver­bren­nen von Koh­len­stoff bzw. Koh­len­was­ser­stoff. Schon im Ma­nu­fak­tur­zeit­al­ter war es die Kohle, mit der es ge­lang, die über­le­ge­nen Ka­no­nen für die Schif­fe der Er­obe­rer zu gie­ßen. Mit Kohle konn­te man Dampf­ma­schi­nen und Lo­ko­mo­ti­ven be­trei­ben, noch grö­ße­re, noch über­le­ge­ne­re Kriegs­schif­fe bauen. Mit der in­dus­tri­el­len För­de­rung und Raf­fi­nie­rung von Erdöl, dem Ver­bren­nungs­mo­tor, mit Autos, aber vor allem Flug­zeu­gen, Pan­zern und öl­ge­trie­be­nen Schlacht­schif­fen ent­stand der Im­pe­ria­lis­mus und mit ihm voll­ende­te sich die ko­lo­nia­le Auf­tei­lung der Welt. Seit­her ist die Ver­fü­gungs­macht über die glo­ba­len Öl­res­sour­cen und die stra­te­gi­schen Trans­port­we­ge die zen­tra­le geo­stra­te­gi­sche Kon­stan­te, um die es seit mehr als 100 Jah­ren in al­ler­ers­ter Linie geht.
Viel be­ju­belt hatte sich das Pa­ri­ser Kli­ma­ab­kom­men ehr­gei­zi­ge Ziele ge­setzt, dazu eine Road-Map for­mu­liert, kon­kre­te Schrit­te, mit denen es ge­lin­gen könn­te, sie auch zu er­rei­chen. 196 Staa­ten sind dem Ab­kom­men bei­ge­tre­ten. Aber na­tur­ge­mäß hat die­ses Ab­kom­men keine in­ter­ven­tio­nis­ti­schen Fä­hig­kei­ten, soll­ten die Kli­ma­zie­le von einem oder meh­re­ren Staa­ten be­wusst oder fahr­läs­sig ver­fehlt wer­den. So ist auch der öko­lo­gi­sche Mus­ter­kna­be Deutsch­land, den uns die Kar­tell­me­di­en so gern ver­kau­fen, an der Ein­hal­tung des CO2-Bud­gets für 2018 kra­chend ge­schei­tert. Die Bud­get-Gren­ze war schon am 28. März er­reicht.
Ähn­li­ches gilt für den «Die­sel­kom­pro­miss». Selbst of­fe­ner, kar­tell­mä­ßig ab­ge­spro­che­ner Be­trug zu­las­ten der Men­schen und des Kli­mas bleibt un­ge­sühnt, und auch die Kon­se­quenz dar­aus be­steht nicht in einer Re­duk­ti­on und Ver­la­ge­rung der Ver­kehrs­strö­me auf die Schie­ne oder das Was­ser, son­dern in einer Aus­wei­tung des Stra­ßen­ver­kehrs.

Nach Fu­kus­hi­ma hat die Bun­des­re­gie­rung zwar die Atom­kraft­wer­ke ab­ge­schal­tet, aber die Stein- und Braun­koh­le-Kraft­wer­ke lau­fen hoch­pro­fi­ta­bel un­ge­bremst wei­ter. Sie sind für 85 Pro­zent der Kli­ma­emis­sio­nen aus Strom­er­zeu­gung ver­ant­wort­lich. Der Kampf um den Ham­ba­cher Forst sym­bo­li­siert über­deut­lich die Lage. «Die Idee bla­mier­te sich immer, so­weit sie von einem In­ter­es­se un­ter­schie­den war», Marx’ Sar­kas­mus trifft na­tür­lich auch auf das Um­welt­pro­blem zu. 280 Bil­lio­nen Dol­lar glo­ba­les Ka­pi­tal war­ten auf Ma­xi­mal­pro­fit. Da kann Kas­san­dra noch so viel kla­gen.

Für den Ka­pi­ta­lis­mus gab es zwei Mög­lich­kei­ten, um auf die Her­aus­for­de­rung des Roten Ok­to­ber zu re­agie­ren: Re­pres­siv-fa­schis­tisch oder, letzt­lich sieg­reich, so­zi­al-in­te­gra­tiv. Beide Stra­te­gi­en er­for­der­ten einen star­ken Staat mit um­fas­sen­den Pla­nungs-, In­ves­ti­ti­ons-, Steue­rungs- und Rea­li­sie­rungs­kom­pe­ten­zen. Pri­mär zum Zwe­cke von Auf­rüs­tung und Krieg, aber auch zur Rea­li­sie­rung gro­ßer in­fra­struk­tu­rel­ler Pro­jek­te. Mit dem Un­ter­gang des Roten Ok­to­ber und der Durch­set­zung der neo­li­be­ra­len Ge­gen­re­for­ma­ti­on sind auch die Kom­pe­ten­zen des New Deal, des kor­po­rier­ten Ka­pi­ta­lis­mus ver­schwun­den. Statt kla­rer Pla­nungs­zie­le, Still­le­gun­gen, In­ves­ti­tio­nen und Um­bau­ten gibt es den Emis­si­ons­rech­te­han­del. Statt Pflicht zum Schutz der Um­welt ein Recht auf ihre Ver­schmut­zung. Ein Zer­ti­fi­kat, das dar­über hin­aus auch als Han­dels-und Spe­ku­la­ti­ons­ob­jekt dient. Der Kli­ma­wan­del ist zu einem gro­ßen Ge­schäft ge­wor­den, bei dem sich (CO2-Steu­er) si­cher noch viele Mög­lich­kei­ten fin­den las­sen wer­den, den ar­bei­ten­den Men­schen das Geld aus den Ta­schen zu zie­hen. Und wenn das alles (na­tür­lich) nicht hilft, wer­den die Rufe nach der Öko-Dik­ta­tur lau­ter. De­mo­kra­tie­ab­bau liegt ja voll im Trend. Nur einem wird das alles nicht hel­fen: Dem Schutz vor der Kli­ma­ka­ta­stro­phe.

 

Klaus Wagener
UZ vom 19. Oktober 2018
Foto: Public Domain

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