Betrieb & Gewerkschaft

Post-Streiks

Arbeitskampf bei der Post

Streikende Postler mit verdi-Fahne.

Über ein Jahr Aktionen und über 3 Monate Streikaktionen, davon in den letzten vier Wochen bis zum 5. Juli massiv, hat es bei der Post gegeben. Ziel war es, die Gründung von DHL Delivery GmbH, eine Tochterfirma der Post in 49 Regionalgesellschaften für die Paketzustellung, rückgängig zu machen bzw. diese Tochter in die Post AG und deren Tarifgefüge zurückzuführen.

In diese Tochterfirma sollte ein Großteil der Paketzusteller bei der Post, sowohl der befristeten Kräfte als auch durch betriebsbedingte Beendigungs- und Änderungskündigungen der in einem festen Arbeitsverhältnis Stehenden übernommen werden, natürlich zu abgesenkten Löhnen, die z.B. bei einem 15 Jahre bei der Post Beschäftigten bis zu 30 % ausmachen könnte.

Weitere Forderungen von verdi waren:

  • Entgelterhöhung von 5,5 % bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.
  • Eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich.

Beschäftigte der Deutschen Post AG verdienen in den ersten Jahren rund 2000 Euro brutto und kommen in den nächsten sechs Jahren auf ca. 2.200 Euro brutto.

Die Gründung dieser DHL Delivery rückgängig zu machen ist nicht gelungen. Es stellt sich die Frage, ob diese Forderung nicht die falsche war. Die Grundsatzfrage bei dieser Ausgründung war: Lassen sich Unternehmen in Organisationsfragen durch Gewerkschaften ihre Verfügungsgewalt einengen? Der BDA-Präsident Kramer hatte Appel öffentlich aufgefordert, hier keine Zugeständnisse zu machen.

Und Appel hatte den Betriebsräten und verdi immer wieder angekündigt. Wir senken die Lohnkosten, entweder mit Euch oder ohne Euch. Appel will bis zum Jahr 2020 den operativen Gewinn auf über 5 Milliarden erhöhen. d.h. Jahr für Jahr soll der Gewinn um 8 % gesteigert werden. Es war klar, dass die Kernmaßnahme dazu die Absenkung der Löhne war. Als Drohinstrument diente der Konzernleitung die Fremdvergabe.

Um eine solche Fremdvergabe zu vermeiden, schloss verdi 2009 ein sogenanntes Schutzpaket ab, das neben Regelungen zur Altersteilzeit den weitgehenden Schutz vor Fremdvergabe und betriebsbedingten Kündigungen und Änderungskündigungen enthielt. Bezahlt wurde dieses Paket mit einer Absenkung der Einstiegslöhne.

Und noch einmal wurden diese Einstiegslöhne ab 1. November 2011 gesenkt und dafür die Übernahme von 1.500 befristet Beschäftigten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zugesagt.

Mit immer neuen Sparprogrammen, die zu einer enormen Arbeitsverdichtung führten, legte die Post nach. Sie forderte eine Verlängerung der Arbeitszeit auf 41 Stunden ohne Lohnausgleich. Verdi ließ sich auf keine weiteren Zugeständnisse ein. Da begann die Strategie der Auslagerung – entgegen dem bestehenden Tarifvertrag gegen Fremdvergabe. Zunächst hatte die Post die befristet Beschäftigten auf 26.000 erhöht, gegenwärtig gibt es 30.000 Befristete, einschließlich derjenigen mit Abrufarbeitsverträgen. Das ist die Erpressungsmasse, mit der verdi zu Zugeständnissen gezwungen werden sollte. Neben 140.000 Tarifbeschäftigten arbeiten noch ca. 60.000 Beamte bei der Post.

Trotz massiver Beeinflussung beteiligten sich Anfang April ca. 20.000 Zustellerinnen an den Warnstreiks Mitte April streikten Tausende in den Paketzentren. Das zu erreichen, erforderte einen erheblichen logistischen Aufwand der Gewerkschaften. Es arbeiten dort zahlreiche Arbeitsmigrant/innen, Leiharbeiterinnen, Abrufkräfte, Werksverträgler usw. Das macht es nicht gerade leicht, die Beschäftigten vom Sinn des Streiks zu überzeugen.

In der Bundesfachbereichskonferenz wurde über die Hintergründe des Managementkurses diskutiert. War es die »nackte Gier« eines Vorstands, wie Bsirske erklärte – das Jahresgehalt von Appel war um 21 % auf 9,6 Millionen erhöht worden und millionenschwere Aktienpakete sollten die Motivation weiter befördern – oder geht es um die Frage, welchen Einfluss das internationale Finanzkapital auf die Konzernstrategie hat.

Inzwischen befinden sich 67 % der Postaktien in den Händen von überwiegend englischen und amerikanischen Großanlegern, die BRD hält noch 21 % und im Streubesitz befinden sich rund 11 %.

Der Journalist Werner Rügemer vertritt die Ansicht, dass hier ein Grundsatzkonflikt ausgetragen werden soll mit dem Ziel, die Lohnkosten in Deutschland noch weiter nach unten zu drücken. Wenn dies in einem Konzern mit einem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von über 70 % gelänge, dann sei das auch bei allen anderen möglich.

Weitere Streiks Anfang und Mitte Mai und weitere Schikanen der Post, auch, um ihren Vertragsbruch zu legalisieren und den Konzern in Billiggesellschaften zu zerlegen. Am 13. Mai streikten Beschäftigte aller 87 Briefzentren, am 27. Mai demonstrierten vor der Aktionärshauptversammlung rund 5.000 Beschäftigte mit einer kämpferischen Rede von Bsirske und dem Bericht eines Vertreters der Internationalen Transportarbeiter-Gewerkschaft über Solidaritätsaktionen aus 140 Ländern.

Nach der 6. Verhandlungsrunde legten die Gewerkschaften ein Angebot vor, das aber von der Gegenseite abgelehnt wurde. Daraufhin erfolgte der Aufruf zum unbefristeten Streik. Täglich wurden es mehr Streikende, Anfang Juli waren es 32.000, viele von ihnen mehr als 4 Wochen trotz Lohnverlusten und Verunsicherungskampagnen. Die Post holte Streikbrecher aus Polen, Rumänien und Bulgarien, untergebracht in Wohncontainern zu 10 Euro pro Tag. Die Beamten wurden zum Streikbruch gezwungen. Die Post organisierte großangelegte Sonntagsarbeit mit Stundenlohn, Sonntagszuschlag und einem Hunderter extra auf die Hand. Leider waren auch nicht wenige Postbeschäftigte dazu bereit, ihren streikenden Kollegen in den Rücken zu fallen.

Der Streik hat viel Geld gekostet, der Post, aber auch verdi, deren Streikkasse um 30 Millionen erleichtert wurde. Das Ergebnis:

Ausschluss von betriebsbedingten Beendigungs- und Änderungskündigungen bis Ende 2019, Ausschluss von Fremdvergabe bis Ende 2018, Übernahme von allen geeigneten befristeten Kräften, die zum Stichtag 1. Juli 2015 24 Monate bei der Post beschäftigt waren, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der Post AG, gute Übernahmeregelungen für Auszubildende, die dauerhafte Sicherung aller vorhandenen Arbeitskräfte in der Paketzustellung bei der Post ohne zeitliche Begrenzung.

Der lange Kündigungsschutz hat seinen Preis beim Lohn: Dieses Jahr gibt es einen Einmalbetrag von 400 Euro und ab 1. Oktober 2016 linear 2 % und ab 1. Oktober 2017 noch einmal 1,7 %, was bei der langen Dauer viele Risiken beinhaltet.

Nicht erreicht wurde die Rücknahme der Gründung von DHL Delivery, in die nun alle Neueinstellungen erfolgen.

Nicht erreicht wurde die Arbeitszeitverkürzung – aber die Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden verhindert.

Nicht erreicht wurde eine anständige Lohnerhöhung.

Nach Insider-Angaben war die Kampfkraft bei den Gewerkschaften erschöpft. Die Streikbereitschaft bröckelte immer mehr.

Dennoch hat sich dieser lange und heftige Streik gelohnt. Die Postler haben nach jahrzehntelanger Abstinenz begriffen, es geht, man kann streiken – auch in Deutschland.

Schrift: »Gewinne rauf, Löhne runter – ihr spinnt wohl«

Er hat den tausenden streikenden Beschäftigten gezeigt, es gibt sie noch, die Solidarität.

Es wurden Erfahrungen gesammelt in der Organisation von Streikposten und Demonstrationen.

Es wurden Verbindungen geschaffen zu vielen Bündnispartnern, national und international.

Und es wurden Fragen gestellt: Wer ist Freund – wer ist Gegner? Für die Antworten bleibt nicht allzu viel Zeit, denn

Nach dem Streik ist vor dem Streik!

Foto: Marco Verch


In diesem Bericht über den Streik bei der Post wurden Passagen aus dem Artikel von Werner Siebler auf »Kommunisten. de« übernommen, dessen Lektüre unbedingt zu empfehlen ist.