Kultur
Die Lange Geschichte von Heine und Marx
Vortrag gehalten bei der Jahresabschlussfeier der Kölner Innenstadtgruppe der DKP
Heinrich Heine und Karl Marx
Wir feiern ein Jubiläum. Vor 25 Jahren, am 20. Dezember 1988, konnte sich der Düsseldorfer Universitätssenat dem jährlich wiederkehrenden Antrag zur Umbenennung nicht mehr verschließen. Er gab seine Zustimmung mit 15 gegen 5 Stimmen. Die Universität erhielt den Namen Heinrich Heine im Rahmen eines offiziellen Festakts ein halbes Jahr später, und vollzog damit endlich nach, was ihre Studentenvertretungen seit 1972 vorgemacht hatten.
Bis dahin hatten sich die Universitätsangehörigen – gewollt, billigend, versehentlich oder widerwillig, vor allem aber tatsächlich – in die lange Reihe der Denkmalsgegner, Vaterlandsverteidiger, Nationalisten und gar der Antisemiten gestellt, die sich gegen Namen Heinrich-Heine-Universität wehrten. Im Hintergrund stand wohl die Sorge, dass Ziele und Zwecke wissenschaftlicher Tätigkeit in der Öffentlichkeit debattiert würden, womöglich gar der Anspruch Geltung bekomme, dass Ziele und Zwecke von Wissenschaft und Forschung im Lichte solcher Debatten auch entschieden würden.
Schon damals war erkennbar, dass sich Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm entwickelt, sondern unter kapitalistischen Bedingungen zunehmend von außeruniversitären und wissenschaftsfernen Zielen privater Verwertung bestimmt wird. Schon damals waren die Drittmittel ein hochschulpolitisch brisantes Thema. Das gilt erst recht, seitdem mit dem Hochschulfreiheitsgesetz vom Januar 2007, das immerhin gegenwärtig unter der neuen Landesregierung zur Novellierung ansteht, Banken und Konzern unmittelbar auf die Hochschulen Einfluß nehmen. Umgekehrt waren seinerzeit die Befürworter des Namens Heinrich Heine auf der Seite derjenigen zu finden, die Ziele von Wissenschaft und Forschung öffentlich diskutiert und demokratisch legitimieren wollten.
Der Frühsozialist Henri de Saint-Simon (eigentlich Claude-Henri de Rouvroy, Comte de Saint-Simon; 1760-1825) hat zur Zeit der Restauration nach 1815 bis zu seinem Tod publizistisch gewirkt. Seine Bücher heißen »Vom industriellen System«, 1822, »Katechismus der Industriellen«, 1824, und »Von der Gesellschaftsorganisation«, 1824. Industria ist das lateinische Wort für Fleiß, folglich waren ihm nur die Industriellen, also die Dienstleistungen und Güter produzierenden Individuen nützliche Mitglieder der Gesellschaft. Der Anteil des Einzelnen am gemeinsam erwirtschafteten Wohlstand sei nach seiner eingebrachten Leistung zu bemessen. Parasitäre Klassen wie der Adel, die Rentiers, aber auch Zwischenhändler sollten leer ausgehen. Nur die Unternehmer gleich wie die Arbeiter verdienten eine angemessene Entlohnung. Die Saint-Simonisten hatten in den dreißiger Jahren, insbesondere unmittelbar nach der Julirevolution 1830 erheblichen Einfluss. Goethe bezog bis zu seinem Tod ihre Zeitschrift, den »Globe«.
Von Saint-Simon stammt die Idee von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, er glaubte an den wissenschaftlich-technischen Fortschritt, an den Konsum als Stimulanz erweiterter Produktion, an das Wirtschaftswachstum. Er ist indes nach unseren Begriffen kein Demokrat. Nach Saint-Simon sollten Fachleute regieren. Seine Schüler waren Saint-Amand Bazard (1791-1832) und Prosper Enfantin (1796-1864). Von Bazard stammt die Darstellung der Lehre Saint-Simons. Er formuliert sie als einheitliches System. Danach lösen sich in der Menschheitsgeschichte organische und kritische Perioden einander ab. Die Haupttendenz ist Assoziation, kritische Perioden sind vorübergehend. Physische Gewalt sei die Ursache für gesellschaftliche Konflikte und ihre Folge die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Die Wirkungen von Gewalt schwächten sich ab. Der Sklave war noch persönliches Eigentum seines Herrn, demgegenüber hatte der Hörige schon einige Freiheit. Der moderne Arbeiter dagegen sei schon politisch schon frei. Nur fehle es noch an der Befreiung von wirtschaftlicher Abhängigkeit. Hinderlich sei dabei das starre Festhalten am überlieferten Eigentumsgesetz, auf dessen Grundlage die Eigentümer ohne Arbeit leben können und andere Menschen beherrschen. Dennoch hielten die Saint-Simonisten an der Auffassung fest, dass das Eigentum die Basis der jeder politischen Ordnung sei. Nur sei auch diese soziale Tatsache dem Gesetz des Fortschritts unterworfen. Das Eigentum könne zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise verstanden, definiert und geregelt werden. Heinrich Heine, der das deutsche Publikum als Korrespondent der »Augsburger Allgemeine Zeitung« über diese Bewegung informierte, schrieb: »Die Saint-Simonisten wollen das Eigentum nicht abschaffen, sondern hinwegdefinieren«.
Immerhin wollten sie das Erbrecht abschaffen. »Die Lehre Saint-Simons will keinen Umsturz, keine Revolution; sie will nur eine Umwandlung, eine Evolution; – eine neue Erziehung, eine endgültige Wiedergeburt bringt sie der Welt«. Im saint-simonistisch assoziierten Staat werde die höchste soziale Stufe von der Religion (von den Predigern des Neuen Christentums) eingenommen; die zweite Stufe von den Naturwissenschaftlern; die dritte von den Industriellen. Sittlich-religiöse Begeisterung, klare, disziplinierte Vernunft, tüchtige industrielle Technik würden die Menschheit erlösen, postulierte Bazard. Der Einfluss der Saint-Simonisten endete bald, nachdem sie sich spalteten. Enfantin übernahm die Fourierschen Ideen von der Befreiung der Frau und ergänzte den Saint-Simonismus um das Prinzip der freien Liebe. Dem widersetzten sich die meisten Mitglieder. Enfantin zog mit einigen Anhängern nach Menilmontant, wo er einige Zeit als »sozialer Vater« mit seiner Gemeinde lebte. Zeitweise war der Zulauf massenhaft, endete aber, als das Oberhaupt der Saint-Simonisten 1832 ins Gefängnis kam.
Heines literarische und politische Auffassungen waren schon früh nicht mehr vereinbar mit den herrschenden Zuständen. Die Dichter der deutschen Klassik noch hatten angesichts einer unvollkommenen, gar als unerträglich empfundenen Gegenwart Ende des 18. Jahrhunderts die Kunst der Antike idealisiert. Sie fanden in ihr die heroischen Ideale und Illusionen, die das Bürgertum zur antifeudalen Selbstverständigung benötigte. Deutsche Romantiker verlegten den geographischen Ort ihrer ästhetischen Ideale nicht zuletzt aus nationalistischen, antifranzösischen und gegen das Jakobinertum gerichteten Erwägungen in den heimischen Norden und ins historisch missverstandene Mittelalter. Das machte ihre Vorstellungen mit rückwärts gewandten politischen und religiösen Auffassungen vereinbar.
Für Hans Kaufmann, dem Herausgeber der 10-bändigen Ausgabe des Aufbauverlags (Heinrich Heine, Werke und Briefe, Berlin und Weimar), klärt sich die bei frühen Romantikern ihres historischen Inhalts noch kaum bewusste, aber als »romantische Ironie« vielberedete Neigung zum Abbau heroischer Illusionen im Werk Heines zur Auffassung, dass jeder Zustand der Gesellschaft zu bekämpfen ist, in dem die Menschen derartiger Illusionen bedürfen. Heines Werk werfe die Frage nach dem Verhältnis der geistigen und künstlerischen Werte, die die Menschheit bisher geschaffen hat, zur Realität der bürgerlichen Gesellschaft auf. Die bürgerliche Ideologie habe ihm nie verziehen, dass er dies Verhältnis als Missverhältnis enthüllt und in Lyrik und Prosa, in Gedichten und Artikeln darauf hinarbeitet, diesem Erbe jenseits der bürgerlichen Gesellschaft eine irdische Heimat zu gründen; dass er, mit anderen Worten, auf den Sozialismus als die Wahrheit der kühnsten und größten Träume der Menschheit hinziele.
»In der Brust der Schriftsteller eines Volkes liegt schon das Abbild von dessen Zukunft, und ein Kritiker der mit hinlänglich scharfem Messer einen neueren Dichter sezierte, könnte, wie aus den Eingeweiden eines Opfertiers, sehr leicht prophezeien, wie sich Deutschland in der Folge gestalten wird.«
(Heinrich Heine, Die romantische Schule. Heine, Werke und Briefe, Berlin und Weimar 1980, Bd. 5, S. 125)
Am 10. Dezember 1835 wurden Heines bisher erschienenen Schriften vom Deutschen Bundestag verboten, wenig später alle künftigen vom Königreich Preußen.
Graf von Arnim, preußischer Innenminister, gab am 16. April 1844 einen Haftbefehl gegen Heine heraus. Dieser Grenzhaftbefehl enthielt außerdem die Namen von Arnold Ruge, Karl Marx und Karl Ludwig Bernays, dem Redakteur des Pariser Vorwärts.
Der saint-simonistische »Globe« meldete Heines Ankunft in Paris am 22. Mai 1831. Ein Jahr nach der Julirevolution war diese Stadt nicht nur für Heine, auch viele für andere Intellektuelle, Handwerker und Arbeiter der Ort, an dem sie frei zu atmen hoffen konnten. Der Begriff von Kommunismus, den Heine damals hatte, war geprägt von den utopischen Vorstellungen von den Anhängern von Saint-Simon, vor allem von Babeuf. Als Hegelschüler hatte er theoretische Vorbehalte gegen solche Ideen, die letztlich auf Rousseau fußen. Heine indes verstand sich eher in der aufklärerischen Tradition in der Folge von Voltaire.
Marx und Heine haben sich spätestens im Dezember 1843 kennengelernt, gleich nach Heines Rückkehr nach Paris, und regen Umgang miteinander gepflegt. Der enge persönliche Austausch dauerte bis zum Februar 1845, als Marx auf Veranlassung der preußischen Regierung ausgewiesen wurde.
In dem Essay »Heine und Marx« von Walther Victor (Berlin, 1970) wird ein Brief von Heine an Marx dokumentiert, der diese rege Bekanntschaft von fast familiärem Charakter belegt. Er ist vom 21. September 1844 datiert.
Zitat:
»Liebster Marx!
Ich leide wieder an meinem fatalen Augenübel, und nur mit Mühe kritzle ich Ihnen diese Zeilen. Indessen, was ich Ihnen wichtiges zu sagen, kann ich Ihnen Anfangs nächsten Monats mündlich sagen, denn ich bereite mich zur Abreise, beängstigt durch einen Wink von Oben – ich habe nicht Lust auf mich fahnden zu lassen, meine Beine haben kein Talent eiserne Ringe zu tragen, wie Weitling sie trug. Er zeigte mir die Spuren. Man vermutet bei mir größere Teilnahme am Vorwärts als ich mich deren rühmen kann, und ehrlich gestanden das Blatt beurkundet die größte Meisterschaft im Aufreizen und Compromittieren. Was soll das geben, sogar Mäurer ist debordiert – mündlich mehr hierüber. Wenn nur keine Perfidien in Paris ausgesponnen werden. Mein Buch ist gedruckt, wird aber erst in 10 bis 14 Tagen hier ausgegeben, damit nicht gleich Lärm geschlagen wird. Die Aushängebogen des politischen Teils, namentlich wo mein großes Gedicht, schicke ich Ihnen heute unter Kreuzkuvert, in dreifacher Absicht. Nämlich, erstens damit Sie sich damit amüsieren, zweitens damit schon gleich Anstalten treffen können für das Buch in der deutschen Presse zu wirken, und drittens damit Sie, wenn Sie es ratsam erachten, im Vorwärts das Beste aus dem neuen Gedichte abdrucken lassen können. […] Leben Sie wohl, teurer Freund, und entschuldigen Sie mein verworrenes Gekritzel. Ich kann nicht überlesen was ich geschrieben – aber wir brauchen ja wenige Zeichen um uns zu verstehen. Herzinnigst H. Heine.«
(Victor, S. 33 ff.)
Dieser Brief wurde 1895 erstmals in der »Neuen Zeit« abgedruckt, der theoretischen Zeitschrift der SPD, und erschien zusammen mit einem Kommentar von Franz Mehring, nachdem die Genossen vergeblich auf einen Kommentar von Engels gewartet hatten. Der war im selben Jahr verstorben.
Das Wintermärchen hat Heine im Januar 1844 geschrieben. Im September desselben Jahres wurde es mit »Neuen Gedichten« bei Hoffmann und Campe gedruckt.
An den deutsch-französischen Jahrbüchern von Arnold Ruge steuerte im selben Jahr Marx seinen Artikel »Einleitung zu einer Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie« bei und Heine das folgende Gedicht über den bayrischen König Ludwig:
König Ludwig I. von Bayern war Vater von Otto, der 1833 minderjährig den Thron Griechenlands bestieg. Griechenland hatte, um sich der osmanischen Herrschaft zu entledigen, sich auf die Hilfe der Großmächte England und Frankreich stützen können. Ludwigs Schwester Elisabeth war die Frau von Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.
Lobgesänge auf König Ludwig
I
Das ist Herr Ludwig von Bayerland,
Desgleichen gibt es wenig;
Das Volk der Bavaren verehrt in ihm
Den angestammelten König.
Er liebt die Kunst, und die schönsten Fraun,
Die läßt er porträtieren;
Er geht in diesem gemalten Serail
Als Kunsteunuch spazieren.
Bei Regensburg läßt er erbaun
Eine marmorne Schädelstätte,
Und er hat höchstselbst für jeden Kopf
Verfertigt die Etikette.
»Walhallagenossen«, ein Meisterwerk,
Worin er jedweden Mannes
Verdienste, Charakter und Taten gerühmt,
Von Teut bis Schinderhannes.
Nur Luther, der Dickkopf, fehlt in Walhall,
Und es feiert ihn nicht der Walhall-Wisch;
In Naturaliensammlungen fehlt
Oft unter den Fischen der Walfisch.
Herr Ludwig ist ein großer Poet,
Und singt er, so stürzt Apollo
Vor ihm auf die Knie und bittet und fleht:
»Halt ein! ich werde sonst toll, oh!«
Herr Ludwig ist ein mutiger Held,
Wie Otto, das Kind, sein Söhnchen;
Der kriegte den Durchfall zu Athen,
Und hat dort besudelt sein Thrönchen.
Stirbt einst Herr Ludwig, so kanonisiert
Zu Rom ihn der Heilige Vater – Die Glorie paßt für ein solches Gesicht,
Wie Manschetten für unseren Kater!
Sobald auch die Affen und Känguruhs
Zum Christentum sich bekehren,
Sie werden gewiß Sankt Ludewig
Als Schutzpatron verehren.
…
III
Zu München in der Schloßkapell'
Steht eine schöne Madonne;
Sie trägt in den Armen ihr Jesulein,
Der Welt und des Himmels Wonne.
Als Ludewig von Bayerland
Das Heiligenbild erblicket,
Da kniete er nieder andachtsvoll
Und stotterte selig verzücket:
»Maria, Himmelskönigin,
Du Fürstin sonder Mängel!
Aus Heil'gen besteht dein Hofgesind',
Und deine Diener sind Engel.
Geflügelte Pagen warten dir auf,
Sie flechten dir Blumen und Bänder
Ins goldene Haar, sie tragen dir nach
Die Schleppe deiner Gewänder.
Maria, reiner Morgenstern,
Du Lilie sonder Makel,
Du hast so manches Wunder getan,
So manches fromme Mirakel -
Oh, laß aus deiner Gnaden Born
Auch mir ein Tröpflein gleiten!
Gib mir ein Zeichen deiner Huld,
Der hochgebenedeiten!« -
Die Muttergottes bewegt sich alsbald,
Sichtbar bewegt sich ihr Mündchen,
Sie schüttelt ungeduldig das Haupt
Und spricht zu ihrem Kindchen:
»Es ist ein Glück, dass ich auf dem Arm
Dich trage und nicht mehr im Bauche,
Ein Glück, dass ich vor dem Versehn
Mich nicht mehr zu fürchten brauche.
Hätt ich in meiner Schwangerschaft
Erblickt den häßlichen Toren,
Ich hätte gewiß einen Wechselbalg
Statt eines Gottes geboren.«
(Victor, S. 119)
Der Vorwärts war eine Pariser Asylanten-Zeitung. Das folgende Gedicht wurde dort veröffentlicht und war Anlass für preußische Demarchen gegen Marx und seiner Ausweisung aus Frankreich.
Der Kaiser von China
Mein Vater war ein trockner Taps,
Ein nüchterner Duckmäuser,
Ich aber trinke meinen Schnaps
Und bin ein großer Kaiser.
Das ist ein Zaubertrank! Ich hab's
Entdeckt in meinem Gemüte:
Sobald ich getrunken meinen Schnaps,
Steht China ganz in Blüte.
Das Reich der Mitte verwandelt ich dann
In einen Blumenanger,
Ich selber werde fast ein Mann,
Und meine Frau wird schwanger.
Allüberall ist Überfluß,
Und es gesunden die Kranken;
Mein Hofweltweiser Confusius
Bekömmt die klarsten Gedanken.
Der Pumpernickel des Soldats
Wird Mandelkuchen – O Freude!
Und alle Lumpen meines Staats
Spazieren in Samt und Seide.
Die Mandarinenritterschaft,
Die invaliden Köpfe,
Gewinnen wieder Jugendkraft
Und schütteln ihre Zöpfe.
Die große Pagode, Symbol und Hort
Des Glaubens, ist fertiggeworden;
Die letzten Juden taufen sich dort
Und kriegen den Drachenorden.
Es schwindet der Geist der Revolution,
Und es rufen die edelsten Mandschu:
Wir wollen keine Konstitution,
Wir wollen den Stock, den Kantschu!
Wohl haben die Schüler Äskulaps
Das Trinken mir widerraten,
Ich aber trinke meinen Schnaps
Zum Besten meiner Staaten.
Und noch einen Schnaps, und noch einen Schnaps!
Das schmeckt wie lauter Manna!
Mein Volk ist glücklich, hat's auch den Raps,
Und jubelt: Hosianna!
(Victor S. 56)
Offenkundig richtet sich dieses Gedicht gegen Friedrich Wilhelm IV. Der preußische Innenminister appellierte mit Erfolg an die monarchische Solidarität Louis Philippes. Der Vorwärts wurde verboten, der Redakteur Barneys verhaftet und Karl Marx ausgewiesen. Über Marx’ Bedeutung war man sich inzwischen wohl klar geworden.
Leo Kreutzer, der das Verhältnis Heines zum Kommunismus 1969 untersucht hat, fasst die Bedeutung der Begegnung mit Marx in folgende Worte:
»Um 1840 reservierte Aufmerksamkeit für die babouvistischen Tendenzen im französischen Proletariat, wenige Jahre später, 1844/45, vorbehaltlose Zustimmung zu einem Bündnis der Hegelschen Philosophie und der proletarischen Bewegung, – das ist die Entwicklung von Heines Verhältnis zum Kommunismus während der ersten Hälfte der vierziger Jahre,…«
Marx selbst setzte sich ebenfalls zu diesem Zeitpunkt, im Jahr 1844, noch mit dem rohen Kommunismus von Babeuf auseinander. In seinen ökonomisch-philosophischen Manuskripten aus diesem Jahr heißt es:
»Die Aufhebung der Selbstentfremdung macht denselben Weg wie die Selbstentfremdung. Erst wird das Privateigentum nur in seiner objektiven Seite – aber doch die Arbeit als sein Wesen – betrachtet. Seine Daseinsform ist daher das Kapital, das ›als solches‹ aufzuheben ist (Proudhon). Oder die besondre Weise der Arbeit – als nivellierte, parzellierte und darum unfreie Arbeit – wird als die Quelle der Schädlichkeit des Privateigentums und seines menschenentfremdeten Daseins gefaßt – Fourier, der den Physiokraten entsprechend auch wieder die Landbauarbeit wenigstens als die ausgezeichnete fasst, während St. Simon im Gegensatz die Industriearbeit als solche für das Wesen erklärt und nun auch die alleinige Herrschaft der Industriellen und die Verbesserung der Lage der Arbeiter begehrt. Der Kommunismus endlich ist der positive Ausdruck des aufgehobnen Privateigentums, zunächst das allgemeine Privateigentum. Indem er dies Verhältnis in seiner Allgemeinheit faßt, ist er in seiner ersten Gestalt nur eine Verallgemeinerung und Vollendung desselben; als solche zeigt er sich in doppelter Gestalt: einmal ist die Herrschaft des sachlichen Eigentums so groß ihm gegenüber, dass er alles vernichten will, was nicht fähig ist, als Privateigentum von allen besessen [zu] werden; er will auf gewaltsame Weise von Talent etc. abstrahieren.«
(MEW, 1. Ergänzungsband. S. 533 f.)
Hier habe ich nur wenig Gelegenheit, auf den babouvistischen »rohen« Kommunismus einzugehen. Wir es mit Positionen zu tun, die zum Putschismus neigen. Ganz kurz: François Noël Babeuf (genannt Gracchus Babeuf; 1760 -1797) forderte nach dem Sturz Robespierres und dem Ende des Terreurs im Jahr 1794 als Gründer der Verschwörung der Gleichen die Einsetzung des Verfassungsentwurfs von 1793. Angesichts der sozialen Nöte, des Hungers, der durch die Inflation der Assignate 1795 verursacht wurde, fand seine Losung »Die Natur hat jedem Menschen ein gleiches Recht auf den Genuss aller Güter gegeben« und die Forderung nach der Gütergemeinschaft großen Anklang. Die Verschwörung der Gleichen mit Babeuf und Buonarotti plante einen Putsch. Selbstverständlich gingen die Verschwörer konspirativ vor, viele ihrer Mitstreiter wurden ihre Pläne und Erfordernisse ihres Handelns im Dunkeln gelassen. Ihrer Vorstellung nach hätte das Programm einer kommunistischen Gesellschaft erst nach einer gewissen Dauer des Regimes der Kommunisten erfüllt werden können. Die Verschwörung wurde verraten, Babeuf hingerichtet. Der Mitverschwörer Buonarotti kam 1807 frei, blieb in der Verbannung, veröffentlichte ein Buch über die Verschwörung und den Prozess gegen Babeuf und Genossen. Nach der Julirevolution zog er nach Paris und war hier auch noch politisch tätig. Die Aufstände in Lyon und Paris 1834 gaben den Neo-Babouvisten Auftrieb. Ihre Vorstellungen Anfang der vierziger Jahre prägen zu dieser Zeit den Begriff von Kommunismus.
Die Wanderratten
Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.
Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.
Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl durch die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
Die lebenden lassen die toten zurück.
Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.
Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.
Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
dass unsre Seele unsterblich ist.
So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.
Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen – die Zahl ist Legion.
O wehe! wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Toren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und keiner weiß Rat.
Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigentum.
Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Senatsdekrete,
Auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
Sie helfen euch heute, ihr lieben Kinder!
Heut helfen euch nicht die Wortgespinste
Der abgelebten Redekünste.
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.
Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
Begleitet mit Göttinger Wurstzitaten.
Ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Rotten
Viel besser als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero
Heine-WuB Bd. 2, S. 392 f.
Vier Jahre nach den ökonomisch-philosophischen Manuskripten formuliert Marx im Kommunistischen Manifest einen anderen Begriff von Kommunismus und schreibt:
»Die ersten Versuche des Proletariats, in einer Zeit allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes Klasseninteresse durchzusetzen, scheiterten notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats selbst wie an dem Mangel der materiellen Bedingungen seiner Befreiung, die eben erst das Produkt der bürgerlichen Epoche sind. Die revolutionäre Literatur, welche diese ersten Bewegungen des Proletariats begleitete, ist dem Inhalt nach notwendig reaktionär. Sie lehrt einen allgemeinen Asketismus und eine rohe Gleichmacherei.
Die eigentlich sozialistischen und kommunistischen Systeme, die Systeme St-Simons, Fouriers, Owens usw., tauchen auf in der ersten, unentwickelten Periode des Kampfs zwischen Proletariat und Bourgeoisie, die wir oben dargestellt haben.
Die Erfinder dieser Systeme sehen zwar den Gegensatz der Klassen wie die Wirksamkeit der auflösenden Elemente in der herrschenden Gesellschaft selbst. Aber sie erblicken auf der Seite des Proletariats keine geschichtliche Selbsttätigkeit, keine ihm eigentümliche politische Bewegung.
Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Industrie, finden sie ebensowenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor und suchen nach einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen.
An die Stelle der gesellschaftlichen Tätigkeit muss ihre persönlich erfinderische Tätigkeit treten, an die Stelle der geschichtlichen Bedingungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmählich vor sich gehenden Organisation des Proletariats zur Klasse eine eigens ausgeheckte Organisation der Gesellschaft. Die kommende Weltgeschichte löst sich für sie auf in die Propaganda und die praktische Ausführung ihrer Gesellschaftspläne.«
(MEW Bd. 4, S. 489 f.)
Interessant ist indes, dass er von diesem Verdikt Babeuf selbst ausdrücklich ausnimmt:
»Wir reden hier nicht von der Literatur, die in allen großen modernen Revolutionen die Forderungen des Proletariats aussprach. (Schriften Babeufs etc.)«
Noch in den heutigen Widersprüchen der Linken finden wir Sedimente utopischer Sozialismus-Vorstellungen wieder. Heine nimmt, wie Kreutzer mitteilt, den Kommunismus in der rohen Fassung von Anfang der vierziger Jahre in Paris wahr, als Theorie der Neobabouvisten. Erst die Verbindung mit Marx vermittelt ihm einen anderen Begriff.
»Die mehr oder minder geheimen Führer der deutschen Kommunisten sind große Logiker, von denen die stärksten aus der Hegelschen Schule hervorgegangen sind, und sie sind ohne Zweifel die fähigsten Köpfe und energievollsten Charaktere Deutschlands. Diese Doktoren der Revolution und mitleidlos entschlossenen Jünger sind die einzigen Männer in Deutschland, denen Leben innewohnt und ihnen gehört die Zukunft.«
Heine, Werke und Briefe, Bd. 7, 489/490 (nach der französischen Ausgabe der »Geständnisse«, September 1854)
Engels vermerkt am 13. Dezember 1844 in einem Aufsatz in der »New Moral World«:
»Heinrich Heine, der größte von allen lebenden deutschen Dichtern, hat sich unseren Reihen angeschlossen«.
Die Verbindung zu Marx blieb herzlich. Sie wurde in den folgenden Jahren aufrecht erhalten. Das hatte mindestens eine praktische Konsequenz. Heine konnte sich in der Zeit seiner Matratzengruft, die von 1848 bis zu seinem Tode am 17. Februar 1856 dauerte, ab 1850 eines Sekretärs bedienen, der Mitglied des »Bundes der Kommunisten« war. Er ist ihm wohl durch Marx vermittelt worden: Richard Reinhardt. Davon berichtet Ernst Pawel in »Der Dichter stirbt. Heinrich Heines letzte Jahre in Paris«, Berlin 1997. Richard Reinhardt war es vor allem, der die verstreuten Artikel in der Augsburger Allgemeinen, aus denen das Buch »Lutetia« besteht, zusammengesucht und geordnet hat. Er war ihm auch bei den anderen Arbeiten behilflich. Den Umstand, dass er als Übersetzer der französischen Ausgabe der »Lutetia« nicht erwähnt worden ist, hat er zum Anlass genommen, Heine zu bitten, ihn als Verwalter seines literarischen Nachlasses einzusetzen. Darüber gerieten die beiden in einen kurzen und heftigen Streit, in dessen Folge Reinhardt von heute auf morgen entlassen wurde. Als Hintergrund dieses Streits vermutet Ernst Pawel den Umstand, dass Mathilde, wie Heine seine Frau nannte, Richard Reinhardt nicht leiden konnte, vor allem aber wohl damals schon daran interessiert war, einen Teil des literarischen Nachlasses an Heines Verwandtschaft zu verkaufen. Die hatte nämlich Angst vor seinen Memoiren, mit denen Heine immer gedroht hatte, und war bereit, dafür eine beträchtliche Summe zu zahlen.
Da sie verschwunden sind, ist dieser Verdacht weder zu erhärten noch zu widerlegen.
Wir dürfen getrost die »Lutetia« als politisches Testament verstehen. Und nicht nur ihr Vorwort. Geschrieben am 30. März 1855. Untertitel: Berichte über Politik, Kunst und Volksleben.
»Waren die Republikaner ein bedenkliches Thema für den Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung, so waren es noch in höherm Grade die Sozialisten oder, um das Schrecknis bei seinem rechten Namen zu nennen, die Kommunisten. Und dennoch gelang es mir, dieses Thema in der Allgemeinen Zeitung zu besprechen. Gar manchen Brief unterdrückte die Redaktion, in der wohlmeinenden Furcht, dass man den Teufel nicht an die Wand malen dürfe. Aber nicht alles durfte sie vertuschen, und, wie gesagt, es gelang, das fürchterliche Thema zur Sprache zu bringen, zu einer Zeit, wo noch niemand eine Ahnung von seiner wahren Bedeutung hatte. Ich malte den Teufel an die Wand, oder, wie ein geistreicher Freund sich ausdrückte, ich machte ihm eine höllische Reklame. Die Kommunisten, die vereinzelt in allen Landen verbreitet, ohne bestimmtes Bewusstsein ihres Wollens, erfuhren durch die Allgemeine Zeitung, dass sie wirklich existierten, erfuhren auch bei solcher Gelegenheit ihren wirklichen Namen, der manchem dieser armen Findelkinder der alten Gesellschaft ganz unbekannt war. Durch die Allgemeine Zeitung erhielten die zerstreuten Kommunistengemeinden authentische Nachrichten über die täglichen Fortschritte ihrer Sache, sie vernahmen zu ihrer Verwunderung, dass sie keineswegs ein schwaches Häuflein, sondern die stärkste aller Parteien, dass ihr Tag noch nicht gekommen, dass aber ruhiges Warten kein Zeitverlust sei für Leute, denen die Zukunft gehört. Dieses Geständnis, dass den Kommunisten die Zukunft gehört, machte ich im Tone der größten Angst und Besorgnis, und ach! diese Tonart war keineswegs eine Maske! In der Tat, nur mit Grauen und Schrecken denke ich an die Zeit, wo jene dunklen Ikonoklasten zur Herrschaft gelangen werden: mit ihren rohen Fäusten zerschlagen sie alsdann alle Marmorbilder meiner geliebten Kunstwelt, sie zertrümmern alle jene phantastischen Schnurrpfeifereien, die dem Poeten so lieb waren; sie hacken mir meine Lorbeerwälder um, und pflanzen darauf Kartoffeln; die Lilien, welche nicht spannen und arbeiteten, und doch so schön gekleidet waren wie König Salomon, werden ausgerauft aus dem Boden der Gesellschaft, wenn sie nicht etwa zur Spindel greifen wollen; den Rosen, den müßigen Nachtigallbräuten, geht es nicht besser; die Nachtigallen, die unnützen Sänger, werden fortgejagt, und ach! Mein ›Buch der Lieder‹ wird der Krautkrämer zu Tüten verwenden, um Kaffee oder Schnupftabak darin zu schütten für die alten Weiber der Zukunft – Ach! das sehe ich alles voraus, und eine unsägliche Betrübnis ergreift mich, wenn ich an den Untergang denke, womit meine Gedichte und die ganze alte Weltordnung von dem Kommunismus bedroht ist – Und dennoch, ich gestehe es freimütig, übt derselbe [- so feindlich er allen meinen Interessen und Neigungen ist -] auf mein Gemüt einen Zauber, dessen ich mich nicht erwehren kann, in meiner Brust sprechen zwei Stimmen zu seinen Gunsten, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen, die vielleicht nur diabolische Einflüsterungen sind – aber ich bin nun einmal davon besessen, und keine exorzierende Gewalt kann sie bezwingen – Denn die erste dieser Stimmen ist die Logik – der Teufel ist ein Logiker, sagt Dante – ein schrecklicher Syllogismus behext mich, und kann ich der Prämisse nicht widersprechen: ›dass alle Menschen das Recht haben zu essen‹, so muss ich mich auch allen Folgerungen fügen – ich könnte darüber unklug werden, alle Dämonen der Wahrheit tanzen triumphierend um mich her, und am Ende ergreift mich eine verzweiflungsvolle Großmut, wo ich ausrufe: [Sie ist längst gerichtet, verurteilt, diese alte Gesellschaft. Mag ihr Gerechtigkeit widerfahren! Mag sie zerschlagen werden, diese alte Welt, wo die Unschuld zugrunde ging, wo der Egoismus gedieh, wo der Mensch ausgebeutet wurde durch den Menschen! Mögen sie von Grund aus zerstört werden, diese übertünchten Gräber, wo die Lüge und die schreiende Ungerechtigkeit hausten! und] gesegnet sei der Krautkrämer, der einst aus meinen Gedichten Tüten verfertigt, worin er Kaffee und Schnupftabak schüttet für die armen alten Mütterchen, die in unsrer heutigen Welt der Ungerechtigkeit vielleicht eine solche Labung entbehren mussten – fiat justitia, pereat mundus!
Und die zweite der beiden zwingenden Stimmen, von welchen ich rede, ist noch gewaltiger, als die erste, denn sie ist die des Hasses, des Hasses, den ich jenem gemeinsamen Feinde widme, der den bestimmtesten Gegensatz zu dem Kommunismus bildet, und der sich dem zürnenden Riesen schon bei seinem ersten Auftreten entgegenstellen wird – ich rede von der Partei der sogenannten Vertreter der Nationalität in Deutschland, von jenen falschen Patrioten, deren Vaterlandsliebe nur in einem blödsinnigen Widerwillen gegen das Ausland und die Nachbarvölker besteht, und die namentlich gegen Frankreich täglich ihre Galle ausgießen – Ja, die Überreste oder Nachkömmlinge der Teutomanen von 1815, die bloß das altdeutsche Narren-Kostüm gewechselt und sich die Ohren etwas verkürzen ließen – ich haßte und bekämpfte sie Zeit meines Lebens, und jetzt, wo das Schwert der Hand des Sterbenden entsinkt, erquickt ihn die Überzeugung, dass ihnen ganz sicher der Kommunismus den Garaus macht, nicht mit einem Keulenschlag, nein, mit einem bloßen Fußtritt; wie man eine Kröte zertritt, wird der Riese sie zertreten. [Damit wird er beginnen.] Aus Haß gegen die Nationalisten könnte ich schier die Kommunisten lieben. Wenigstens sind sie keine Heuchler, die immer die Religion und das Christentum im Munde führen; die Kommunisten, es ist wahr, besitzen keine Religion (einen Fehler muss doch der Mensch haben), sie sind sogar Atheisten (was gewiß eine große Sünde ist), aber in ihren obersten Prinzipien huldigen sie einem Kosmopolitismus, einer allgemeinen Völkerliebe, einem Weltbürgertum aller Menschen, welches ganz übereinstimmend ist mit dem Grunddogma des Christentums, so dass sie in Wesen und Wahrheit viel christlicher sind als unsere deutschen Maulchristen, die das Gegenteil predigen und üben.«
Heine: Lutetia. Sämtliche Schriften, Herausgegeben von Klaus Briegleb Bd. 5, S. 231 ff.)
Offenkundig haben die Doktoren der Revolution und ihr wissenschaftlicher Sozialismus Heines Furcht vor kommunistischer Bilderstürmerei nicht vollständig beseitigen können.
Text und Fotos: Klaus Stein
17. Dezember 2013