Neue Landesregierung – neue Politik?

Leerer Sitzungssaal.

Was ist von der neuen Landesregierung zu erwarten?

Der neue Finanzminister heißt Lutz Lienenkämper. Er ist Mitglied der CDU. Am 25. Juli teilte das Finanzministerium NRW mit, dass Marcus Hermes übermorgen, am 1. September, den Posten des Geschäftsführers des BLB NRW antreten wird. «Es ist uns gelungen, in Marcus Hermes einen ausgewiesenen Fachmann zu finden», sagte Patrick Opdenhövel, Staatssekretär und künftiger Vorsitzender des BLB-Verwaltungsrates.

Dieselbe Presseerklärung sagt auch: «Der BLB NRW ist Eigentümer und Vermieter fast aller Immobilien des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit mehr als 4.100 Gebäuden, einer Mietfläche von etwa 10,2 Millionen Quadratmetern und jährlichen Mieterlösen von rund 1,3 Milliarden Euro verwaltet der BLB NRW eines der größten und anspruchsvollsten Immobilienportfolios Europas.» Genauer gesagt, der BLB NRW ist der zweitgrößte europäische Immobilienkonzern. Er gehört dem Land NRW. Seine Rechtsform ist noch nicht sehr alt. Das Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz – BLBG – ist am 12. Dezember 2000 verabschiedet worden, wenige Monate, nachdem Wolfgang Clement als Ministerpräsident, damals noch SPD, wiedergewählt worden war. Nach diesem Gesetz hat der BLB «die Aufgabe, Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten.» (§ 2,1 BLBG).

Der BLB ist nach Rechtsform und Inhalt auf Privatisierung ausgerichtet. Die Forderung nach Beachtung baupolitischer Ziele des Landes hat allenfalls die Funktion eines Feigenblatts. Zwangsläufig müssen die Aktivitäten des BLB zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung in Widerspruch geraten. Und so kam es und das fiel auch auf.

Denn es kam zu zahlreichen Korruptionsaffären. Im Februar ist der ehemalige Geschäftsführer Tiggemann wegen Bestechlichkeit zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden und zwei Tage später wurde der Schlussbericht des BLB-Untersuchungsausschuss des Landtages veröffentlicht. Schon im August 2014 waren die Affären Gegenstand öffentlicher Debatten.

Die FDP seinerzeit: «Bloße kosmetische Veränderungen innerhalb des BLB NRW reichten daher nicht aus, um die horrende Verschwendung von Steuergeldern zu stoppen. Es bedürfe vielmehr einer Überführung des BLB NRW in grundlegend neue Strukturen und einer Neukonzeption der Immobilienbewirtschaftung des Landes. Die FDP fordert ein Kompetenzzentrum, das die Anforderungen an die Bereitstellung von Liegenschaften durch optimale Ausschreibungen am Markt und wettbewerbliche Vergaben an Dritte umsetze. Das operative Geschäft sei extern zu organisieren und durchzuführen.»

Auch die CDU verlangte in ihrem Antrag vom 1. April 2014 neue Strukturen beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb. Wie die FDP bezeichnete sie die Vorgänge als skandalös und forderte, dass der BLB zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts weiterentwickelt und der bisherige Verwaltungsrat in einen parlamentarischen Beirat umgewandelt werde. Ein Aufsichtsrat, angereichert mit «immobilienwirtschaftlichen Fachleuten», soll den BLB lenken. Denn auch die CDU hielt die Gelegenheit günstig zur Forcierung des Privatisierungskurses, sie will den Teufel mit dem Beelzbub austreiben.

Über Marcus Hermes teilte das Finanzministerium in der erwähnten Presseerklärung vom Juli mit, dass er seit über 18 Jahren in der Bau- und Immobilienwirtschaft tätig gewesen sei. Wörtlich: «Mit seiner Expertise und Erfahrung wird er insbesondere die kaufmännische Ausrichtung des BLB NRW weiter stärken. Zwischen 2003 und 2013 arbeitete der Ökonom als Geschäftsführer und Finanzchef für verschiedene Gesellschaften im Hochtief-Konzern.» Die Hochtief Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Essen wie RWE. RWE war bis 2004 Mehrheitsaktionär. Seit 2011 gehört er zur spanischen ACS-Gruppe.

Bekanntlich leidet das große Kapital durch die anhaltende Überproduktionskrise an einem Mangel an seriösen und profitablen Anlagemöglichkeiten. In der Folge droht im Bereich der Immobilien eine Finanzblase, also eine Überbewertung mit der Gefahr plötzlicher Wertverluste. Wir müssen davon ausgehen, dass die neue Landesregierung solchen Investoren, die ihr Geld in Immobilien anlegen, mit ihrer Personalentscheidung beim BLB die Weichen für neue Anlagemöglichkeiten stellen will. Es kündigen sich neue Orgien der Privatisierung an.

NRW hat auch einen neuen Medienminister, genauer: einen Minister für Bundesangelegenheiten, Europa, internationale Beziehungen und Medien. Auch er wird uns als Fachmann angeboten. Es handelt sich um Stephan Holthoff-Pförtner, der bis März als Präsident des Verbandes Deutscher Zeitungsverleger tätig war. Diese Funktion hat er zwar aufgegeben, aber er bleibt Anteilseigner (mit etwa 17 Prozent) der Funke Mediengruppe, zu der unter anderem die WAZ, die NRZ, Westfalenpost und die Westfälische Rundschau sowie zwölf Lokalradios in NRW gehören. In der Rheinischen Post war am 4. August zu lesen: «Die Funke-Mediengruppe ist nach eigenen Angaben mehrheitlich an zwölf privaten Radiosendern beteiligt. Diese refinanzieren sich über Werbung und stehen in direkter Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Radiosender WDR. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag, den der neue Medienminister umsetzen muss, heißt es: ‹Mittelfristig wollen wir einen weitgehend werbefreien WDR.›» Aber es gibt noch jede Menge anderer Konfliktpunkte, die nunmehr im Sinne privater Medienunternehmer im Verhältnis zu den öffentlich-rechtlichen Medien gelöst werden sollen. In diesem Sinne muss man den folgenden Satz im Koalitionsvertrag interpretieren: «Die Verfahren zur Überprüfung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote entwickeln wir im Sinne eines fairen Wettbewerbs weiter.» Es ist noch nicht lange her, dass den Privaten die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen zu großzügig ausfielen. Sie wurden zeitlich begrenzt.

Der Vertreter der privaten Verleger wird nunmehr die Gelegenheit erhalten, die öffentlich-rechtliche Konkurrenz klein zu machen. Der Koalitionsvertrag droht: «Wir erneuern das WDR-Gesetz. Die Regeln zur Besetzung der Aufsichtsgremien entbürokratisieren wir.»

Gestern hat die Landesregierung ein Bündel von Maßnahmen angekündigt. Sie nennt es Entfesselungspaket. Sie tarnt mit dem Begriff «Maßnahmepaket zum Bürokratieabbau» den Abbau von Regelungen, die Arbeitsplätze, unsere Gesundheit und soziale Rechte schützen sollen. Geplant sind Streichungen, Änderungen und Vereinfachungen an 13 Gesetzen und drei Rechtsverordnungen, insgesamt 16 Regelungen, die laut Landesregierung Wirtschaft, Verwaltung, Gründer und Bürger unnötig belasten.

  • Es soll das Ladenöffnungsgesetz modernisiert werden. Was heißt das? In Zukunft sollen die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage von vier auf acht erhöht, die Öffnungszeiten an Samstagen nicht mehr begrenzt werden (sechsmal 24 Stunden). Innerhalb einer Gemeinde dürfen zukünftig 16 (statt bisher elf) Sonntage freigegeben werden.
  • Das Tariftreue- und Vergabegesetz soll überarbeitet werden. Thomas Rick, Inhaber des Düsseldorfer IT-Unternehmens Behrens & Schuleit und Chef des Landesverbands der Familienunternehmer freut sich: «Für uns als Unternehmer ist es besonders wichtig, dass das Tariftreue- und Vergabe-Gesetz nun grundlegend reformiert oder am besten abgeschafft wird. Auch mein Unternehmen hat wegen dieses Gesetzes schon manchen Auftrag verloren.»
  • Das «Kontrollergebnis-Transparenz-Gesetz», genannt Hygiene-Ampel, wird abgeschafft. Es diente der Hygiene und Lebensmittelsicherheit.
  • Widerspruchsverfahren im Bereich des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelüberwachung, des Veterinärwesens und des Tierschutzes beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz werden abgeschafft, verkauft wird das als Vereinfachung im Verwaltungsverfahrensrecht.
  • Ähnlich schönrednerisch werden Verbesserungen im Sozial-, Pflege- und Krankenhausrecht angekündigt sowie
  • die Aufhebung des «Spionage-Erlasses». So nennt die betroffene Industrie den Erlass zur Internetveröffentlichungspflicht von immissionsschutzrechtlichen Antragsunterlagen. Danach waren die Behörden im Rahmen öffentlicher Genehmigungsverfahren verpflichtet, die ausgelegten Antragsunterlagen für jedermann zugänglich im Internet zu veröffentlichen.

Und wie werden diese Maßnahmen verkauft? Ministerpräsident Armin Laschet: «Mit dem Entfesselungspaket setzen wir ein erstes klares Signal für eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Es zeigt zugleich: Wir setzen unsere Ankündigungen schnell und konsequent um. Ich bin sehr dankbar, dass es dem Wirtschaftsminister in enger Kooperation mit den anderen Ressorts der Landesregierung gelungen ist, in so kurzer Zeit ein erstes Entfesselungspaket mit zahlreichen Änderungs- und Anpassungsvorhaben vorzulegen. Dabei geben wir Bewährtes nicht auf, wollen aber Belastendes zügig und konsequent beseitigen, damit sich unser Land wirtschaftlich nicht weiter unter Wert präsentieren muss.»

Dahinter steckt die unstillbare Profitgier. Aber Laschet verbreitet zudem die Illusion, die gegenwärtig anhaltende Überproduktionskrise austricksen zu können. Auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten angesichts des Kapitalüberschusses hebt die neue Landesregierung Schutzregelungen auf.

Statt der Umsetzung der Schuldenbremse wären Schuldenschnitte bei den Kommunen sowie eine Erhöhung der Masseneinkommen fällig.


Bevor ich auf den Koalitionsvertrag eingehe, eine Einschätzung der Landtagswahl.

Im Ergebnis der Landtagswahl vom 14. Mai 2017 hat die Koalition von SPD und Grünen ihre Mehrheit verloren. Von den 199 Sitzen entfallen auf CDU 72, FDP 28, SPD 69, Grüne 14, AfD 16.

CDU und FDP können mit ihrer knappen Mehrheit von 100 Abgeordneten die Regierung bilden. Die beiden DKP-Bezirke in NRW stellten in einer Erklärung am 15. Mai zum Ausgang der Landtagswahl ganz richtig einen dramatischen Rechtsruck fest und befürchteten eine deutliche Signalwirkung für die Bundestagswahl im September.

Die CDU wurde mit 33,0 % der Zweitstimmen die stärkste Partei. Mit 31,2 % fuhr die SPD das schlechteste Ergebnis seit 1947 ein. Die Linkspartei kam auf 4,9 % und verfehlte den Einzug in den Landtag. Die Grünen halbierten ihr Ergebnis von 2012. Sie blieben mit 6,4 % aber im Landtag. Die FDP erzielte mit 12,6 % ihr bisher bestes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen. Die AfD zog mit 7,4 % erstmals in den Landtag ein, die Piraten verfehlten mit 1,0 % den Wiedereinzug deutlich.

Die SPD hatte noch zwei Tage vor der Saarwahl vom 28. März der PKW-Maut im Bundestag zugestimmt und in der Folge die Prognosen um einige Prozentpunkte verfehlt. Am 7. Mai verlor sie auch die Wahl in Schleswig-Holstein. Nur einen Tag danach eilte Martin Schulz, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat seiner Partei für die Bundestagswahl im September, zur Berliner Industrie- und Handelskammer, um einen Vortrag über seine wirtschaftlichen Pläne zu halten. Dem Publikum vermittelte er: Auf die sozialen Probleme der Lohnabhängigen und Armen wird keine Rücksicht genommen.

Die SPD leugnet, dass die Grundgesetzänderungen der Großen Koalition vom 1. Juni die Privatisierung der Autobahnen vorbereiten. Hannelore Kraft sprach sich gegen eine Koalition mit der Linkspartei aus, ausdrücklich mit dem Argument, diese verweigere sich der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse.

Die Erklärung der beiden DKP-Bezirke in NRW am Tag nach der Wahl erwähnt noch die Tatsache, dass es Stadtteilen im Ruhrgebiet gibt, in denen 50 % der Kinder in Armut aufwachsen müssen. Und Die DKP NRW kritisiet die Sprachlosigkeit von Hannelore Kraft gegenüber den bedrohten Arbeitsplätzen der Stahlkocher sowie überhaupt schlecht bezahlte Leiharbeit, Werkverträge und die Befristung von Arbeitsplätzen, denn die Betroffenen können davon kaum leben.

In der Tat sind die Vertrauensverluste gegenüber der SPD durch ihren sozialen Zynismus zu erklären. Die Interessen der arbeitenden Menschen sind ihr schnurz. Offenkundig hält die SPD an ihrer Agenda-Politik fest. Das hatte schon in der Landtagswahl 2005 für eine Halbierung der Stimmen gesorgt. Sie orientiert sich schamlos an den Interessen des Großkapitals. Sie trägt jeden Kriegseinsatz mit. Ihr ist offenbar nicht zu helfen.

Und nur zur Vollständigkeit: Noch auf den letzten Metern, in den letzten Sitzungen des Bundestags, wurden von der SPD einschneidende gesetzliche Maßnahmen zur Massenüberwachung mitgetragen. Drei will ich nennen: Facebook allein muss auf der Grundlage des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das der Bundestag am 30. Juni beschlossen hat, hunderte von Mitarbeitern einstellen, die ausschließlich für die Entfernung von mutmaßlich strafbaren und beleidigenden Einträgen zu sorgen haben. Sie sind bei Arvato angestellt, einer Firma, die zum Bertelsmann-Konzern gehört. So wird des Recht privatisiert. Rechtsmittel sind da nutzlos.

Nach langwierigen Auseinandersetzungen wurde nach den Anschlägen von Paris von der Großen Koalition wieder ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufgelegt. Es sollte seit dem 1. Juli gelten. Einige Tage vorher stellte das Oberverwaltungsgericht in NRW fest, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstoße. Die Vorratsdatenspeicherung ist damit ausgesetzt. Eine Protestaktion «Stoppt die Vorratsdatenspeicherung!» am 29. Juli in Berlin appellierte an alle Telefon-, Mobilfunk- und Internetanbieter, das Überwachungsmonster Vorratsdatenspeicherung nicht umzusetzen.

Schließlich ist seit dem 19. Juni der Staatstrojaner Gesetz. Dazu haben sich SPD und CDU/CSU was einfallen lassen. Sie versteckten ihn in einem Änderungsantrag zum Gesetz über das Fahrverbot als Nebenstrafe.

Mit Recht haben die DKP-Bezirke von NRW den dramatischen Rechtsruck, der sich in dieser Landtagswahl zeigt, registriert und beklagt. Aber wirft das nicht in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob und wie wir unsere politischen Ziele in diesem Wahlkampf vermitteln konnten? Welche Wirkungen gingen vom Auftritt unserer Partei aus?

Zunächst mal die Erststimmen-Ergebnisse dort, wo wir im Wahlkreis kandidiert haben:

Köln I 114 = 0,1%
Köln VII 152 = 0,3%
Düsseldorf II 175 = 0,3%
Essen I/Mülh.II 142 = 0,2%
Essen II 184 = 0,3%
Essen III 165 = 0,3%
Essen IV 105 = 0,1%
RE I 80 = 0,1%
RE II 99 = 0,2%
RE III 103 = 0,2%
GE I 104 = 0,2%
Bottrop 709 = 1,2% (Zweitstimmen 341 = 0,6%)
Münster I 141 = 0,2%
Münster II 141 = 0,2%
In der Summe sind das 2414 Erststimmen. Sie fielen in 13 von 122 Wahlkreisen an. Im Durchschnitt sind es 186 Stimmen, ohne Bottrop 142. Die durchschnittliche Zahl der Zweitstimmen je Wahlkreis ist 24, wobei zu berücksichtigen ist, dass wir in den Wahlkreisen, in denen wir KandidatInnen aufgestellt hatten, überproportional Zweitstimmen erzielten. Aber das alles bleibt selbstverständlich im mikroskopischen Rahmen.

Friedrich Engels hatte 1895 in der Einleitung zu Marx' «Klassenkämpfe in Frankreich» Veranlassung, sich positiv über das Wahlrecht und seinen Nutzen zu äußern. «Und wenn das allgemeine Wahlrecht keinen anderen Gewinn geboten hätte, als daß es uns erlaubte, uns alle drei Jahre zu zählen; daß es durch die regelmäßig konstatierte, unerwartet rasche Steigerung der Stimmenzahl in gleichem Maße die Siegesgewißheit der Arbeiter wie den Schrecken der Gegner steigerte und so unser bestes Propagandamittel wurde; daß es uns genau unterrichtete über unsere eigene Stärke wie über die aller gegnerischen Parteien und uns dadurch einen Maßstab für die Proportionierung unserer Aktion lieferte, wie es keinen zweiten gibt – uns vor unzeitiger Zaghaftigkeit ebensosehr bewahrte wie vor unzeitiger Tollkühnheit -, wenn das der einzige Gewinn wäre, den wir vom Stimmrecht haben, dann wäre es schon über und übergenug.» (MEW 22, 518)

Man darf also sagen, dass uns dieses Wahlergebnis sicher «vor unzeitiger Tollkühnheit» bewahren wird.

Der Linkspartei fehlten am 14. Mai etwa 8.500 Stimmen, um die 5%-Klausel zu überwinden. Diese Lücke ist in der Tat größer als die Menge der 2906 Zweitstimmen, die bei der DKP deponiert wurden. Das kann aber nicht beruhigen. Im Gegenteil, hier wird unsere Verantwortung deutlich. Wir sind ihr nicht gerecht geworden.

In Köln konnten wir sowohl anhand der Landtagswahlergebnisse, aber auch schon nach der Kommunalwahl 2014 feststellen, dass in den Gegenden, wo wir uns bevorzugt mit Flugblättern, Kleinzeitungen und Plakaten bemerkbar machen, die Quoten für die Linkspartei in den enstprechenden Stimmbezirken bei durchschnittlich 15% liegen, sogar Werte bis zu 20% erreichen.

Ich habe mir mal die Ergebnisse von Linkspartei und AfD in großen Städten herausgesucht:
Düsseldorf: PDL 6,16%, AfD 6,33%
Wuppertal: PDL 6,89%, AfD 8,51%
Essen: PDL 5,6%, AfD 9,8%
Dortmund: PDL 6,7%, AfD 8,2%
Bielefeld: PDL 8,38%, AfD 6,71
Duisburg: PDL 5,96, AfD 11,51
Köln: PDL 8,40%, AfD 5,95%

Es gab in den beiden vergangenen Jahren einige große Demonstrationen in Köln. Sie zeigten, was Massen bewegt und ihnen auf den Nägeln brennt. Ich erinnere an die TTIP-Demo am 17. September, zu der wir noch breit mobilisieren konnten, und an die Anti-AfD-Demonstration am 22. April mit 45.000 Beteiligten, wo uns das offenbar weniger möglich war. Weitere vielfältige Antifa-Aktionen gab es, etwa die vom 25. Oktober 2015, als 20.000 Kölnerinnen und Kölner gegen Hogesa demonstrierten. Vor diesem Hintergrund ist es meines Erachtens kein Zufall, dass das Ergebnis für die Linkspartei in den Kölner Wahlbezirken mit 8,40 % über das Ergebnis anderer Städte hinausragt, während das für die AfD entsprechend geringer ausfällt.

Nur in den Studentenstädten Aachen und Münster erzielte die AfD noch geringere Ergebnisse. Generell gilt, je besser das Ergebnis für die eine, desto schlechter für die andere. Das gute Abschneiden der Kölner Linkspartei hat politische Bewegungen in der Stadt zum Hintergrund.

Kommunisten kandidieren nicht als Selbstzweck. Wir messen eine Kandidatur an weiter reichenden Zielen. Also ist die Frage zu beanworten: gelingt uns Mobilisierung, sind wir bei den fälligen Abwehrkämpfen nützlich? Erhöht sich die Bereitschaft, die eigenen Interessen in die Hand zu nehmen?

Wahlkreiskandidaturen hätten völlig ausgereicht, uns in diesem Wahlkampf zu profilieren. Tatsächlich war die Orientierung auf eine Landesliste falsch. Allein die Beschaffung der notwendigen Unterstützungsunterschriften bewirkte laut offenem Eingeständnis des Bezirkssekretariats die Vernachlässigung anderer Politikbereiche wie Frieden, Antifaschismus, Bildung. Die Gruppen und Kreise im Bezirk konnten nur unzureichend auf die Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Köln am 22. April orientiert werden – obwohl just Frieden und Antifaschismus im Arbeitsplan als Schwerpunkte gesetzt worden sind. In der heißen Phase des Wahlkampfs, seit dem 12. Februar, haben Bezirksvorstandssitzungen gar nicht mehr stattgefunden.

Anders als vom Bezirkssekretariat verbreitet, hat es zur Frage der Kandidaturform, speziell zur Frage der Landesliste, keine Diskussion im Bezirk gegeben. Statt einer Bezirksdelegiertenkonferenz entschieden allenfalls 40 Genossinnen und Genossen aus dem Bezirk Rheinland-Westfalen ohne Mandat in einer Landesmitgliederversammlung über die Listenkandidatur. Eine derartig schüttere Legitimitationsbasis minderte allemal Überzeugungskraft und Umsetzungsmöglichkeiten. Offenkundig konnte die ohnehin geringe Kraft des Bezirks nur unzulänglich mobilisiert werden. Unsere Ziele haben wir nicht erreichen können.

Die herrschende Klasse um so mehr. Wenn man die Ziele des großen Kapitals für NRW deuten will, muss man sich durch den 125-seitigen Koalitionsvertrag durchkämpfen. Das hat in Köln unser Genosse Wolfgang Reinicke-Abel auf der Juli-Kreisvorstandssitzung getan. Der Text steht auch auf den Internetseiten des Bezirks. Ich stütze mich im folgenden darauf, werde aus Zeitgründen aber erheblich kürzen.

Die Rechtskoalition hat sich innerhalb von drei Wochen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Sie legt insbesondere Wert auf die Sicherheitspolitik. Die lasse ich heute weg. Ich beschränke mich auf kurze Bemerkungen zu Wohnungspolitik, Finanzpolitik, Bildungspolitik inklusive Hochschulen, Wirtschafts- und Energiepolitik sowie Verkehr.

 

Und fange mal mit der Wohnungspolitik an.

Die FDP wollte die Mietpreisbremse sofort außer Kraft setzen. Die CDU sah die Mietpreisbremse zwar auch skeptisch, wollte sie aber nicht abschaffen. «Sie kann bestenfalls einen zeitlich befristeten positiven Effekt auslösen», heißt es im Wahlprogramm. Nun wurde im Koalitionsvertrag festgelegt: «… werden wir die Kappungsgrenzenverordnung und die Mietpreisbegrenzungsverordnung aufheben.» Ersatzlos. Vage sind die Aussagen um Wohnungsmangel in den Ballungsräumen.

Tatsächlich beschränken sich die Maßnahmen darauf, sich auf die Kräfte des Marktes zu verlassen und Investoren mit Subventionen und angeblichem Bürokratieabbau zu locken. Man wolle vor Ort Konzepte entwickeln, «um das Angebot an bezahlbarem Wohnraum zu erhöhen.» Bei der Grunderwerbsteuer sollen Familien entlastet werden. Über eine Bundesratsinitiative will Schwarz-Gelb einen Freibetrag von 250.000 Euro pro Person durchsetzen, für Kinder eine zusätzliche Summe. Die Kommunen sollen mehr Entscheidungsfreiheiten bekommen, etwa bei der Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten. Priorität soll der Neubau von Wohnungen in Ballungsräumen bekommen. Die Koalitionäre gehen davon aus, dass allein durch den Zuzug von Flüchtlingen 200.000 Wohnungen fehlen. Über Erlasse auf Landesebene und eine Bundesratsinitiative soll dafür die jüngste Energiesparverordnung (EnEV) des Bundes abgeschwächt werden.

Hans-Jochem Witzke, Landesvorsitzender des Deutschen Mieterbunds kommentiert den Koalitionsvertrag zu diesem Punkt folgendermaßen: «Angesichts der jetzt schon angespannten Lage auf den Wohnungsmärkten in NRW, in fast allen Metropolen, setzt der Koalitionsvertrag einen absolut falschen Schwerpunkt. Immer noch fehlt es an bezahlbaren Mietwohnungen. Für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen ist es an gefragten Standorten fast unmöglich eine Wohnung zu finden. Auf diese Entwicklung reagiert die neue Landesregierung paradoxerweise damit, dass sie Mieterinteressen einschränkt, indem sie ankündigt, sämtliche, darauf abzielende Verordnungen zum Schutz vor überzogenen Mieten zu streichen. Stattdessen setzt die neue Regierung verstärkt auf den Ausbau der Eigentumsförderung. Angesichts der weiterhin anhaltenden Niedrigzinsphase ist diese Schwerpunktsetzung mehr als fragwürdig.»

Die Bundesumweltministerin und Bundestagsabgeordnete aus NRW, Barbara Hendricks (SPD) kommentiert: «Mit dem Koalitionsvertrag in NRW legen CDU und FDP die Axt an die Mieterrechte. Die geforderte Abschaffung der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzen sind eine Rolle rückwärts beim Mieterrecht. Gerade in angespannten Wohnungsmärkten müssen wir die Mieterinnen und Mieter vor steigenden Mieten schützen. Was CDU und FDP abgeliefert haben, ist alter Wein in neuen Schläuchen. Die FDP hat sich mit ihrer alten Leier des ‚privat vor Staat‘ durchgesetzt, mit der sie dem sozialen Wohnungsbau schon in der Vergangenheit den Garaus gemacht hat. Wir hingegen wollen, dass sich auch Menschen mit kleinem und mittlerem Geldbeutel eine Wohnung leisten können. Der private Wohnungsmarkt gibt diesen Wohnraum aber kaum noch her. Wir brauchen einen leistungsfähigen sozialen Wohnungsmarkt für diejenigen, die bei privaten Investoren durchs Raster fallen. Es ist zu befürchten, dass Schwarz-Gelb dem sozialen Wohnungsbau den Hahn abdreht.»

Was soll denn laut SPD ein sozialer Wohnungsmarkt sein? Eine gesunde Pest? Alkoholfreier Schnaps? Der Wohnungsmarkt sorgt offenkundig nicht für eine Linderung der Wohnungsnot. Im Gegenteil, er funktioniert prächtig, wenn der Wohnungsmangel bleibt. Denn der Mangel treibt die Mieten hoch, hohe Mieten machen Investoren munter. Von der SPD ist dagegen keinerlei Initiative gekommen. Eine Aussage zur «Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit», die Grüne, Linkspartei und DKP fordern, finden wir nicht. Die «alte» Wohnungsgemeinnützigkeit ist im Zuge der Vereinigungseuphorie zusammen mit der DDR 1990 abgeschafft worden. Sie hatte die Gemeinnützigkeit von Wohnungsunternehmen mittels Steuerfreiheit honoriert. Sowas kommt noch nicht einmal als Forderung im NRW-Koalitionsvertrag vor.


Finanzpolitik

Die Koalition wünscht sich mehr Wirtschaftswachstum und rechnet sich auf dieser Grundlage die wirtschaftlichen Perspektiven schön. Sie will die Ausgaben begrenzen sowie Steuer-Mehreinnahmen und Minderausgaben in der Folge von sinkenden Einwohnerzahlen zur Schuldentilgung nutzen. CDU und FDP versprechen, die Schuldenbremse ab 2020 einzuhalten, die Neuverschuldung zu senken und den Schuldenberg abzutragen. Wenn mehr Geld in Bildung und Innovation gesteckt werde, müsse das an anderer Stelle eingespart werden. Die FDP sieht das ähnlich: Der Landesrechnungshof soll ab 2017 einen Bericht «Monitoring Schuldenbremse» herausgeben. Verstöße gegen die Schuldenbremse sollen Sanktionen nach sich ziehen.

Fazit: Mit der seit 2009 zum Zwecke und als Folge der Bankenrettung im Grundgesetz verankerten «Schuldenbremse» wird die weitere Verschärfung der Austeritätspolitik gegen die abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen und sonstigen Empfänger von staatlichen Transferleistungen vorangetrieben.


Bildungspolitik:

Die Bildungspolitik, unabhängig davon, welche Parteien sie in der Landesregierung umzusetzen haben, orientiert sich an den Vorgaben von Bertelsmann. Typisch ist der enge Bildungsbegriff im Koalitionsvertrag: «Wir wollen den Aufstieg durch Bildung möglich machen.» – Aufstieg durch Bildung: Dieser Bildungsbegriff reduziert Bildung auf eine ökonomische Größe, die allein von Arbeitgebern und Markt definiert wird.

Die CDU will die Gymnasien entscheiden lassen, ob sie das Abitur nach acht oder nach neun Jahren anbieten und hatte sich damit nach einigem Zögern schon vor der Wahl dem FDP-Modell angeschlossen. CDU und FDP planen die weitgehende Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren. Die Gymnasien dürfen auch weiter das «Turbo-Abitur» anbieten, müssen dazu aber einen noch nicht definierten Verwaltungsvorgang auslösen.

Einig sind sich CDU und FDP auch beim Thema Inklusion. Beide Parteien wollen vorerst keine weiteren Förderschulen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen schließen. Die Inklusion soll aber weiter umgesetzt werden. Allenfalls gemächlicher. Die Formel im Koalitionsvertrag lautet. «Der Restbestand an Förderschulen soll mindestens so lange erhalten bleiben, bis die Regelschulen ausreichend auf die Aufnahme von behinderten Kindern vorbereitet sind.» Denn auch CDU und FDP wollen nicht auf die Inklusion, vor allem nicht auf ihre Spareffekte, verzichten. Lehrer an Förderschulen sind schon deshalb teurer, weil hier mehr Lehrer für weniger Schüler tätig sind.

Die neue Bildungsministerin Gebauer von der FDP hat vor einigen Tagen beklagt, dass in NRW 2140 Lehrerstellen nicht besetzt sind. Andere Bundesländer bezahlen mehr.

Namentlich an den Grundschulen fehlen Lehrer, aber auch die Bereitschaft, Leitungsfunktionen zu übernehmen. Lehrerverbände und Gewerkschaften kritisieren seit Jahren, dass die Besoldung von Lehrern insbesondere an Grundschulen zu gering ist. In dieser Hinsicht ist von der schwarz-gelben Koalition keine Verbesserung zu erwarten. Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der GEW: «Dass die Ankündigungen im Wahlkampf, die Besoldung der Lehrerinnen und Lehrer gerecht und verfassungsgemäß zu gestalten, keinen Widerhall im Koalitionsvertrag gefunden haben, ist unverständlich.»

Das Modellvorhaben «Kein Kind zurücklassen» soll abgeschafft, Kinderarmut stattdessen mit einem angeblich breiteren Ansatz bekämpft werden. Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbund warnt: «Von den 2,7 Millionen Kindern in Armut in Deutschland haben bei einer Million Kindern die Eltern keine Arbeit. Bei 600.000 Müttern und Vätern handelt es sich um verfestigte Arbeitslosigkeit, die nur mit Hilfsprogrammen in den Arbeitsmarkt zurückfinden. In den übrigen Familien haben die Eltern Arbeit, verdienen aber zu wenig, um alle Kinder versorgen zu können. In diesen Fällen kann nur die Bundespolitik mit einer anderen Familienförderung zum Beispiel mit einer Kindergrundsicherung helfen. Wenn nun die Förderung für das Programm ‹Kein Kind zurücklassen› ausläuft, setze ich darauf, dass die Kommunen es auch ohne Unterstützung weiterführen. Wir müssen bei der Bekämpfung der Kinderarmut weitermachen.» Der Verband will Beitragsfreiheit von Kita bis Schule. Schwarz-Gelb hingegen will es dabei belassen, dass in den Kitas nur das dritte Jahr beitragsfrei sein soll.

Die neue Regierung verspricht Maßnahmen gegen die Finanznot vieler Kita-Träger. Die jährlichen Pauschalen pro Kind sollen steigen. Zuletzt sind Personal- und Betriebskosten stärker gestiegen als die Kindpauschalen. Die Öffnungszeiten der Kitas sollen verlängert werden.


Hochschulen

Das Hochschulgesetz wird wieder mal komplett überarbeitet. Die Koalition will Durchgriffsrechte des Ministeriums auf die Hochschulen abschaffen. Dabei handelt es sich bei solchen «Durchgriffsrechten» um den kümmerlichen Restbestand öffentlicher Kontrolle der öffentlichen Hochschulen. Öffentlich soll allenfalls die Finanzierung bleiben, privat die Zwecke. Dazu muss man wissen, daß die SPD vor einigen Jahren bei der Novellierung des Hochschulgetzes (sie nannte es Hochschulzukunftsgesetz) angesichts des Drucks aus der Wirtschaft davor zurückgeschreckt ist, die Hochschulen bei der Drittmittelforschung auf Veröffentlichung zu verpflichten. Weder von FDP und CDU noch vorher durch SPD und Grüne war in Frage gestellt worden, daß Forschungs- und Lehrkapazitäten der Hochschulen mittels Besetzung des Hochschulräte mit sogenannten Externen, also mit Vertretern von Banken und Konzernen, eben deren Verwertungsinteressen ausgeliefert sind. Strittig war nur, ob und wie das mitgeteilt werden darf.

Allgemeine Studiengebühren werden nicht eingeführt. Aber Nicht-EU-Ausländer sollen 1.500 Euro pro Semester zahlen. Die Hochschulen könnten dadurch auf mittlere Sicht bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr einnehmen, schätzt die Koalition.

Dem Landarztmangel will Schwarz-Gelb mit einer Quote abhelfen: Zehn Prozent der Medizinstudienplätze gehen an Studierende, die sich verpflichten, eine Zeit lang auf dem Land zu arbeiten. Dafür soll deren Numerus-Clausus abgesenkt werden.


Zur Wirtschaftspolitik habe ich mich eingangs im Zusammenhang mit dem Thema Entfesselung schon geäußert. Von Interesse dürfte noch sein, daß die Gewerbesteuer gedeckelt werden soll.


Energiepolitik

Den Klimaschutzplan, der eine Verringerung der CO2-Emissionen zum Ziel hat, wollen CDU und FDP abschaffen. Zudem planen sie Einschnitte beim Ausbau der Windkraft. Der Mindestabstand zu Siedlungen soll bei 1.500 Metern liegen. Damit verringern sich die für Anlagen zur Verfügung stehenden Flächen um 80 Prozent. Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK): «Die Pläne sind erstaunlich rückwärtsgewandt, insbesondere die Beschränkung der Windkraft. Es wirkt, als ob sich die neue Landesregierung der Braunkohle und dem Atomzeitalter verpflichtet fühlt". Und Michael Schäfer, Fachbereichsleiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, ergänzt: «CDU und FDP nehmen mit ihrem Koalitionsvertrag dem Bundesland die Chance, beim Klimaschutz und Ausbau der Erneuerbaren aufzuholen. Notwendig ist nun ein Klimaschutzgesetz auf Bundesebene, das diesen Namen wert ist.» Für den Bund für Umwelt- und Naturschutz hat NRW einen großen Nachholbedarf beim Ausbau der erneuerbaren Energien, der sich an den internationalen Klimazielen orientieren müsse. Das bevölkerungsreichste Bundesland habe längst den Anschluss verloren.

 

Verkehrspolitik

Die Verkehrpolitik reduziert sich auf Staubekämpfung, also Förderung des Individualverkehrs, des Straßenbaus und der einschlägigen Baukonzerne.

Mit einer Sechs-Tage-Woche auf Baustellen, einem landesweit einheitlichen, digitalen Ticketsystem für den Nahverkehr und der Einführung eines Azubi-Tickets wollen CDU und FDP die Staus bekämpfen. Die Koalition will einen Vorrat an durchgeplanten Bauvorhaben in Höhe von einer Milliarde Euro anlegen. Das Land soll zu jeder Zeit in der Lage sein, sämtliches Geld aus dem Finanzierungstopf für den Bau von Bundesfernstraßen abzuschöpfen. Sie will überdies öffentlich-private Partnerschaften ermöglichen. Außerdem verspricht sie sich weniger Staus durch ein professionelles Baustellenmanagement.

Zukunftsprojekte, wie beispielsweise der gebührenfreie Ausbau des ÖPNV und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene spielten dabei keine Rolle. CDU und FDP wollen angeblich auch den Fahrradverkehr stärken. Da reichen ihnen aber schon Pläne für eine 101 Kilometer lange Fahrradautobahn von Duisburg bis Hamm und weitere Radschnellwege. NRW soll «Taktgeber» für Elektro- und Hybridantriebe werden und eine Teststrecke für selbstfahrende Autos im innerstädtischen Betrieb erhalten.

 
Klaus Stein, Solingen, 30. August 2017

Foto (1): Gesamtansicht des Plenarsaals. Blick zum Rednerpult.
Moritz Kosinsky - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de,  wikipedia

Foto (2): Das Landtagsgebäude in Düsseldorf, vom Rheinturm aus gesehen.
Kevin P Nichols - I am the photographer, Gemeinfrei, wikipedia

Foto (3): Landtag Foyer Von Wolkenkratzer -
Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, wikimedia