CO-Pipeline

Gericht stoppt CO-Pipeline des Bayer-Konzerns

Großer Erfolg – aber Wach­sam­keit ist weiter nötig

Ei­ne her­be Nie­der­la­ge muss­te der Bay­er-Kon­zern am 28. Au­gust 2014 vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Müns­ter ein­ste­cken. Die Rich­ter be­zeich­ne­ten die Ge­neh­mi­gung der um­strit­te­nen Koh­len­mon­oxid-Pipe­line zwi­schen Dor­ma­gen und Kre­feld als ver­fas­sungs­wid­rig. Nun geht der Fall nach Karls­ru­he zum Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt.

Demonstranten mit Transparenten und Plakaten

Freu­de, ver­hal­te­ner Ju­bel – aber auch der Wil­le zum Wei­ter­kämp­fen: So ließ sich die Stim­mung im Ge­richts­saal nach der Ur­teils­ver­kün­dung zu­sam­men­fas­sen. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in Müns­ter hat­te so­eben das Pipe­line-Ge­setz aus dem Jahr 2006 als »Ver­stoß ge­gen das Grund­ge­setz« be­zeich­net. »Wir sind der Über­zeu­gung, dass §1 des Ge­set­zes ver­fas­sungs­wid­rig ist«, so der Vor­sit­zen­de Rich­ter Dirk Lech­ter­mann. Des­halb ver­wies er den Fall an das Karls­ru­her Ver­fas­sungs­ge­richt. Zu­min­dest in den nächs­ten Jah­ren wird das hoch­gif­ti­ge Gas so­mit nicht flie­ßen. Und soll­ten die Karls­ru­her Rich­ter der Ar­gu­men­ta­ti­on des OVG fol­gen, so steht die um­strit­te­ne Lei­tung zwi­schen den Wer­ken in Kre­feld und Dor­ma­gen gar vor dem end­gül­ti­gen Aus.

Lex Bayer

Der nord­rhein-west­fä­li­sche Land­tag hat­te Bay­er den Bau der Rohr­lei­tung durch ein ei­ge­nes Ge­setz zu­guns­ten des Kon­zerns er­mög­licht. Um die Ent­eig­nun­gen ent­lang der 66 km lan­gen Tras­se zu recht­fer­ti­gen, no­bi­li­tier­te das Pa­ra­gra­phen-Werk die Pipe­line. Sie die­ne »dem Wohl der All­ge­mein­heit«, stand dort zu le­sen. Zur Be­grün­dung hei­ßt es schwam­mig, das Röh­ren­werk wer­de »die Zu­ver­läs­sig­keit der Koh­len­mon­oxid-Ver­sor­gung er­hö­hen, um da­durch die wirt­schaft­li­che Struk­tur der Che­mie-In­dus­trie und der mit­tel­stän­di­schen Kunst­stoff ver­ar­bei­ten­den Un­ter­neh­men zu stär­ken und da­mit Ar­beits­plät­ze zu si­chern«. Dies recht­fer­ti­ge die not­wen­di­gen Ent­eig­nun­gen. Kon­kre­te An­ga­ben zu In­ves­ti­tio­nen, hö­he­rem Steu­er­auf­kom­men oder neu­en Ar­beits­plät­zen mach­ten je­doch we­der das Land noch der Kon­zern.

Hier­zu fand das Ge­richt deut­li­che Wor­te: »Die Pipe­line stellt ein pri­vat­nüt­zi­ges Vor­ha­ben dar, durch das das Wohl der All­ge­mein­heit al­len­falls mit­tel­bar ge­för­dert wird. Des­halb muss sich das Rohr­lei­tungs­ge­setz an den ho­hen An­for­de­run­gen mes­sen las­sen, die das Grund­ge­setz für ei­ne Ent­eig­nung zu Guns­ten pri­va­ter Un­ter­neh­men ent­hält. Der Ge­setz­ge­ber muss den Ent­eig­nungs­zweck hin­rei­chend be­stimmt fest­le­gen und den Ent­eig­nungs­be­güns­tig­ten aus­rei­chend an die­sen Ent­eig­nungs­zweck bin­den. Bei­des ist nicht ge­sche­hen.«

Endgültiger Stopp gefordert

Weit ent­fernt da­von, das »Wohl der All­ge­mein­heit« zu för­dern, ist die Pipe­line viel­mehr all­ge­mein­ge­fähr­lich. We­gen der ho­hen Gif­tig­keit von Koh­len­mon­oxid ha­ben Po­li­zei, Feu­er­wehr und me­di­zi­ni­sche Diens­te er­klärt, dass sie die Si­cher­heit der Be­völ­ke­rung bei ei­nem Un­fall nicht ge­währ­leis­ten kön­nen. Auch die be­trof­fe­nen Kom­mu­nen leh­nen die Pipe­line da­her ab. Tho­mas Hen­de­le, Land­rat im Kreis Mett­mann, er­klär­te nach der Be­schluss­fas­sung: »Mit der Ent­schei­dung des OVG Müns­ter sind wir dem Ziel, die In­be­trieb­nah­me der CO-Pipe­line end­gül­tig zu ver­hin­dern, ein Stück nä­her ge­kom­men. Wir dan­ken vor al­lem den krea­ti­ven und un­er­müd­lich kämp­fen­den Bür­ger­initia­ti­ven«.

Auch der Pipe­line-Ex­per­te Dipl. Ing. Bern­hard We­ning, der seit mehr als zwan­zig Jah­ren als Sach­ver­stän­di­ger für Gas­an­la­gen tä­tig ist, for­der­te ei­ne Be­en­di­gung des Vor­ha­bens: »Ei­ne hun­dert­pro­zen­ti­ge Ge­währ­leis­tung der dau­er­haf­ten Dicht­heit kann für ei­ne sol­che Lei­tung nicht ge­währ­leis­tet wer­den. Tech­ni­sches Ver­sa­gen, Schä­den durch Bau- oder Land­wirt­schafts­ma­schi­nen, auch mög­li­che Sa­bo­ta­gen stel­len rea­le Ge­fähr­dungs­ri­si­ken dar. Die An­nah­me, ein ge­fähr­li­cher Gas­aus­tritt sei ab­so­lut aus­zu­schlie­ßen, wi­der­spricht wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­sen und der prak­ti­schen Be­triebs­er­fah­rung.«

Die Co­or­di­na­ti­on ge­gen BAY­ER-Ge­fah­ren ­for­dert des­halb, dass Ge­fahr­stof­fe wie CO, Chlor oder Am­mo­ni­ak – wenn über­haupt – orts­nah pro­du­ziert und ver­ar­bei­tet wer­den. Ein Trans­port durch dicht be­sie­del­te Ge­bie­te ist nicht zu ver­ant­wor­ten und auch nicht not­wen­dig. Ein jüngst vor­ge­stell­tes Gut­ach­ten der NRW-Lan­des­re­gie­rung zeigt, dass Bay­er eben­so gut in Kre­feld ei­ne neue CO-Pro­duk­ti­on auf­bau­en und auf den Be­trieb der Pipe­line ver­zich­ten kann.

Wie ge­fähr­lich der Um­gang mit Koh­len­mon­oxid ist, zeig­te ein Un­fall im Bruns­büt­te­ler Bay­er-Werk im Sep­tem­ber 2013. Nach ei­ner Frei­set­zung von CO schweb­ten nach An­ga­ben der Po­li­zei zwei Mit­ar­bei­ter in Le­bens­ge­fahr und konn­ten erst im letz­ten Mo­ment ge­ret­tet wer­den. Zu den Ur­sa­chen des Un­falls macht Bay­er bis heu­te kei­ne An­ga­ben.

Zu früh zum Feiern

Zur Ent­täu­schung der Um­welt­ver­bän­de mo­nier­te das Ge­richt die­se ho­hen Ri­si­ken nicht, son­dern nur die not­wen­di­gen Ent­eig­nun­gen. Soll­ten die­se doch noch für recht­mä­ßig er­klärt wer­den, so droht wei­ter­hin ei­ne Be­triebs­ge­neh­mi­gung. Für Uwe Fried­rich vom Vor­stand der Co­or­di­na­ti­on ge­gen BAY­ER-Ge­fah­ren ist das Glas denn auch nur halb voll: »Wir be­grü­ßen, dass sich das Ge­richt un­se­rer lang­jäh­ri­gen Ar­gu­men­ta­ti­on an­schlie­ßt, wo­nach be­trieb­li­che Pro­fi­te nicht mit dem All­ge­mein­wohl gleich­zu­set­zen sind. Dies ist ein wich­ti­ger Etap­pen­sieg.« Gleich­wohl kri­ti­siert Fried­rich, dass das OVG die töd­li­chen Ge­fah­ren bei ei­nem Aus­tritt von Koh­len­mon­oxid nicht aus­rei­chend be­rück­sich­tigt hat. »Die Richt­li­ni­en zum Bau von Pipe­lines sind nicht für Ge­fahr­stof­fe wie Koh­len­mon­oxid ge­macht wor­den. Un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ho­hen Ri­si­ken hät­te das OVG das Ver­fah­ren end­gül­tig stop­pen müs­sen«, so Fried­rich wei­ter. Die­Co­or­di­na­ti­on ge­gen BAY­ER-Ge­fah­ren ­wird die Kam­pa­gne ge­gen die Pipe­line da­her fort­füh­ren. (PK)

Philipp Mimkes
Alle Fotos: CBG
Quelle: NRhZ-Online – Neue Rheinische Zeitung


Philipp Mimkes ist Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Deren Webseite findet man unter www.CBGnetwork.org