Partei
Tiefgänge beim kommunalpolitischen Seminar der DKP
Karl-Liebknecht-Schule Leverkusen:
Damit das Rathaus doppelt rot wird
Es gibt verschiedene Gründe für ein Rathaus, rot zu werden. Ein Grund müsste in der permanenten Scham liegen, weil auch dort ständig Beschlüsse gefasst werden, die dem betroffenen Bürger die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen – etwa wegen der Gebührenerhöhungen, von denen die, die in den Palästen wohnen, in gleicher Höhe betroffen sind wie das Proletariat. Und wegen des Einkommensgefälles sind sie sogar weniger oder gar nicht betroffen. Ein anderer Grund könnte darin liegen, dass die DKP (wieder) ins Rathaus eingezogen ist.
Über den Sinn und die Beschränktheit parlamentarischer Arbeit auf kommunaler Ebene berieten gestandene Mandatsträger und Hoffnungsträger hinsichtlich der kommenden Kommunalwahlen. Mehrere Schwerpunkte prägten die sehr fundierte Informationsvermittlung und die außerordentlich lebendige Debatte.
Auf der einen Seite ging es um die vertiefende Frage nach dem politischen, historischen und ideologischen Fundament der Kommunalpolitik. Bei der Suche nach den Antworten wurde bei Marx, Engels, Lenin und Luxemburg an die Tür geklopft. In bester Tradition der Karl-Liebknecht-Schule wurden unter der angenehm-souveränen Moderation von Schulleiter Jürgen Lloyd die Klassiker abgeklopft – und dazu die Kommentierung von Gerns/Steigerwald.
Lloyd provokativ und durchaus verschmitzt: Was hat die Arbeiterbewegung aus der Bürgerlichen Demokratie zu machen? Übersetzung: Soll man sich als Kommunist im Rathaus in die Bürgerliche Demokratie einbringen? Und wenn man dem zustimmt: mit welchem Ziel? Es könnte sein, dass, wenn man das Ziel erreicht hat, schon nicht mehr in der Bürgerlichen Demokratie ist. Dieser »Sprung« wäre aber sicherlich nicht (nur) den Aktivitäten der DKP in den Rathäusern geschuldet, sondern (überwiegend) den Klassenauseinandersetzungen außerhalb der Rathaustür, in den Betrieben, auf der Straße.
Wenn das Ziel »Freiheit und Gleichheit« heißt, dann ist es nicht Freiheit und Gleichheit, wie die bürgerlich-parlamentarische Demokratie sie praktizieren. Richtig ist: Jede/r hat eine Stimme. Richtig ist aber auch: Wenn man sie in die Wahlurne geworfen hat, dann ist sie weg. Dagegen das marxistische Verständnis: Freiheit und Gleichheit sind erst dann tatsächlich gegeben, wenn die Klassen aufgehoben sind.
Der parlamentarische Kampf als Klassenkampf ist Bestandteil kommunistischer Politik, aber nicht erst seit dem 25. September 1968, der Gründung der DKP. Die Kommunisten standen noch vor der Gründung der KPD (30.Dezember 1918/1. Januar 1919) vor der Frage »Nationalversammlung oder Räterepublik?« Rosa Luxemburg beantwortete diese Frage auf der »Reichsversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte«. Veröffentlicht wurde ihr Beitrag einen Tag später, am 17. Dezember 1918 in der Roten Fahne. Das war wenige Tage nach der Ausrufung der »Freien sozialistischen Republik Deutschland« durch Karl Liebknecht (Spartakusbund) am 9. November 1918, gegen 16 Uhr. Ebenfalls am 9. November 1918 wurde Friedrich Ebert (SPD) von Prinz Max von Baden zum Kanzler der bürgerlichen Republik gekürt, die Philipp Scheidemann (SPD) in einem Alleingang gegen 14 Uhr von einem Balkon der Westseite des Reichstages ausgerufen hatte. Der »Vorwärts« (SPD-Zeitung) hatte zuvor die Demonstranten aufgerufen, sich zu zerstreuen. Ebert tadelte anschließend wiederum Scheidemann, weil der nicht autorisiert war, seine Republik auszurufen. Scheidemann hatte jedoch schnell handeln müssen, wollte er doch Karl Liebknecht zuvorkommen. In diesen wenigen Minuten wurde große Klassengeschichte geschrieben. Thema: Revolution und Konterrevolution.
Auch in Unkenntnis der Fragestellung von Jürgen Lloyd, 95 Jahre nach der November-Revolution, fürchtete Scheidemann: «Liebknecht will die Sowjetrepublik ausrufen.« Und wenige Sekunden später belog er die Arbeiter und Soldaten: »Unser Freund (Ebert, UK) wird eine Arbeiterregierung bilden, der alle sozialistischen Arbeiterparteien angehören werden. (...) Alles für das Volk, Alles durch das Volk.« Dagegen Ebert: »Ich aber will sie, die soziale Revolution nicht, ja ich hasse sie wie die Sünde.« Und dazu schließlich Rosa Luxemburg: »Das ist Konterrevolution, wie sie leibt und lebt.« Es hat sich in diesem Punkt seit dem 9. November 1918, 14 Uhr nichts geändert.
Die Räterepublik konnte nicht installiert werden. Die KPD hatte einen Boykott der Wahl zur Nationalversammlung beschlossen. Liebknecht und Luxemburg waren gegen den Boykott.
Schon im darauf folgenden Jahr kandidierten USPD und KPD zum Reichstag, 1928 nur noch die KPD, der sich viele Mitglieder der USPD zugewandt hatten. Die Stimmen der KPD stiegen – am Beispiel von Ahlen (heute: Bezirk Ruhr-Westfalen) – von 2,50 Prozent (1920) auf 27,87 Prozent (1930).
Wie die KPD die Funktion der Wahlen auch in der Weimarer Republik bewertete, erläutete Michael Gerber. Er verwies auf Wilhelm Köhnen, der für die KPD aktiv war als Kommissar der Arbeiter- und Soldatenräte in Halle, in der Weimarer Nationalversammlung, im Reichstag, im Preußischen Landtag und im Berliner Abgeordnetenhaus. Köhnen warnte vor einer Kommune als Verwalterin der Verhältnisse, vor einer Verschleierung der Verhältnisse. Die KPD habe dagegen auch in den Parlamenten für die grundlegende Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse gekämpft. Die Broschüre »Kommunistische Gemeindepolitik« von 1925 lieferte konkrete Anregungen, viele sind heute noch zu verwenden.
Wie Kommunalpolitik heute konkret unter Klassengesichtspunkten gemacht wird, zeigte Arno Grieger mit packenden Beispielen. Wolfgang Richter deckte auf, wie die Kommunen derzeit für Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit (SOS) sorgen, wie innerhalb der Stadtverwaltung Entmündigung und Erniedrigung Einzug gehalten haben – etwa durch Streifendienst und Quartierkümmerer –, wobei die Vollstrecker prekär gehalten werden.
Tunia Erler zog abschließend eine aufschlussreiche Bilanz zum Bundestagswahlkampf der DKP in Berlin Mitte. Kern ihres Fazits: Deshalb müsse eine flächendeckende Kandidatur zur Europawahl angestrebt werden. Das könne gelingen, wenn die DKP das Wort »Kollektivität« glaubwürdig neu buchstabiere.
Text und Foto: Uwe Koopmann
Die Referate liegen auf den Internetseiten der Karl-Liebknecht-Schule bereit zum download.