Gerresheim

Knechte des Neoliberalismus an den Schalthebeln der Stadtentwicklung

Flächennutzungs- und Bebauungspläne
als Schlachtpläne des Kapitalismus

Zeichnung: Haus, Straßen- und Gartenansicht.

Billige Wohnungen werden immer knapper. Die Gentrifizierung ganzer Stadtteile und Städte nimmt zu: Arm fliegt raus, Reich zieht nach, alte Bebauung wird luxussaniert, neue Bewohner l(i)eben den Luxus. Ein weiteres Phänomen: die Segregation, also etwa die Ghettobildung für die Superreichen. Für das Proletariat ist kein Platz mehr da. Es sei denn, es gibt einen Aufstand. Die DKP in Gerresheim erkundete diese Entwicklung.

 

Im Gerresheimer Rathaus wurde die Vorlage 177/16/2011 behandelt: »Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung«. Das ist ein Alltagsvorgang in jedem Rathaus – eigentlich. Hellhörig wird die DKP, wenn vom Bauherrn »erforderliche Befreiungen« verlangt werden: mehr Volumen, mehr Fläche, mehr Höhe. Im vorliegenden Fall soll das Bauvolumen 2.700 Kubikmeter betragen, die Wohnfläche 680 Quadratmeter. Zum Vergleich: Wer von Hartz IV leben muss, hat Anspruch auf 45 Quadratmeter. In dem geplanten Haus neben der denkmalgeschützten Kirche St. Cecila im Stadtteil Hubbelrat könnten also auch 15 Menschen leben. Geht man von Paaren (Anspruch auf 60 Quadratmeter) aus, könnten es sogar 22 Personen sein. Im Rathaus gibt es keinen Anspruch darauf zu erfahren, wie groß die eine reiche Familie ist, die hier einziehen wird. Nach Vermutungen der DKP handelt es sich nicht um ein Ehepaar mit 20 Kindern. Und Hartz IV beziehen die neuen Bewohner auch nicht.

 

Gegen die Beschlussvorlage 177/16/2011 stimmte niemand im Rathaus. Aus der Niederschrift der Sitzung: »Die Bezirksvertretung 7 beschließt einstimmig die Erteilung der erforderlichen Befreiungen …«. Auch von dem Mandatsträger der Linkspartei kam keine Gegenstimme.

Bauland in Hubbelrat mit Bagger, im Hintergrund Kirche St. Cecila.

Anders der öffentliche Auftritt der bürgerlichen Parteien: Grüne fordern zum Frauentag 2011, dass der Wohnungsausschuss darauf achten möge, dass in Zukunft die Raumbedürfnisse von Alleinerziehenden mit Kindern berücksichtigt werden. In Hubbelrath hätte es dafür eine großartige Gelegenheit gegeben. Oder die SPD: Sie fordert einen Masterplan für preiswertes Wohnen. Hintergrund der plötzlichen Erkenntnis: Seit 2007 hätten jährlich 2000 neue Wohnungen gebaut werden müssen, 2010 wurden es 700. SPD kritisiert CDU: »…es geht um Wohnen in der Stadt. Das wird für viele immer schwieriger zu finanzieren.« Nur: jahrelang hat auch die SPD Flächennutzungs- und Bebauungsplänen zugestimmt, die keinen Platz für »kleine Leute« haben.

 

Damit aber Platz gemacht wird für die richtigen und betuchteren Leute, gab es schon vor fünf Jahren einen »Frontalangriff auf die Mieter«: Der Kündigungsschutz bei der Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung wurde von acht auf drei Jahre reduziert. So wurden 100.000 Wohnungen der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) in NRW verkauft, davon allein 3.000 in Düsseldorf. Die neoliberale Sicht vertrat dagegen damals Ingo Apel vom Vorstand von »Haus und Grund« (Vertreter der Wohnungs- und Hauseigentümer): »Wir brauchen keine staatliche Bevormundung, keine Restriktionen.« Er findet den Wohnungs»markt« ohnehin »völlig entspannt«.

 

Seit 30 Jahren weist die DKP in Gerresheim auf Alternativen hin. Nur die Flächennutzungs- und Bebauungspläne bekommen eine Zustimmung, die absichern, dass es keine Gentrifizierung und Segregation gibt. Zudem geht es nicht nur um das Veto im Rathaus. Vor allem ist der außerparlamentarische Protest angesagt. Dass der auch langfristig erfolgreich sein kann, zeigt der »Häuserkampf« von 1979, den die DKP mit den Mietern von 1.100 Werkswohnungen der Gerresheimer Glashütte führte. Erreicht wurde ein Zusatzmietvertrag, der lebenslanges Wohnrecht garantierte – auch dann, wenn der neue Wohnungsbesitzer Eigenbedarf anmelden wollte.

 

Heute geht es um die zukünftige Nutzung des Geländes der inzwischen abgerissenen ehemals größten Glashütte der Welt. Die Spitze der Stadtverwaltung Düsseldorf hat bereits einen neuen Namen für das Areal: Düsselpark. Architektenteams wurden zu einem Wettbewerb eingeladen. Es wurde eine für Großínvestoren lukrative urbane Bebauung vorgestellt – in der allerdings keiner der ehemaligen Glashüttenarbeiter wohnen kann. Die gehören allerdings auch nicht zur Zielgruppe der Düsseldorfer Plutokratie und Haute volée.

 

Die DKP in Gerresheim fordert dagegen: Wir müssen unseren Stadtteil verteidigen und da, wo wir ihn verloren haben, müssen wir ihn zurückerobern. 1933 versuchte die Gestapo vergeblich, das linke Milieu in Untergerresheim zu zerstören. Wenn Bebauungs- und Flächennutzungspläne Milieu-Killer sind, dann stehen wir jetzt vor einer erneuten Auseinandersetzung. Die Gegner können allerdings nicht mehr mit Waffengewalt vorgehen. Dadurch haben wir neue Möglichkeiten, in die politischen Prozesse auf der Ebene der klassenmäßigen Kommunalpolitik einzugreifen.

 

Uwe Koopmann