Partei

Neukonstituierung der DKP vor 45 Jahren

DKP-Logo

25./26. September 1968: Konstituierung der DKP
Zusammenkunft von 31 Kommunisten in Frankfurt/Main beschließt Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei in der BRD

 

Eine Chronik

26. September 2013 | Vor 45 Jah­ren tra­ten die Kom­mu­nis­ten in West­deutsch­land mit der Neu­kon­sti­tu­ie­rung als DKP wie­der in die Le­ga­li­tät ein. Das wur­de ih­nen von den Herr­schen­den nicht ge­schenkt. Es war Re­sul­tat ei­nes lan­gen Kamp­fes, in dem die Kom­mu­nis­ten auch die So­li­da­ri­tät auf­rech­ter bür­ger­li­cher De­mo­kra­ten er­hiel­ten.

Es konn­te ei­ne güns­ti­ge Ge­le­gen­heit ge­nutzt wer­den: Die Bour­geoi­sie muss­te ein­se­hen, dass die Po­li­tik des Kal­ten Krie­ges ge­schei­tert war. Sie sah sich ge­zwun­gen, die Be­zie­hun­gen zum so­zia­lis­ti­schen La­ger bis zu ei­nem ge­wis­sen Grad zu nor­ma­li­sie­ren und be­gann, zur Po­li­tik der »Ent­span­nung« über­zu­ge­hen. Ei­ne Auf­ga­be des Ziels des »Roll Back« be­deu­te­te das nicht. Die an­de­re Sei­te der »Ent­span­nungs­po­li­tik« war die Po­li­tik des »Wan­dels durch An­nä­he­rung« – die Or­ga­nise­rung der Kon­ter­re­vo­lu­ti­on in den so­zia­lis­ti­schen Staa­ten »auf Filz­lat­schen«.

 

Die­se neue Kon­zep­ti­on er­for­der­te ei­ne ge­wis­se Mä­ßi­gung des von den Na­zis bruch­los über­nom­me­nen zü­gel­lo­sen An­ti­kom­mu­nis­mus. Bis zur Neu­kon­sti­tu­ie­rung der DKP war die BRD in West­eu­ro­pa der ein­zi­ge Staat ge­we­sen, der die Kom­mu­nis­ten mit ei­nem ver­fas­sungs­wid­ri­gen Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts in die Il­le­ga­li­tät ge­zwun­gen hat­te – au­ßer den da­ma­li­gen fa­schis­ti­schen Dik­ta­tu­ren in Por­tu­gal, Spa­ni­en und Grie­chen­land.

 

Mit dem Ver­bot von 1956 konn­ten die Herr­schen­den in West­deutsch­land die KPD nicht ver­nich­ten. Sie wirk­te in der Il­le­ga­li­tät wei­ter. Aber das KPD-Ver­bot be­steht bis heu­te – als Dro­hung nicht nur ge­gen die Kom­mu­nis­ten, son­dern ge­gen al­le de­mo­kra­ti­schen Kräf­te.

 

Die DKP und die kommunistische Bewegung in Deutschland sind heute geschwächt und nicht einheitlich organisiert. Eine fortschrittliche Entwicklung in Deutschland braucht eine wieder stärkere DKP.

»Bildet Euch, denn wir brauchen all Eure Klugheit. Bewegt Euch, denn wir brauchen Eure ganze Begeisterung. Organisiert Euch, denn wir brauchen Eure ganze Kraft.«

(Antonio Gramsci)

 

 

Ein Protokoll der Abläufe, die zur Neukonstituierung der DKP führten:

26. Januar 1968

Der SPD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Er­hard Epp­ler, der sich in der CSSR um Ver­trau­en in die »neue Ost­po­li­tik« der Gro­ßen Ko­ali­ti­on be­müht, ver­weist in der »Pra­ger Volks­zei­tung« dar­auf, dass die BRD-In­nen­mi­nis­ter des Bun­des und der Län­der »der KPD ein fai­res An­ge­bot ge­macht« hät­ten. Je­der­zeit kön­ne »ei­ne neue Par­tei auch un­ter dem­sel­ben Na­men ge­grün­det wer­den, wenn sie sich – wie et­wa die fran­zö­si­sche KP – zu den Spiel­re­geln ei­ner par­la­men­ta­ri­schen De­mo­kra­tie be­kennt«. Es sei »Sa­che der KPD, die­ses An­ge­bot auf­zu­grei­fen«.

27./28. Januar 1968

15. Ar­beits­ta­gung des »In­itia­tiv-Aus­schuss für die Am­nes­tie und der Ver­tei­di­ger in po­li­ti­schen Straf­sa­chen« in Frank­furt/M. über schar­fe Kri­tik an der po­li­ti­schen Straf­jus­tiz in der BRD und warnt vor Ab­sich­ten der Ver­schär­fung des po­li­ti­schen Straf­rechts im Zu­sam­men­hang mit der im Bun­des­tag an­ste­hen­den »Straf­rechts­re­form«. In ei­nem Vor­schlag an die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten un­ter­brei­tet die Ta­gung Vor­schlä­ge für ei­ne­än­de­rung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts­ge­set­zes, mit de­nen ein­mal ver­häng­te Par­tei­ver­bo­te ei­ner ge­richt­li­chen Über­prü­fung zu­gäng­lich ge­macht und de­ren Gel­tungs­dau­er auf zehn Jah­re be­fris­tet wird.

8. Februar 1968

Ei­ne Ab­ord­nung von drei Ver­tre­tern der KPD, Gre­te Thie­le, Max Schä­fer und Her­bert Mies ver­sucht auf ei­ner Pres­se­kon­fe­renz im Frank­fur­ter Ho­tel »Ham­bur­ger Hof«, die vom ehe­ma­li­gen nie­der­säch­si­schen KPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Lud­wig Land­wehr ein­be­ru­fen wor­den war, den im Ju­ni 1967 auf ei­ner Zen­tral­ko­mi­tee-Ta­gung ver­ab­schie­de­ten neu­en Pro­gramm­ent­wurf der KPD in die Öf­fent­lich­keit zu brin­gen. Die Pres­se­kon­fe­renz wird vom Frank­fur­ter Po­li­zei­prä­si­den­ten auf An­ord­nung des hes­si­schen In­nen­mi­nis­ters nach ei­nem ent­spre­chen­den Fern­schrei­ben des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums we­gen »För­de­rung der Zie­le der ver­bo­te­nen KPD« ver­bo­ten und po­li­zei­lich auf­ge­löst. Max Schä­fer und Her­bert Mies wer­den vor­läu­fig fest­ge­nom­men, an­geb­lich weil sie kei­ne gül­ti­gen Per­so­nal­aus­wei­se hat­ten, am fol­gen­den Tag aber wie­der frei­ge­las­sen. Der Ge­ne­ral­bun­des­an­walt lei­tet ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen die drei Per­so­nen we­gen Ver­dachts »der Fort­füh­rung ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Par­tei als Rä­dels­füh­rer« (§ 90a StGB) ein. Der Er­mitt­lungs­rich­ter des Bun­des­ge­richts­hofs ord­net die Be­schlag­nah­me »al­ler her­stell­ten, in Druck be­find­li­chen und zur Ver­brei­tung im Bun­des­ge­biet be­stimm­ten Ex­em­pla­re« des Pro­gramm­ent­wurfs ein­sch­lie ßlich der Druck­vor­la­gen an. Der Pro­gramm­ent­wurf spricht sich für die »Um­ge­stal­tung der Bun­des­re­pu­blik zu ei­nem Staat der fort­schritt­li­chen De­mo­kra­tie und des Frie­dens« und ei­nen »fried­li­chen und de­mo­kra­ti­schen Weg zum So­zia­lis­mus« durch ei­nen »mit par­la­men­ta­ri­schen und au­ßer­par­la­men­ta­ri­schen Mit­teln ge­führ­ten Klas­sen- und Volks­kampf« aus. Die KPD be­tont in dem Pro­gramm­ent­wurf, dass sie »ih­re Po­li­tik auf dem Bo­den des Grund­ge­set­zes« ge­stal­tet und »für die Ver­tei­di­gung und Er­wei­te­rung der im Grund­ge­setz und in den Län­der­ver­fas­sun­gen ver­kün­de­ten de­mo­kra­ti­schen Rech­te« ein­tritt. Das Pro­gramm ak­zep­tiert ein »Mehr­par­tei­en­sys­tem« und das Recht ei­ner par­la­men­ta­ri­schen Min­der­heit auf Op­po­si­ti­on, wenn sie »die Ver­fas­sung und die vom Par­la­ment be­schlos­se­nen Ge­set­ze ein­hält«.

 

9. Februar 1968

In der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz er­klärt der Ver­tre­ter des In­nen­mi­nis­te­ri­ums, Faul­ha­ber, auf Nach­fra­ge von Jour­na­lis­ten zum Ver­bot der Pres­se­kon­fe­renz zum KPD­Pro­gramm­ent­wurf, was an dem neu­en Pro­gramm­ent­wurf als ver­fas­sungs­wid­rig be­an­stan­det wür­de: »Das Pro­gramm in­ter­es­siert uns zu­nächst über­haupt nicht. Es kommt uns al­lein dar­auf an, fest­zu­stel­len, ob die al­te KPD mit ei­nem neu­en Pro­gramm ih­re Tä­tig­keit fort­set­zen will«. Zu­gleich er­klärt er er­neut, dass ge­mäß der Ver­ein­ba­rung der In­nen­mi­nis­ter­kon­fe­renz in Ulm für ei­ne Neu­grün­dung der KPD kei­ner­lei Vor­aus­set­zun­gen zu er­fül­len sei­en: »Die Par­tei­grün­dung ist in der Bun­des­re­pu­blik frei. Es ist we­der ein Ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren er­for­der­lich noch müs­sen ir­gend­wel­che Sat­zun­gen oder an­de­re Din­ge vor­ge­legt wer­den. Wenn ei­ne Par­tei sich grün­det, ist sie zu­nächst ein Fak­tum. Es ist dann Sa­che der zu­stän­di­gen Be­hör­den zu prü­fen, ob ei­ne sol­che Par­tei dem Art. 21 ent­spricht«. Wenn das nicht der Fall ist, sei es Sa­che der zu­stän­di­gen Be­hör­den, dann die da­für im GG vor­ge­se­he­nen Maß­nah­men ein­zu­lei­ten. Zu­vor hat­te Re­gie­rungs­spre­cher Ah­lers je­de Stel­lung­nah­me zu dem Vor­ge­hen ge­gen die Pres­se­kon­fe­renz ab­ge­lehnt, weil das al­lein ei­ne An­ge­le­gen­heit des Lan­des Hes­sen ge­we­sen sei. Auf wei­te­re Nach­fra­ge er­klär­te der Spre­cher des In­nen­mi­nis­te­ri­ums dann je­doch, dass das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um, nach­dem es von dem Vor­ha­ben er­fah­ren hat­te, das hes­si­sche Lan­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um auf die »recht­li­chen Kon­se­quen­zen« bei Zu­las­sung der Ver­an­stal­tung hin­ge­wie­sen ha­be. Al­les wei­te­re, vor al­lem die kon­kre­ten Maß­nah­men, die ein­ge­lei­tet wur­den, ha­be je­doch al­lein in der Zu­stän­dig­keit der hes­si­schen Be­hör­den ge­le­gen.

 

9. Februar 1968

Kon­tro­ver­se zwi­schen dem hes­si­schen In­nen­mi­nis­te­ri­um und dem Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um um die Fra­ge, wie das Ver­bot der Pres­se­kon­fe­renz zur Vor­stel­lung des KPD-Pro­gramm­ent­wurfs vom Vor­tag zu­stan­de kam. Ent­ge­gen den Dar­stel­lun­gen ei­nes Spre­chers des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums, dass da­für das hes­si­sche Lan­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um die Ver­ant­wor­tung ha­be, ver­öf­fent­licht das hes­si­sche Mi­nis­te­ri­um den Wort­laut ei­nes Fern­schrei­bens von Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Lü­cke an den hes­si­schen In­nen­mi­nis­ter Schnei­der, in­dem es hei­ßt, dass die Pres­se­kon­fe­renz »ei­nen ein­deu­ti­gen Ver­stoß« ge­gen das KPD-Ver­bots­ur­teil dar­stellt und die zu­stän­di­gen hes­si­schen Be­hör­den da­her »recht­lich ver­pflich­tet sind«, die Pres­se­kon­fe­renz zu ver­bie­ten. Spä­ter er­klärt das BMI, dass es sich da­bei le­dig­lich um ei­ne »Emp­feh­lung« ge­han­delt ha­ben kön­ne, weil des BMI ge­gen­über dem hes­si­schen In­nen­mi­nis­te­ri­um »nicht wei­sungs­be­fugt« sei.

 

12. Februar 1968

Auf der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz ste­hen er­neut das Ver­bot der Frank­fur­ter Pres­se­kon­fe­renz vom 8.2. und die Grün­de der Fest­nah­me und spä­te­ren Wie­der­frei­las­sung der KPD-Ver­tre­ter zur De­bat­te. Die Re­gie­rungs­spre­cher er­klä­ren über­ein­stim­mend, dass das Bun­des­in­nen­mi­nis­ter ei­ne »Emp­feh­lung« für ein Ver­bot an das hes­si­sche Lan­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um ge­rich­tet ha­be, weil er­sicht­lich ge­we­sen sei, dass es sich um ei­ne »pro­vo­ka­to­ri­sche Ver­an­stal­tung« der ver­bo­te­nen KPD ge­han­delt ha­be, die »tes­ten« sol­le, ob die Bun­des­re­gie­rung das KPD-Ver­bot noch an­wen­det. Es wird be­tont, dass die »Wie­der­grün­dung« der ver­bo­te­nen KPD un­zu­läs­sig, je­doch die »Neu­grün­dung« ei­ner neu­en Par­tei auch un­ter dem Na­men KPD zu­läs­sig wä­re, wenn sie auf dem Bo­den des Grund­ge­set­zes agiert.

 

13. Februar 1968

Ver­an­stal­tung des »Rings po­li­ti­scher Hoch­schul­grup­pen« an der Uni­ver­si­tät Köln mit zwei Mit­glie­dern der drei­köp­fi­gen Grup­pe, die am 8.2. den Pro­gramm­ent­wurf der KPD auf ei­ner Pres­se­kon­fe­renz vor­stel­len woll­ten, wird auf aus­drück­li­che Wei­sung des NRW-In­nen­mi­nis­ters oh­ne Ein­grei­fen der Staats­or­ga­ne to­le­riert.

 

14. Februar 1968

Auf ei­ner Pres­se­kon­fe­renz des »In­itia­tiv­aus­schus­ses für die Wie­der­zu­las­sung der KPD« im Bon­ner »Bür­ger­ver­ein« mit mehr als 100 Me­di­en­ver­tre­tern tre­ten Max Schä­fer, Gre­te Thie­le und Her­bert Mies auf, um zu den Er­klä­run­gen der Bun­des­re­gie­rung zum KPD-Ver­bot und zu den »Mög­lich­kei­ten ei­ner Neu­grün­dung der KPD« Stel­lung zu neh­men. Die Bon­ner Po­li­zei mach­te das Statt­fin­den der Pres­se­kon­fe­renz von der Be­din­gung ab­hän­gig, dass nicht über den am 8.2. in Frank­furt/M. vor­ge­leg­ten neu­en KPD-Pro­gramm­ent­wurf ge­spro­chen und auch nicht dar­aus zi­tiert oder der Text ver­teilt wird. Po­li­zei­of­fi­zie­re nah­men den ge­sam­ten Ver­lauf der Ver­an­stal­tung zur spä­te­ren »Aus­wer­tung« auf Ton­band auf. NRW-In­nen­mi­nis­ter Wey­er (FDP) hat­te ent­ge­gen dem Fern­schrei­ben von Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Lü­cke vom glei­chen Tag dar­auf ver­zich­tet, die Bon­ner Po­li­zei an­zu­wei­sen, die Pres­se­kon­fe­renz zu ver­bie­ten. Spä­ter am glei­chen Tag er­klärt der Re­gie­rungs­spre­cher Staats­se­kre­tär Diehl auf der Bun­des­press­kon­fe­renz auf Fra­gen von Jour­na­lis­ten, dass sich das Bun­des­ka­bi­nett »bis­her noch nicht mit den Pro­ble­men der Wie­der­zu­las­sung der KPD oder ei­ner Neu­gr ün­dung der KPD be­schäf­tigt« ha­be, die Vor­gän­ge der letz­ten Zeit dies je­doch nun­mehr not­wen­dig mach­ten.

 

14. Februar 1968

Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Lü­cke weist die In­nen­mi­nis­ter der Län­der per Fern­schrei­ben dar­auf hin, an­geb­lich im Ein­ver­neh­men mit dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter (Hei­nemann), dass das Auf­tre­ten der KPD-Funk­tio­nä­re Schä­fer, Mies und Thie­le nach § 90a straf­bar sei, »wenn sie als Ver­tre­ter der KPD auf­tre­ten«. Das­sel­be gel­te, »wenn von Ver­an­stal­tern oder Teil­neh­mern von Ver­samm­lun­gen aus dem Par­tei­pro­gramm der KPD vor­ge­tra­gen oder das Pro­gramm selbst ver­brei­tet« wer­de. Des­halb müss­ten die »zu­stän­di­gen Be­hör­den« al­le Ver­samm­lun­gen die­ser Art »ver­bie­ten und die Ver­ant­wort­li­chen der Straf­ver­fol­gung zu­füh­ren«. (»Bul­le­tin der Bun­des­re­gie­rung« vom 16.2.68).

 

14. Februar 1968

Bei ei­ner Stu­den­ten­ver­samm­lung in der Men­sa der Mün­che­ner Uni­ver­si­tät am Abend des 14.2. (nach der Bon­ner Pres­se­kon­fe­renz) ver­bie­tet die Po­li­zei, dass Her­bert Mies im Po­di­um Platz neh­men und zum Pro­gramm­ent­wurf der KPD spre­chen kann. Die rund 200 an­we­sen­den Stu­den­ten weh­ren sich ge­gen die­ses Po­li­zei­vor­ge­hen in­dem sie den Pro­gramm­ent­wurf von ei­nem Stu­den­ten ver­le­sen las­sen und mit 30 Stu­den­ten um Her­bert Mies ei­ne le­ben­di­ge Mau­er bil­den, um ihn vor dem Zu­griff der Po­li­zei zu schüt­zen.

 

22. Februar 1968

Im In­for­ma­ti­ons­dienst »In­ne­re Si­cher­heit« des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums wird ei­ne aus­führ­li­che Ar­gu­men­ta­ti­on zum neu­en Pro­gramm­ent­wurf der KPD ver­öf­fent­licht. Dar­in wird be­tont, dass »ei­ne Re­vi­si­on die­ses Ur­teils (ge­meint ist das KPD-Ver­bot) oder die Wie­der­zu­las­sung ei­ner ver­bo­te­nen Par­tei nach gel­ten­dem Recht nicht mög­lich« sei und »je­de Fort­füh­rung bzw. die Grün­dung ei­ner Er­satz­or­ga­ni­sa­ti­on straf­bar ist. »Das be­deu­tet, dass auch die Ver­brei­tung ei­nes neu­en Pro­gramms ei­ner ver­bo­te­nen Par­tei straf­bar ist. Auf den In­halt die­ses Pro­gramms und sei­ne Ver­fas­sungs­wid­rig­keit kommt es da­bei nicht an«. Zu­gleich wird aber wie­der­holt: »Die Grün­dung von Par­tei­en ist in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land an kei­ne Zu­las­sung oder Ge­neh­mi­gung ge­bun­den. Auch Kom­mu­nis­ten kön­nen ei­ne Par­tei un­ter wel­chem Na­men auch im­mer grün­den? Wird ei­ne neue kom­mu­nis­ti­sche Par­tei ge­grün­det, so ge­nie­ßt sie den be­son­de­ren Schutz der Ver­fas­sung. Sie kann nur durch Ur­teil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ver­bo­ten wer­den, wenn ihr ver­fas­sungs­wid­ri­ge Be­stre­bun­gen nach­ge­wie­sen wer­den. Wenn we­der ihr Pro­gramm noch ih­re tat­säch­li­chen Zie­le die frei­heit­li­che de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung be­ein­träch­ti­gen oder zu be­sei­ti­gen trach­ten, kann und wird nie­mand sie hin­dern, sich am po­li­ti­schen Le­ben der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land frei zu be­tei­li­gen.« In der wei­te­ren Ar­gu­men­ta­ti­on wird aber deut­lich, dass der neue KPD-Pro­gramm­ent­wurf »kei­ne we­sent­li­che­än­de­rung der ideo­lo­gisch-po­li­ti­schen Grund­la­gen, der Zie­le und der Tak­tik der KPD« ent­hält, wo­bei ins­be­son­de­re das »Be­kennt­nis zum Mar­xis­mus-Le­ni­nis­mus«, zur »Dik­ta­tur des Pro­le­ta­ri­ats«, zur »re­vo­lu­tio­nä­ren so­zia­lis­ti­schen Um­ge­stal­tung« der BRD und zur »en­gen Kampf­ge­mein­schaft mit der SED« her­vor­ge­ho­ben wird.

 

23. Februar 1968

Der Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident i. R. Richard Schmid spricht sich in einem Artikel in der »Zeit« für eine Aufhebung des KPD-Verbots per Verwaltungsakt aus, indem die Bundesregierung ihren früheren Verbotsantrag zurücknimmt. Daran werde sie durch das Verbotsurteil des Bundesverfassungsgerichts nicht gehindert. In dem Artikel wird der seinerzeitige Antrag der Bundesregierung auf Verbot der KPD heftig kritisiert, weil die KPD damals »in deutlicher Schrumpfung« gewesen sei und daher eine »Gefahr für den Bestand des Staates oder seine Verfassung« nicht anzunehmen war: »Der Verbotsantrag war lediglich als deutscher Beitrag zum Kalten Krieg gemeint, der damals – es war noch zu Lebzeiten Stalins und mitten im Koreakrieg – auf seinem Höhepunkt war. Der von Amerika gewünschte militärische Beitrag der Bundesrepublik war zu jener Zeit noch auf außen- und innenpolitische Schwierigkeiten gestoßen. Nun wurde die Eingliederung in den sogenannten freien Westen mit einem Akt politischer Unfreiheit vollzogen, durch den die Bundesrepublik, was Europa betrifft, in die exklusive Gesellschaft von Spanien, Portugal und später auch Griechenland geraten ist.

 

26./26. Februar 1968

Zwei Frankfurter Schülerzeitungen veröffentlichen den Programmentwurf der DKP und verkaufen bzw. verteilen den Druck in den Pausen am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium bzw. an der Ernst-Reuter-Gesamtschule. Im Vorspann der zuerst erschienen Schülerzeitschrift »Akelei« hieß es dazu, es liege den Urhebern »nichts ferner, als für die KPD Propaganda zu machen«. Vielmehr habe man den Entwurf veröffentlicht, weil er »in seinen alten Phrasen, seinen unbewiesenen Behauptungen« für niemanden eine Gefahr sei. »Wir drucken diesen Entwurf ab, um dieser KPD zu schaden«. Die Schülerzeitschrift befürwortet die Aufhebung des KPD-Verbots.

 

27. Februar 1968

In einem Kommentar der »Frankfurter Rundschau« zu der Diskussion um eine Wiederzulassung der KPD heißt es: »Bei der gegenwärtigen Diskussion um Wiederzulassung oder Neugründung der KPD und bei der sehr laut gewordenen amtlichen Kritik am neuen KPD-Programm wird gern übersehen, dass die Kommunisten natürlich nur an einer kommunistischen Partei interessiert sein können. Jede kommunistische Partei wird in ihrem Kern marxistisch bleiben und eine Gesellschaft anstreben, in der es kein oder in Ausnahmefällen nur geringes Privateigentum an den Produktionsmitteln gibt. Jede kommunistische Partei wird in so weit das Grundgesetzändern beziehungsweise die im Grundgesetz gegebenen Enteignungsmöglichkeiten wahrnehmen wollen? Wer diese drei Kriterien für unvereinbar mit der sogenannten freiheitlich-demokratischen Grundordnung ansieht, sollte offen sagen, dass jede Art von kommunistischer Partei in der Bundesrepublik auf Zeit und Ewigkeit verboten bleibt.«

 

27. Februar 1968

Der Leitartikler der »Frankfurter Rundschau«, Karl-Hermann Flach (später FPD-Generalsekretär) schreibt in seinem Leitartikel »Chancen der neuen KPD« nach kritischer Auseinandersetzung mit dem neuen KPD-Programmentwurf: »Wenn die politische Führung in der Bundesrepublik klug wäre, würde sie die KPD schon zulassen, um den damit zu erwartenden Klärungsprozess auf der Linken zu ermöglichen.« Zuvor betonte er, dass »es töricht war und bleibt, die KPD zu verbieten, noch dazu in einer Zeit, in der eine NPD unbehindert agieren darf. Alle westlichen Demokratien leben mit ihren Kommunisten und werden politisch mit ihnen fertig. Das gilt für alle unsere engeren Verbündeten, für Frankreich und Italien mit ihren bedeutenden, für England, Skandinavien und die Beneluxländer mit ihren weniger bedeutenden kommunistischen Parteien. Selbst in den USA sind die Kommunisten nicht verboten, wenn auch zuweilen behindert. Nur in faschistischen und halbfaschistischen Staaten sind die Kommunisten in den Untergrund verbannt.«

 

1. März 1968

Der »Initiativausschuss für die Wiederzulassung der KPD« teilt mit, dass Mitglieder des Initiativausschusses seit seiner Bildung im März 1967 bis zum 1.3.68 auf 129 Veranstaltungen von unterschiedlichem Charakter (veranstaltet von Studentenvertretungen, Jugendclubs, Gewerkschaftsgremien, christlichen Kreise sowie ehemaligen Mandatsträger der KPD) Gelegenheit hatten, ihre Ansicht zur Wiederzulassung der KPD darzulegen

 

11. März 1968

Das Bundesinnenministerium teilte laut einem Bericht der »Frankfurter Rundschau« auf Anfrage mit, dass sie 1966 Einnahmen im Wert von rund 136 000 DM aufgrund der Einziehung des Vermögens der 1956 verbotenen KPD gehabt habe. Das Geld sei für »gemeinnützige Zwecke« verwendet worden, u. a. für eine geplante Diabetiker-Klinik in Bad Oeynhausen und ein Erholungsheim für Amputierte in Waldkirchen (Bayern) sowie einen Zuschuss an die Organisation der Malteser Hilfsdienste. Es seinen noch mehrere Prozesse um die Rechtsmäßigkeit der Beschlagnahme weiterer Vermögensteile im Gang, die ebenfalls gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden sollen.

 

14. März 1968

In der Fragestunde des Bundestages weist der Bundesinnenminister die Ansicht des CDU-Abgeordneten Busse zurück, dass es über die Behandlung von Veranstaltungen des »Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD« und das Auftreten der KPD-Funktionäre Schäfer, Mies und Thiele Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BMI und dem NRW-Innenminister Weyers sowie dem Bundesjustizminister gebe. Zugleich erklärt er erneut, dass das Auftreten der drei KPD-Vertreter strafbar sei, »wenn sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der illegalen KP tätig werden und damit die verbotene Partei fortsetzen«. Hingegen seien »Veranstaltungen, auf denen nur mit der Möglichkeit einer Aufhebung des KPD-Verbots zusammenhängende Fragen oder die Neugründung einer KPD mit verfassungskonformem Programm sachlich erörtert werden«, zulässig. Veranstaltungen, die unter dem Namen »Initiativausschuss« lediglich »vorgeben, sich mit diesen Fragen zu befassen, in Wahrheit aber die verbotene KPD fortsetzen oder unterstützen oder für sie werben oder für sie eine Ersatzorganisation bilden«, seien jedoch zu verhindern.

 

25. März 1968

In einem gemeinsamen Schreiben erklären 15 bekannte Kommunisten in NRW, darunter die ehemalige KPD-Bundestagsabgeordnete Grete Thiele, dass sie es »für sinnvoll und für die politische Bewusstseinsbildung förderlich halten« würden, »beim Bundestagswahlkampf 1969 die außerparlamentarische Bewegung, die dann sicherlich doppelt notwendig sein wird, mit den Möglichkeiten des Kampfes um ihre entsprechende parlamentarische Repräsentation zu koordinieren«. Darum seien sie »für ein Wahlbündnis demokratischer und sozialistischer Kräfte auf möglichst breiter Grundlage« und bereit, sich an einem solchen Bündnis zu beteiligen. Dafür seien sie auch bereit, »Erwägungen zu einer unabhängigen Kandidatur als Kommunisten zurückzustellen.«

 

27. März/ 5. April 1968

Grete Thiele wendet sich im Einvernehmen mit Max Reimann in einem Brief an die Vorsitzenden der drei Bundestagsfraktionen wegen eines Gesprächs über die rechtlichen Möglichkeiten einer Wiederzulassung der KPD. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Helmut Schmidt verweist Frau Thiele in einem Antwortschreiben vom 5. April an den Bundesjustizminister, der bereit sei, sie zu empfangen 28. März 1968 Auf einer Pressekonferenz in Bonn macht Ludwig Landwehr einen Brief von Max Reimann an die Vorsitzenden der drei Bundestagsfraktionen bekannt. Darin wird unter Bezugnahme auf das Verbot der Pressekonferenz am 8.2. in Frankfurt/M. und die Beschlagnahme des KPD-Programmentwurfs darauf verwiesen, dass die Aufhebung des KPD-Verbots erforderlich ist, um die politische Betätigungsfreiheit für Kommunisten und andere Linkskräfte zu gewährleisten, weil eine »Neugründung« ohne Aufhebung des Verbots jederzeit wieder unter Bezugnahme auf dieses Verbot verfolgt und verboten werden könnte. Die Bundestagsfraktionen werden aufgefordert, auf die Regierung einzuwirken, um Verhandlungen über die Aufhebung des KPDVerbots in Gang zu bringen.

 

Ende März 1968

Bundesinnenminister Lücke spricht sich in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Busse-Herford dafür aus, das Auftreten von KPD-Funktionären im Bundesgebiet im Rahmen von Veranstaltungen des »Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD« als Missachtung des KPD-Verbots »präventiv zu verbieten«. Auslöser der Anfrage war die unterschiedliche Beurteilung der Pressekonferenz des »Initiativausschusses« am 14.2. in Bonn mit Max Schäfer, Grete Thiele und Herbert Mies durch das Landesinnenministerium NRW (unter Leitung von FDP-Innenminister Weyer) und das Bundesinnenministerium. Lücke erklärte, dass zwar »Veranstaltungen, auf denen nur mit der Möglichkeit der Aufhebung des KPD-Verbots zusammenhängende Fragen oder die Neugründung einer KPD mit verfassungskonformem Programm sachlich erörtert werden, zulässig sind«, dass aber Veranstaltungen, die »unter dem Namen ›Initiativausschuss‹ lediglich vorgeben, sich mit diesen Fragen zu befassen, in Wahrheit aber die verbotene KPD fortsetzen, sie unterstützen oder für sie werben oder für sie eine Ersatzorganisation bilden, verhindert werden müssen«. Deshalb sei das Auftreten der drei KPD-Funktionäre »nach § 90 a StGB strafbar, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Vertreter der illegalen KPD tätig werden und damit die verbotene Partei fortsetzen«. Lücke behauptete, dass darüber zwischen ihm und den Innenministern der Länder ein »weitgehendes Einvernehmen« bestehe. Außerdem sei er als Bundesinnenminister laut dem Parteiengesetz dafür zuständig, »die für eine einheitliche Vollstreckung eines Parteiverbots erforderlichen Anordnungen zu treffen«.

 

28. März 1968,

Max Schäfer, Herbert Mies, Grete Thiele und Ludwig Landwehr veranstalten als Mitglieder der unter Vorsitz von Max Reimann gebildeten »Kommission für Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Wiederzulassung der KPD« in Bonn eine »fliegende Pressekonferenz« in einem Bus, nachdem der Wirt des vorgesehenen Lokals von seiner Zusage eines Raumes zurückgetreten war. Es wird ein Schreiben von Max Reimann als Leiter der Verhandlungskommission an die Bundesregierung und alle Bundestagsfraktionen bekanntgemacht, in dem eine Reihe von Schritten zur Wiederherstellung der Legalität der KPD vorgeschlagen werden. Vorschläge für eine »Neugründung« einer KP könnten nicht ernst genommen werden, da eine solche Partei »ständig unter der fortgeltenden Verbotswirkung des Urteils gegen die KPD« stehen würde, heißt es in dem Text Anfang April 1968. Das Landgericht Düsseldorf verhängt gegen drei Kommunisten aus Duisburg drakonische Gefängnisstrafen wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot. Als »Rädelsführer« werden Otto Henke zu 21 Monaten und Oskar Rothstein zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt, Willi Hendriks erhält als »Mitglied einer verbotenen Organisation« 10 Monate.

 

April 1968

Im April-Heft der Fachzeitschrift »Monatsschrift für Deutsches Recht« werden von Ministerialrat Dr. Lüttger Angaben des Bundesjustizministeriums veröffentlicht, wonach es in der BRD in der Zeit vom 1.1.1960 bis 31.12.1966 insgesamt 24 Hochverratsverfahren, 29.174 Landesverratsverfahren und 28.097 Verfahren wegen »Staatsgefährdung« gab. Dabei handelt es sich nur um staatsanwaltliche oder gerichtliche Verfahren, polizeiliche Ermittlungsverfahren sind nicht berücksichtigt. Aus einer Überschlagsrechnung ergibt sich ein Durchschnitt von mehr als 8.000 staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Ermittlungsverfahren. Die Zahl der betroffenen Personen ist größer, weil in manchen Verfahren gegen mehrere Personen gleichzeitig ermittelt wird.

 

2./ 8. Mai 1968

Die Bundesinnenministerium veröffentlicht in zwei Ausgaben des von ihr herausgegebenen Informationsdienstes »Aktuelle Beiträge zur Innenpolitik« eine nochmalige Zusammenfassung der Rechtslage zum KPD-Verbot und den Gründen für das Verbot der Frankfurter Pressekonferenz am 8.2. sowie eine »Bewertung« des Inhalts des neuen KPD-Programmentwurfs. Die Argumentation entspricht der in den vorhergehenden Tagen bereits dargelegten Position: Aufhebung des KPD-Verbots rechtlich nicht möglich, daher keine »Wiederzulassung« der KPD, aber Neugründung einer KP auf dem Boden des GG zulässig und nicht an eine vorhergehende Genehmigung gebunden. Zum Programmentwurf der KPD wird erklärt, dass er nach wie vor ein Bekenntnis zum »Marxismus-Leninismus« und zur »Diktatur des Proletariats« enthalte und auf den »Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung« abziele.

 

5. Mai 1968

Anlässlich des 150. Geburtstags von Karl Marx findet in Trier eine Veranstaltung statt, die von einem Initiativkreis getragen wird. Redner sind Prof. Dr. Abendroth und Grete Thiele.

 

5. Mai 1968

Der FDP-Bundesvorsitzende Walter Scheel (später Bundespräsident) erklärt in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen, dass die Rechtslage in der BRD »leider« keine Möglichkeit vorsehe, ein einmal ausgesprochenes Parteiverbot abzuändern oder aufzuheben. Die FDP werde deshalb »in Kürze dem Parlament einen Entwurf zuränderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgerichtsgesetz zuleiten, damit in der Zukunft das Verfassungsgericht unter Umständen seine eigenen Urteile wieder revidieren kann, damit wir zu vernünftigen politischen Verhältnissen kommen. Ich meine, dass es gut wäre, die KPD wäre zugelassen; ich halte sie für keine Gefahr«.

 

14. Mai 1968

Pressekonferenz der drei Mitglieder der Verhandlungskommission für die Wiederzulassung der KPD, Grete Thiele, Max Schäfer und Herbert Mies, gemeinsam mit dem ehemaligen baden-württembergischen KPD-Vorsitzenden und Landtagsabgeordneten Willi Bechtle und dem ehemaligen Vorsitzenden der KPD-Landtagsfraktion NRW, Karl Schabrod, in Stuttgart zur Veröffentlichung eines Offenen Briefes der fünf Kommunisten an alle Sozialdemokraten und SPD-Wähler, in dem ausgehend von den alarmierenden Landtagswahlergebnissen in Baden-Württemberg (Einzug der NPD in den Landtag) Gespräche zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten über gemeinsame Schritte zur Verhinderung der Notstandsgesetze und des Neonazismus vorgeschlagen werden.

 

Mai 1968

Die Bundesjugendkonferenz der IG Metall nimmt einen Antrag an, in dem die Wiederzulassung einer legalen kommunistischen Partei gefordert wird.

 

17. Juni 1968

NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn erklärt auf einer Veranstaltung einem Teilnehmer auf dessen Frage zum KPD-Verbot: »Ich habe dieses Verbot noch nie für sinnvoll gehalten«.

 

25. Juni 1968

Das Plenum des Bundestages bestätigt in seiner 182. Sitzung einen Bericht des Petitionsausschusses, in dem es zur Frage der Aufhebung des KPD-Verbots u.a. heißt, dass dies aus rechlichten Gründen nicht möglich sei. Weiter wird erklärt: »Dagegen ist eine Neugründung der KPD in der Bundesrepublik jederzeit möglich und an keine Zulassung oder Genehmigung gebunden.«. Diese Feststellung wird im gleichen Wortlaut am gleichen Tag in einem Brief von Bundestagspräsident Gerstenmaier an den »Initiativausschuss für die Wiederzulassung der KPD« wiederholt.

 

28. Juni 1968

Karl Schabrod teilt in einem Gespräch mit der »DVZ« mit, dass in den vergangenen Monaten seit der Vorlage des neuen KPD-Programmentwurfs rund 160 Versammlungen zur Frage des KPD-Verbots durchgeführt worden seien.

 

28. Juni 1968

Der Deutsche Bundestag beschließt auf Initiative von Bundesjustizminister Heinemann eine »Generalamnestie« für alle bis dahin begangenen politischen Straftaten mit Ausnahme von »Landesverrat«. Das Gesetz tritt ab 1.8.1968 in Kraft 4. Juli 1968 Gespräch von Max Schäfer und Grete Thiele im Bundesjustizministerium über Fragen der Aufhebung des KPD-Verbots mit Bundesjustizminister Heinemann und dessen Staatssekretär Ehmke (SPD). Das Gespräch kam auf Anfrage von Grete Thiele zustande und war mit Wissen der drei Bundestagsfraktionen geführt worden. Die Regierungsvertreter erklärten dabei, dass eine Wiederzulassung der KPD nicht möglich sei, jedoch die Neugründung einer kommunistischen Partei nach dem Grundgesetz frei und ohne vorherige Genehmigung möglich sei. (Siehe die spätere Erklärung des Bundesjustizministeriums über den Inhalt des Gesprächs vom 30.9.68). Die Bundestagsfraktionen und das Bundesinnenministerium wurden über den Verlauf des Gesprächs informiert.

 

24. Juli 1968

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellt in einer Entscheidung zur Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kommunisten Fritz Besnecker (Singen a. H.) und andere fest, dass der neue Programmentwurf der KPD, der am 8. Februar in Frankfurt/ M. der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, nicht als verfassungswidrig angesehen werden kann. Besnecker und andere Genossen hatten den Programmentwurf weiterverbreitet. In der Begründung der Einstellungsentscheidung hieß es: »Der Inhalt der Broschüre (gemeint ist der in Broschürenform veröffentliche Programmentwurf) ist nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vgl. Seite 35 der Broschüre) oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet«. Daher sei eine Strafbarkeit der Verbreitung dieses Textes »nicht gegeben«.

 

Ende Juli 1968

In einem vom Bundesinnenministerium vorgelegten Bericht »Erfahrungen aus der Beobachtung und Abwehr linksradikaler Tendenzen im Jahre 1967« wird festgestellt, dass 1967 im Bundesgebiet »142 linksextreme Organisationen, darunter 7 Parteien und Wählergemeinschaften, 29 Jugendorganisationen und 106 sonstige Gruppen« tätig waren, von denen die meisten »unter kommunistischem Einfluss« gestanden haben sollen oder mit kommunistischen Gruppen bei der Verfolgung von politischen Nahzielen zusammenarbeiteten. In dem Abschnitt »Offene Arbeit der KPD« wird u.a. festgestellt, dass »einzelne Kommunisten« dazu übergegangen seien, »offen für kommunistische Ziele in der Öffentlichkeit einzutreten, was ihnen rechtlich nicht verwehrt ist«. Zu den »offen erscheinenden kommunistischen Zeitungen« werden »Blinkfüer« für Hamburg und Schleswig-Holstein, »Neues Echo« für Bremen, »Meinung« für Niedersachsen, »tatsachen« für NRW, »Frankfurter Bote« für Hessen, »offen und frei« für Baden-Württemberg, »unsere zeit« für Baden und »Tribüne für Frieden, Freiheit und Demokratie« für Bayern gezählt, von denen 1967 insgesamt etwa 1,6 Millionen Exemplare verbreitet worden sein sollen. Außerdem vermerkt der Bericht, dass in etwa 130 bundesdeutschen Betrieben eine kommunistische Tätigkeit festgestellt worden sei, gegenüber 100 im Jahr zuvor, und 65 kommunistische Betriebszeitungen erschienen seien, davon 40 regelmäßig. Auch die Existenz von 56 marxistischen Bildungszirkeln wird vermerkt.

 

Anfang August 1968

Mehrere Anträge von IG-Metall-Gremien, darunter sieben Ortsverwaltungen, an den bevorstehenden Gewerkschaftstag der IGM (2.-7.9.68 in München) befürworten die Aufhebung des KPD-Verbots bzw. die Wiederzulassung einer legalen KP. Die Anträge werden u. a. damit begründet, dass dies notwendig sei, »um eine sachliche und legale Auseinandersetzung mit den Kommunisten zu ermöglichen, das Ansehen der Bundesrepublik in der Weltöffentlichkeit zu stärken, die Rechtsunsicherheit im politischen Strafrecht zu beseitigen und eine Versachlichung der Beziehungen zwischen beiden Teilen Deutschlands zu fördern«. (Die Anträge wurden auf dem Gewerkschaftstag nach streitbarer Debatte von der Kongressmehrheit abgelehnt).

 

22.August 1968

Acht Persönlichkeiten der außerparlamentarischen Opposition wenden sich in einem »Offenen Brief an westdeutsche Kommunisten« gegen den Einmarsch der Truppen der UdSSR und anderer Warschauer Paktstaaten in die CSSR als im Widerspruch zu den Prinzipien des internationalen Sozialismus stehend und Schädigung des Fortschritts der sozialistischen Bewegung im internationalen Maßstab Es wird die Frage aufgeworfen, ob auch die westdeutschen Kommunisten diesen Schritt »offen diskutieren und kritisch dazu Stellung beziehen« werden. Die Mitarbeit der westdeutschen Kommunisten in der außerparlamentarischen Bewegung, für die die Unterzeichner sich aussprechen, setze voraus, »dass westdeutsche Kommunisten bereit sind, auch die Politik der UdSSR von sozialistischen Prinzipien aus unter Kritik zu nehmen«. Insofern entscheide »das Verhalten der westdeutschen Kommunisten jetzt über die Möglichkeiten weiterer Zusammenarbeit in der außerparlamentarischen Opposition«. Der Brief ist unterzeichnet von Dr. Andreas Buro, Heiner Halberstadt, Klaus Vack, Herbert Stubenrauch, Prof. Abendroth, Arno Klönne, Philipp Pleß und Rudolf Segall. Einige Tage später antworten acht westdeutsche Kommunisten ebenfalls mit einem Offenen Brief. Darin wird die »grundsätzlich andere Beurteilung des Eingreifens der fünf sozialistischen Länder« durch die westdeutschen Kommunisten unter Verweis auf eine real existente konterrevolutionäre Gefahr in der CSSR ausführlich begründet, zugleich aber betont, dass angesichts der Politik der herrschenden Kreise in der BRD trotz vorhandener grundsätzlicher Meinungsverschiedenheiten die Zusammenarbeit der demokratischen und sozialistischen Kräfte weiterhin dringend geboten ist und nicht von irgendwelchen Vorbedingungen abhängig gemacht werden darf, da jeder Partner dieser Zusammenarbeit seine volle Entscheidungsfreiheit behalten müsse und niemand versuchen dürfe, dem anderen seine Ansichten aufzuzwingen. Der Antwortbrief ist unterzeichnet von Peter Gingold, Kurt Erlebach, Karl-Heinz Schröder, Georg Polikeit, Ellen Weber, Robert Steigerwald, Martha Buschmann und Karl Schabrod.

 

25./26. September 1968

Konstituierung der DKP – Zusammenkunft von 31 Kommunisten in Frankfurt/Main beschließt Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei in der BRD – Verabschiedung der »Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei« – Bildung eines »Bundesausschusses« und Wahl eines Arbeitsausschusses unter Leitung von Kurt Bachmann (weitere Mitglieder: Kurt Erlebach, Hamburg, Josef Mayer, Frankfurt/M., Ludwig Müller, Angermund b. Düsseldorf, Karl-Heinz Noetzel, Essen.). In der Erklärung betont die Partei ihre programmatische und organisatorische Selbstständigkeit. Sie erklärt: »Wir achten das Grundgesetz, wir verteidigen die darin verkündeten demokratischen Grundrechte und Grundsätze. Mit der Neukonstituierung nehme die Partei »die Rechte aus Artikel 21 GG in Anspruch«. – Aufruf zur Bildung von örtlichen Ausschüssen für die neue Partei, Ankündigung einer »größeren Bundestagung« mit Vertretern der örtlichen Ausschüsse zur Beratung der weiteren Schritte und Einberufung des 1. Parteitags. Am nächsten Tag (26.9.) Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Neukonstituierung im »Haus Kanne« im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen mit rund 100 anwesenden Medienvertretern, nachdem der ursprünglich vorgesehene Ort der PK im Frankfurter Hotel Intercontinental infolge Weigerung der Direktion, den vereinbarten Raum zur Verfügung zu stellen, verlegt werden musste.

 

27. September 1968

Der Regierungssprecher der Bundesregierung, Diehl, erklärt auf Anfrage von Journalisten in der Bundespressekonferenz, dass die Bundesregierung die Verfassungskonformität der neukonstituierten DKP überprüfe und sich dabei nicht nur mit ihrem Programm, sondern auch mit ihrem »weiteren Verhalten« befasse. Wenn sowohl das Programm als auch das Verhalten dem Grundgesetz entspreche, könne die DKP nicht verboten werden.

 

27. September 1968

Der SPD-Pressedienst reagiert mit wilden antikommunistischen Ausfällen auf die Konstituierung der DKP. Es wird behauptet, dass die Kommunisten in der BRD »willige Handlanger des Sowjetimperialismus« seien, denen man »auf die Finger schauen« müsse und die »moralisch außerhalb unseres Volkes« stehen. Seitens der Kommunisten wurde dazu daran erinnert, dass sieähnlicheäußerungen ihres Ausschlusses aus der »Volksgemeinschaft« zuletzt von den Handlanger des NS-Terrors gehört hätten.

 

Sepp Aigner
Quelle: Chronik 1968 (Neukonstituierung der DKP)

 


45 Jahre DKP – Anmerkungen zu Entstehung, Ergebnissen und Perspektiven Referat von Georg Polikeit zu einem Bildungsseminar der DKP Schleswig-Holstein am 21. September 2013