Partei
Miethaie
Redebeitrag von Klaus Stein auf der wohnungs- und mietenpolitischen Konferenz der DKP:
Miethaie, die Bremse Mietpreis und der Drache Grundrente
(auf die kapitalistische Hydra komme ich auch noch zu sprechen)
Engels hat 1873 darauf hingewiesen, dass der Eigentümer bei der Vermietung einer Wohnung deren Gebrauchswert für einen Tauschwert zur Verfügung stellt. Sie ist selbstverständlich Ware, aber im Unterschied zu anderen Waren werde die Wohnung über einen längeren Zeitraum benutzt. Ein Brot sei innerhalb eines Tages verzehrt, die Hose in einem Jahr verschlissen.
»Bei Waren von langer Verschleißdauer tritt also die Möglichkeit ein, den Gebrauchswert stückweise, jedesmal auf bestimmte Zeit, zu verkaufen, d.h. ihn zu vermieten. Der stückweise Verkauf realisiert also den Tauschwert nur nach und nach; für diesen Verzicht auf sofortige Rückzahlung des vorgeschossenen Kapitals und des darauf erworbenen Profits wird der Verkäufer entschädigt durch einen Preisaufschlag, eine Verzinsung, deren Höhe durch die Gesetze der politischen Ökonomie, durchaus nicht willkürlich, bestimmt wird. Am Ende der hundert Jahre ist das Haus aufgebraucht, verschlissen, unbewohnbar geworden.
Wenn wir dann von dem gezahlten Gesamtmietbetrag abziehen:
- die Grundrente
- nebst der etwaigen Steigerung, die sie während der Zeit erfahren,
- und die ausgelegten laufenden Reparaturkosten,
so werden wir finden, daß der Rest im Durchschnitt sich zusammensetzt:
- aus dem ursprünglichen Baukapital des Hauses,
- aus dem Profit darauf,
- und aus der Verzinsung des nach und nach fällig gewordenen Kapitals und Profits.«
(Zur Wohnungsfrage, 1873, MEW 18, 270)
Die Miete setzt sich also nach Engels anteilig zusammen aus: Grundrente, Instandhaltungskosten, Baukapital plus Profit sowie Kredite plus Zinsen.
Zunächst möchte ich mich mit der Grundrente beschäftigen.
Marx untersucht sie im dritten Band des Kapitals. Er unterstellt, dass die Landwirtschaft zu seiner Zeit schon von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht werde. Diese Unterstellung
»schließt ein, daß sie alle Sphären der Produktion und der bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, daß also auch ihre Bedingungen, wie freie Konkurrenz der Kapitale, Übertragbarkeit derselben von einer Produktionssphäre in die andre, gleich Höhe des Durchschnittsprofits usw. in ihrer ganzen Reife vorhanden ist«. (MEW 25, 627)
Die Grundrente bezeichnet den Teil des Ertrages, den ein Pächter dem Eigentümer des von ihm genutzten Bodens regelmäßig zu entrichten hat. Bei der Grundrente gibt es Unterschiede, die im Verhältnis zur Durchschnittsrente zu zusätzlichem Einkommen führen. Die Differentialrente I geht auf Unterschiede in der Lage und Qualität der Böden zurück, die Differentialrente II entsteht durch Kapitalinvestitionen, die die Erträge der Böden verbessern.
»Die Differentialrente tritt überall ein und folgt überall denselben Gesetzen, wie die agrikole (landwirtschaftliche) Differentialrente, wo überhaupt Rente existiert.
Überall, wo Naturkräfte monopolisierbar sind und dem Industriellen, der sie anwendet, einen Surplusprofit sichern, sei es ein Wassergefälle oder ein reichhaltiges Bergwerk oder ein fischreiches Wasser oder ein gut gelegner Bauplatz, fängt der durch seinen Titel auf einen Teil des Erdballs zum Eigentümer dieser Naturgegenstände Gestempelte diesen Surplusprofit dem fungierenden Kapital in der Form der Rente ab.« (MEW 25, 781)
Der Einfluss der Lage auf die Differentialrente zeige sich namentlich bei Baugrundstücken in großen Städten. Der Eigentümer müsse keine Hand rühren, er riskiere nichts und trage nichts bei, wenn er den Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung ausbeute, noch dazu häufig zu Monopolpreisen. Wenn das Grundeigentum mit dem industriellen Kapital in derselben Hand vereinigt werde, gewinne es eine ungeheure Macht und könne gar die Arbeiter im Kampf um den Arbeitslohn praktisch von der Erde als ihrem Wohnsitz ausschließen.
»Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von den andern einen Tribut für das Recht, die Erde bewohnen zu dürfen, wie überhaupt im Grundeigentum das Recht der Eigentümer eingeschlossen ist, den Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu exploitieren. Nicht nur das Steigen der Bevölkerung, und damit das wachsende Bedürfnis der Behausung, sondern auch die Entwicklung des fixen Kapitals, das sich entweder der Erde einverleibt oder Wurzeln in ihr schlägt, auf ihr ruht, wie alle industriellen Gebäude, Eisenbahnen, Warenhäuser, Fabrikgebäude, Docks usw., steigert die Baurente notwendig.«
Marx unterscheidet die Miete, soweit sie Zins und Amortisation des im Haus angelegten Kapitals ist, von der Rente für den bloßen Boden. Letztere verlange mehrfachen Tribut, nicht zuletzt durch die Nachfrage nach Baugrundstücken, die den Wert des Bodens steigere. Hier setze die Spekulation an. Er zitiert einen Spekulanten, der bekennt, wenig Profit aus den Gebäuden selbst zu schlagen, umso mehr durch die Steigerung der Grundrenten. (siehe MEW 25, 781ff.)
Historisch geht die Grundrente aus dem feudalen Eigentum hervor. Genauer: aus der feudalen, gewaltsamen Aneignung von Grund und Boden, und der Herrschaft des Feudalherren über die von ihm abhängigen Bauern. In den Jahrhunderten feudaler Produktionsweise entwickelten sich nacheinander drei Formen der Grundrente: Arbeitsrente, Produktenrente und Geldrente.
Der antike Grund und Boden der römischen Kaiserzeit war des Kaisers, wie schon vorher in der Republik gewissermaßen staatlich. Noch das römische Kolonat lässt den feinen Unterschied von Besitz und Eigentum erkennen. Der letztlich gesellschaftliche Eigentumsvorbehalt, der sprachlich im Wort Lehen enthalten ist, verliert sich später. Das überwiegende und vollständige Privateigentum an Grund und Boden ist erst eine historische Konsequenz des Feudalismus. Wie sich bis zur Aufklärung im Bild des Drachen die Menschheit qua Mythos an die Saurier des Mesozoikums erinnert, schlagen wir uns bei der kapitalistischen Grundrente mit einem feudalen Relikt herum. Aber ich möchte in Abwandlung eines Bonmots von Süverkrüp sagen: Privateigentum an Grund und Boden gleich wie an Produktionsmitteln war historisch notwendig und prinzipiell prima, aber – alles zu seiner Zeit.
Marx sagt es so:
»[Das Grundeigentum] unterscheidet sich von den übrigen Arten des Eigentums dadurch, daß auf einer gewissen Entwicklungshöhe, selbst vom Standpunkt der kapitalistischen Produktionsweise aus, es als überflüssig und schädlich erscheint.« (MEW 25, 635 f.)
Der spezifische Charakter der Grundrente wird gerne verkannt, weil sie sich als Zins verhüllt. Das Stück Boden erscheint als Kapital, auf dessen Menge von der Grundrente, wie wenn sie Zins wäre, zurückgeschlossen wird.
»Ist z. B. der mittlere Zinsfuß 5%, so kann also auch eine jährliche Grundrente von 200 Pfund Sterling als Zins eines Kapitals von 4000 Pfd. St. betrachtet werden. Es ist die so kapitalisierte Grundrente, die den Kaufpreis oder Wert des Bodens bildet, eine Kategorie, die prima facie (auf den ersten Blick), ganz wie der Preis der Arbeit irrationell ist, da die Erde nicht das Produkt der Arbeit ist, also auch keinen Wert hat. Andererseits aber verbirgt sich hinter dieser irrationellen Form ein wirkliches Produktionsverhältnis. [...]
Es ist in der Tat der Kaufpreis nicht des Bodens, sondern der Grundrente, die er abwirft, berechnet nach dem gewöhnlichen Zinsfuß.« (MEW 25, 636)
Wir haben es folglich beim Bodenpreis mit der kapitalisierten Grundrente zu tun. (MEW 25, 816). Die Summe, die für den Boden bezahlt wird, ist an sich Kapital, wie sie in Kapital verwandelt werden kann. Aber vom Verkäufer hängt es ab, welchen Gebrauch er davon macht, ob das von ihm erhaltene Geld sich wirklich in Kapital verwandelt oder nicht.
»Für den Käufer kann es nie mehr als solches fungieren, so wenig wie jedes andere Geld, dass er definitiv verausgabt hat. In seiner Berechnung erscheint es für ihn als zinstragendes Kapital, weil er die Einnahme, die er als Rente vom Boden [...] erhält, als Zins des Geldes berechnet, das ihm der Ankauf des Titels auf diese Revenue gekostet hat. Als Kapital kann er es nur realisieren durch den Wiederverkauf.« (MEW 25, 817 f.)
»Es folgt daher, daß, die Grundrente als konstante Größe vorausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt wie der Zinsfuß steigt oder fällt. Fiele der gewöhnliche Zinsfuß von 5 auf 4%, so stellte eine jährliche Grundrente von 200 Pfd. St. die jährliche Verwertung eines Kapitals von 5000 Pfd. St. statt von 4000 Pfd. St. vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 4000 auf 5000 Pfd. St. gestiegen. [...]Umgekehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuß geregelte Bewegung des Bodenpreises. Da wir aber gesehn haben, daß die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung eine Tendenz zum Fallen hat und daher auch der Zinsfuß, soweit er durch die Profitrate geregelt wird; daß ferner, auch abgesehn von der Profitrate, der Zinsfuß eine Tendenz zum Fallen hat infolge des Wachstums des verleihbaren Geldkapitals, so folgt, daß der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch unabhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der Bodenprodukte, wovon die Rente einen Teil bildet.« (MEW Bd. 25, 636f.)
Durch die gegenwärtige Krise herrscht gar ein nie gekannter Überfluss an »verleihbarem Geldkapital« und die Zinsen sind historisch niedrig. Da wird von Marx schon der Dollpunkt der Gentrifizierung identifiziert.
Engels beschreibt sie so:
»Die Ausdehnung der modernen großen Städte gibt in gewissen, besonders in den zentral gelegenen Strichen derselben dem Grund und Boden einen künstlichen, oft kolossal steigenden Wert; die darauf errichteten Gebäude, statt diesen Wert zu erhöhn, drücken ihn vielmehr herab, weil sie den veränderten Verhältnissen nicht mehr entsprechen; man reißt sie nieder und ersetzt sie durch andre. Dies geschieht vor allem mit zentral gelegenen Arbeiterwohnungen, deren Miete, selbst bei der größten Überfüllung, nie oder doch nur äußerst langsam über ein gewisses Maximum hinausgehn kann. Man reißt sie nieder und baut Läden, Warenlager, öffentliche Gebäude an ihrer Stelle.« (MEW 18, 215)
»Der Bonapartismus hat durch seinen Haussmann in Paris diese Tendenz aufs kolossalste zu Schwindel und Privatbereicherung ausgebeutet; aber auch durch London, Manchester, Liverpool ist der Geist Haussmanns geschritten, und in Berlin und Wien scheint er sich ebenso heimisch zu fühlen. Das Resultat ist, daß die Arbeiter vom Mittelpunkt der Städte an den Umkreis gedrängt, daß Arbeiter- und überhaupt kleinere Wohnungen selten und teuer werden und oft gar nicht zu haben sind, denn unter diesen Verhältnissen wird die Bauindustrie, der teurere Wohnungen ein weit besseres Spekulationsfeld bieten, immer nur ausnahmsweise Arbeiterwohnungen bauen.« (MEW, 18, 215)
Friedrich Engels hat sich in der Schrift »Zur Wohnungsfrage« von 1873 vornehmlich gegen die Vorstellungen des Proudhonisten Mülberger gewandt. Mülberger geht es um die Lösung der Wohnungsfrage als Teillösung der sozialen Frage. Sein Rezept ist das Wohneigentum für den Arbeiter. Er sucht eine Methode, Mietwohnungen zu Eigentum zu verwandeln. Seine übergeordnete revolutionäre Strategie erschöpft sich in der Abschaffung des Zinses auf gesetzlichem Wege. Sie soll Schritt für Schritt erfolgen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
in diametraler Umkehrung der Tatsachen werden hohe Preise der Grundstücke für die Höhe der Mieten verantwortlich gemacht. In der Tat aber erklären sich die großen Unterschiede jedem vorurteilslosen Beobachter durch die Lage der Grundstücke. Die zu erwartende künftige Rendite wird dem Nutzer im Voraus abverlangt.
In Köln kosten Grundstücke in der Größenordnung 600 bis 1200 qm durchschnittlich gegenwärtig 487 Euro/qm. In Frankfurt sind es 636, in Berlin 279 Euro/qm. Gesetzt den Fall, ich kaufe in Köln ein Grundstück von 1000 qm zum Preis von 500 Euro/qm, in der Summe für 500 000 Euro. Ich baue 10 Wohnungen darauf zu je 100 qm. Baukosten 1200 Euro/qm, in der Summe 1,2 Mio Euro. Um eine Rendite von 5% auf Baukosten und Baugrund zu erzielen, müsste ich eine Gesamtmiete von 85 000 Euro im Jahr verlangen, 8500 pro Wohnung, 710 Euro im Monat, 7,10 Euro pro qm. Baukostenanteil 500, anteilige Grundstückskosten 210 Euro. Ich gehe davon aus, dass die Lage ausschließlich die Grundrente, nicht jedoch die Baukosten verändert. In diesem Beispiel müssten die Mieten in Frankfurt (Main) 765 Euro betragen, bei einem Grundrentenanteil von 265 Euro. Baukredite, deren durchschnittlicher Effektivzinssatz gegenwärtig bei 2,75 Prozent liegt, sollen hier keine Rolle spielen. Im Falle von Eigentumswohnungen zu 3000 Euro/qm könnte in Köln sofort ein vergleichsweise schneller, vor allem höherer Gewinn von 1,3 Mio Euro erzielt werden. Derartige Aussicht ist zudem kreditwürdig und geeignet, Grundstückspreise und Mieten weiter hoch zu treiben und überhaupt die Vermietung als nur zweitbeste Verwertung erscheinen zu lassen. Noch höher sind die Erwartungen bei Büroflächen. Sie werden über Bedarf bereit gehalten. Büroleerstand ist steuerlich begünstigt. Angeblich, damit hier die Mieten begrenzt bleiben. Mit der Folge, dass allein in Köln 700 000 Quadratmeter, in Düsseldorf 1 Mio, in Berlin 1,5 Mio Quadratmeter Büroflächen auf ihre Nutzung warten. Bezüglich Wohnraum ist es genau umgekehrt. Da wird nicht das Vorhalten, sondern der Abriss von leerstehendem Wohnraum subventioniert. Das hat offenkundig den Zweck, das Sinken von Mieten zu verhindern. Diese Politik ist umzukehren. Aber charmant ist auch die Idee, leerstehende Büros in Wohnungen umzuwandeln.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Im August 2012 wurde eine Pestel-Studie veröffentlicht, die den Bedarf an Sozialwohnungen in Deutschland untersucht hat. Der Auftrag kam von einer Wohnungsbau-Initiative, hinter der die IG BAU, der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB), der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie der Deutsche Mieterbund stehen.
Der Bedarf an Sozialwohnungen wurde im September 2001 vom Bundestag enger gefasst. Nunmehr gilt: »Zielgruppe der sozialen Wohnraumförderung sind Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind«.
Diese Studie errechnet bei 40 Mio Haushalten in Deutschland 7,15 Mio Bedarfsträger (= 18%), subtrahiert indes davon die Zahl der Haushalte, die im ländlichen Raum keine Schwierigkeiten bei der kostengünstigen Wohnraumversorgung hätten. Es verbleibe ein Bedarf in Höhe von 5,6 Mio Wohnungen (=14%). Diesem Bedarf steht ein schwindender Bestand gegenüber. Von 2002 ist er von 2,47 Mio auf 1,66 Mio Sozialwohnungen im Jahr 2010 zurückgegangen und wird bei einem jährlichen Rückgang von 100 000 Wohnungen Ende 2012 bei 1,5 Mio gelegen haben. Selbst nach dieser vorsichtigen Rechnung bleiben 3 von 4 Anspruchsberechtigten unversorgt.
Liebe Genossinnen und Genossen,
im April vergangenen Jahres tagte der Städtetag hier in Frankfurt. Er formulierte vier politische Schwerpunkte: Europa stärken – Wasserprivatisierung verhindern – Mietpreisanstieg und Wohnungsmangel dämpfen – Kommunalhaushalte nicht überfordern.
Christian Ude – es war seine letzte Amtshandlung als Präsident des Städtetags – nahm die Lage auf dem Wohnungsmarkt aufs Korn. Er stellte fest, dass 2011 die durchschnittlich verlangten Mieten für freien Wohnraum in den 20 Städten mit den höchsten Steigerungsraten um 5 bis 10 Prozent gestiegen seien. Dieser Preisanstieg habe sich 2012 fortgesetzt. Ude sagte:
»Mieterinnen und Mieter in Städten mit explodierenden Mietpreisen brauchen mehr Schutz vor überzogenen, wirtschaftlich nicht begründbaren Mietsteigerungen sowohl bei bestehenden Mietverträgen als auch bei neuen Mietverträgen für Bauten im Bestand. Aktuell steigen die Mieten in vielen Großstädten so rasant, dass besonders Haushalte mit geringem Einkommen überfordert sind und sogar Familien mit mittleren Einkommen in Schwierigkeiten kommen. Hier sind punktgenau wirkende gesetzliche Regelungen nötig, damit Spekulanten an solchen überhitzten Wohnungsmärkten keine Chance haben.«
Unter anderem schlug er vor, und ihr werdet diese Vorschläge wiedererkennen: Mieterhöhungen sollten bei Wiedervermietung in Regionen mit angespannten Wohnungsmärkten – lokal differenziert durch Rechtsverordnungen der Länder – auf 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zunächst für die Dauer von fünf Jahren beschränkt werden. Die Maklerkosten sollte bei der Wohnungsvermittlung derjenige tragen, der den Makler beauftragt hat.
In der Folge dieses Städtetags haben sich vielerorts schon die Stadtparlamente gerührt und Maßnahmen beschlossen. Der Kölner Stadtrat will beispielsweise den sozialen Wohnungsbau ankurbeln und hat zwecks Erhalt sozial gemischter Stadtteile am 17. Dezember zwei Maßnamen beschlossen
- das »Kooperative Baulandmodell«
- ein Sonderprogramm »Bezahlbaren Wohnraum sichern – Investoren motivieren – Sonderprogramm auflegen.«
Wir haben uns in Köln zu diesen Maßnahmen eine Meinung gebildet. Sie dienen offenkundig zur Beruhigung einer mittlerweile aufgebrachten Öffentlichkeit und werden sonst wenig Wirkung zeigen. Aber wir wollen uns heute auch mit den bürgerlichen wohnungspolitischen Konzepten auseinandersetzen, mit den Täuschungen einer Mietpreisbremse und den meist hilflosen Ansätzen, den sozialen Wohnungsbau wieder zu beleben. Wir sollten darüber beraten, wie wir uns an den Bewegungen gegen die Wohnungsnot beteiligen und wie wir in diesen Bewegungen »die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung« (Kommunistisches Manifest, MEW 4, 492) hervorheben.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Bedeutung der Bodenspekulation hinweisen. Darüber ist schon lange eine Debatte nötig. Wir müssen die Frage nach dem Bodenrecht wieder aufwerfen, die in den siebziger Jahren in Schwung gekommen war. Grund und Boden gehören in Gemeineigentum.
Ein Beispiel aus Köln und Umgebung. In der Südstadt gab es vormals eine Brauerei. Seit einigen Jahren ist das Gelände platt. Es liegt brach. Geplant war hier ein Neubau der Fachhochschule Köln. Was ist passiert?
Im Frühjahr 2008 hatten Beteiligungsfirmen der Bauwens-Gruppe ein Teilstück dieses Geländes für 23 Millionen Euro gekauft und wenige Monate später für 33,4 Millionen an das Land – genauer: an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW – verkauft.
Dieses lukrative Geschäft kam immerhin im Mai 2009 im Landtag zur Sprache. Rüttgers (CDU) war noch Ministerpräsident von NRW. Die damalige Opposition wollte die Grundstücksgeschäfte von Paul Bauwens-Adenauer und Patrick Adenauer beleuchten. Die Abgeordneten interessierte, wie ein Grundstück in nur acht Wochen 10,5 Millionen Euro teurer werden konnte. Auch die Staatsanwaltschaft Wuppertal interessierte diese Frage. Zwei Jahre später musste der neue Finanzminister Walter-Borjans »Verstöße gegen die Landeshaushaltsordnung« vor dem Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages eingestehen. Gegenwärtig ist ein Untersuchungsausschuss immer noch mit der Frage beschäftigt, wie der Beschluss zur Verlagerung der FH zustande gekommen ist und »wer letztendlich in welcher Form von dem beschriebenen Ablauf des Verfahrens profitiert hat.«
Zu diesem Detail hatte am 21. Mai 2009 der Kölner Stadtanzeiger noch mitgeteilt:
»Bereits Anfang Mai 2008 soll es ein zweites Werkstattgespräch im Zusammenhang mit der Erstellung des städtebaulichen Masterplans gegeben haben, den IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer initiiert hat und der die Neubauten für die Fachhochschule im Kölner Süden vorschlägt.«
Bauwens-Adenauer und sein Unternehmen sind Initiatoren weiterer Projekte in Köln. Mit dem Masterplan lassen sie langfristig angelegte Bauprojekte entwickeln und privatisieren gewissermaßen die Stadtplanung in Köln.
Paul Bauwens-Adenauer ist auch sonst ein mächtiger Mann. Er ist Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Köln. Außerdem leitet er als Präsident die IHK NRW – Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen e. V., ist Vizepräsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und außerdem Vorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU in NRW.
Die Dumont-Presse (Kölner Stadtanzeiger, Kölnische Rundschau, Express) ist in dieser Frage schon seit längerer Zeit nicht mehr sehr mitteilsam. Sie geizt mit Informationen über das Geschäftsmodell der Adenauer-Enkel. Aber unterdessen sind die neue Landesregierung und der Kölner Stadtrat übereingekommen, die Fachhochschule in Deutz zu lassen. Jetzt sitzt das Land auf einem teuren Grundstück und ist ratlos, was damit geschehen soll. Man könnte sagen, immerhin hat hier, wenn auch zu einem etwas überteuerten Preis eine Verstaatlichung vormals privaten Geländes stattgefunden.
Der Vorschlag der DKP-Gruppe Köln Innenstadt lautet: zunächst sollte der Landtag, um weiteren Schaden zu vermeiden, die schuldige Unternehmensgruppe auflösen und sie entsprechend Artikel 27,2 der Landesverfassung (»Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, sind zu verbieten«) entschädigungslos enteignen.
Sodann sollte das Land NRW zusammen mit der Stadt Köln anstelle des nunmehr ins Auge gefassten Justizzentrums Geschosswohnungen auf das Grundstück stellen und günstig vermieten – entsprechend Artikel 29,2 der Landesverfassung: »Das Land hat die Aufgabe, nach Maßgabe der Gesetze neue Wohn- und Wirtschaftsheimstätten zu schaffen […]«. Von Justizzentren ist dort ja nicht die Rede.
Eine solche Maßnahme könnte aber den Wohnungsmarkt entspannen und private Vermieter zur Minderung ihrer Mieten verlocken.
Auch der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) hätte mit dieser Maßnahme eine schöne Aufgabe. Der BLB ist noch nicht sehr alt. Das Bau- und Liegenschaftsbetriebsgesetz – BLBG – ist am 12. Dezember 2000 verabschiedet worden, wenige Monate, nachdem Wolfgang Clement als Ministerpräsident, damals noch SPD, wiedergewählt worden war. Nach diesem BLBG hat der BLB »die Aufgabe, Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten.« (§ 2,1 BLBG).
Gemäß der Forderung nach »Beachtung der baupolitischen Ziele des Landes« sollte nach unserer Vorstellung der BLB statt Privatisierungen vorzubereiten den eben erwähnten Artikel 29,2 der Landesverfassung mit Leben füllen.
Die gesellschaftliche Realität sieht leider anders aus. Es sind bemerkenswert gestiegene Kosten beim Duisburger Landesarchivs, dem Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk, der Fachhochschule Köln und dem Kauf des Schlosses Kellenberg angefallen. Das fiel im Dezember 2010 auf. Nun ermittelt seit Jahren die Wuppertaler Staatsanwaltschaft gegen führende BLB-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Die Ermittler gehen von einem dreistelligen Millionen-Schaden für das Land aus. Der Landtag wollte wissen, wer die politische Verantwortung für die Kostenexplosion trägt und warum auffällig oft private Investoren beim Grundstückskauf dem Land zuvorkamen.
Im Mai 2011 wurde ein Untersuchungsausschuss vom Landtag eingesetzt, der die Geschäfte des BLB und die Kostensteigerungen bei den genannten Bauobjekten untersuchen sollte. Er hatte etwas mehr als ein Jahr Zeit dazu. Bis zur Auflösung des Landtags am 14. März 2012 konnte der Untersuchungsausschuss aber noch keine Ergebnisse vorlegen.
Nach den Neuwahlen im Mai 2012 setzte der neue Landtag in seiner Sitzung am 13. Dezember 2012 erneut einen Untersuchungsausschuss ein. Die Aufgaben wurden erweitert, jetzt ging es um weitere Vorgänge, etwa beim Vodafone-Hochhaus in Düsseldorf und beim Landesbehördenhaus Bonn.
Am 21. Dezember 2013, drei Jahre nach der ersten Konstituierung des BLB-Untersuchungsausschusses, konnte man in der Kölnischen Rundschau lesen:
»Mit der Vernehmung des ersten Zeugen ist der Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags zu verdächtigen Immobiliendeals in die heiße Phase gestartet. Schon bei der ersten Frage war gestern allerdings Schluss für alle Beobachter: Staatsanwalt Ole Eicker aus Wuppertal durfte öffentlich nicht einmal beantworten, ob die Korruptionsermittlungen, in die er seit Jahren eingebunden ist, noch andauern. Eine Frage, die die Behörde jedem Journalisten beantwortet, der sie stellt: ›Ja, sie dauern noch an und sind schon weit fortgeschritten.‹
Der zähe Einstieg in die Aufklärungsarbeit verdeutlicht die Probleme des Ausschusses, der sich ein Jahr lang weitgehend mit Verfahrensfragen beschäftigt hat. Bestandteile der Ermittlungsakten stehen nicht zur Verfügung, andere sind als vertraulich eingestuft, und die entscheidenden Figuren der Affäre können sich ohnehin auf ihr Schweigerecht berufen.«
Soweit aus dem Bericht der Kölnischen Rundschau.
Ich komme noch mal auf Engels zurück. Er hält die Wohnungsnot für »ein notwendiges Erzeugnis der bürgerlichen Gesellschaftsform«. Er sagt, dass
»die eine Gesellschaft nicht ohne Wohnungsnot bestehen kann, in der die große arbeitende Masse auf Arbeitslohn, also auf die zu ihrer Existenz und Fortpflanzung notwendige Summe von Lebensmitteln, ausschließlich angewiesen ist; in der fortwährend neue Verbesserungen der Maschinerie usw. Massen von Arbeitern außer Arbeit setzen; in der heftige, regelmäßig wiederkehrende industrielle Schwankungen einerseits das Vorhandensein einer zahlreichen Reservearmee von unbeschäftigten Arbeitern bedingen, andrerseits zeitweilig die große Masse der Arbeiter arbeitslos auf die Straße treiben; in der Arbeiter massenhaft in den großen Städten zusammengedrängt werden, und zwar rascher, als unter den bestehenden Verhältnissen Wohnungen für sie entstehn, in der also für die infamsten Schweineställe sich immer Mieter finden müssen; in der endlich der Hausbesitzer, in seiner Eigenschaft als Kapitalist, nicht nur das Recht, sondern, vermöge der Konkurrenz, auch gewissermaßen die Pflicht hat, aus seinem Hauseigentum rücksichtslos die höchsten Mietpreise herauszuschlagen. In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen auf die Gesundheit usw. nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird.« (MEW 18, 236)
Ich werde jetzt nicht über das Verhältnis von Reform und Revolution räsonieren. Stattdessen ist das folgende vielleicht hilfreich: schon in der französischen Revolution wurde von den Jakobinern für das alte Regime das Bild einer Hydra verwandt, die das Volk als Herakles zu besiegen hatte. Die lernäische Hydra der griechischen Mythologie war ein Schlangenungeheuer mit neun Köpfen. Für jeden abgeschlagenen wuchsen sogleich zwei andere nach. Der Kopf in der Mitte war zudem unsterblich. Herakles konnte schließlich den Sieg erringen, in dem er nach dem Abschlagen der Köpfe die Hälse mittels Fackel ausbrannte. Ovid lässt ihn sagen (Metamorphosen, Buch IX, 192/193, Übersetzung Erich Rösch):
[…] nec profuit hydrae
crescere per damnum geminasque resumere vires.
(Nicht hat der Hydra genutzt,
durch Schaden zu wachsen und nicht, ihre Kräfte stets zu verdoppeln.)
Klaus Stein, 22. März 2014
Bild: Archiv Kulturvereinigung
Wohnungs- und mietenpolitische Konferenz der DKP