Partei

Diskussionsbeitrag zur Bundestagswahl und DKP

Porträt Georg Polikeit.

 

 

 

 

 

Georg Polikeit war von Januar 1972 bis Dezember 1988 Chefredakteur der UZ (Unsere Zeit), der Zeitung der DKP. Er ist Kenner der EU und nutzt für seine Recherchen auch französisch-sprachige Quellen.

 

Zur Lage nach der Bundestagswahl
und zur Lage in der DKP

aktueller Diskussionsbeitrag

Ich will zu den zwei o.g. Themenkreisen etwas schreiben: Zur Lage nach der Bundestagswahl und zur Lage in der DKP.

Das in dem gegebenen Platz ziemlich schwierig. Ich kann daher keine umfassende Einschätzung der Lage mit allen damit zusammenhängenden Fragen bieten, sondern lediglich ein paar Punkte streiflichtartig erwähnen. Ich konzentriere mich dabei auf einige wenige Fragen, die aufgrund der entstandenen Lage meiner Meinung nach in der unmittelbar nächsten Zeit im Mittelpunkt unserer Parteiaktivität stehen müssten. Sowohl zentral wie in der Tätigkeit der Kreise und Gruppen vor Ort. Ich beschränke mich dabei auf vier aktuell-politische Tätigkeitsfelder, bei denen ich meine, dass es trotz der vorhandenen starken Meinungsverschiedenheiten möglich sein müsste und könnte, gemeinsame Aktivitäten, sozusagen «strömungsübergreifend», zu entwickeln. Das heißt natürlich nicht, dass es vor Ort auch viele andere Themenbereiche geben kann, bei denen wir aktiv an der Entwicklung von Bewegungen mitwirken sollten, beispielsweise zum Thema der gravierenden Wohnungsnot in vielen Städten.

Auch zur Parteifrage werde ich mich nur auf Anmerkungen zu einigen Problemen beschränken, die gegenwärtig in der Diskussion sind. Also keine umfassende Betrachtung dazu.

Im Grunde hoffe ich auf ergänzende, bereichernde und möglicherweise auch widersprechende Diskussionsbeiträge, damit wir einen interessanten Meinungsaustausch haben können.

Zur Lage nach der Bundestagswahl

Dass das Ergebnis der Bundestagswahl als ein weiterer Rechtsruck in Deutschland mit gefährlichen Folgen eingeschätzt werden muss, wird nicht nur von uns festgestellt. Ein Rechtsruck im politischen Kräfteverhältnis, aber leider auch ein Rechtsruck in der Stimmung von großen Teilen der Bevölkerung.

Die Frage, die sich ergibt, ist aber, ob wir uns die Tragweite dieses Rechtsrucks für die nächste vor uns liegende Zeit, für die kommenden vier Jahre schon genügend bewusst gemacht haben. Haben wir schon die Folgen im Blick, die sich daraus für die Menschen in diesem Land und damit auch für uns ergeben und ergeben können? Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für unsere eigene politische Tätigkeit in der nächsten Zeit?

Die UZ erschien in ihrer ersten Ausgabe nach der Wahl mit der Titelzeile: «Weiter so mit Mutti». Da fragt man sich schon, warum wir das «Mutti»-Bild übernehmen, das in der bürgerlichen Boulevardpresse doch mit wohlkalkulierter Absicht gepflegt wird. Selbst wenn es hier ironisch gemeint war.

Aber vor allem: ein «Weiter so» wird es nach dieser Wahl eben gerade nicht geben.

Zur AfD

Der Rechtsruck besteht nicht nur aus dem Einzug der AfD als drittstärkste Fraktion in den Bundestag mit einer großen Truppe von fast hundert Abgeordneten. Plus damit zusammenhängenden, aus Steuermitteln bezahlten Assistentenstellen, Wahlkreisbüros und vielen anderen Vorteilen und neuen Möglichkeiten der Stimmungsmache in der Öffentlichkeit.

Schon dies allein wird spürbare Folgen haben, sowohl im parlamentarischen Betrieb, aber vor allem für die Entwicklung von Stimmungen in Teilen der Bevölkerung. Und nicht zuletzt auch in den Medien.

Es ist falsch, die AfD pauschal als neofaschistische Partei zu bezeichnen.

Die AfD ist eine reaktionäre Rechtspartei neben CDU und CSU mit erzkonservativer, nationalistischer und fremdenfeindlicher Ausrichtung. Sie verfügt über einen rechtsbürgerlichen Flügel, aber auch über einen starken im Rechtsextremismus verankerten Flügel, der die Kontakte zu jeder Art von Neonaziszene pflegt.

Die AfD erfüllt im Parteiensystem der Bundesrepublik schon heute ganz bestimmte Aufgaben:

  • Sie wird als rechtes Auffangbecken, als Reserveformation aufgebaut und gebraucht, falls die Abwanderung von CDU, CSU und anderen Parteien weiter anhält oder noch stärker wird.
  • Sie erfüllt die Funktion einer Stichwortgeberin und «Drückerkolonne» für das weitere Vorantreiben der Rechtsentwicklung, was von den Regierenden gern genutzt wird, um ihr eigene Weiter-nach-rechts-Rücken zu verdecken oder aber auch zu rechtfertigen.
  • Die AfD ist ein nützliches Instrument, um die Enttäuschung und Wut über die herrschende Politik auf falsche Ursachen, falsche Sündenböcke und falsche Problemlösungen abzulenken.

Es bleibt also für uns Kommunistinnen und Kommunisten eine erstrangige Aufgabe, an der Errichtung von Dämmen jeder Art gegen die rechte Flut mitzuwirken. Gemeinsam mit vielen anderen demokratisch gesinnten Menschen.

Wir werden uns in der nächsten Zeit noch stärker und intensiver als bisher mit flüchtlings- und fremdenfeindlichen Stimmungen, mit der Schürung von Angst vor Terrorismus und anwachsender Kriminalität, mit deutschtümelnd-nationalistischen Parolen auseinandersetzen müssen. Darauf sollten wir uns bewusst einstellen und uns die dazu nötigen Argumente aneignen oder wieder ins Gedächtnis rufen.

Ich stelle zu diesem Punkt auch zur Diskussion, ob die DKP auf dem kommenden Parteitag nicht eine Initiative zu einer bundesweiten Anti-AfD-Kampagne beschließen sollte. Eine Kampagne, die sich gezielt und präzise speziell mit der AfD und den von ihr verbreiteten Parolen und Programmpositionen auseinandersetzt. Beispielsweise mit einem gut gestalteten, verständlich geschriebenen Material mit einleuchtenden Argumenten, einem Traktat oder einer kleinen Broschüre, vielleicht mit treffenden Karikaturen oder Comics, das wir dann bundesweit an Infoständen usw. verteilen könnten. Auch Aufkleber oder Klebezettel wären angebracht. Das könnte nach meiner Vorstellung beispielsweise eine bundesweite Aktivität sein, in der die ganze Partei wieder «strömungsübergreifend» tätig werden könnte.

Es geht aber nicht nur um die AfD.

Es ist richtig: CDU, CSU und SPD haben bei der Bundestagswahl deutliche Verluste erlitten. Aber können wir uns damit zufriedengeben?

Müssen wir nicht auch zur Kenntnis nehmen und in unsere weiteren politischen Überlegungen einbeziehen, dass CDU und CSU immer noch mehr als 15,7 Millionen Wähler hinter sich bringen konnten? Zusammen mit der AfD ergibt sich, dass fast 40 % der Wähler den Kurs nach rechts zumindest gebilligt haben, jedenfalls eine linke Alternative nicht als eine bessere Lösung für ihre Probleme ansehen.

Umso mehr gilt, dass die Auseinandersetzung mit rechten und rechtsextremistischen Positionen ein zentrales politisches Arbeitsfeld in unserer künftigen Tätigkeit sein muss.

Das Gute ist, dass wir dabei nicht allein stehen.

Gerade in dieser Frage wird es sicher weiter die Möglichkeit geben, in breiten Bündnissen mitzuarbeiten. Und zwar in Bündnissen weit über die Linken hinaus. Bis weit in die Gewerkschaften, in christliche und andere bürgerliche Kreise hinein, auf örtlicher Ebene auch bis in die CDU, SPD, die Grünen und mancherorts auch in die FDP hinein.

Wir sollten uns also darauf orientieren, in solchen Bündnissen engagiert mitzuarbeiten, In partnerschaftlichem Respekt gegenüber den anderen Beteiligten. Auch wenn sie nur die im Grundgesetz stehenden demokratische Grundsätze und Werte gegen die AfD verteidigen wollen und unsere systemkritische und antikapitalistische Einstellung nicht teilen.

Generell bekommt meiner Meinung nach die Verteidigung des Grundgesetzes und der darin enthaltenen demokratischen Grundsätze, das bewusste Anknüpfen an diesen Grundsätzen in unseren politischen Äußerungen in den kommenden Jahren einen noch höheren Stellenwert als bisher.

Rechtsentwicklung im wirtschaftlich-sozialen Bereich

Die mit der Bundestagswahl eingeleitete weitere Rechtsentwicklung wird nicht nur den politischen Bereich betreffen. Sie wird auch im wirtschaftlich-sozialen Bereich sehr spürbare Folgen haben.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat punktgenau zum Beginn der Koalitionsverhandlungen und zur konstituierenden Sitzung des Bundestags ein Zehn‑Punkte‑Programm für die kommende Legislaturperiode veröffentlicht und dieses Papier an alle Teilnehmer an den Koalitionsverhandlungen und alle Bundestagsabgeordneten verschickt.

Darin formuliert der BDI zentrale Forderungen des Kapitals, die in den kommenden vier Jahren durchgesetzt werden sollen. Zu den Leitlinien dieses Programms gehören wörtlich «Eigenverantwortung statt Umverteilung» und «Innovation und Investitionen statt weiterer sozialer Wohltaten». Und ebenfalls wörtlich dann ausdrücklich: «Sprudelnde Steuereinnahmen, Wirtschaftswachstum und niedrige Zinsen dürfen nicht zu einem Weiter so führen».

Damit ist klar: das Kapital will kein «Weiter so» . Die Unternehmer wollen und fordern von der künftigen Regierung und Bundestagsmehrheit, dass die Offensive des Kapitals auf die sozialen Lebensverhältnisse der Bevölkerung nicht nur wie bisher fortgesetzt, sondern verschärft und beschleunigt weiter vorangetrieben wird.

Die maßgebenden Kapitalkreise wollen eine neue Phase verstärkter neoliberaler Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, die Senkung der sogenannten «Arbeitskosten» , also der Ausgaben für Arbeitskräfte, die Ausweitung von Billiglohn-Arbeitsverhältnissen, des Niedriglohnsektors, die größere Flexibilisierung der Arbeitszeiten und die Einschränkung von Überstundenkosten, die weitere Durchlöcherung des Kündigungsschutzes zum schnelleren Heuern und Feuern der Beschäftigten zwecks schnellerer Anpassung an sich verändernde Auftragslagen und Konjunkturschwankungen.

Außerdem fordert der BDT größere Steuererleichterungen für die Unternehmen. Natürlich mit der Folge, dass damit die Einnahmen für Bund, Länder und Gemeinden schrumpfen. Gleichzeitig ist es aber im Zehn-Punkte-Programm des BDI auch eine wichtige Forderung, mehr Investitionen aus Steuermitteln in die Infrastruktur zu fördern. Damit sind natürlich vor allem mehr öffentliche Aufträge an die Privatwirtschaft beim Straßen- und Brückenbau, beim Ausbau von digitalen Netzen usw. gemeint.

Folglich werden Bund, Länder und Gemeinden also künftig noch weniger Geld als bisher für das Bildungs- und Gesundheitswesen, für die Kultur, für die Förderung von Sport und Freizeit, für Sozialhilfe haben. Das kann nur heißen, dass verschärfte Sparmaßnahmen in allen diesen Bereichen vorprogrammiert sind. Eben deshalb propagiert der BDI die Abschaffung von «sozialen Wohltaten» .

Zur Durchsetzung dieses Kurses gehört natürlich auch ein weiterer und verstärkter Angriff auf die Gewerkschaften, um sie weiter zu schwächen und ihre Mitbestimmungs- und Einflußmöglichkeiten, so bescheiden sie auch heute sind, weiter einzuschränken.

Mit anderen Worten: wir haben allen Grund, in Betrieben und Büro, soweit wir dort noch verankert sind, über diese kommenden Entwicklungen zu alarmieren, mit den Kolleginnen und Kollegen darüber zu sprechen. Es bleibt eine zentrale Aufgabe von uns Kommunistinnen und Kommunisten, engagiert in den Gewerkschaften mitzuwirken und bei ihrer Stärkung, auch ihrer zahlenmäßigen Stärkung mitzuhelfen, also aktiv neue Mitglieder für sie zu werben. Das gilt auch dann, wenn der Kurs der Gewerkschaften derzeit nach wie vor überwiegend von der Ideologie der Sozialpartnerschaft geprägt wird. Denn trotz der Vorherrschaft dieser Ideologie kommt es angesichts der objektiven Entwicklungsbedingungen des Kapitalismus und der sich daraus ergebenen Vorhaben der Kapitalseite immer wieder zu sozialen Konflikten, die, wie die Praxis zeigt, auch größere Ausmaße annehmen können. Bei denen wir selbstverständlich aktiv mithelfen und darum bemüht sein müssen, dass die gewerkschaftliche Kampfkraft zum Einsatz gebracht wird, im möglichst engen Schulterschluss mit den übrigen Kolleginnen und Kollegen.

Zugleich ergeben sich aus den Folgen der Rechtsentwicklung im sozialen Bereich aber auch neue Möglichkeiten, auch auf örtlicher Ebene, in lokalen, regionalen oder bundesweiten Zusammenhängen Widerstand gegen weitere Sparma0nahmen, Einschränkung der öffentlichen Mittel und Sozialabbau entwickeln zu helfen, auch hier natürlich möglichst gemeinsam mit Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und vielen anderen in diesen Bereichen tätigen Vereinigungen und Trägern.

Ökologie

Natürlich wird die Rechtsentwicklung auch schwerwiegende Auswirkungen in den Bereichen der Ökologie und der Friedenspolitik haben. Ich kann das nicht ausführlich behandeln. Aber wenigstens sei gesagt:

Die kommende Legislaturperiode wird davon gekennzeichnet sein, dass selbst die klimapolitischen Ziele und die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien, die von der Bundesregierung bisher selbst verkündet worden sind, unter dem Druck der großen Energie- Kohle- und Atomkonzerne weiter zurückgeschraubt werden.

Die wahrscheinliche Beteiligung der Grünen an der nächsten Regierung wird daran kaum etwas ändern.

Dabei sind die schwerwiegenden Folgen der nicht eingehaltenen energiepolitischen Ziele in diesem Bereich unbestreitbar. Und zwar nicht nur in fernerer Zukunft, sondern schon in den unmittelbar nächsten Jahren. Und nicht nur in Afrika oder auf anderen Kontinenten, sondern auch hier bei uns mitten in Europa. Mit sich verschärfenden Extrem-Wettererscheinungen, Stürmen, Überschwemmungen, Trocken- und Dürreperioden, erheblicher Veränderung der Anbaubedingungen für Kulturpflanzen und landwirtschaftliche Produkte sowie schwerwiegenden Folgen für die ganze Biosphäre.

Umso stärker sollten wir also unsererseits an der Entwicklung breiter Bewegungen für die Durchsetzung der notwendigen Klimaschutzziele und die Umstellung auf erneuerbare Energien mitwirken. Ich halte das für einen notwendigen und wichtigen Schwerpunkt für unsere Parteitätigkeit in den nächsten Jahren.

Ähnliches gilt für die Friedensfrage.

Hier muss es meiner Ansicht nach in der nächsten Zeit vor allem darum gehen, eine Bewegung gegen die Erhöhung der Militärausgaben mit dem Ziel des NATO-Kriteriums von 2 % des BIP entwickeln zu helfen. Denn das ist eines der Hauptziele der kommenden Bundesregierung. Und es gibt dafür eine breite Ausgangsbasis in weiten Teilen der Bevölkerung.

Dabei sollten wir meines Erachtens wieder stärker an einer unserer früheren Stärken anknüpfen. Nämlich an der engen Verknüpfung von Rüstungs- und Sozialpolitik. Es muss wieder zu einer verbreiteten generellen Erkenntnis werden: Was für die Modernisierung der Bundeswehr mit neuesten Waffensystemen und Ausrüstungen für Auslandseinsätze ausgegeben wird, kommt nur den Profiten der Rüstungskonzerne zugute. Es dient nicht unserer Sicherheit. Aber es fehlt zwangsläufig im Sozial- und Bildungsbereich, für Lehrer und Schulräume, für öffentliche Gesundheitspflege u.a.m.

Ein zweiter Kernpunkt friedenspolitischer Aktivität in nächster Zeit könnte – ich stelle das zur Diskussion – vielleicht der Versuch sein, eine Kampagne für das Verbot der Atomwaffen und für die Unterzeichnung des entsprechenden internationalen Vertrags durch die Bundesregierung entwickeln zu helfen.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an ICAN, die Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, hat dafür ein günstiges Umfeld geschaffen.

Es ist doch ein nicht hinnehmbarer Skandal, gerade auch angesichts der deutschen Geschichte, dass die Bundesregierung die Verhandlungen über diesen Vertrag boykottiert hat und sich weigert, ihn zu unterzeichnen.

Ich glaube, dass eine solche Kampagne für den Vertrag zum Verbot aller Atomwaffen große Unterstützung finden kann und vielleicht sogar zu einem neuen Aufschwung der Friedensbewegung beitragen könnte, etwa bei den kommenden Ostermärschen und dem Antikriegstag am 1. September.

SPD

Zu den neuen politischen Bedingungen, mit denen wir es in der kommenden Zeit zu tun haben werden, gehört auch eine veränderte Rolle der Sozialdemokratie im bundesdeutschen Parlaments-Betrieb.

Natürlich wird sich damit die Rolle und Politik der SPD nicht grundlegend ändern.

Aber ich würde es nicht für richtig halten, sich unsererseits nur auf die Mitteilung zu beschränken, dass von der Schulz-Nahles-SPD auch in Zukunft nichts anderes zu erwarten sein wird als bisher.

Mit der Oppositionsrolle im Parlament wird die SPD zwangsläufig zu einer stärkeren Kritik und Auseinandersetzung mit der CDU/CSU und mit künftigen Vorhaben einer schwarz-gelben Bundesregierung mit grünem Feigenblatt6 gezwungen sein. Das gilt meines Erachtens auch für ihre Führungskräfte. Das ändert, wie gesagt, nichts an der prinzipiellen Ausrichtung der SPD-Politik. Aber kann darin nicht doch auch eine Chance liegen, mehr Druck von unten als bisher auf den Kurs der SPD auszuüben?

Wie weit dies gehen kann, hängt nicht allein von Schulz und seinen übrigen SPD‑Granden ab. Die neue Rolle der SPD im Parlamentsbetrieb kann auch in Entwicklungen an der Basis Auswirkungen haben und von dort aus wieder auch auf das Verhalten von Spitzenkräften zurückwirken.

Deshalb sollten wir uns meiner Ansicht nach überall da, wo es möglich ist, vor Ort um ein offenes Verhältnis auch zu den Sozialdemokraten bemühen.

Linkspartei

Ich kann hier auch nicht näher auf die Diskussion eingehen, die im Ergebnis der Bundestagswahl innerhalb der Linkspartei entstanden ist.

Es sieht so aus, also ob das Wahlergebnis in den Reihen der Linkspartei eher als unbefriedigend beurteilt wird, obwohl sie doch immerhin eine halbe Million Stimmen hinzugewonnen hat.

Das hängt wohl in erster Linie mit den erheblichen Stimmenverlusten in den ostdeutschen Ländern zusammen, wo viele an die AfD verloren wurden.

Darüber hinaus ergibt sich aber auch generell die Frage, warum es der Linkspartei nicht gelingt, von den Millionen Enttäuschen mehr in ihre Richtung zu lenken. Warum schafft sie es nicht, für bedeutend mehr Menschen als bisher zu einem attraktiven Pol für eine linke Alternative zu werden?

Das könnte meiner Meinung nach viel mit der weitgehenden Beschränkung der Linkspartei auf Parlamentsarbeit auf allen ‚Ebenen, vom Bund bis in die Kommunen, zu tun haben. Das begünstigt den Eindruck, dass auch die Linkspartei im Grunde schon zu den «etablierten Parteien» gehört und in das herrschende System eingebunden ist.

Aber es ist nicht meine Sache, den Linken da gutgemeinte oder vielleicht auch als besserwisserisch empfundene Ratschläge zu geben. Das muss die Linke selbst klären.

Wir in der DKP müssen aber klären, welche Haltung wir künftig unter den neuen Bedingungen einer verschärften Rechtsentwicklung in unserem Land gegenüber der Linkspartei einnehmen.

Können wir uns weiterhin darauf beschränken, unser Verhältnis zur Linkspartei im Wesentlichen auf den Satz zu reduzieren, dass es unsere Aufgabe sei, «Druck von links auf die Linke» auszuüben? Das beherrscht ja derzeit weitgehend die Äußerungen aus der Parteispitze zur Linkspartei und auch die Darstellung in der UZ.

Aber machen wir uns damit nicht etwas vor, was mit unseren derzeitigen Kräften gar nicht realistisch ist?

Oder müssen wir unser Verhältnis zur Linkspartei nicht damit bestimmen, dass wir fragwürdige Tendenzen und Entwicklungen in der Linkspartei zwar weiterhin kritisieren, aber nicht dies in den Mittelpunkt stellen, sondern stattdessen in erster Linie die Gemeinsamkeiten hervorheben und in den Vordergrund stellen, bei denen die Haltung und Aussagen der Linkspartie mit unseren eigenen Ansichten übereinstimmen? Müssen wir angesichts der Gefahren der weiteren Entwicklung nach rechts nicht sogar eine weitere Stärkung der Linkspartei in der bundesdeutschen Parteienlandschaft für wünschenswert halten, weil damit die Bedingungen, das heißt das Kräfteverhältnis für die Durchsetzung einer anderen Politik in Deutschland verbessern würden? Und weil die Linkspartei im Kampf gegen die weitere Rechtsentwicklung nun einmal unser erster Bündnispartner ist oder mindestens sein sollte. Mit wem sonst wollen wir denn in der nächsten Zeit gegen die weitere Rechtsentwicklung ankämpfen?

Zur Situation in der DKP

Nun bleibt mir nur noch wenig Zeit, etwas zur Lage in der DKP zu sagen. Aber ein paar Punkte möchte ich dazu doch noch in die Diskussion einbringen.

Was mich bei diesem Thema mit Blick auf den nächsten Parteitag im März am meisten umtreibt, ist der Umstand, dass sich die Parteiführung, die Mehrheit im Parteivorstand offenbar als völlig unfähig erweist und absolut nicht gewillt ist, auch nur das kleinste Zeichen für Verständigung und Diskussion in Richtung der sogenannten «Parteiopposition» zu senden.

Es ist davon auszugehen, dass die großen Meinungsverschiedenheiten in der Partei, die sich nicht erst seit kurzem ergeben haben, sich in den letzten vier Jahren seit dem 20. Parteitag aber enorm zugespitzt und verhärtet haben, nicht kurzfristig überwunden werden können, schon gar nicht bis zum nächsten Parteitag geklärt und geregelt sein können.

Aber muss das wirklich heißen, dass es keinerlei Möglichkeit mehr gibt, Orientierungen für ein gemeinsames politisches Handeln zu finden, um wenigstens mit den der DKP noch vorhandenen Kräften den Widerstand gegen die weitere Rechtsentwicklung stärken zu helfen?

Ich finde, es ist unsere politische Verantwortung, dies zumindest ernsthaft zu versuchen.

Leider ist aber mit der 9. und 10. PV-Tagung stattdessen nur der große Knüppel von Sanktionen geschwungen worden, die nun vom nächsten Parteitag bestätigt werden sollen. Das hat verhängnisvolle Folgen und wird, wenn es auf dem Parteitag bedenkenlos durchgezogen wird, tatsächlich existenzgefährdende Folgen für die DKP haben.

Begründet wird Vorgehen der Parteispitze mit dem Argument, dass dies zur Wahrung von Einheit und Geschlossenheit der Partei nötig und sogar unverzichtbar sei.

Aber in Wirklichkeit droht das genaue Gegenteil dabei herauszukommen. Nämlich ein weiteres Auseinanderdividieren der kommunistischen, an der marxistischen Theorie orientierten Kräfte in diesem Land, eine weitere, auch zahlenmäßige Schwächung der DKP und die weitere Zersplitterung der Kräfte in immer mehr relativ wirkungslose Kleingruppen, die an der unheildrohenden politischen Entwicklung in diesem Land nicht mehr das Geringste ändern.

Parteikonzept

Dahinter steht meines Erachtens ein veraltetes, durch die geschichtlichen Erfahrungen überholtes Parteiverständnis oder Parteikonzept, bei dem abweichende Meinungen nicht geduldet werden.

Ein solches Parteimodell ist in der kommunistischen Bewegung in der Vergangenheit tatsächlich lange praktiziert worden. Sein Ursprung geht auf Stalins Zeiten zurück. Aber es hatte bekanntlich schon damals verhängnisvolle Folgen. Später gab es einige abschwächende Korrekturen. Dennoch erwiesen sich aber viele Parteien, die es praktizierten, schließlich als nicht in der Lage, die Einheit und Geschlossenheit der Partei unter den Bedingungen der großen Prüfung in der Niederlage von 1989/90 zu bewahren und dieser geschichtlichen Belastung standzuhalten.

Die DKP hat mit dem Parteistatut von 1993 versucht, aus diesen Entwicklungen entsprechende Lehren zu ziehen und ein anderes, für unterschiedliche Meinungen offeneres Parteikonzept zu entwickeln. Dahinter sollten wir auf keinen Fall zurückgehen.

Unterschiedliche Meinungen auch unter Kommunistinnen und Kommunisten sind meiner Meinung nach unter den heute gegebenen Bedingungen eigentlich der Normalzustand. Sie ergeben sich, weil schon die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitglieder heute sehr viel unterschiedlicher sind als in vergangenen Zeiten. Parteimitglieder machen in ihrem Arbeitsleben und in ihrem nachbarschaftlichen Umfeld heute andere, unterschiedlichere Erfahrungen. Die Parteimitglieder haben per Ausbildungsweg und persönlichem und beruflichem Entwicklungsgang unterschiedliche Kenntnisse und einen unterschiedlichen Kenntnis- und Wissensstand. Schließlich sind auch die individuellen Fähigkeiten, zum Beispiel neue Probleme und Entwicklungen zu erkennen, zu verarbeiten und zu verallgemeinern, unterschiedlich. Auch die objektiven Bedingungen im nationalen wie internationalen Rahmen und die Klassenbeziehungen sind nicht einfacher, sondern gegenüber eher komplizierter und differenzierter geworden.

Daraus ergibt sich meines Erachtens, dass unterschiedliche Ansichten und Erfahrungen, die die Mitglieder in die Parteiarbeit einbringen, kein Unglück oder Element der Schwäche sind, sondern eine Bereicherung darstellen können, weil damit das eigene Blickfeld erweitert, die eigenen Vorstellungen ergänzt, erweitert und vergenauert werden können. Vorausgesetzt natürlich, die Partei versteht es, wirklich einen echten kollektiven Meinungsaustausch darüber zu organisieren, in dem Fakten, Argumente und Bewertungen miteinander ausgetauscht und konfrontiert werden. Das heißt, Diskussionen und Meinungsunterschiede in der Partei nicht nur zu dulden, sondern gewollt zu fördern und einen echten Dialog darüber einschließlich notwendiger Auseinandersetzungen zu entwickeln. Aber so sachlich und solidarisch wie möglich, ohne den Gebrauch falscher Behauptungen und abwertender Etikettierungen. Um schließlich dabei einen möglichst breiten Konsens zu suchen und zu finden.

Dabei wird es vermutlich nicht immer möglich sein, in relativ kurzer Zeit volle Übereinstimmung zu erreichen. Dann werden Mehrheitsbeschlüsse unvermeidlich. Aber auch dann sollten möglichst viele Mitglieder vorher in die Meinungsbildung einbezogen und daran beteiligt gewesen sein und ein möglichst breiter Konsens gesucht werden. Knappe Mehrheitsbeschlüsse gegen einen großen Teil der Partei dürfen nicht die Regel, sondern müssen die absolute Ausnahme sein, für die dann auch gesonderte Regeln gelten.

Beschlussverbindlichkeit

Ein Kernstück bei der Auseinandersetzung um diese Fragen ist das Argument von der Beschlussverbindlichkeit.

Doch verfochten wird dabei eine Auffassung von Beschlussverbindlichkeit, die die bedingungslose Unterordnung aller unter einmal gefasste Beschlüsse und die Beteiligung aller an ihrer Umsetzung verlangt, auch wenn diese Beschlüsse vorher stark umstritten waren und nur von einem Teil der Partei als richtig angesehen werden. Alle, die vorher andere Meinung waren, sollen gezwungen sein, ihre bisherige Meinung aufzugeben und das Gegenteil dessen zu tun, was sie selbst für richtig halten und vorher vertreten oder gedacht haben.

Ich stelle die Frage, ob auf diese Weise tatsächlich auch heute noch eine stärkere Einheit und Geschlossenheit der Partei erreicht werden kann.

Was bringt es denn, wenn ich anderen gegenüber gezwungenermaßen Beschlüsse und politische Positionen vertrete, die ich selbst für falsch halte? Wie überzeugend kann ich dann dabei sein?

Kann man Kommunistinnen und Kommunisten, kann man überhaupt Menschen im 21. Jahrhundert heute noch durch Androhung von Sanktionen dazu zwingen, entgegen ihrer eigenen Überzeugung zu handeln?

Ich halte dieses Verständnis von Beschlussverbindlichkeit für einen Trugschluss. Es erzeugt nur Spannungen und Gegensätze unter uns, aber nicht wirklich eine größere Wirksamkeit in der politischen Praxis.

Deshalb sollten und müssen wir meiner Meinung nach über eine andere Vorstellung von Beschlussverbindlichkeit nachdenken, die den geschichtlichen Erfahrungen und den heutigen Bedingungen am Anfang des 21. Jahrhunderts besser gerecht wird.

Nach meiner Meinung kann Beschlussverbindlichkeit heute nur bedeuten, dass Beschlüsse für die gesamte Partei gültig sind, also in ihrem Namen ausgeführt werden können, dass aber nicht jedes Mitglied gezwungen werden kann, gegen seine eigene Überzeugung dabei mitzuwirken.

Besser sind natürlich Beschlüsse, die, bevor sie gefasst werden, in der Meinungsbildung der Partei weitgehende Übereinstimmung oder eine breite Basis gefunden haben. Dann ist Beschlussverbindlichkeit nämlich kein Problem. Das Problem der Beschlussverbindlichkeit entsteht erst bei umstrittenen, relativ knappen Mehrheitsentscheidungen gegen einen relativ großen anderen Teil der Partei. Die Lösung dieses Problems kann aber nicht in der Ausgrenzung und dem Ausschluss der gegenteiligen Meinung liegen. Es muss bei solchen Beschlüssen akzeptiert werden, dass gegenteilige Meinungen fortbestehen und weiter geäußert und zur Diskussion gestellt werden dürfen und dass die Anhänger der Gegenmeinung sich an der Ausführung solcher Beschlüsse nicht beteiligen, weil sie überzeugt sind, dass sie falsch sind.

Das schließt ja nicht aus, da es in anderen Fragen sehr wohl wieder möglich ist, einen breiten Konsens und darauf gestützt auch gemeinsames Handeln zu erreichen.

Vielleicht haben viele von uns in früheren Zeiten in einschlägigen Lehrbüchern ein anderes Parteiverständnis gelernt und auch in der Praxis betrieben. Aber wie überall ist die Entwicklung auch in dieser Frage nicht stehen geblieben. Deshalb brauchen wir neue Überlegungen entsprechend den heutigen Bedingungen.

Zum Wahlergebnis der DKP

Nun will ich in äußerster Kurzfassung auch noch etwas zum Ergebnis der DKP bei der Bundestagswahl sagen.

Ich glaube, wir müssen uns sehr davor hüten, uns bei der Einschätzung dieses Ergebnisses selbst etwas in die Tasche zu lügen und das nackte Zahlenergebnis einfach zu verdrängen.

Es ist mit den 11 500 Stimmen, die wir erreicht haben, weniger, als Unterstützungsunterschriften für die Kandidatur gesammelt worden sind, das schlechteste Wahlergebnis in der ganzen Geschichte der DKP. Selbst bei der EU‑Wahl 2009, das letzte Mal, als die DKP bundesweit kandidiert hat, hatten wir mit 25 600 Stimmen noch mehr als doppelt so viel wie heute. Und sogar gegenüber der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr dieses Jahrs haben wir bis zum Herbst in diesem Bundesland noch einmal 600 Stimmen verloren.

Da machen wir uns doch etwas vor, wenn wir zur Erklärung vor allem darauf verweisen, dass wir seit dreißig Jahren nicht mehr eigenständig zu einer Bundestagswahl angetreten seien. Als ob die Leute dadurch einfach entwöhnt worden wären, der DKP die Stimme zu geben.

In Wahrheit gibt es für dieses Ergebnis natürlich sehr viel tiefer liegende und wirklich politische Gründe.

Dazu gehört nach wie vor die langfristig anhaltende Wirkung des Scheiterns der sozialistischen Staaten in Europa. Das ist beispielsweise damit verbunden, dass das Wort «Sozialismus» in vielen Köpfen früher ganz selbstverständlich ein Synonym für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft war. Heue ist das nicht mehr so. Heute verbinden viele mit dem Wort «Sozialismus» bestenfalls die Vorstellung, dass es der Versuch einer Alternative zum Kapitalismus war, die in der Praxis aber «auch nicht funktioniert hat. Das sind doch tiefgehende ideologische Auswirkungen, die beim besten Willen nicht einfach per Willensakt und verstärkter Aufklärungsarbeit von uns in kurzer Zeit überwunden werden können.

Hinzu kommen die Folgen der großen weltwirtschaftlichen und technologischen Umbrüche in den letzten Jahrzehnten, die auch mit großen soziologischen Veränderungen in der Arbeiterklasse und entsprechenden sozialpsychologischen und ideologischen Veränderungen verbunden waren.

Aber hinzu kommt vor allem auch die anhaltende Schwäche unserer Partei, die offensichtlich auch in den letzten vier Jahren seit dem 20. Parteitag nicht in eine gegenteilige Entwicklung umgekehrt werden konnte. Die enorme Überalterung bewirkt eine rasch immer stärker abnehmende Aktionsfähigkeit. Daraus resultieren riesige Schwierigkeit, für junge Menschen attraktiv zu sein.

Wenn wir die Wirksamkeit dieser Faktoren aus der verdrängen und glauben, es hänge nur von unserem eigenen Willen und von einer größeren Einsatzbereitschaft der Mitglieder ab, aß wir heute bei überörtlichen Wahlen bessere Ergebnisse erreichen, üben wir uns in Selbsttäuschung.

Das wird uns aus den Schwierigkeiten aber nicht herausbringen.

Nach meiner Meinung werden wir auch mit aller Anstrengung nicht in der Lage sein, die Wirksamkeit der genannten objektiven Faktoren in relativ kurzer Frist außer Kraft zu setzen. Woraus sich ergibt, dass wesentlich andere Wahlergebnisse als die jetzt erreichten bei überregionalen Wahlen derzeit für uns objektiv nicht zu erreichen sind. Die politischen Bedingungen dafür sind einfach nicht reif. Deshalb bleibt die Orientierung auf flächendeckende Eigenkandidaturen bei überörtlichen Wahlen eine Orientierung, die an den gegebenen Realitäten vorbeigeht und deshalb eine politisch falsche Orientierung ist.

Bei Wahlen im lokalen Bereich kann das natürlich ganz anderes sein. Da können Bedingungen gegeben sein, die eine Eigenkandidatur der DKP unter Umständen sinnvoll erscheinen lassen. Aber das kann nur jeweils vor Ort diskutiert und entschieden werden.

Die Wende kein kurzfristig erreichbares Ziel

Wir müssen meiner Meinung nach davon ausgehen, dass selbst die Durchsetzung einer Wende zu demokratischem und sozialem Fortschritt in Deutschland, also unseres nächstliegenden strategischen Etappenziels, bei den heute gegebenen Kräfteverhältnissen ganz offensichtlich noch in ziemlich weiter Ferne liegt.

Natürlich kann es immer auch überraschende Wendungen und Ereignisse geben, die den Entwicklungsprozess, vor allem die Entwicklung von Massenstimmungen beschleunigen. Aber abzusehen ist das heute nicht.

Im Vordergrund der nächsten Jahre wird deshalb in erster Linie der Abwehrkampf gegen die Offensive des Kapitals und die weitere Rechtsentwicklung stehen müssen. Die vor uns liegende unmittelbar nächste Kampfetappe wird von Abwehrkämpfen und bestenfalls dem Kampf um relativ bescheidene Reformen im Rahmen des bestehenden kapitalistischen Systems gekennzeichnet sein, die aber dennoch eine konkrete Verbesserung der Lebensverhältnisse und Eingriffsmöglichkeiten für die Menschen bedeuten und die Kräfte für eine grundlegende politische Wende formieren und zusammenführen helfen.

Wir sollten jedoch keine Angst haben, dass wir im Reformismus versinken, wenn wir uns auf eine relativ lange Phase des Kampfes um solche Reformen im Rahmen des Kapitalismus orientieren. Das wird viel revolutionäre Geduld und einen langen Atem verlangen. Aber Abkürzungen sind meiner Ansicht nach nicht zu erkennen.

Was gehört in den Mittelpunkt des nächsten Parteitags?

Abwehrkämpfe und Kampf um erste positive Reformen – das müsste meiner Meinung nach auch im Mittelpunkt der Diskussion zu unserem nächsten Parteitag stehen.

Stattdessen leisten wir uns aber mit dem Leitantrag des PV zum 22. Parteitag eine teilweise sehr abstrakt-theoretisch angelegte Diskussion um historische Entwicklungsetappen in der Geschichte des Imperialismus und verschiedene internationale Entwicklungen. Und eine abstrakte, zum Teil schon gespenstisch anmutende Diskussion, ob und inwiefern unsere Orientierung auf den Kampf um die Durchsetzung einer Wende mit einer «antimonopolistischen Strategie» vereinbar sei. Wie sonst sollte «antimonopolistische Strategie» denn heute unter den gegebenen Realitäten denn konkret aussehen?

Ich kann und will hier nicht detailliert auf den Leitantrag eingehen. Aber ich meine, dass er dem, was die Partei jetzt braucht, nicht wirklich gerecht wird.

Was darin nämlich weitgehend fehlt, ist das, was für einen Parteitagsbeschluss, der den Kurs der Partei bis zum nächsten Parteitag skizzieren soll, eigentlich das Wichtigste wäre. Nämlich die konkrete Analyse der jetzt in Deutschland entstandenen politischen Situation, der bestehenden Kräfteverhältnisse und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Und ebenso fehlt eine detaillierte Untersuchung, welche Gegenkräfte es heute zur Politik der Herrschenden bereits gibt, welche konkreten Ziele und Forderungen diese Kräfte vertreten und wie sie zusammengeführt, gestärkt und vergrößert werden könnten, um einer echten politischen Wende näher zu kommen.

Das Wiederaufgeifen des Ziels der Wende im Leitantrag des PV zum 22. Parteitag – im Unterschied zum Leitantrag für den letzten Parteitag, wo sie ja ganz aus den Überlegungen verschwunden war – kann insofern zwar vielleicht als eine Wiederannäherung der Verfasser an das Parteiprogramm von 2006 angesehen werden. Vielleicht handelt es sich ja auch um den Ausdruck einer späten Aneignung der strategischen Orientierung des Parteiprogramms durch diejenigen, die 2006 dagegen gestimmt haben.

Aber dieses Wiederaufgreifen der Wende, also der strategischen Orientierung des geltenden Parteiprogramms, bleibt im Leitantrag des PV leider auf halbem Wege stehen.

Denn das Parteiprogramm von 2006 entwickelt nicht nur das Wende-Konzept als nächstes strategisches Ziel, sondern enthält auch detailliertere Vorstellungen dazu, wie die Kräfte für die Durchsetzung einer solchen Wende formiert werden können. Daraus ergibt sich die Orientierung des Parteiprogramms auf ein breites Zusammengehen mit Menschen anderer weltanschaulicher und politischer Orientierungen. Diese offene Herangehensweise an andere gesellschaftliche Kräfte im Abwehrkampf gegen die Angriffe des Kapitals und die weitere Rechtsentwicklung ist im Leitantrag weitgehend Fehlanzeige.

Für das Suchen nach gemeinsamem Handeln trotz schwerer Differenzen

Ungeachtet dessen bin ich aber nach wie vor der Meinung, dass wir einen Weg finden müssen und könnten, um gemeinsam mit allen Kräften, die die DKP heute noch hat, in die aktuelle politische Entwicklung einzugreifen und den politischen Anforderungen, die sich aus der heutigen Situation ergeben, gerecht zu werden.

Ich werbe dafür, dies in den Mittelpunkt des nächsten Parteitags und unserer weiteren Parteitätigkeit zu stellen.

Denn ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Existenz und das Agieren einer kommunistischen Partei in Deutschland mit ihrer historischen Tradition, ihrem theoretischen Fundament und ihren geschichtlichen Erfahrungen, konkret also der DKP, ein durch nichts anderes ersetzbares Element für den Kampf um den Fortschritt in diesem Land ist.

So verständlich Gefühle des Frusts darüber sind, dass die amtierende Parteiführung sich als absolut starr und dialogunfähig erweist und in wichtigen Fragen anscheinend unumkehrbar den Weg in Richtung linksradikalen Sektenverhaltens eingeschlagen hat, glaube ich dennoch nicht, dass es eine Lösung der Probleme sein oder bringen kann, jetzt aus der DKP auszutreten. Was bringt das? Was wird damit gebessert? Es bedeutet in meinen Augen letzten Endes doch nur eine weitere Zersplitterung und Vereinzelung der wenigen noch vorhandenen Kräfte., Das kann nur Stimmungen der Resignation bestärken, aber wohl kaum etwas zur Veränderung der Situation in unserem Land in Richtung einer anderen Politik beitragen.

Die Partei besteht nicht nur aus der Haltung und den Taten der amtierenden Parteiführung. Neben den vehementen Unterstützern ihres Kurses und auf der anderen Seite den Beteiligten am «Netzwerk» und den Unterzeichnern des entsprechenden «Offenen Briefes» gibt es meiner Ansicht nach viele Genossinnen und Genossen, die sich gern aus der Auseinandersetzung «heraushalten» möchten und ihre Beendigung fordern, weil sie den Streit für unfruchtbar und für die konkrete Arbeit der Partei vor Ort für hinderlich halten. Deshalb glaube ich nicht, dass von den knapp dreitausend Mitgliedern, die die DKP noch hat, die Mehrheit wirklich den Weg in eine unfruchtbare linksradikale Richtung antreten und einen von den Realitäten abgehobenen falsch verstandenen Avantgarde-Anspruch praktizieren will, der glaubt, der Arbeiterklasse per «Aufklärungsarbeit» das richtige Klassenbewusstsein beibringen zu können. Der Kurswechsel, der vor vier Jahren nach dem 20. Parteitag in diese Richtung eingeschlagen worden ist, wird auf Dauer nicht die anvisierten Ergebnisse bringen können. Das heißt, er wird, die Partei nicht aus der derzeitigen Frustsituation herausbringen und zu neuen Erfolgen führen, wenn dies ein Teil der Mitglieder derzeit noch glaubt.

Aus meiner Sicht gibt es derzeit zu einer anhaltenden Auseinandersetzung um den richtigen Kurs der Partei und zu einem gleichzeitigen Bemühen, trotz der Differenzen Möglichkeiten des aktuellen gemeinsamen Eingreifens in die heutige Politik zu suchen und zu finden, keine brauchbare und wirkungsvolle Alternative.

Text: Georg Polikeit
Foto: UZ