Berndt Koberstein und Preisverleihung 2016
Vor 30 Jahren wurde Berndt Koberstein
ermordet
Am 31. August 2016 wäre Berndt 60 Jahre alt geworden. Doch er wurde am 28. Juli 1986, kurz vor seinem 30. Geburtstag, von Contras in Nicaragua ermordet. Berndt wurde in Wiwili ermordet, er ist in unseren Gedanken stark mit Wiwili, mit Nicaragua, verknüpft – aber er war viel mehr als ein Aufbauhelfer in Nicaragua.
Berndt war Gewerkschafter, war Metaller
Und zwar von ganzem Herzen, mit allergrößter Selbstverständlichkeit. In einem Betrieb zu arbeiten und aktiv in der Gewerkschaft zu sein, war für Berndt eins. Natürlich war er oft der Meinung, die Gewerkschaft müsse offensiver auftreten, war er mit seiner Meinung nach zu zögerlichem Agieren der IG Metall und des DGB in seinem Betrieb wie auch gesamtgesellschaftlich unzufrieden. An seiner Grundhaltung, «Die Gewerkschaft ist meine Organisation», änderte das nicht das Geringste. Der Betrieb als Basis der politischen Tätigkeit war für Berndt kein Dogma, sondern eine Selbstverständlichkeit. So war er während seiner Ausbildungszeit fast zwangsläufig auch als Jugendvertreter aktiv.
Berndt war Kommunist
Den Kontakt zur SDAJ und zur DKP bekam Berndt durch mich. Während ich mich monatelang mit der Frage, ob ich eintreten solle oder nicht, beschäftigte, war er sofort überzeugt: «da gehöre ich hin.» Später bin ich ihm – nach vielen Diskussionen und Bieren – gefolgt. Ich habe mit Erstaunen und auch etwas Bewunderung erlebt, wie der Marxismus, wie unsere Klassiker natürlicher Bestandteil seines (Alltags-)Lebens waren. Als Berndt einmal frisch verliebt war, eine neue «feste Beziehung» sich anbahnte, rüstete er sich dafür mit der Lektüre von F. Engels‘ «Über den Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates». Dies um Dinge, um Prozesse zu verstehen, plumpe Marx- und Lenin-Zitiererei dagegen war ihm ein Gräuel. Berndts Verhältnis zur DKP war, zumindest in seinen letzten Lebensjahren, nicht frei von Spannungen. Er hatte einige Kritik an unserer örtlichen Parteiführung – und diese an ihm. Berndts Kommunist-Sein, die DKP als seine Partei anzusehen, blieb davon allerdings, so war mein Eindruck, völlig unberührt.
Berndt war Internationalist
Und zwar lange schon bevor Berndt nach Nicaragua ging, 1985 für drei Monate für ein Projekt der SDAJ nach Managua, um dort eine Druckerei aufzubauen und dann im Auftrag des Wiwili-Vereins und der Stadt Freiburg nach Wiwili, um dort als Bauleiter mit der örtlichen Bevölkerung eine Trinkwasserleitung zu bauen. Schon immer war «Eine Welt» fester Bestandteil seines Denkens, die Menschen, erst recht die Arbeiterklasse aller Länder mit gemeinsamen Interessen. Heute moderne neue Nationalismen hätte Berndt wohl mit fassungsloser Wut betrachtet. Dabei war Berndt damals auch der festen Überzeugung, dass der Weg zu einem weltweiten Sozialismus, den wir beide damals für kürzer hielten, als er derzeit zu sein scheint, vor allem durch einen revolutionären Wandel in den Ländern Afrikas und Lateinamerikas befördert werden würde. Berndts Arbeit als Ausbauhelfer in Nicaragua, die Hilfe für die Menschen in Wiwili, die Unterstützung der Sandinistas in Nicaragua war einfach eine praktische Umsetzung dieser politischen Grundüberzeugungen.
Berndt war Fundamentalist im positiven Sinne, war unbeugsam
Wenn er von etwas überzeugt war, dann ganz und ohne Einschränkung und Abstriche. Und von einer einmal gewonnenen Überzeugung wich Berndt auch nicht so einfach ab – und schon gar nicht durch Druck von außen. Sich auf etwas nur halb einzulassen, etwas nur ein bisschen zu wollen oder zu tun, das war nicht Berndts Ding. Damit machte sich Berndt auch nicht nur Freunde, denn für seine Überzeugungen stritt er konsequent, war darin unerbittlich.
Berndt war Bündnispolitiker
Und das ist kein Widerspruch. Um politische Ziele zu erreichen, das war Berndt völlig bewusst, ist es nötig, viele «Menschen mitzunehmen», wie wir es heute ausdrücken. Politische Bündnisse zur Erringung inhaltlicher Ziele erfordern, sich auf «gemeinsame Nenner» einzulassen, für Berndt logischer Bestandteil strategischen Denkens und taktischen Handelns. Dabei die eigene Überzeugung nicht an der Garderobe abzugeben, sondern deutlich zu machen, dass bestimmte Bündnispositionen nur (temporäre) Kompromisspositionen sind, als auch darauf zu achten, Positionen der Bündnispartner zu respektieren und zu achten und nicht als Lehrmeister aufzutreten, gehörte für Berndt – übrigens Gründungsmitglied der Freiburger Friedensliste – zu einer vernünftigen, einer kommunistischen Bündnispolitik.
Berndt war ein Freund
Unsere politische Entwicklung war viele Jahre eng miteinander verwoben. Sie war wichtiger Bestandteil unserer Freundschaft, auch wenn unsere Freundschaft weit über die Politik hinausging. Berndt wurde – wie ich – im Jahr 1956 geboren. Am 28. Juli, einen Monat vor seinem 30. Geburtstag, wurde Berndt Koberstein ermordet. Unsere Freundschaft, wie unsere gemeinsame politische Entwicklung wurde zerstört, ich musste ohne ihn weiter leben und weiter kämpfen, mich weiter entwickeln … ich vermisse ihn jeden Tag.
Text: Hendrijk Guzzoni
Fotos: UZ-Archiv
UZ vom 29. Juli 2016