Politik
Dummköpfe oder Verbrecher
Distanzierung von Sevim Dagdelen
»Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!« – Dieses Brecht-Zitat hat die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdalen im Bundestag im Zusammenhang mit dem Ukrainekonflikt auf die Grünen-Abgeordnete Göring-Eckart gemünzt. Der Sache nach gilt das allen Abgeordneten, die die Regierungspolitik gegen die Ukraine unterstützen, also der überwältigenden Mehrheit, einschließlich eines Teils der Opposition.
Ja, Göring-Eckart ist eine Kriegstreiberin und eine Faschistenfreundin. Welche moralischen Verrenkungen die Dame zustande bringt, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen, mit welchen Vexierspiegeln sie die Realität in ihrem Kopf verzerren mag, ist ihr Problem. Objektiv, der Wirkung nach, unterstützt sie eine aggressive, auf die Herstellung eines Vasallenstatus der Ukraine und eine Isolierung Russlands gerichtete Politik, eine abenteuerliche und menschenverachtende Politik, die den Krieg jetzt auch in Europa wieder »denkbar« macht und auf die Tagesordnung setzt. Und das gilt nicht nur für sie, sondern für alle Abgeordneten, die sich dieser Politik nicht entgegenstellen. – Dummköpfe oder Verbrecher, in der Tat!
Hat Sevim Dagdelen für ihre mutigen Worte die Unterstützung ihrer ParteikollegInnen? Das Gegenteil ist der Fall. Die Parteiführung fällt ihr in den Rücken. Gysi, Kipping und Riexinger haben eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der es heißt: »Von dieser Äußerung unserer Abgeordneten Sevim Dagdelen distanzieren wir uns.« Zwar sei Dagdelens Kritik in der Sache durchaus legitim. »Eine solche Kritik rechtfertigt aber keinesfalls, der Abgeordneten Göring-Eckardt ein Verbrechen zu unterstellen, sie damit als Verbrecherin darzustellen.«
Dagdelens Kritik ist also »legitim«? Ist sie auch richtig? Darin halten sich die Gysi, Kipping und Riexinger bedeckt. Ein bisschen gegen die aggressive Außenpolitik der großen Koalition muss man schon sein, schon der Wählerschaft und der Linkspartei-Basis wegen. Aber man muss doch sittsam bleiben, einen gemäßigten Ton pflegen. Heißt: Man darf keinen klaren Trennungsstrich ziehen zwischen Kriegstreibern und Faschistenfreunden und »linker Opposition« … wenn man im parlamentarischen Geschäft bleiben und auf das Regierungsgeschäft hinaus will. Stört jemand dieses stille Übereinkommen in der Linkspartei-Fraktion, muss man sich von ihm »distanzieren«.
Sevim Dagdelen zur Erklärung ihrer Parteifreunde:
»Ich bedaure, dass die Parteivorsitzenden und der Fraktionsvorsitzende das Gespräch mit mir nicht gesucht haben. Offensichtlich wissen sie nicht, dass Heiner Geißler, der ehemalige Generalsekretär der CDU, schon 1983 in der politischen Auseinandersetzung das betreffende Brecht-Zitat gegenüber der SPD verwandt hat. Der Parteivorsitzende der CDU, Helmut Kohl, und der Fraktionsvorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Alfred Dregger, sahen darin allerdings keinen Grund zu einer Distanzierung von Heiner Geißler. Ich wundere mich, warum Katja Kipping, Bernd Riexinger und Gregor Gysi anders als die damalige CDU-Führung meinen, sie müssten sich distanzieren.«
Dagdelen sollte sich nicht wundern. So ist das mit der Linkspartei. Mehr ist mit ihr nicht, ungeachtet der Illusionen, denen sich so viele Linkspartei-Genossinnen und -Anhänger hingeben.
ai
- »Dummköpfe oder Verbrecher«, Beitrag in DKP Nachrichten
- Internetseiten von Sevim Dagdelen
- Gegen die Verharmlosung von Neofaschisten
Kurzintervention von MdB Sevim Dagdelen im Deutschen Bundestag am 4. Juni 2014