Umwelt
Wer den Reichen nichts nimmt, rettet das Klima nicht
Umwelt-Info
Corona entschleunigt die Welt
Diese Hoffnung hatten manche, denn in der ganzen Welt ist es aufgrund der Regierungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie zu einem Lockdown der Wirtschaft gekommen. Der Personenluftverkehr kam weitgehend zum Erliegen. Der weltweite Containerumschlag nahm deutlich ab. Viele Menschen arbeiten im Homeoffice, andere sind in Kurzarbeit. Das wirtschaftliche, kulturelle und politische Leben ist stark entschleunigt. Eigentlich müssten wir damit dem Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf nicht mehr als 1,5 °C zu beschränken, nähergekommen sein, und der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen müsste abgenommen haben. Könnte das nicht eine Chance für die Umwelt sein? So ist es leider nicht, denn die Treibhausgasemissionen sind jetzt schon wieder auf dem Niveau wie vor Beginn der weltweiten Pandemie.
Zurück zur Ausgangslage
Zwar ging in der Lockdown Phase zeitweilig der Personenverkehr in der Luft und am Boden zurück. Teile der Warenproduktion stockten ebenfalls, aber Energiefresser wie die Baubranche (Beton-Stahlerzeugung) boomten durchgehend. IT legte sogar rasant zu.
In Deutschland haben zwar einige Konzerne eine Produktionspause eingelegt. VW hat zum Beispiel den Betrieb vier Wochen lang stillgelegt und die Arbeiter und Arbeiterinnen in Kurzarbeit geschickt. Das geschah aber nicht in der Mehrzahl der Betriebe. Die Rüstungsproduktion ging in der BRD ohne Einschränkung weiter. VW hatte im Übrigen die mögliche Kurzarbeit in diesem Frühjahr bereits 2019 angekündigt.
Ohnehin mussten die Menschen ja auch weiterhin wohnen, heizen und essen. Obwohl viele zu Hause arbeiteten, mussten immer noch viele Menschen von A nach B, vor allem zur Arbeit und zurück. Wärmerzeugung und Prozesswärmeerzeugung sind für etwa 50 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemission verantwortlich. Das ist auch noch während und nach der Pandemie so.
Kurzarbeit versus Konzernsubventionen
Der Einbruch der Wirtschaftsleistung trifft in den meisten Ländern der Welt vor allem die Angestellten und Werktätigen. Sie werden massenhaft arbeitslos, wie in den USA oder Brasilien. Oder kommen, wie in Deutschland, erst einmal in den «Genuss» von Kurzarbeit. Das ist finanziell ähnlich wie Arbeitslosigkeit, aber sozial etwas abgefedert. Die Konzerne bekommen die Unterstützung vom Staat in ganz anderer Größenordnung. Die Lufthansa beispielsweise wurde mit mehr als 9 Milliarden Euro gestützt. Der frühere Staatskonzern wird zum Teil wieder staatlich, seine Existenz wird vom Staat garantiert.
Dessen ungeachtet haben viele Konzernen angekündigt, dass es zu einem «unausweichlichen» Stellenabbau kommen wird. Beispiele sind die Lufthansa und die Karstadt-Kaufhof AG, die die Schließung von fast 50 Filialen mit der Corona-Pandemie begründet. Die Leidtragenden sind die Beschäftigten. Sie hatten mit Verzicht schon viele Jahre versucht, ihre Arbeitsplätze zu sichern, was allerdings vor allem dazu führte, dass mehr Geld in die Taschen der Aktionäre floss.
Nach der Pandemie wird alles wieder gut
Das ist zu bezweifeln. Denn was deutet sich jetzt schon an? Der Individualverkehr nimmt sogar zu, weil die öffentlichen Verkehrsmittel gemieden werden. Das lässt die Treibhausgasemissionen weiter steigen. Während der akuten Phase der Pandemie schien eine Weile lang das Streben nach immer mehr Wachstum in Frage gestellt zu werden. Scheinbar ging es plötzlich um die Gesundheit der Menschen und nicht so sehr um die Profite der Wirtschaft. Davon ist aber nichts mehr zu sehen oder zu lesen. Die internationale Konkurrenz, das Streben nach Rohstoffen und Absatzmärkten sind ungebrochen. Entsprechend steigt auch die internationale Produktion und der zum Teil unsinnige Transport von Waren rund um die Welt.
Konjunkturprogramm wie immer für die Automobilindustrie
Wenn wir uns das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ansehen, wird schnell klar, dass von einer Abkehr von ständigem Wachstum und dem notwendigen Umbau der Wirtschaft nicht die Rede sein kann. Im Mittelpunkt der Wirtschaftsförderung steht vielmehr wieder einmal die deutsche Autoindustrie, speziell in diesem Fall die Förderung für den Verkauf von Elektroautos. Dabei geht es nicht um Arbeitsplätze, sondern um den Erhalt der Profite. Werkverträge werden nur in der Fleischindustrie in Frage gestellt, nicht aber in der Autoindustrie. Wenn die Werkverträge verboten würden, ließen sich nicht mehr Festangestellte gegen Leiharbeiter und Werkvertragsarbeiter ausspielen.
Als ein Ökovorzeigethema aus dem Konjunkturprogramm wird die Wasserstoffoffensive gefeiert. Für sie sollen 9 Milliarden Euro in erster Linie für Forschung und Entwicklung von effizienten Antrieben für Autos, Schiffe und Flugzeuge ausgegeben werden. Das hört sich zunächst sogar ganz gut an. Wenn man dem aber die 57 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen zum Beispiel für die Kohleindustrie gegenüberstellt, wirkt die Summe schon mickrig. Wenn man dann noch erfährt, dass die Bundesregierung die Aufregung um Corona genutzt hat, um den dringenden Kohleausstieg auf 2038 zu verschieben, wird das Ganze zur Realsatire, insbesondere da die Herstellung blauen Wasserstoffes mittels Erdgas kaum CO2-Emissionen einspart. Denn um die weniger ehrgeizigen Pariser Klimaziele von nicht mehr als 1,5°C Temperaturanstieg zu erreichen, wäre der Kohleausstieg spätestens 2030 notwendig.
Außerdem erhalten die Energiekonzerne mehr als 4 Milliarden Euro «Entschädigung» für den Kohleausstieg. Eigentlich müssten die Konzerne in die Energiewende investieren und sich nicht vom Staat finanzieren lassen, was letztlich bedeutet, dass die arbeitenden Menschen für die Krise und den Umbau der Wirtschaft zahlen. Der Kumpel aus den Braunkohleregionen hofft ja immer noch auf die Arbeitsplatzsicherung, die aber schon zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen ausgehandelt worden sind. Wieder einmal werden Arbeitsplätze und Umweltschutz gegeneinander ausgespielt. Gewinner sind die Konzerne, Verlierer die arbeitenden Menschen.
Was jetzt nötig ist
Jedenfalls keine Subventionen für die Automobil- und Kohleindustrie, sondern zum Beispiel ein massiver Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs. Ein erster positiver Schritt ist der gemeinsame Aufruf der Gewerkschaft ver.di und «Fridays for Future» zur Unterstützung der Tarifrunde Nahverkehr, um Druck zu machen für eine sozial-ökologische Verkehrswende.
Das Ziel des Pariser Abkommens von nicht mehr als 1,5°C Erderwärmung kann nur erreicht werden, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen aus fossilen Energieträgern konsequent eingeschränkt wird. Das geht nur gegen die Profitinteressen der Energie- und Automobilkonzerne.
Wer den Reichen nichts nimmt, kann den Armen nichts geben und schon gar nicht das Klima retten.
Quelle: UZ Blog 11. September 2020