Antifaschismus

Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

Ansprache des Landesgeschäftsführers der VVN-BdA NRW, Jürgen Schuh zur Gedenkveranstaltung des 78. Jahrestages der Macht­über­tra­gung an die Faschisten 1933 und des 70. Jahres­tages der Juden­de­por­ta­tion im Rheinland 1941

Bergisch-Gladbach am 5. November 2011

Mahnwache 2011. Am Mikrofon Jürgen Schuh

Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir gedenken hier an dieser Stelle derjenigen, die bereits 1932 warnten: »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler! Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!« Die Kommunisten zahlten den höchsten Blutzoll im Widerstand. Im Standardwerk »Widerstand als Hochverrat« vom Verlag K.G. Saur heißt es:

»Politisch motivierter Widerstand war… zu 75 Prozent kommunistischer, zu 10 Prozent sozialdemokratischer und nur zu 3 Prozent christlich-bürgerlicher Widerstand.«

Wir gedenken hier derjenigen 2011 MitbürgerInnen jüdischen Glaubens aus dem Raum Köln, die 1941 in Viehwaggons ins Ghetto und von da in die Gaskammern oder in die Arbeitslager zur Profitmaximierung deutscher Konzerne verbracht wurden.

Wir gedenken aber auch der vielen namenlosen Opfer – darunter der Sinti und Roma – die bis heute weder Anerkennung noch Entschädigung erfahren haben.

Mir geht es nicht um eine »Gedenkrede«. Gedenken an mehr als 50 Millionen Opfer muss auch das »Warnen« einschließen. Bertolt Brechts Aphorismus ist immer noch aktuell:

»Der Schoß ist fruchtbar nach, aus dem das kroch!«

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Kolleginnen und Kollegen

Erinnern möchte ich an den Mit­ver­fasser und Kommen­tator der Nürn­berger Rasse­gesetz­ge­bung, Hans-Maria Globke. Dieses Gesetz war die juris­tische Grund­lage für millionen­fachen Mord. Dieser Schreib­tisch­mörder wurde unter Adenauer Erster Staats­sek­retär. Eine bös­ar­tigere Ver­höh­nung von Mil­lionen Ermor­deter ist für mich nicht vorstellbar.

Der Verfassungsschutzpräsident ab 1956 war Hubert Schrübbers. Er war während des Faschis­mus General­staats­anwalt in Hamm und ist verant­wort­lich für zahl­reiche Terror­urteile gegen Anti­fa­schis­ten und zeich­nete sich wieder durch die gna­den­lose Ver­fol­gung von Anti­fa­schis­ten in der Adenauer-Ära aus.

Dieser Ver­fas­sungs­schutz, der jetzt ein »Aus­stei­ger­pro­gramm für Linke« an­bie­tet (ein An­wer­be­pro­gramm für Spit­zel), hat mit seinem V-Mann-System einen NPD-Ver­bots­an­trag der dama­li­gen Bun­des­re­gie­rung verei­telt und finan­ziert über die Bezah­lung seiner »V-Männer« einen großen Teil des Appa­rates der NPD.

Einen absoluten Höhepunkt stellt dann ein zehnseitiges Exposee der Mitarbeiterin des Baden-Württembergischen Verfassungsschutzes Bettina Blank über die VVN-BdA dar.

Sie erklärt zum »Schwur von Buchenwald«, (das illegale Lagerkomitee hatte das KZ vor dem Eintreffen der US-Truppen selbst befreit) folgendes:

»Für die damals (an der Befreiung) beteiligten nicht unbedingt erkennbar, war der am 19. April 1945 auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers Buchenwald abgelegte Schwur eine Inszenierung des kommunistisch dominierten ›Internationalen Lagerkomitees‹«. Niederträchtiger kann man die Überlebenden der KZs nicht diffamieren.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,

die aktuelle Lage in Deutschland und in Europa ist Veranlassung, darüber nachzudenken, dass Faschisten und Rassisten in allen europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme haben.

Rassismus und Neofaschismus im Nadelstreifen haben längst in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen. In den so genannten »Volksparteien« können sich Rassisten wie Sarrazin und zahllose andere sicher fühlen. Das ist der Boden, auf dem Neofaschismus gedeiht.

Feindbilder werden gebraucht. Was gestern die »Juden« und die »Bolschewisten« waren, sind heute die Ausländer, sind die »Islamisten«. Das lenkt immer billig vom Problem ab.

Der so genannte »islamistische Terror« hat bisher in unserem Land zwei tote US-Soldaten gefordert.

Der neofaschistische Terror, der in unseren Städten seit 1990 mehr als 150 Mordopfer gefordert hat, wird von der Bundesregierung auf 49 Tote heruntergerechnet.

Seit 2001 wurden mit Bundesgeldern Projekte gefördert, die dem immer stärkeren Anstieg rechter Gewalt und dem weiteren Vordringen der Neonazis entgegenwirken sollten.

Familienministerin Christina Schröder entschied, Mittel aus diesem Programm in den Kampf gegen »Linksextremismus« umzuleiten. Sie führte aber auch gleich noch einen »Gesinnungs-TÜV« ein. Alle Projekte gegen Rechts, die staatliche Gelder erhalten, müssen sich nun zur »freiheitlich-demokratischen Grundordnung« bekennen und sich verpflichten, alle Kooperationspartner auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Olaf Lehne richtete an den Landtag die Anfrage, ob der »historisch präzisere Begriff für diese Zeit«, also den »Faschismus« nicht »Nationalsozialismus« ist? Er hat vermutlich nicht verinnerlicht, dass die Bezeichnung »Nationalsozialismus« eine Wortschöpfung der Faschisten war, die damit zu vermitteln versuchten, dass ihre faschistische Partei national und sozialistisch sei. Beides war sie nicht. Bertolt Brecht verwies schon auf diese Frage und warnte:

»Heute beunruhigt, dass der Faschismus absichtsvoll immer häufiger mit seinem zweiten Namen ›Nationalsozialismus‹ bezeichnet wird. Dahinter steckt, dass Faschismus und Sozialismus gleich gemacht werden sollen«.

Die Zusammenrottung der Faschisten zu ihrem »Nazionalen Antikriegstag« im September in Dortmund wurde mit dem Einsatz von 4.500 Polizisten ermöglicht.

Die Polizei setzte eine Bürgerkriegsarmee ein, damit 700 Faschisten unbehindert grölen konnten »Nie wieder Krieg, nach unserem Sieg!«

Halb Dortmund war im Belagerungszustand. Mit Wasserwerfern, Räumpanzern, Reizgas-Einsatz und Schlagstöcken ließ der Dortmunder Polizeipräsident den Faschisten die Straße freiknüppeln. Es war schon merkwürdig, wie Oberbürgermeister Sierau auf der Seite der Antifaschisten und der Polizeipräsident auf der Seite der Neofaschisten gegenüberstanden.

Die Sprachregelung der Polizei lautete so:

»Die Polizei schützt nicht die Neo­nazis, sie schützt die Versamm­lungs­frei­heit!«

»Blockaden stärken die Falschen« hieß es auf Großflächenplakaten der Polizei.

Wer sich den Neofaschisten entgegenstellt, stärkt die Falschen?

Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Frank Richter hat völlig recht, wenn er sagt:

»Dann sollte man besser politisch die Handhabe dafür schaffen, dass Neo-Nazi-Demos untersagt werden«.

In politischen Kreisen wird ständig verbreitet, man könne da nichts machen. Es ist nicht eine Frage des »Könnens« sondern des »Wollens«.

Nach Artikel 139 Grundgesetz, der die Fortgeltung des Verbots der NSDAP betrifft, sind alle Nachfolge- und Tarnorganisationen verboten und aufzulösen. Dieser Artikel 139 ist nie vom Parlament gelöscht worden.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts und spätere Bundespräsident Roman Herzog hatte aber erklärt:

»Mit dem Abschluss der so genannten Entnazifizierung ist Artikel 139 obsolet geworden«.

Die »Entnazifizierung« war für Roman Herzog abgeschlossen und damit war die juristische Grundlage beseitigt, faschistische Strukturen aufzulösen. Mit einem Federstrich entsorgte Roman Herzog den antifaschistischen Auftrag des Grundgesetzes. Dass sich die »Deutsche Nationalzeitung« »an der Spitze des höchsten deutschen Gerichtes keinen geeigneteren Fachmann als Prof. Herzog« vorstellen konnte, versteht sich.

Aber auch die rot-grüne NRW-Landesregierung zeigt kein rechtes »Wollen«, dem Wunsch des Gewerkschaftsvorsitzenden Frank Richter nachzukommen.

Zum Beispiel wird in einer Neuauflage der Broschüre »ANDI 3« die Losung der VVN-BdA »Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen« als Aufforderung zum Gesetzesbruch diffamiert. In dieser Broschüre, die an den Schulen verteilt wird, heißt es, mit dieser Losung würden die »Linksextremisten« ihrem politischen Gegner alle demokratischen Rechte absprechen.

Genau das tun wir! Und das erwarten wir auch von den Volksvertretern!

Der erste Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf vor 500 Delegierten:

»In der Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!«

1933 haben die Faschisten ihr Recht auf die Straße geltend gemacht. Die entsetzlichen Ergebnisse sind bekannt. Nach den gemachten historischen Erfahrungen sprechen wir hier und heute ausdrücklich Neofaschisten aller Schattierungen das Recht zu demonstrieren und das Recht auf Meinungsäußerung ab! Selbst wenn wir uns damit nach Meinung von Polizei, Justiz und Politik strafbar machen. Das sind wir den Millionen Opfern schuldig.

Freie Meinungsäußerung für Faschisten hat Millionen Menschen das Leben gekostet.

Das darf sich nicht wiederholen!

Es bleibt dabei:
Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!

Foto: Kulturvereinigung

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