Frieden

Die Friedensartikel der Verfassung sind beerdigt.

Das Weitere regelt der freie Markt …

Friedenstaube auf Schwertern.

»Legt den Leo in Ketten«, Düsseldorf 26.10.2012
Wir dokumentieren den Redebeitrag von Peter Bürger (Mitglied bei pax christi, DFG-VK, Versöhnungsbund, VVN-BdA)

 

Liebe Mitmenschen, liebe Freundinnen & Freunde,

 

die Rheinmetall AG bewirbt Rüstungs­tech­no­lo­gie speziell zur Bekämp­fung »nicht­staat­licher Akteure«. Ihre Kunden sind staat­liche Gewalt­akteure, im Fall der geplan­ten Liefe­rung von 200 Leo­pard-Pan­zern das auto­kra­tische Regime in Saudi-Ara­bien. Geneh­migt hat das in gehei­mer Sit­zung der Bun­des­si­cher­heits­rat. Einen schlim­me­ren Beweis dafür, dass unsere Regie­ren­den Demo­kratie als Frucht des arabi­schen Früh­lings nicht wün­schen, kann es kaum geben. Die gesamte Region ist geo­stra­te­gisch von Inter­esse und wegen des Öls. Eine von den Menschen selbst bestimm­te Gesell­schafts­ent­wick­lung im arabi­schen Raum ist gerade nicht im Inter­esse der west­lichen Indus­trie­länder. Denn nur willige Macht­haber können als Stabi­li­täts­fak­to­ren in »unse­rem« Sinne dafür Sorge tragen, dass arabi­sches Öl auch weiter­hin »unser Öl« bleibt.

 

Kriegsgüterkonzerne und Demokratie gehen nicht zusammen

Somit ist ein Grund­thema des heuti­gen Pro­testes gegen die verbre­che­rische Rüs­tungs­ex­port­pra­xis die Un­ver­ein­bar­keit von Profit­sys­te­men und Demo­kratie. Die Rüs­tungs­in­dus­trie hat über den Leichen­ber­gen von zwei Welt­krie­gen Wahn­sinns­pro­fite einge­fahren. Sie verdient noch immer an Krieg und Massen­mord.

Die Rüs­tungs­in­dus­trie hat schon im Vor­feld der Mil­lio­nen Toten von zwei Welt­krie­gen in unse­rem Land ihre Kon­zern­inter­essen ab­ge­si­chert. Ein funk­tio­nie­ren­des Par­la­ment im Kaiser­reich und die Wei­ma­rer Repu­blik waren nicht in ihrem Sinne. Auch daran hat sich rein gar nichts geän­dert. In den USA hat der mili­tä­risch-indus­triel­le Kom­plex, wie Eisen­hower 1961 befürch­tete, die Demo­kratie längst zu einer bloßen Papp-Kulis­se verkom­men lassen.

Wer mäch­tige Mord­waf­fen­pro­du­zen­ten – samt Inves­toren – in seiner Mitte duldet, sollte nicht schein­heilig das blut­besu­delte Wort »Anstand« im Munde führen. Die bürger­liche Wohl­an­stän­dig­keit hat noch immer ge­schwie­gen, wenn es um Rüs­tungs­ge­win­ne ging. Und gerade auch die sich christ­lich nen­nen­den staats­kirch­lichen Eliten drücken stets beide Augen zu, wenn es um so »sensible Wirt­schafts­in­ter­essen« geht. Die Zyniker an den Stamm­tischen sagen: »Wenn wir nicht liefern, liefern andere.« Das mora­lische Niveau der real exis­tie­ren­den Politik ist, man kann es beweisen, mit­nichten auf einem höheren »mora­lischen« Niveau angesiedelt.

 

Unser Grundgesetz und die realexistierende, verfassungswidrige Politik

Die Väter und Mütter des Grund­geset­zes hatten einen Traum. Sie erklär­ten den »Dienst am Frieden in der Welt« zur Grund­säule unserer Verfas­sung. Bis in die CDU hinein war es nach Nieder­schla­gung des Faschis­mus 1945 Kon­sens, dass ein Kon­zern­kapi­ta­lis­mus mit Frieden, Demo­kratie und Men­schen­wür­de nicht verein­bar ist. Immer­hin legt die Verfas­sung tat­säch­lich fest, für Her­stel­lung, Beför­derung und Handel von Kriegs­waffen sei die Geneh­mi­gung der Bundes­re­gie­rung not­wen­dig. Doch was nützt das? Im End­ertrag wird das aus­füh­rende Kriegs­waf­fen­kon­troll­ge­setz aus­ge­he­belt durch ein Außen­wirt­schafts­gesetz, das die Gewinne des Export­welt­meis­ters Deutsch­land maxi­mie­ren soll. 2001 bis 2010 wurden Rüs­tungs­ex­port­ge­neh­mi­gun­gen im Um­fang von 65 Mil­liar­den Euro erteilt.

So blind kann keiner sein, um zu über­sehen, dass wir in einem Täter­land leben. Als Kriegs­waf­fen­ex­por­teur Num­mer Drei direkt nach den USA und Russ­land steht Deutsch­land ganz oben an der Spitze derje­ni­gen, die den Globus mili­ta­ri­sie­ren und den Hungern­den der Erde durch mil­liar­den­teure Mord­tech­no­lo­gien das Brot stehlen.

Wenn, wie im Fall des Leo-Pan­zer­ex­por­tes nach Saudi-Ara­bien, Regie­rungs­po­li­tik den »Dienst am Un­frie­den in der Welt« zu ihrer Sache macht, müssen wir schließ­lich von Verfas­sungs­fein­den auf der Regie­rungs­bank sprechen. Das ist der Status Quo! Im Parla­ment wird auf Anfra­ge hin offen zuge­geben, dass die der Verfas­sung noch »Mitsprache« ein­räu­men­den Rüs­tungs­ex­port­richt­li­nien im Zwei­fels­fall nur Maku­la­tur sind. Im Wort­laut sagte der CDU-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Rode­rich Kiese­wetter in der Parla­ments­de­batte über die Pan­zer­ex­por­te nach Saudi-Ara­bien am 8. Juli 2011: »Die Koa­litions­frak­tio­nen – das ist mein Appell [… ] – müssen unsere Regie­rung hier unter­stüt­zen. Wir haben die werte­orien­tier­te und inter­es­sen­ge­lei­tete Außen­po­li­tik. Es ist Auf­gabe der Regie­rung, diesen Span­nungs­bo­gen zwischen Werten und Inter­essen aus­zu­hal­ten. Wir gehen norma­ler­weise davon aus, dass Werte und Inter­es­sen ein und das­selbe sind. Aber Poli­tik hat nichts mit ›Wünsch dir was‹ zu tun – Politik ist ein hartes Geschäft …« Es gibt ange­sichts dieser zyni­schen »Geschäfte-Poli­tik« nur einen Weg, die Verfas­sungs­norm des Dienstes am Frieden in der Welt »wahr werden« zu lassen: Ins Grund­gesetz gehört ein gene­relles Verbot von Rüstungsexporten.

 

Nur wir Heutigen können den Aufschrei laut werden lassen

Sprache und Denken sind zugunsten der Kriegs­ma­schi­ne verdreht. Alfred Nobel und Bertha von Sutt­ner kön­nen sich nicht mehr dage­gen wehren, wenn heute, zuletzt zwei­mal in Folge, die Kriegs-Führen­den mit dem Friedens-Nobel­preis ausge­zeich­net werden. Auch die Väter und Mütter des Grund­geset­zes können sich heute nicht mehr dage­gen wehren, wenn Verfas­sungs­or­gane durch fak­tische Wirt­schafts­kriegs­dok­trinen für nationale Wohl­stands­si­che­rung und durch eine menschen­ver­ach­ten­de Rüs­tungs­ex­port­pra­xis die Frieden­sar­ti­kel der Verfas­sung außer Kraft setzen. Den Wider­stand gegen all dies kön­nen eben nur Men­schen von heute tragen. Ich will nicht mit billi­gem Opti­mis­mus schließen. Der von den Groß­kirchen regel­mäßig vor­ge­legte Rüs­tungs­ex­port­be­richt ist gut. Aber wenn es nur bei Papier­do­ku­men­ten bleibt und Staats­bi­schöfe ansonsten das Kriegs­hand­werk wie gehabt abseg­nen, bleibt der viel­be­schwo­rene »Gerechte Frieden« eine Phrase. Ermu­ti­gend wäre natür­lich, wenn es – gegen allen Augen­schein – nen­nens­wer­te Reste von »bür­ger­li­cher Anstän­dig­keit« doch noch gäbe. Vor allem ande­ren ist es an der Zeit, dass die Jun­gen den Auf­schrei laut werden lassen und die Zu­kunft eines Pla­ne­ten mit mensch­li­che­rem Ant­litz – entsprechend der Mög­lich­kei­ten globa­ler Kom­mu­ni­ka­tion im 3. Jahr­tau­send – einfordern …

 

In den 1980er Jahren hat Doro­thee Sölle in einem Gedicht gefragt: »Wie sieht der Men­schen­fres­ser eigent­lich aus?« Ihr Text war Kom­men­tar zu einem Foto mit Füh­rungs­kräf­ten des Rhein­me­tall-Kon­zerns, die ihre Bom­ben wie Babys in den Armen halten. Der Men­schen­fres­ser hat ein saube­res Erschei­nungs­bild, trägt einen noblen Anzug und lächelt. Der Men­schen­fres­ser soll sich noch wun­dern, welchen Sand wir in sein Getriebe streuen werden.