Frieden
Legt den Leo an die Kette
Protestaktion vor Rheinmetall
Stoppt den Verkauf von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien
Düsseldorf, 13.05.2013 [update] | Ein Aktionsbündnis aus dem Rheinland rief zu einer Protestaktion gegen Rheinmetall, die Waffenschmiede, die ihren Hauptsitz immer noch in Düsseldorf-Derendorf hat, auf – am Montag Nachmittag vor dem Verwaltungssitz und am Dienstag in Berlin, wo die Hauptaktionärsversammlung statt fand.
Die Aktionäre sollten ihre Aktien, an denen so viel Blut klebt, zurück geben.
Am Montag standen ca. 60 Demonstranten vor dem Gebäude auf der Eingangstreppe. Wir dokumentieren den Redebeitrag von Peter Bürger[1]
Das Geschäft mit dem Tod
Solange Rüstungskonzerne ihre Blutprofite einfahren, haben Recht und Menschlichkeit keine Chance auf unserem Planeten
Deutschland ist drittgrößter Mordwaffenexporteur auf dem Globus und liefert im Zuge von Milliardengeschäften modernste Kriegstechnologie an arabische Diktatoren, die den Islam zu einem Herrschaftsinstrument der Reichen umgebogen haben.[2] Es geht um Wirtschaftsinteressen und Profite. Deshalb geben die Mächtigen in unserem Land grünes Licht. Sie schämen sich nicht, für eine verfassungsfeindliche und kriminelle Politik unser Grundgesetz zu zitieren. Die gigantischen Kriegsgüterexporte, so heißt es, dienten »dem Frieden in der Welt«. Im gleichen Atemzug bekennen sich bürgerliche Politiker – ganz im Einklang mit der »neuen NATO« – zu einer Militärdoktrin, in der nationale Wirtschaftsinteressen den eigentlichen, höchsten »Wert« anzeigen. Eine Ladung vor das Bundesverfassungsgericht brauchen sie nicht zu fürchten.
Bürgertum und Kirchen üben sich in höflicher Zurückhaltung oder assistieren
Doch die Kriegskonzerne haben für ihr blutiges Geschäft nicht nur die Politik eingekauft. Die Medien vermelden inzwischen neue Kaufabschlüsse mit menschenrechtsfeindlichen Regimen, bei denen es um gigantische Rüstungsgewinne geht, wie ganz normale Tagesnachrichten. Die Düsseldorfer »Rheinische Post« könnte kaum noch freundlicher als schon jetzt berichten, wenn sie ein Tochterunternehmen von Rheinmetall wäre.[3] Die Gewerkschaften, die verbeamteten Theologieprofessoren und die monatlich mit 8.000 bis 12.000 Steuer-Euros dotierten Staatsbischöfe beider Konfessionen üben sich in höflicher Zurückhaltung. Es sollte sich keiner selbst belügen: Wer schweigt oder seine Kritik in sanfte Nebensätze verpackt, die keiner als Widerspruch versteht, assistiert der Todesmaschinerie. Geld macht hörig. Man kann sich nicht vom Systemapparat des Profits bezahlen lassen und gleichzeitig dem Frieden dienen. Bezogen auf den Komplex »Geld regiert die Welt« bleibt eine »Entweltlichung« der beiden deutschen Großkirchen nur dringend zu wünschen!
Die Lüge, mit der sich die zahllosen bürgerlichen Handlanger der Kriegsindustrie selbst beruhigen, ist trotz ihrer Wohlklänge nicht weniger zynisch als die Werbeparolen der Rüstungskonzerne. Zunächst betet man gehorsam das Dogma nach, eine Weltordnung ohne Waffengewalt könne es nicht geben. Sodann faselt man – wie schon in zwei Weltkriegen – von einer rechtmäßigen Obrigkeit, der womöglich Gott selbst das Schwert in die Hand gelegt habe. Damit das Ganze noch einen etwas christlichen Anstrich bekommt, unterscheidet man zwischen guten und bösen Waffenproduktionen, zwischen ethisch vertretbaren und unmoralischen Waffenexporten, zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Militäreinsätzen. Irgendwelche schmerzhaften Konsequenzen oder Verweigerungen zieht man aus diesen Unterscheidungen aber nicht. Der Tod als ein Meister aus Deutschland tut sein Werk ja weit entfernt von unseren Landesgrenzen. Der Afghanistankrieg hat zwar »alles nur noch schlimmer« gemacht, aber »gute Absichten« will man den Verantwortlichen doch nicht absprechen. Vor Ort gilt es derweil, den privilegierten Wohlstand zu wahren. Da muss ein Exportweltmeister schon viele Kompromisse machen – z.B. bei den Waffengeschäften, so traurig das auch ist.
Für Leute, die sich auf diese Weise – ohne jede Moral – die Welt schön malen, steht auf deutschen Kirchentagen noch immer eine Bühne bereit. Für die Verantwortlichen in der Regierung auch. Als Schlummerlied für das christliche Gewissen sollte man passend dazu einen Chor aus der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach aufspielen:
Wir setzen uns mit Tränen nieder
Und rufen dir im Grabe zu:
Ruhe sanfte, sanfte ruh!
Ruht, ihr ausgesognen Glieder!
Euer Grab und Leichenstein
Soll dem ängstlichen Gewissen
Ein bequemes Ruhekissen
Und der Seelen Ruhstatt sein.
Höchst vergnügt schlummern da
die Augen ein.
Ethisch kann nur die Fundamental-Opposition gegen Kriegsprofite sein
Gegen dieses verlogene Rumgehampel, das sich allen Ernstes als Christentum oder bürgerliche Anständigkeit verkauft, wird jeder, der sich noch ein menschliches Herz und einen intakten Verstand bewahrt hat, eine Fundamental-Opposition anmelden: Das Geschäft mit dem Tod kann nie und nimmer ein ethisch verantwortbares Geschäft sein. Solange Rüstungskonzerne ihre Blutprofite einfahren, haben Recht und Menschlichkeit keine Chance auf unserem Planeten:
(1) Die Erfindung der Waffe hat in der Zivilisationsgeschichte erst jene Grausamkeit von Mensch zu Mensch entfesselt, die mit bloßen Händen und unter einem Blick in die Augen des Gegenübers so gar nicht möglich wäre. Die Barbarei von »Pfeil und Bogen« kommt in der modernen digitalen Kriegstechnologie an ihr Endziel. Ein sauberer Knopfdruck bringt ferngelenkt den Tod. Die Botschaft der Rüstungskonzerne: »Krieg ist nur noch ein Computerspiel.«
(2) Erfindung und Durchbruch der Feuerwaffentechnologie im Spätmittelalter haben zuerst auf unserem Kontinent das Politische den Kanonen übergeben. Im Handumdrehen wurde daraus jedoch der Griff nach Weltherrschaft. Ohne die neue Waffenrevolution hätten die europäischen Eroberer sich nicht den ganzen Globus und seine Reichtümer Untertan machen können. Das Abendland gab vor, Menschenseelen retten zu wollen, doch sein Programm hieß: Weltbeherrschung durch Menschenzerfetzung. Nie und nimmer werden Kriegstechnologien und Kriegsprofiteure einem anderen Zweck huldigen als der Herrschaft von Menschen über Menschen.
(3) Die Feuerwaffe ist jedoch zugleich als maßgeblicher Geburtshelfer des Kapitalismus zu entlarven.[4] Das betrifft keineswegs nur die explosive Entwicklung der Metallverarbeitung[5] und der für die neuen Waffenkäufe notwendigen Geldgeschäfte. Kanonen kann man nicht essen oder bewohnen. Sie wärmen nicht, sie heilen nicht, sie machen uns nicht klüger oder gebildeter, sie nützen dem leibhaftigen Menschen rein gar nichts, da sie keines seiner wirklichen Lebensbedürfnisse erfüllen. Doch die Kanone ist für die Herrschenden ein Fetisch der Macht. Dieses Wahngebilde der Macht wird zum Motor der abstrakten Geldvermehrungsmaschine. Denn in die Rüstungsgüter muss man, einmal dem Wahn verfallen, endlos investieren. Die von leibhaftigen Lebenserfordernissen abstrahierende Rüstungsproduktion und die abstrakte Geldvermehrungsmaschine haben auf Grund dieser Zusammenhänge grundlegende Gemeinsamkeiten: Beide gehen über Leichen, ohne sich verantworten zu müssen. Beide bringen etwas hervor, das mit den Bedürfnissen von Menschen nichts zu tun hat und also nichtig ist. Beide saugen wie Vampire die Fähigkeiten der Menschen zum Lebenserhalt auf, um die kranken Hirngespinste und Interessen einer winzigen Minderheit zu bedienen. Beide zerstören sowohl den Einzelnen als auch die Gemeinschaftlichkeit der Menschen.
(4) Aufgrund der historischen Symbiose von Rüstungsproduktion und Geldkapitalismus sind technologische Revolutionen in unserer Zivilisation im Wesentlichen immer Aufrüstungen von Herrschaftstechnologie.[6] Der Weg eines lebensdienlichen und menschenfreundlichen wissenschaftlichen Fortschritts ist hier schon im Keim unmöglich gemacht. Entwickelt und produziert wird nicht, was die Menschen brauchen, sondern was die Geldmaschine in Schwung bringt und was als Beherrschungsinstrument nützlich ist.
(5) Dies trifft nun leider gerade auch auf die modernen Technologien für Datenverarbeitung und Kommunikation zu. Sie kommen im Wesentlichen aus militärischen Forschungszusammenhängen. Sie wurden entwickelt, um Kontrolle, Überwachung und Kriegsmacht auf totalitäre Weise zu perfektionieren. An sich hätten die neuen Kommunikationstechnologien zu einer demokratischeren Medienlandschaft, zu selbstbestimmten Lebensräumen und zu einer dialogischen Weltgesellschaft beitragen können. In Wirklichkeit haben sie eine mentale Gleichschaltung sondergleichen und ein globales Kriegssystem hervorgebracht. Es handelt sich um Technologien, ohne die die Aufrüstung der virtuellen Geldvermehrungsmaschine in drei neoliberalistischen Jahrzehnten nicht möglich gewesen wäre. Die digitale Barbarei im Finanzkapitalismus und die digitale Barbarei des modernen Krieges sind Zwillingsbrüder. Beide führen uns mit Siebenmeilenstiefeln hinein in eine autoritäre, unfreie Gesellschaft. (Die totalitären Dimensionen der ganzen Entwicklung beleuchtet derzeit am eindrucksvollsten der Konservative Frank Schirrmacher in seinem Buch »Ego«.) Vordergründig gesehen stellte die neoliberale Konkurrenzreligion das Individuum auf einen Kultaltar, doch nichts war ihr gleichgültiger als das Individuum. Der Einzelne sollte vielmehr isoliert und von sozialen Ermutigungs- und Lebensenergien abgeschnitten werden. Hernach konnte man ihn via Brainwashing zum gefügigen Objekt des Geld- und Kriegsapparates machen. Wann endlich werden wir verstehen, dass im Schatten von Rüstungskonzernen Individualität, Lebendigkeit und Menschlichkeit niemals gedeihen können?
(6) Ein anderer Konservativer, US-Präsident Dwight D. Eisenhower, erkannte schon 1961 weitsichtig, dass der militärisch-industrielle Komplex[7] eine tödliche Bedrohung für die Demokratie darstellt und am Ende nur noch eine Fassade mit demokratischem Anstrich übrig lässt. In den USA haben die Rüstungskonzerne inzwischen nahezu alle Parlamente eingekauft. Deshalb werden US-Angriffskriege geführt, die den Menschen in anderen Ländern Tod, vielen Menschen im eigenen Land Elend und zukünftigen Generationen eine immerwährende Verschuldung bringen. Wir haben inzwischen auch in Deutschland – gerade angesichts der Rüstungsexportpolitik – mehr als genug Belege dafür, dass mit Rüstungskonzernen keine Demokratie, kein friedenskonformer Staat zu machen ist. Bei Kriegsprofiten gibt es keine Mitbestimmung der Menschen und ebenso wenig eine parlamentarische Kontrolle der Herrschenden.
(7) Der »Ego-Shooter« ist sichtbares Symbol einer aggressiven Gesellschaftsideologie, die der Mehrheit aller Menschen nichts Gutes verheißt. (Doch das dürfte kaum einem Konsumenten bewusst sein.) Im Zentrum des Neoliberalismus steht der Kult der Waffe. In seinem Gefolge ist es zu einer so noch nicht dagewesenen Militarisierung der Massenkultur gekommen. Die unterhaltungsindustrielle Produktion ist – oftmals in direkter Kooperation mit dem Militär – zu einem regelrechten Rüstungssektor an der Seite der Kriegskonzerne geworden, denn: »Kein Produkt erfordert ein so geschicktes Marketing wie eines, das gewaltige Mengen an Ressourcen verschwendet und dabei eine große Anzahl von Menschen abschlachtet.« (Norman Solomon und Reese Erlich) Man lässt die Menschen, nachdem man sie schwach, dumm und lebensuntüchtig gemacht hat, täglich stundenlange Kriegsspiele an Bildschirmen absolvieren – solange, bis sie sich einbilden, dass das ganze Universum Krieg ist und Freiheit in unbegrenztem Konsum von Militainment besteht. Nie werden die Rüstungskonzerne und andere Systemgewinner so viele Profite einfahren, dass sie angemessene Entschädigungszahlungen für diese geistig-seelischen Beschädigungen von Gesellschaft und Kultur leisten könnten.
(8) Die Realutopie der UN-Charta von 1945 ist so aktuell und Not-wendig wie nie zuvor. Doch sie ist in Alltag und Alltagsbewusstsein nirgendwo verankert. Erstmalig wäre heute unter der Voraussetzung globaler Kommunikationsnetzwerke wirklich so etwas wie eine Weltgesellschaft unterschiedlichster Kulturräume möglich. Aber die Idee der Vereinten Nationen ist – was ihre Verwirklichung betrifft – in den ersten Gehschritten stecken geblieben. Jüngst sprach ein Kirchenvertreter von einem »polizeilichen« Gewaltmonopol der UNO, das wohl auch zukünftig Rüstungsproduktion erfordere. So etwas gibt es aber gar nicht. Im Wesentlichen gibt es nur den Missbrauch der UNO zur Absegnung von Militäreinsätzen, die vorzugsweise etwa die NATO als selektives Interessenssicherungsbündnis einer Reihe von Staaten unter US-Direktion ausführt. Nach Ende des Kalten Krieges wäre der Zeitpunkt da gewesen, durch enorme Investitionen in eine neue Friedensforschung und regelrechte Friedensindustrien den Vorsatz der UN-Charta umzusetzen, die Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien. Nicht einmal ansatzweise ist etwas in dieser Richtung geschehen.[8] Stattdessen ist es den Lobbyisten des Programms Krieg und den Rüstungskonzernen gelungen, weiterhin die rechtmäßig dem Frieden zustehenden Mittel in ihre Kassen zu spülen. Wir können auf andere Planeten fliegen und den eigenen mehrfach zersprengen. Aber wir haben keine Wissenschaften, keine bereitgestellten Budgets und keine Infrastrukturen, um die erwiesene Fähigkeit der Menschen zu einer gewaltfreien Konfliktlösung und zu einem friedlichen Miteinander im Dienst der Weltgemeinschaft systematisch zu erkunden, zu stärken und auszubauen. Wir haben keinerlei hochentwickelte Instrumentarien der Gewaltprävention, die nicht der militärischen »Logik« folgen. Alle »Intelligenz« und alle Reichtümer fließen dem Krieg zu. Und so würde es in einer Welt der Rüstungskonzerne auch immer bleiben.
(9) Die Hochrüstung der Industrienationen, so wusste schon Papst Paul VI., ist nichts anderes als ein Mord an den Armen der Erde. Gleiches gilt für Waffenexporte an arme Länder. Auch unter diesen Gesichtspunkten sind die Rüstungsproduzenten Massenmörder. 30 oder 40 Millionen Menschen sterben – trotz des globalen Überflusses – jährlich an gemachter Unterversorgung – das ist aktuell der größte Kriegsschauplatz. Der weltweite Kriegshaushalt ist inzwischen auf 1,75 Billionen Dollar angewachsen. Daneben nehmen sich die Budgets für rein zivile Hilfe und Entwicklung wie eine Portokasse aus. Für »humanitäre Interventionen« ohne jegliche Militäraktivität gäbe es auf dem Globus unzählige Elendsschauplätze. Doch niemand denkt daran, diese Herausforderungen ernsthaft anzugehen. Hier warten ja weder Rüstungsprofite noch Machtzuwachs. Bezogen auf die Erklärung der sozialen Menschenrechte, zuvorderst das Recht auf überlebensnotwendige Nahrung und Gesundheitssorge, macht niemand bei der UNO eine »Responsibility to Protect« (Schutzverantwortung) geltend. Die den Rüstungskonzernen zuarbeitende Propaganda für angeblich »menschenfreundliche Kriegseinsätze« ist angesichts der realen Verhältnisse kinderleicht zu widerlegen. Doch in vielen Redaktionen sitzen überwiegend Schreiberlinge mit weichgespültem oder käuflichem Hirn.
(10) Aus allen Kriegen gehen allein die Rüstungskonzerne, die von ihnen geschmierten Politikdienstleister und ihre Aktionäre als »Gewinner« hervor. Die Drahtzieher und Mitläufer des militärisch-industriellen Komplexes nennen sich selbst Realisten und uns Utopisten. Doch sie rauben der Menschheit alle materiellen und geistigen Ressourcen, die wir brauchen, um zukünftigen Generationen ein Leben auf dieser Erde zu ermöglichen. Auch deshalb gehört ein Verbot aller Rüstungsexporte in die Verfassung hinein. Geboten ist dieses – im Verein mit einer Konversion der Waffenproduktion in Produktionen für das Leben – schon aufgrund der Präambel unseres Grundgesetzes.
Um nichts weniger geht es bei unserem Friedensprotest als um die Liebe zum Leben. Wir wissen, dass die digitale Geldvermehrungsmaschine und ihre prominente Erscheinungsform in den Rüstungskonzernen die menschliche Gesellschaft bis in die Seelen hinein beschädigt hat. Doch die mögliche Schönheit des Menschen kann wieder freigelegt werden. Wenn die Kriegstechnologie ihnen nicht länger das Trommelfell zerfetzt, lernen die Menschen das Zuhören. Wenn der Terror der Maschinengewehre aufhört, entdecken sie die Langsamkeit. Die Wahrheit ist: Menschen können sich begegnen, einander verstehen, Kompromisse eingehen, eigene Fehler erkennen, kooperieren und im guten Sinn konspirieren. Sie können sich zärtlich berühren und das Leben anderer achten wie das eigene. Sympathie und Liebe sind attraktiver als Hass. Zeiträume zum Atemholen sind attraktiver als die herrschenden Beschleunigungsmaschinen des Krieges. Aufbauen ist spannender als Zerstören, Teilen viel verführerischer als Rauben. Nur Frieden ist sexy! Ein Eros des Friedens und der Gewaltfreiheit, in den nahen Lebensräumen und auch in der globalen Völkerwelt, ist möglich. Jeder Realist weiß: Es gibt zu dieser anspruchsvollsten kulturellen Vision um des Lebens und Überlebens willen keine Alternative.
Die Agenten des Todes demaskieren
Mit Antikriegsprotesten oder Antikriegsfilmen ist die Herausforderung einer »Kultur des Friedens« freilich noch gar nicht angesprochen. Wir wissen, dass erst dann wirksamer Widerstand möglich wird, wenn die erotische Leidenschaft für das Leben in der Breite gewaltfreie Gegenbewegungen freisetzt. Heute jedoch geht es uns an diesem Ort um eine Demaskierung der Agenten des Todes, zu denen der Kriegskonzern Rheinmetall gehört. Diese anonymen Profitgebilde ohne personale Verantwortung sind Feinde der einen Menschenfamilie und Verderber der menschlichen Gesellschaft. Sie allein ziehen Vorteile aus jenem Wahn, der die Weltgesellschaft krank macht. Ihre Apparatur zu hassen, ist der einzige Hass, der uns geboten ist. Sie der Lächerlichkeit preis zu geben, ist die einzige Verächtlichmachung, die uns selbst nicht hässlich macht.
Wer aber nach schreckenerregenden Ungeheuern Ausschau hält, sucht am falschen Ende. Ganz sauber und freundlich ist das Erscheinungsbild der Agenten des Todes. Schon vor über dreißig Jahren stellte die Christin Dorothee Sölle mit einem Gedicht die richtige Frage:
Und wie sieht der Menschenfresser eigentlich aus?
Auf einem Foto aus dem Hause Rheinmetall
zähle ich fünf Lebewesen und fünf Geschosse
Die Lebewesen sind mit Anzug, weißem Hemd und Schlips bekleidet
daraus entnehme ich, dass es Männer sind
Ihr Haarwuchs rangiert zwischen noch voll, gelichtet und dünn
daraus entnehme ich, dass sie zwischen Ende Dreißig und Mitte Fünfzig sind
Alle bis auf einen haben die oberen Schneidezähne entblößt
daraus entnehme ich dass sie ein gutes Geschäft abgeschlossen haben
Alle halten mit der Rechten oder mit beiden Händen
die von ihnen produzierten Waffen innig stolz oder kumpelhaft fest
daraus entnehme ich, dass sie Waffen lieben
Der innigen stolzen oder kumpelhaften Bewegung entnehme ich außerdem
dass sie gern einen bombenhaften Penis hätten
Alle hier sichtbaren Repräsentanten des Rüstungskonzerns
(mit Ausnahme des nicht Lächelnden der den Mund dümmlich offen hält)
wirken dynamisch, genau und entschlossen auf mich
Daraus entnehme ich dass sie mein deutsches Schicksal lenken werden
wie bereits zweimal in diesem Jahrhundert
sofern wir sie nicht entmachten.
Dorothee Sölle (Im Haus des Menschenfressers. rororo 1981, S. 28-29.)
Peter Bürger
Fotos von Irène Lang
aus ihrer Fotogalerie
[1] Peter Bürger ist röm.-kath. Theologe, freier Publizist, Mitglied in der Internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi, im Versöhnungsbund und in der DFG-VK. [zurück]
[2] Hier zeigt sich besonders deutlich, wie der Begriff »Fundamentalismus« selektiv bestimmte Interessen bedient. Bei sogenannten »Antiterrorkriegen« auf rohstoffreichen Erdgebieten mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung ist er von großem Nutzen. Keine Anwendung findet er hingegen auf faschistoide Todesstrafen-Christentümer – z.B. in den USA – oder eben auf willfährige wahabitische »Stabilitätsgaranten«. [zurück]
[3] Vgl. Peter Bürger: Im Hause Rheinmetall: Kriegsprofite statt Utopie. Gastkommentar: Der Düsseldorfer Rüstungskonzern betrachtet Transparenz als Problem. Eine pazifistische Nachlese zum Protest gegen die Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien. In: Telepolis, 3.11.2012. http://www.heise.de/tp/artikel/37/37932/1.html [zurück]
[4] Vgl. Robert Kurz: Vater Staat und Mutter Krieg: Die Geburt des Geldes. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Heft 9/2012, S. 101-110. [zurück]
[5] Lapidar heißt es zum wichtigsten Kriegsmetall noch beim hl. Kirchenvater Cyprian von Karthago († 258): »Eisen ist nach Gottes Willen zur Bebauung der Erde da, ohne dass deshalb Mordtaten damit verübt werden dürften.« [zurück]
[6] Das gilt selbstredend auch für staatskapitalistische Systeme, die sich als Etikett anmaßend den schönen und ehrwürdigen Namen »Sozialismus« umhängen. [zurück]
[7] Der aktuelle Wikipedia-Eintrag zum Stichwort »militärisch-industrielle Komplex« ist zweifellos maßgeblich von Dienstleistern eben des militärisch-industriellen Komplexes verfasst worden. Es wäre an der Zeit, endlich eine Paxpedia anzubieten, in der nicht in ungezählten Lexikoneinträgen Militärs, Kriegswissenschaftler und Rüstungskonzerne ihre Handschrift einbringen. [zurück]
[8] Einschlägige Alibi-Projekte kann man im Weltmaßstab bestenfalls nur als große »Pfadfinder-Initiativen« betrachten. Von den Kriegsdienstleistungen vieler sogenannter Friedensforscher wollen wir ganz schweigen. [zurück]
Fotogalerie von Irène Lang