Partei
»Ich war! Ich bin, ich werde sein!«
Rosa Luxemburg zum 140sten
Am 5. März 1871 – dieses Datum gab sie jedenfalls in ihrem Lebenslauf an – wurde Rosa Luxemburg in dem kleinen Städtchen Zamo?? im Gouvernement Lublin in Polen geboren. Annelies Laschitza schreibt in ihrer Luxemburg Biographie (Im Lebensrausch, trotz alledem), das sich Rosa Luxemburg über jeden Glückwunsch zu ihrem Geburtstag freute, vor allem wenn sie Blumen oder Bücher geschenkt bekam. »Rosa Luxemburgs Leben war aufreibend und konfliktreich. Sie kämpfte für eine bessere Welt. Ihr Ideal war ein Sozialismus, der vom Volk mitgestaltet wird, auf uneingeschränkter Freiheit und Demokratie basiert und einen dauerhaften Frieden garantiert«, heißt es in dieser Luxemburg Biographie.
Ein Kommentar von Leo Mayer, stellvertretender Vorsitzender der DKP:
Würde Rosa Luxemburg noch leben, ich bin mir sicher, sie hätte ihre helle Freude. »Alter Maulwurf Geschichte, Du hast brav gearbeitet«, würde sie mit Blick auf die Volkserhebungen in Tunesien, Ägypten, sagen.
Der globale Kapitalismus selbst setzt die Dynamik frei, mit der die Widersprüche zum Ausbruch kommen. Unvorhersehbar im Zeitpunkt. Aber doch unaufhaltsam und als Zeichen, dass die Hoffnung nicht zu zerstören ist. »Brot, Demokratie und Würde« – unter dieser Losung stürzen die Volksmassen die Tyrannei und nehmen den Kampf um eine bessere Zukunft auf.
»Ich war! Ich bin, ich werde sein!« – so beendete Rosa Luxemburg ihren letzten Artikel nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes. Kurz darauf wurde sie ermordet. »Ich werde sein!« – hinterließ sie den Nachgeborenen und meinte die Revolution. Sie ist! – wie sich jetzt in Nordafrika und anhand der gesellschaftlichen Prozesse in Lateinamerika zeigt. Revolutionen sind nicht planbar, sie lassen sich »nicht auf Kommando machen«, wie Luxemburg schrieb. »Dies ist aber auch gar nicht Aufgabe der sozialistischen Partei«, setzte sie hinzu.
Rosa Luxemburg setzte auf die innere Dynamik der Klassenkämpfe und sie vertraute auf die Lernfähigkeit der Menschen. Sie setzte darauf, dass diese, einmal in Bewegung gekommen, nicht nur die Verhältnisse, sondern sich auch selbst verändern werden. Dass sie, mit jedem Schritt den sie gehen, einen Schritt weiter sind, ihr Schicksal und ihre Zukunft in ihre eigenen Hände zu nehmen.
Luxemburg wird deshalb häufig vorgeworfen, dass sie die Massen und die Spontaneität überschätzte. Das Gegenteil ist der Fall. Da die Macht »nicht von oben, sondern von unten« erobert werden müsse, müssten sich die Massen dafür schulen. Schulung durch ihre Praxis und durch Erlernen des strategischen Wissens. Dies zu befördern, darin sieht sie die Aufgabe der Partei. Die Partei müsse die Massen erziehen. Und sie greift den Gedanken von Marx auf, dass auch die Erzieher erzogen werden müssen. »Und sollte die heutige Führerin des Proletariats, die Sozialdemokratie, nicht zu lernen verstehen, dann wird sie untergehen, »um den Menschen Platz zu machen, die einer neuen Welt gewachsen sind«. Sie fordert von der Partei, den Ereignissen »bewusst vorauszugehen, die Richtlinien der Entwicklung zu überblicken und die Entwicklung durch bewusste Aktion abzukürzen, ihren Gang zu beschleunigen«.
Umso empörter war sie über das »jämmerliche, beispiellose Versagen« der SPD, als diese auf die Unterstützung des imperialistischen Krieges umschwenkte, die Kriegskredite bewilligte und den Klassenkampf aufkündigte. Sie geißelte die sozialdemokratische Presse, die »mit ihrer patriotischen Hetze in Poesie und Prosa das entsprechende und notwendige geistige Narkotikum für ein Proletariat (schafft), das nur noch seine Existenz und Freiheit retten kann, indem es das tödliche Eisen in die Brust russischer, französischer und englischer Brüder stößt«.
In dieser Frage – Unterstützung oder Widerstand gegen den Krieg – haben sich die Wege von Kommunisten und Sozialdemokraten getrennt. In der Haltung zum Krieg der Nato gegen Jugoslawien und Afghanistan scheiden sich auch heute noch die Geister.
Rosa Luxemburg hatte es nie leicht mit ihren Parteien, wie auch umgekehrt, ihre Parteien sich nicht leicht mit Luxemburg taten. Jahrelang hatte Luxemburg gegen den wachsenden Reformismus in der SPD gekämpft. Erfolglos. Die Zustimmung der SPD zum imperialistischen Krieg führte schließlich dazu, dass Rosa Luxemburg die SPD verließ und zu den Gründerinnen der Kommunistischen Partei Deutschlands gehörte. Währenddessen Sozialdemokraten auf Seiten der Konterrevolution standen, den Spartakusaufstand blutig niederschlugen und schließlich Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermorden ließen.
Rosa Luxemburg befand sich aber auch in der KPD bereits bei der Gründung in einigen entscheidenden Fragen in der Minderheit. So wurde mit 62 gegen 23 Stimmen die von ihr befürwortete Beteiligung der KPD an der Wahl zu konstituierenden Nationalversammlung abgelehnt. Auf die Lernfähigkeit der »frischen Generation« bauend, beschlossen Rosa Luxemburg und die anderen Unterlegenen, die Niederlage »nicht tragisch zu nehmen«. In der weiteren Geschichte setzten sich jedoch noch öfter die ultralinken Kräfte in der KPD durch – mit schlimmen Folgen für die Partei und die Arbeiterbewegung.
Nach Lenins Tod wurde Rosa Luxemburg mit einem »Ring des Schweigens« (1) umgeben. Die Veröffentlichung ihrer Werke, begonnen 1923 durch Clara Zetkin, wurde eingestellt. Die Sozialdemokratie druckte nur wenige Schriften, die sie in Verfälschung von Rosa Luxemburgs Position gegen die Russische Revolution missbrauchen konnte. In der KPD wurde der Geist Rosa Luxemburgs ausgetrieben, die Partei von den »luxemburgschen Syphilisbazillen« (Ruth Fischer) gereinigt. Unter Stalin wurden ihre Auffassungen als »Luxemburgismus« verketzert. Erst 1970 wurde in der DDR mit der Herausgabe ihrer Werke begonnen.
So ist ihr140. Geburtstag ein Aufruf, Rosa Luxemburg zu studieren, von ihr zu lernen. Denn eine Erneuerung des Marxismus ist ohne sie undenkbar: »Aber Marxismus ist nicht ein Dutzend Personen, die einander das Recht der »Sachverständigkeit« ausstellen und vor denen die Masse der gläubigen Moslims in blindem Vertrauen zu ersterben hat. Marxismus ist eine revolutionäre Weltanschauung, die stets nach neuen Erkenntnissen ringen muss, die nichts so verabscheut wie das Erstarren in einmal gültigen Formen, …«
(1) Lelio Basso, Rosa Luxemburgs Dialektik der Revolution