Partei

100 Jahre Álvaro Cunhal

Plakatausschnitt: Porträt Álvaro Cunhal.

Am Sonn­tag, 1. De­zem­ber 2013 ha­ben die Ge­nos­sin­nen und Ge­nos­sen un­se­rer por­tu­gie­si­schen Schwes­ter­par­tei PCP den 100. Ge­burts­tag von Ál­va­ro Cunhal be­gan­gen.

Die Fei­er fand in So­lin­gen statt. Sie be­stand vor al­lem aus ei­nem ge­mein­sa­men Es­sen. Un­ter den mehr als hun­dert Gäs­ten be­fand sich ei­ne Rei­he von Mit­glie­dern der DKP. Es sprach der Ge­nos­se Ar­min­do Mi­ran­da aus aus der Pro­vinz Trás-os-mon­tes (»über den Ber­gen«), Mit­glied des ZK der PCP. Er sprach frei. Lei­der liegt kei­ne Über­set­zung sei­ner Re­de vor. Für die DKP hielt Klaus Stein ei­ne klei­ne An­spra­che. Wir do­ku­men­tie­ren:

Die­ses Fest, lie­be Ge­nos­sin­nen und Ge­nos­sen,

Redner, Zuhörerin.

ist Ál­va­ro Cunhal ge­wid­met, dem lang­jäh­ri­gen Ge­ne­ral­se­kre­tär der hel­den­haf­ten Por­tu­gie­si­schen Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Er hat sie ge­prägt. Un­ter sei­ner Füh­rung hat sich Por­tu­gal im April 1974 des Fa­schis­mus ent­le­digt. Un­ter sei­ner Füh­rung ist die PCP groß ge­wor­den.

Ich se­he ein Bild vor mir, das Ál­va­ro Cunhal ge­malt hat. Ein ver­dun­kel­ter Him­mel über ei­ner ge­witt­ri­gen Land­schaft mit star­ken Hell-Dun­kel-Kon­tras­ten. Die Ebe­ne bil­det rechts ei­ne fast recht­wink­li­ge schrof­fe Kan­te, hier fällt der Blick auf die Küs­te und ih­re Bran­dung. Im Vor­der­grund des fla­chen Ge­län­des oh­ne Ve­ge­ta­ti­on trägt ein jun­ger Mann ei­nen an­de­ren, in­dem er ihm un­ter die Ach­sel greift. Der Hilf­lo­se scheint fast zu schwe­ben. Drei Frau­en in bäu­er­li­cher Klei­dung, mit Schür­zen und Kopf­tü­chern, kni­en, trau­ern of­fen­kun­dig. Links im Hin­ter­grund ein Paar, eben­falls in Trau­er­hal­tung. Zwi­schen den bei­den Grup­pen liegt Klei­dung auf dem Bo­den, ein Ast­stumpf ragt aus der Er­de. Der nack­te Ober­kör­per der Haupt­fi­gur, uns halb zu­ge­wandt, sein her­ab­hän­gen­der Arm, die blei­che Haut­far­be – der jun­ge Mann scheint trotz des hoch­ra­gen­den Kop­fes und des mus­ku­lö­sen, so­gar ge­spann­ten Arms kaum noch am Le­ben.

Bild wird im Beitragstext beschrieben.

Schon der Ma­ler der Fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on, Jac­ques Louis Da­vid, be­dien­te sich bei der Dar­stel­lung des to­ten Ma­rat der Iko­no­gra­phie ei­ner Be­wei­nung oder Grab­le­gung Chris­ti, wie sie die Kunst­ge­schich­te seit dem Mit­tel­al­ter kennt – um nur ei­ni­ge Künst­ler zu nen­nen: Giot­tos Fres­ko von 1306 in der Scro­ve­g­ni-Ka­pel­le von Pa­dua, die Pie­ta von Mi­che­lan­ge­lo im Pe­ters­dom von 1497, Ca­ra­vag­gi­os Grab­le­gung Chris­ti von 1604. Der Ma­ler Ál­va­ro Cunhal ver­wen­det die­se For­men und nutzt sie eben­so wie die Ge­füh­le, die sie her­vor­ru­fen, um rea­le ge­sell­schaft­li­che Er­fah­run­gen wie­der­zu­ge­ben. Sei­ne Bild­spra­che be­dient sich der christ­li­chen Iko­no­gra­phie als Pa­thos­for­mel, ver­stärkt durch ex­pres­sio­nis­ti­sche Farb- und Hell­dun­kel­kon­tras­te. Sie wird in­des­sen ins Welt­li­che ge­wen­det, der ins Jen­seits wei­sen­de Trost bleibt aus.

Lie­be Ge­nos­sin­nen und Ge­nos­sen,

mein Freund Rui Paz mach­te mich auf ei­nem der UZ-Pres­se­fes­te auf ein Ta­schen­buch auf­merk­sam, das von Ál­va­ro Cunhal un­ter dem Pseud­onym Ma­nu­el Tia­go ge­schrie­ben wor­den ist. So erst er­fuhr ich von sei­nen bel­le­tris­ti­schen Ar­bei­ten. Mit Span­nung hat­te ich sei­ner­zeit im Buch »Bis mor­gen, Ge­nos­sen« von den Ge­heim­nis­sen des il­le­ga­len Kamp­fes der por­tu­gie­si­schen kom­mu­nis­ti­schen Par­tei ge­le­sen, oh­ne das Ge­heim­nis des Au­tors zu ken­nen. Es war ei­ne der vie­len Ver­öf­fent­li­chun­gen aus Ver­la­gen der DDR, die uns jun­gen Leu­ten im im­pe­ria­lis­ti­schen Teil Deutsch­lands ei­ne Ah­nung von der his­to­ri­schen und geis­ti­gen Macht der Ar­bei­ter­klas­se und des wis­sen­schaft­li­chen So­zia­lis­mus ver­schaff­ten. Wir ge­nos­sen aber nicht nur den Zu­gang zur schö­nen Li­te­ra­tur des So­zia­lis­mus. Wir be­ka­men auch den Blick auf die wis­sen­schaft­li­chen Er­kennt­nis­se die­ser neu­en Welt. Wir er­hiel­ten Nach­richt von den Ge­setz­mä­ßig­kei­ten der ka­pi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se und ih­ren Kri­sen, von den an­ti­im­pe­ria­lis­ti­schen Kämp­fen der Völ­ker, vom pro­le­ta­ri­schen In­ter­na­tio­na­lis­mus, von der welt­be­we­gen­den Macht der Ide­en von Marx, En­gels und Le­nin.

Das trug bald nach der Neu­kon­sti­tu­ie­rung der DKP 1968 zur Be­le­bung des In­ter­es­ses für den Mar­xis­mus und zu ei­ner geis­ti­gen Über­le­gen­heit der Mar­xis­ten bei, ins­be­son­de­re an den Hoch­schu­len die­ses Lan­des, der die Herr­schen­den nur noch mit Be­rufs­ver­bo­ten Herr wer­den konn­ten.

Lie­be Ge­nos­sin­nen und Ge­nos­sen,

un­se­re bei­den Par­tei­en tei­len vie­le Er­fah­run­gen. Es sind Er­fah­run­gen der il­le­ga­len Tä­tig­keit so­wie der po­li­ti­schen Un­ter­drü­ckung durch den Fa­schis­mus – aber wir tei­len auch die Er­fah­rung des Hun­gers nach Kul­tur in sol­chen Zei­ten, der Wirk­sam­keit geis­ti­ger und mo­ra­li­scher Über­le­gen­heit des wis­sen­schaft­li­chen So­zia­lis­mus ge­gen­über im­pe­ria­lis­ti­scher Bar­ba­rei. Für die­se geis­ti­ge Über­le­gen­heit steht Ál­va­ro Cunhal.

Liebe Genossinnen und Genossen,

ich be­dan­ke mich im Na­men des Par­tei­vor­stands der DKP und sei­ner In­ter­na­tio­na­len Kom­mis­si­on für die Ein­la­dung zu die­sem Fest und bit­te um Ent­schul­di­gung, dass Gün­ter Pohl nicht teil­neh­men kann. Wir wün­schen sehr und ge­hen da­von aus, dass die­ses Fest der por­tu­gie­si­schen Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten die Or­ga­ni­sa­ti­on der PCP in Deutsch­land stärkt.

Un­se­re bei­den Par­tei­en sind seit der Grün­dung von PCP und KPD eng mit­ein­an­der ver­bun­den. Wir schät­zen es hoch, dass die PCP be­reit war, ei­nes ih­rer Mit­glie­der auf un­se­rer EU-Wahl­lis­te kan­di­die­ren zu las­sen und wür­den uns wün­schen, dass die PCP ein we­nig für ih­re deut­sche Schwes­ter­par­tei zu den Eu­ro­pa­wah­len am 25. Mai wirbt.

Un­ser Ge­nos­se Rui Paz ist tief in un­se­ren Her­zen. Er war ein en­ger Freund. Ihm ist es über­zeu­gend ge­lun­gen, uns die Po­li­tik der PCP an­schau­lich zu ma­chen. Viel hat Rui da­zu bei­ge­tra­gen, dass sich un­se­re bei­den Par­tei­en so na­he ste­hen.

Im nächs­ten Jahr jährt sich die Nel­ken­re­vo­lu­ti­on zum 40. Mal. Sie hat sei­ner­zeit ein hal­bes Jahr nach dem Putsch in Chi­le im Sep­tem­ber 1973 mit der Be­en­di­gung der Ko­lo­ni­al­krie­ge, der Land­re­form und an­de­ren fort­schritt­li­chen Maß­nah­men die Hoff­nung auf ei­ne ge­rech­te, ei­ne so­zia­lis­ti­sche Welt wie­der­zu­be­le­ben ver­mocht. Lan­ge hat sie dem Wir­ken im­pe­ria­lis­ti­scher Zen­tren stand hal­ten kön­nen. Lei­der war die So­zia­lis­ti­sche Par­tei mit Un­ter­stüt­zung der Fried­rich-Ebert-Stif­tung dar­an be­tei­ligt, Fort­schrit­te zu­rück­zu­drän­gen.

Vor drei Wo­chen ist das 15. In­ter­na­tio­na­le Tref­fen der Kom­mu­nis­ti­schen und Ar­bei­ter­par­tei­en von der PCP sehr ver­ant­wor­tungs­voll vor­be­rei­tet wor­den.

Die zen­tra­le Fei­er für Ál­va­ro Cunhal am 1. No­vem­ber in der ehe­ma­li­gen Stier­kampf­are­na »Cam­po Pe­que­no« ma­ni­fes­tier­te die Ver­an­ke­rung der PCP im Volk ein­drucks­voll. Wir sind si­cher, dass die PCP auch wei­ter­hin ei­ne volks­na­he, auf den Fort­schritt ge­rich­te­te Po­li­tik für Por­tu­gal ent­wi­ckeln und das Land so auf dem Weg zur Re­vo­lu­ti­on vor­an­brin­gen wird.

Es lebe die enge Verbundenheit von PCP und DKP!

Klaus Stein, DKP
Vorsitzender des Bezirks Rheinland-Westfalen
1. Dezember 2013