Politik

Zum neuen Hoch­schul­frei­heits­gesetz

Gegen die Ver­mum­mung
von Forschungs­zwecken!

Panorama: Uni-Köln, Hauptgebäude.

Seit 2007 gilt in NRW das Hoch­schulfrei­heitsge­setz. –
Die Lan­des­re­­gie­rung will jetzt ein Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz.

Das Hoch­schul­­frei­heits­­ge­setz von NRW wur­de sei­ner­zeit sehr flott aus der Tau­fe ge­ho­ben. Die In­itia­ti­ve hat­te das Cen­trum für Hoch­schul­­ent­wick­lung (CHE) der Ber­tels­mann­stif­tung. Am 20. De­zem­ber 2005 ver­öf­fent­lich­te es zehn For­de­run­gen an ein Hoch­schul­frei­heits­ge­setz. An­geb­lich ging es um die Au­to­no­mie der Hoch­schu­len.

Der sei­ner­zeit ver­ant­wort­li­che FDP-Mi­nis­ter Pink­wart re­agier­te schon am 25. Ja­nu­ar 2006 mit »Eck­punk­ten des ge­plan­ten Hoch­schul­frei­heits­ge­set­zes«, die die Hand­schrift des CHE er­ken­nen las­sen. Bei­spiel:

Das CHE schreibt:

»In ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern ist be­reits ein Mo­dell ein­ge­führt wor­den, in dem Kom­pe­ten­zen vom Staat auf ei­nen Hoch­schul­rat über­tra­gen wor­den sind, wo­bei die Wahl des Rek­tors und die Ver­ab­schie­dung der Grund­ord­nung un­ab­ding­bar da­zu ge­hö­ren. Der Hoch­schul­rat muss hier­durch zu ei­nem ins­be­son­de­re in stra­te­gi­schen Fra­gen wich­ti­gen Ent­schei­dungs­or­gan wer­den. Die Mit­glie­der des Hoch­schul­rats soll­ten ex­tern be­stellt wer­den.«

Pink­wart fünf Wo­chen spä­ter:

»Der Hoch­schul­rat tritt als neu­es Or­gan an die Stel­le des Ku­ra­to­ri­ums und be­steht min­des­tens zur Hälf­te aus Mit­glie­dern von au­ßer­halb der Hoch­schu­le. Der Vor­sit­zen­de muss stets von au­ßen kom­men… Der Hoch­schul­rat ent­schei­det über die stra­te­gi­sche Aus­rich­tung der Hoch­schu­le und nimmt die Fach­auf­sicht wahr. Er be­schlie­ßt über den Hoch­schul­ent­wick­lungs­plan und die von den Hoch­schu­len mit dem Land aus­ge­han­del­te Ziel­ver­ein­ba­rung.«

Dann ging es Zug um Zug. Am 30. Mai 2006 be­schloss das Lan­des­ka­bi­nett NRW das Hoch­schul­frei­heits­ge­setz (HFG). Am 26. Ok­to­ber 2006 ver­ab­schie­de­te es der Land­tag. In Kraft ist es seit dem 1. Ja­nu­ar 2007.

­Die Hoch­schu­len wa­ren bis da­hin dem zu­stän­di­gen Mi­nis­te­ri­um un­ter­stellt. Seit 2007 sind sie ge­wis­ser­ma­ßen markt­ori­en­tiert. Es ent­schei­det der Hoch­schul­rat, der zu ei­nem gro­ßen Teil von so­ge­nann­ten Ex­ter­nen be­setzt wird. Die Fach­auf­sicht wird, so weit es geht, re­du­ziert. Vie­le Pa­ra­gra­phen des Vor­gän­ger­ge­set­zes fal­len im Zu­ge ei­ner »Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung« weg.

D­a­für über­nimmt Ber­tels­mann mit­tels CHE die Qua­li­täts­si­che­rung.

Ein Jahr spä­ter (12.10.07) konn­te das Han­dels­blatt un­ter der Über­schrift »Ma­na­ger er­obern Kon­trol­le an den Unis« tri­um­phie­rend mit­tei­len, dass schon 33 Pro­zent der Mit­glie­der der Hoch­schul­rä­te von 51 un­ter­such­ten bun­des­deut­schen Hoch­schu­len Ma­na­ger von Ban­ken und Kon­zer­nen sei­en. Am 21. Mai 2008 wur­den in der Köl­ni­schen Rund­schau un­ter an­de­rem ge­nannt: Dr. Ri­chard Pott (Vor­stands­mit­glied Bay­er AG) und Her­mann-Jo­sef Lam­ber­ti (Vor­stands­mit­glied Deut­sche Bank AG).

Im Mai 2010 wur­de die schwarz-gel­be Lan­des­re­gie­rung ab­ge­wählt. Seit den Neu­wah­len vom Mai 2012 ist die rot-grü­ne Lan­des­re­gie­rung nicht mehr von der Zu­stim­mung der Links­par­tei ab­hän­gig.

Am 12. No­vem­ber 2013 legt die neue Wis­sen­schafts­mi­nis­te­rin Sven­ja Schul­ze den Ent­wurf für ein Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz vor. Es soll am 1. Ok­to­ber 2014 in Kraft tre­ten. So­gleich er­fol­gen hef­ti­ge und grund­sätz­li­che Ein­wän­de. Im Na­men der NRW-Hoch­schul­rek­to­ren teilt Horst Hipp­ler am 20. No­vem­ber mit, dass ei­ne der­ar­tig um­fas­sen­de Ge­set­zes­no­vel­le nicht er­for­der­lich sei. Wört­lich:

»Der vor­lie­gen­de Ent­wurf schränkt in zen­tra­len Punk­ten die Wis­sen­schafts­frei­heit und Au­to­no­mie der Hoch­schu­len in in­ak­zep­ta­bler Wei­se ein. Der Re­fe­ren­ten­ent­wurf un­ter­gräbt die Au­to­no­mie der Hoch­schu­len.«

Arndt Kirch­hoff, Prä­si­di­ums­mit­glied im Bun­des­ver­band der In­dus­trie (BDI), lässt mit­tei­len (WAZ 8.1.14): »Wir wer­den in an­de­ren Bun­des­län­dern for­schen, aber nicht in NRW«, falls NRW den Ent­wurf zum neu­en Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz nicht ein­kas­sie­re. Es se­he vor, dass die Öf­fent­lich­keit schon vor For­schungs­be­ginn über kon­kre­te Pro­jek­te, Geld­ge­ber und Um­fang in­for­miert wird. Die Wirt­schaft fürch­te den Ver­lust des geis­ti­gen Ei­gen­tums und von Pa­tent­rech­ten durch Tritt­brett­fah­rer der Kon­kur­renz.

­Die Vor­sit­zen­den der Hoch­schul­rä­te äu­ßern sich am 6. Ja­nu­ar. Sie be­fürch­ten den »Ver­lust der pla­ne­ri­schen Au­to­no­mie«, »der in­ter­nen Ge­stal­tungs­fä­hig­keit«, »der Hand­lungs­fä­hig­keit durch Zu­nah­me von Bü­ro­kra­tie oh­ne Mög­lich­keit der per­so­nel­len Kom­pen­sa­ti­on«, »der Fi­nanz­au­to­no­mie in we­sent­li­chen Be­rei­chen«, »der Wett­be­werbs­fä­hig­keit im ad­mi­nis­tra­ti­ven« und »im wis­sen­schaft­li­chen Be­reich mit ne­ga­ti­ven Fol­gen für die Wett­be­werbs­fä­hig­keit des Wirt­schafts­stand­or­tes NRW«. Die Re­ge­lun­gen des § 71a sei­en von tie­fem Miss­trau­en ge­gen Dritt­mit­tel­ein­wer­bung ge­prägt. Sie ver­kenn­ten, dass wei­te Be­rei­che der For­schung nicht oh­ne Dritt­mit­tel durch­ge­führt wer­den kön­nen. Der Schul­ter­schluss der Hoch­schu­len mit In­dus­trie und Wirt­schaft sei ein we­sent­li­cher Bau­stein für In­no­va­ti­on und wirt­schaft­li­chen Er­folg.

­Der DGB NRW nimmt am 7. Ja­nu­ar Stel­lung:

»Der vor­ge­leg­te Ge­setz­ent­wurf weist in die rich­ti­ge Rich­tung. Das schwarz-gel­be Hoch­schul­ge­setz von 2007 hat zu Fehl­ent­wick­lun­gen ge­führt, die drin­gend be­sei­tigt wer­den müs­sen. Nicht öko­no­mi­scher Wett­be­werb, son­dern best­mög­li­che Stu­di­en-, For­schungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen müs­sen die Leit­plan­ken der NRW-Hoch­schul­po­li­tik sein. Den­noch ent­hält der Ge­setz­ent­wurf Lü­cken, die es nach­zu­ar­bei­ten gilt. An vie­len Stel­len fehlt es an den rich­ti­gen In­stru­men­ten, um die for­mu­lier­ten Zie­le kon­se­quent um­set­zen zu kön­nen.

Der DGB hat Re­spekt vor der grund­ge­setz­lich ga­ran­tier­ten Frei­heit der Wis­sen­schaf­ten. Die Auf­ga­ben der Hoch­schu­len müs­sen aber ge­setz­lich fest­ge­legt wer­den und die Ge­werk­schaf­ten er­war­ten, dass ge­setz­lich nor­mier­te gu­te Ar­beits­be­din­gun­gen für al­le Hoch­schul­be­schäf­tig­ten zum Stan­dard wer­den. Si­che­re Ar­beits­plät­ze, ei­ne fai­re Ent­loh­nung und be­ruf­li­che Per­spek­ti­ven sind Vor­aus­set­zung für gu­te Leh­re und For­schung und für die Zu­kunfts­fä­hig­keit Nord­rhein-West­fa­lens. Ins­be­son­de­re müs­sen die gi­gan­ti­schen Aus­wüch­se be­fris­te­ter Be­schäf­ti­gun­gen an un­se­ren Hoch­schu­len zu­rück­ge­führt wer­den. Da­zu ge­hört auch, dass die Ar­beit­neh­mer auf Au­gen­hö­he mit­be­stim­men kön­nen – in den uni­ver­si­tä­ren Gre­mi­en eben­so wie in den Per­so­nal­ver­tre­tun­gen.«

Am 22. Ja­nu­ar äu­ßert sich der Freie Zu­sam­men­schluss von Stu­den­tIn­nen­schaf­ten (fzs) e.V. und for­der­te die Lan­des­re­gie­rung von Nord­rhein-West­fa­len zu ei­ner deut­lich mu­ti­ge­ren Re­form des Hoch­schul­ge­set­zes auf und kri­ti­siert Hoch­schul­rä­te, Lan­des­rek­to­ren­kon­fe­renz und Wirt­schafts­ver­bän­de. Sie woll­ten Stan­des­dün­kel und Ge­heim­nis­krä­me­rei be­wah­ren.

Jan Clop­pen­burg, Vor­stands­mit­glied im fzs sagt:

»Der Ge­set­zes­ent­wurf zeigt an vie­len Stel­len in die rich­ti­ge Rich­tung. Wir brau­chen Trans­pa­renz im Um­gang mit Dritt­mit­teln. Ein öf­fent­lich fi­nan­zier­tes Wis­sen­schafts­sys­tem muss im­mer of­fen sa­gen kön­nen, was es tut und für wen. Die Dro­hun­gen der Wirt­schafts­ver­bän­de und ih­re Ru­fe nach Ge­heim­hal­tung zei­gen ein Ver­ständ­nis von Wis­sen­schaft, nach dem For­schung bloß zur Ver­stär­kung von Wirt­schafts­wachs­tum und Wis­sen­schaft als Stand­ort­fak­tor dient. Trans­pa­renz ist not­wen­dig, um die Un­ab­hän­gig­keit der Wis­sen­schaft vor sol­chen In­ter­es­sen zu schüt­zen. Durch die Stär­kung der Se­na­te wird die De­mo­kra­tie an den Hoch­schu­len ge­stärkt. Die Se­na­te müss­ten je­doch end­lich wirk­lich pa­ri­tä­tisch be­setzt wer­den. An deut­schen Hoch­schu­len hat die kleins­te Grup­pe im­mer noch die grö­ß­ten Rech­te – das ist Stän­de­herr­schaft wie vor der fran­zö­si­schen Re­vo­lu­ti­on. Hoch­schul­rä­te sind viel zu häu­fig mit ah­nungs­lo­sen Ex­ter­nen be­setzt, die die Hoch­schu­le gar nicht von in­nen ken­nen. Hoch­schul­rä­te be­för­dern Macht­kon­zen­tra­ti­on in den Hän­den we­ni­ger und ha­ben kei­nen Platz an de­mo­kra­ti­schen Hoch­schu­len. Des­halb müs­sen sie kom­plett ab­ge­schafft wer­den.«

Es ist we­nig dran an den Vor­wür­fen von Hoch­schul­rä­ten, Rek­to­ren und BDI.

A­ber wor­um geht es ih­nen?

Das Hoch­schul­zu­kunfts­ge­setz wird Auf­trags­for­schung von In­dus­trie und Wirt­schaft we­der ver­bie­ten noch auch nur ein­schrän­ken. Im Ge­gen­teil, der al­te § 71 des HFG (»For­schung mit Mit­teln Drit­ter«) wird fast un­ver­än­dert über­nom­men. Dar­in wird Auf­trags­for­schung an staat­li­chen Hoch­schu­len zur Nor­ma­li­tät er­klärt. Al­ler­dings soll nach dem neu­en Ent­wurf dar­über in­for­miert wer­den. (§ 71 a, Abs. 1: »Das Prä­si­di­um in­for­miert die Öf­fent­lich­keit in ge­eig­ne­ter Wei­se über For­schungs­vor­ha­ben nach § 71 Ab­satz 1, ins­be­son­de­re über de­ren The­men, den Um­fang der Mit­tel Drit­ter so­wie über die Per­son des je­wei­li­gen Drit­ten.«)

Auch die Ein­rich­tung von Hoch­schul­rä­ten wird durch die No­vel­le nicht an­ge­tas­tet. Aber die Her­ren re­agie­ren emp­find­lich ge­gen­über dem An­spruch der Öf­fent­lich­keit auf Trans­pa­renz. Aber sie wol­len die Zwe­cke von For­schung ver­ber­gen und be­an­spru­chen Ge­heim­hal­tung. Sie ver­lan­gen ge­wis­ser­ma­ßen ein Recht auf Kor­rup­ti­on. Sie pri­va­ti­sie­ren die In­fra­struk­tur der staat­lich fi­nan­zier­ten Hoch­schu­len, ord­nen For­schung und Leh­re ih­ren pri­va­ten Ver­wer­tungs­in­ter­es­sen un­ter. Aber heim­lich.

Klaus Stein