Politik
Wer ist »Pegida«
Verblühte Landschaften
Die Organisatoren und Unterstützer der Demos von Pegida (»Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes«) und Dügida sind bekannt. Sie kommen aus dem Umkreis von NPD, AfD, Republikaner, »Die Rechte«, »Hooligans gegen Salafisten« usw. und vertreten eine eindeutig rassistische Politik.
In Dresden, von wo die neue »Bewegung« ihren Ausgang nahm, hat sie bis heute den größten Zulauf. Dort tritt ein gewisser Lutz Bachmann – u.a. wegen Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl mehrfach vorbestraft – als Sprecher eines weitgehend anonymen »Orga-Teams« auf. Gewiss sind nicht alle Dresdner Pegida-Demonstranten in der Wolle gefärbte Nazis. Aber offenbar identifizieren sie sich mit den ausländerfeindlichen Parolen.
Warum? ARD-Reporter haben etliche Teilnehmer nach ihren Motiven gefragt und in den Antworten viel Frust gehört: »Zu wenig Arbeitsplätze, von den Löhnen können wir nicht leben, unsere Renten reichen nicht! Und dann auch noch Asylanten?!« Bei manchen mag da die Erinnerung an eine gesicherte Existenz zu Zeiten der DDR ohne Arbeitslosigkeit und massenhafte Verarmung mitspielen – wenige Wochen vor den ersten Demos sollten die Leute ja noch den 25. Jahrestag des Mauerfalls feiern.
Und dann glauben viele zu wissen: »Die meisten Ausländer sind kriminell und bedrohen uns.« Pegida, Dügida = Stupida, brachte ein Transparent bei der Düsseldorfer Gegendemonstration diese Vorurteile aus dem Arsenal der »Abendland-Patrioten« am 12. Januar auf den Begriff.
Angst vor kriminellen Asylanten?
Wer muss vor wem Angst haben?!
Gewalt wird von deutschen Rassisten ausgeübt. Wohnungen werden angegriffen und in Brand gesetzt, Menschen mit anderer Hautfarbe und Herkunft werden gehetzt und getötet. 149 Morde seit 1990 (bis 2012) gehen auf das Konto rassistischer Gewalttäter. Mindestens – denn spätestens der NSU-Prozess macht deutlich: unsere Behörden sind nur allzu schnell bereit, die Täter von ausländerfeindlichen Gewalttaten im »Migrantenmilieu« selbst zu suchen. Begangen wurden die Morde aber von Leuten, die die »deutschen Werte« gegen den Islam verteidigen wollen. Und von denen ein kritischer Journalist auf einer Pegida-Demo schon auch mal mit den Worten bedroht wird: »Verpiss dich, du Judenschwein, sonst machen wir dich platt.«
Ja, es gibt tatsächlich Missstände, tatsächliche Gründe für Protest:
- Mit der Agenda 2010 (von SPD und Grünen durchgesetzt) wurde ein riesiger Billiglohnsektor geschaffen. Unsichere, befristete Arbeitsplätze nehmen zu.
- Die Arbeitslosigkeit ist hoch – entgegen aller Schönrechnerei.
- Der Reallohn sinkt. Trotz langer und harter Arbeit reicht das Geld vorne und hinten nicht.
- Hartz IV heißt Armut per Gesetz und schwebt als ständige Bedrohung und Schikane über den Beschäftigten. Macht unsolidarisch und fördert Duckmäuser-tum.
- Die staatliche Rente wird immer weiter abgebaut, Altersarmut ist vorprogrammiert.
- Die öffentlichen Haushalte sind hoch verschuldet. Leistungen für die Bürger werden teurer oder gestrichen. Oder verkauft, privatisiert.
Solche tatsächlichen wirtschaftlichen und sozialen Probleme gilt es zu lösen, statt des vorgeblichen Problems der »Islamisierung«. Darauf hat zurecht der IG-Metall-Bevollmächtigte Nihat Öztürk am 12. Januar in seiner Rede vor dem Gewerkschaftshaus hingewiesen. Und gegen das Gesülze von allen Offiziellen zur unbegrenzten Meinungsfreiheit kam von ihm die Klarstellung: »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!«
Ja, die heutige Arbeits- und Lebenswirklichkeit macht Angst. Aber dafür ist kein Ausländer oder Asylbewerber verantwortlich.
Verantwortlich ist die Jagd nach dem Maximalprofit. Der Profit braucht niedrige Löhne und hohe Konkurrenz zwischen den Menschen.
Ja, das Geld ist tatsächlich knapp, es muss gespart werden, die öffentlichen Kassen sind leer.
Die Kassen sind geleert worden und werden immer weiter geleert: 290 Milliarden Euro sind für die Rettung der Banken vergeudet worden. Große Konzerne verfrachten ihre Milliarden-Profite mit Hilfe der Politik am Finanzamt vorbei in die Steuerparadiese. Dieses Geld wird den Bürgern gestohlen – vom großen Kapital, nicht von Flüchtlingen. Die Superreichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Es ist genug Geld da, nur falsch verteilt – es muss umfairteilt werden!
»Die Sorgen der Menschen müssen ernst genommen werden«, tönen jetzt die rechten und konservativen Politiker im Gleichklang mit Pegida-Führern. Sie meinen allerdings nicht die tatsächlichen besorgniserregenden Probleme, wie sie oben beschrieben sind. Nein, hiervon wollen sie unbedingt ablenken. Frust und Aggressionen sollen sich gegen Ausländer und Asylbewerber richten, keinesfalls gegen die wirtschaftlichen Verhältnisse! Der Flüchtling soll schuld sein, nicht das flüchtige Kapital. Aber niemandem würde es besser gehen, wenn keine Asylanten nach Deutschland kämen. Niemand hätte auch nur einen Cent mehr im Portemonnaie, niemand bekäme einen sicheren Arbeitsplatz. Denn dafür müssten auch Zehntausende auf die Straße gehen, aber mit anderen Parolen und anderen Bündnispartnern!
Die »Montagsspaziergänge« der Pegida sind nicht nur ein Marsch gegen die Interessen der arbeitenden Menschen. Von ihnen geht eine unmittelbare Bedrohung schutzbedürftiger Menschen aus.
Deshalb keine Gemeinsamkeiten mit Rassisten!
Der Nazi-Faschismus hat den 2. Weltkrieg begonnen und damit mehr als 50 Milionen Tote zu verantworten.
Mit der Vorbereitung und im Verlauf des Krieges sind enorme Flüchtlingsströme ausgelöst worden. Unter dem Eindruck des Krieges haben die Vereinten Nationen 1948 einstimmig die
»Allgemeine Erklärung der Menschenrechte«
verabschiedet, in der es heißt:
Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Religionsfreiheit; dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen.
Diese Erklärung gehört zu den wesentlichen »Werten des Abendlandes«. Den Pegida- und Dügida-Anhängern bedeutet sie offenkundig nichts.
Text: K.H.
Foto: Klaus Müller