Köln
Über Zionismus, die UNO und Palästina
Von der Geschichte der Amalekiter bis zur UN-Völkermordkonvention
Kundgebung «Die Waffen müssen schweigen» vom 18.01.24 auf dem Hans-Böckler-Platz.
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Über Zionismus, die UNO und Palästina
Der Zionismus
Als Zionismus wird die Ideologie und die Bewegung für einen jüdischen Nationalstaat in Palästina bezeichnet. Er hat einige Väter. Einer davon, Moses Hess (1812-1875), war kurzzeitig Mitglied des Bundes der Kommunisten (August 1847 bis Anfang 1848), ebenso kurzzeitig Freund von Marx und Engels. Hess glaubte dann mit Willich und Schapper das Fehlen objektiver Bedingungen durch subjektiven Eifer wettmachen zu können, geriet wiederum zeitweilig zum Bonapartisten, dann zum Anhänger von Lassalles Allgemeinem Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Er war Kölner Bevollmächtiger des ADAV (Mai bis November 1863) und von 1864 bis 1867 Mitarbeiter des Organs «Der Social-Demokrat». Dieser «ehrliche Confusionarius» (Jenny Marx) war es, der den Zionismus als erster zu Papier gebracht hat. Seine Schrift heißt «Rom und Jerusalem» und ist 1862 in Leipzig erschienen.
Hess schreibt im Vorwort:
«Auch Jerusalems verwaiste Kinder werden Theil nehmen dürfen an der grossen Völkerpalingenesis (= Wiedererstehen der Völker), an der Auferstehung aus dem todtenähnlichen Winterschlaf des Mittelalters mit seinen bösen Träumen. Der Völkerfrühling hat mit der französischen Bevolution begonnen; das Jahr 1789 war das Frühlingsäquinoxium (= Tag- und Nachtgleiche) der Geschichtsvölker. Die Auferstehung der Todten hat nichts Befremdendes mehr zu einer Zeit, in welcher Griechenland und Rom wieder erwachen, Polen von Neuem aufathmet, Ungarn zum letzten Kampfe rüstet, und eine gleichzeitige Erhebung aller jener unterdrückten Racen (= Rassen) sich vorbereitet, die, abwechselnd von asiatischer Barbarei und europäischer Civilisation, von stupidem Fanatismus und raffinirter Berechnung misshandelt, missbraucht und ausgesogen, dem barbarischen und civilisirten Hochmuthe der herrschenden Racen im Namen eines hohen Rechts das Herrscherrecht streitig machen. Zu den todtgeglaubten Völkern, welche im Bewusstsein ihrer geschichtlichen Aufgabe ihre Nationalitätsrechte geltend machen dürfen, gehört unstreitig auch das jüdische Volk.»
Als Theodor Herzl 1896 sein Werk «Der Judenstaat» verfasste, war ihm das Werk von Moses Hess unbekannt. Nach dessen Lektüre begeisterte Herzl sich, es habe «seit Spinoza das Judentum keinen größeren Geist hervorgebracht hat als diesen vergessenen verblassten Moses Hess!» Er hätte seine eigene Schrift nicht verfasst, wenn ihm «Rom und Jerusalem» zuvor bekannt gewesen wäre. Das ist ein Kompliment an Hess, tatsächlich aber ist es unbestreitbar Herzl, der den Zionismus als Bewegung anführt. Der erste Zionistische Weltkongress findet 1897 in Basel statt, gründet die Zionistische Weltorganisation und wählt Herzl zu ihrem Präsidenten.
Zunächst sollen zum Zwecke des Grundstückserwerbs Geldquellen erschlossen werden. 1899 wird der Jewish Colonial Trust (JCT) in London gegründet. Der JCT soll das Hauptinstrument zur Durchsetzung der jüdischen Ansiedlung im größeren Maßstab im damaligen Palästina werden. Die Tochterfirma Anglo-Palestine Bank kann erst ab 1902 diese Aufgaben erfüllen. Die Werbung von Siedlern läuft schleppend an. Bis 1914 beschränkt sich die Ansiedlung in Palästina auf 40.000 Menschen.
Auch der radikale Zionist Jabotinsky (er forderte die «Eiserne Mauer aus jüdischen Bajonetten») würdigte Hess in seinem Werk «Die Jüdische Legion» als eine der historischen Persönlichkeiten, denen der Zionismus die Balfour-Deklaration zu verdanken habe: «Die Balfour-Deklaration verdanken wir sowohl Herzl als auch Rothschild, sowohl Pinsker als auch Moses Hess».
Nicht zufällig organisiert sich der Zionismus in einer Zeit des anschwellenden Antisemitismus. Häufig wird in dem Zusammenhang von der Affäre Dreyfus gesprochen. Nachdem der Artillerie-Hauptmanns Alfred Dreyfus 1894 durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats verurteilt worden ist, muss der Schriftsteller Émile Zola aus dem Land fliehen, um einer Haftstrafe zu entgehen. Er hat 1898 mit seinem Artikel «J’accuse…!» den Skandal angeprangert, dass vor dem Hintergrund des Antisemitismus der eigentlich Schuldige freigesprochen worden ist. Die Öffentlichkeit Frankreichs und seine Intellektuellen sind seinerzeit in zwei heftig verfeindete Hälften geteilt. Ende des 19. Jahrhunderts häufen sich die Judenpogrome in Galizien, überhaupt im russischen und im Habsburger Reich. In Berlin fuhrwerkt der fanatische Antisemit Adolf Stöcker mit seiner Kreuzzeitung durch die politische Szene. Prinz Wilhelm, ab 1888 Kaiser Wilhelm II, hört auf ihn.
Die britische Regierung akzeptiert am 2. November 1917 durch die Balfour-Deklaration die Schaffung politischer, administrativer und wirtschaftlicher Bedingungen für die Errichtung einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina. «Sie wird alle Anstrengungen unternehmen, um die Erreichung dieses Ziels zu erleichtern.»
1920 wird das Völkerbundsmandat nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches an Großbritannien übertragen und 1922 ratifiziert. Das Ziel der jüdischen Heimstätte findet Aufnahme im Friedensvertrag der Alliierten mit der Türkei.
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Palästina werden nicht gefragt.
Aneignung
Das erste Ziel der Zionisten ist: Befreiung des Bodens! Zwischen den arabischen Großgrundbesitzern und den zionistischen Gesellschaften floriert das Geschäft (siehe Jakob Goldberg, Der Nahost-Konflikt, Ffm 1972, S. 97). Bei Bodenkäufen stellen die Zionisten die Bedingung, dass ihnen das Land «frei» von allen darauf lebenden Fellachen übergeben wird. Ist der Gutbesitzer selbst nicht im Stande, den Boden zu «befreien», dann besorgen das die Zionisten mit Hilfe ihrer Organisationen und der Mandatsregierung. Der Boden wird dem Pächter für 49 Jahre in Erbpacht gegeben. Nur Juden dürfen Erbpächter sein. Der Zustrom von jüdischen Siedlern hält sich zunächst noch in Grenzen. 1917 besitzen jüdische Bewohner etwa 400 qkm, 1930 sind es 1000 qkm. Die Flächen werden vorwiegend von arabischen Großgrundbesitzern erworben. Ein Beispiel für die Vertreibung der ansässigen arabischen Bauern beschreibt der israelische Genosse Hans Lebrecht in seinem Buch «Die Palästinenser», Ffm 1982, S. 92 ff. Es geht um den Ort Al Fulah in der Jesreelebene südlich von Nazareth. Dort hatte der arabische Bankier Sursuk aus Beirut 1600 Hektar dörflichen Bodens an die American Zion Commonwealth Ltd. verkauft. Die Bewohner sollen diese Flächen, die sie seit Jahrhunderten bewohnen und bearbeiten, räumen. Als Kompensation ist ein Betrag in Höhe eines Monatslohns vorgesehen. Das akzeptiert nur ein kleiner Teil der Bauern. Sie verlassen den Ort. Die Mehrheit indessen setzt sich gegen ihre Vertreibung erbittert zur Wehr. Die Kolonisten holen sich daraufhin städtische Verstärkung. Es kommen Schlägerkommondos aus den Reihen des Sportvereinigung «Hapoel», die dem Gewerkschaftsverband Histradruth angegliedert ist. Diese zionistischen Arbeitersportler gehen zusammen mit britischer Polizei, verstärkt um Panzerfahrzeuge, gegen die arabischen Einwohner, aber auch gegen Kommunisten und andere fortschrittliche Juden vor, die sich mit den Vertreibungsopfern solidarisieren. Es gibt Tote und Verletzte. Am Ende weichen die Bewohner der Gewalt. Aber erstmals informiert die Presse weltweit über die zionistischen Praktiken. Das geschieht 1924, vor 100 Jahren.
Gängig ist auch eine Methode, die Arne Jörgensen («Israel intern», Berlin 1984, S. 198 ff.) Okkupationsgenossenschaften nennt - für Jakob Goldberg sind es «Besitzergreifungskommunen» (a.a.O., S. 58). Hierbei stützt sich die Besiedlungsstrategie neben der Politik und Ökonomie auch auf das Militär. Es geht darum, neue Kibbuzim zu bilden. Die Standorte werden so ausgewählt, dass mit jeder neuen Siedlung die «politische Präsenz in allen Teilen des Landes» erweitert wird (Zitat Yigal Allon, über viele Jahre einer der führenden israelischen Militärs). Die Siedlungsblocks dienen zugleich als militärische Außenposten mit den dazugehörigen bewaffneten Einheiten. Berüchtigt ist die Irgun Zwai Leumi. Diese paramilitärische Organisation besteht von 1931 bis 1948. Sie verübt terroristische Anschläge gegen die arabische Bevölkerung.
Deir Yasin war ein palästinensisches Dorf im Nordwesten Jerusalems. Heute ist es Teil der orthodoxen Siedlung Givʿat Scha'ul. Das palästinensische Dorf hatte zuvor etwa 600 Einwohner. Es wird am 9. April 1948 von Irgun Zwai Leumi angegriffen und eingenommen. Das Kommando führt der spätere israelische Premierminister und Friedensnobelpreisträger Menachem Begin. Dem Massaker von Deir Yasin fallen über 100 Palästinenser zum Opfer.
Im Zeitraum von 1924 bis 1931 kommen 82.000 jüdische Einwanderer nach Palästina. Als Reaktion auf die faschistischen Judenverfolgungen steigt die Zahl der Einwanderungen dann aber sprunghaft an; von 30.000 Juden im Jahre 1933 auf 42.000 im Jahre 1934 und auf 62.000 im Jahre 1935 (das ist das Jahr der Nürnberger Gesetze).
Als die Briten den Zustrom von Einwanderern beschränken, werden sie ebenfalls zu Anschlagszielen der Irgun. Bekannt ist der Bombenanschlag auf das King David Hotel 1946 mit über 90 Opfern.
Staatsgründung durch die UNO
Am 29. November 1947, vor 75 Jahren, verabschiedet die UN-Generalversammlung die Teilungsresolution 181 (II) mit 33 gegen 13 Stimmen bei zehn Enthaltungen. Ein halbes Jahr später verzichtet Großbritannien auf sein Mandat über Palästina.
Infolgedessen entstehen zwei Monate nach Abschluss des Abzugs der britischen Streitkräfte, in jedem Fall spätestens ab 1. Oktober 1948 laut Völkerrechtler Norman Paech (Nachdenkseiten, 28. November 2023) in Palästina ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das vorgesehene internationale Sonderregime für die Stadt Jerusalem. Die Grenzen des arabischen Staates, des jüdischen Staates und der Stadt Jerusalem sind in den Teilen II und III der Teilungsresolution festgelegt.
Das Stimmenverhältnis indes verweist auf die vorangegangenen kontroversen Diskussionen in der UNO. So kommt das Subkomitee 2 des «UN Special Committee on Palestine», welches mit der Ausarbeitung einer Resolution beauftragt ist, in einem ausführlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Vereinten Nationen nicht die Macht haben, einen neuen Staat zu schaffen. Solch eine Entscheidung könne nur durch den freien Willen des Volkes des in Frage stehenden Landes selbst getroffen werden. Diese Bedingung sei im Falle des Mehrheitsvorschlages nicht erfüllt. Denn, so Paech, die Errichtung eines jüdischen Staates missachte die Wünsche und Interessen der Araber. Die Mehrheit der Generalversammlung stimmt dennoch für die Teilung (darunter die USA sowie die UdSSR), die den Landbesitz der jüdischen Siedler auf über 56 Prozent des palästinensischen Territoriums verzehnfachen wird. Alle arabischen Staaten stimmen gegen die Resolution. Sie haben gute Gründe, denn sie kennen die Kolonisationspläne der zionistischen Bewegung und ahnen, dass die Resolution die Situation nicht beruhigen, sondern die Spannungen zwischen den jüdischen Siedlern und der palästinensischen Bevölkerung noch verstärken und zu einer der gewaltsamsten Phasen in der Geschichte des Landes führen wird.
Noch bevor Ben Gurion die israelische Staatsgründung proklamiert, werden etwa 250.000 Palästinenser vertrieben.
Truppen des Feudalregimes Transjordanien marschieren im Mai 1948 in das von der UNO vorgesehene Territorium des arabischen Staates in Palästina ein. Der Krieg beginnt. Laut Jakob Goldberg (a.a.O., S. 11) spiegelt der offene Kriegsausbruch zwischen Israel auf der einen Seite und Ägypten, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien und Transjordanien auf der anderen die Konkurrenz von GB und USA wider. Zunächst ist es ein Guerillakrieg.
Der Krieg endet mit dem Sieg Israels am 20. Juli 1949. Das israelische Territorium ist in der Folge um ein Drittel vergrößert. Der Gaza-Streifen kommt unter ägyptische Verwaltung. Das östliche Palästina geht als Westjordanland an Jordanien. Jerusalem wird zwischen Israel (Westjerusalem) und Jordanien (Ostjerusalem) aufgeteilt. Weitere 550.000 Palästinenser werden zu Flüchtlingen. 280.000 kommen in das Gebiet westlich des Jordans, 190.000 nach Gaza, 100.000 in den Libanon, 75.000 nach Syrien, 70.000 nach Jordanien. Die ethnische Säuberung Palästinas hat begonnen. 1948 lebten in den Gebieten des heutigen Israel – ohne Westbank und Gazastreifen – rund 700.000 Palästinenser und Palästinenserinnen, nach dem Ende des Krieges 1949 sind es noch 156.000.
Von einem arabischen Staat in Palästina gemäß UNO-Teilungsplan ist nicht mehr die Rede.
Suezkrieg 1956 und Sechs-Tage-Krieg Juni 1967
Am 26. Juli 1956 wird von Ägypten der Suezkanal nationalisiert. Die Folge ist ein Krieg gegen das Land, Wikipedia spricht von einem «internationalen Konflikt», den Großbritannien, Frankreich und Israel mit Ägypten haben. Er dauert vom 29. Oktober 1956 bis März 1957. Israel bietet den provokativen Anlass Anfang Oktober und kann Ägypten aus dem Gazastreifen entfernen.
Zu den tieferen Gründen des Sechs-Tage-Krieges 1967 gehören die für den Imperialismus mittlerweile unsicheren Eigentumverhältnisse bezüglich der Ölquellen im Irak und in Syrien.
Am 5. Juni 1967 greift Israel Ägypten, Jordanien und Syrien an. Der UN-Sicherheitsrat fordert am 6. Juni einstimmig die Feuereinstellung. Am 10. Juni stellt Israel die Kampfhandlungen ein. Im Ergebnis seiner Aggression hat Israel arabische Gebiete erobert, die etwa dreimal so groß sind wie sein eigenes Staatsgebiet. Für die Araber bringt das ernste Verluste. Ägypten verliert die Sinaihalbinsel. Syrien büßt die Golanhöhen ein. Am schwersten wird Jordanien getroffen, das seine fruchtbarsten Gebiete verzichten muss. Von den Arabern, die in den eroberten Gebieten leben, geraten über eine Million unter israelische Herrschaft. Andere werden mit terroristischen Mitteln vertrieben. Bis September 1967 sind geht das 350.000 Menschen so.
Am 22. November 1967 nimmt der UN-Sicherheitsrat die Resolution Nr. 242 an. Sie stellt zunächst mal «die Unzulässgigkeit von Gebietserwerb durch Krieg» ausdrücklich fest und fordert, dass sich die israelischen Streitkräfte aus den während des Krieges besetzten arabischen Territorien zurückziehen. Weiter verlangt sie, die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit in dieser Region zu gewährleisten.
UNO-Beschlüsse der letzten Monate
Die UNO-Vollversammlung hat am 27. Oktober 2023 jegliche Gewalt gegen israelische und palästinensische Zivilisten verurteilt. Sie fordert die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Zivilisten, die «illegal festgehalten» werden, und verlangt ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Außerdem ruft sie zu einer «sofortigen dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe» auf. Der Beschluss knüpft an eine lange Reihe von Beschlüssen an, die seit 1967 Friedensregelungen und zwei Staaten in Palästina vorsehen.
120 Länder stimmen für diese Resolution, darunter die arabischen Staaten und viele Länder des globalen Südens. Zu den 14 Nein-Stimmen zählt die der USA. Israels Ständiger Vertreter, Gilad Edan, hatte schon zu Beginn der Generalversammlung tags zuvor heftige Kritik an der UNO geübt. Die Organisation sei korrumpiert und es sei unglaublich, dass ein solcher Resolutionsentwurf überhaupt eingebracht werden dürfe. Jeder habe gesehen, dass die Vereinten Nationen «keine Unze Legitimität oder Relevanz» mehr hätten.
Der UN-Sicherheitsrat fordert am 15. November 2023 »dringende und ausgedehnte humanitäre Unterbrechungen« des Krieges in Gaza. »Für eine angemessene Anzahl von Tagen« müssten »humanitäre Korridore im ganzen Gazastreifen« eingerichtet werden, um Hilfsgüter zu verteilen und kranke und verletzte Personen evakuieren zu können. Nach internationalem Recht ist die Resolution für alle 193 UN-Mitgliedstaaten bindend. Der stellvertretende israelische UN-Botschafter Brett Jonathan Miller weist sie indes als »unrealistisch« zurück.
Am Dienstag, 12. Dezember 2023, verlangt die UN-Vollversammlung per Resolution noch einmal den sofortigen humanitären Waffenstillstand im Gazastreifen. Der von Ägypten eingebrachte Antrag erreicht die notwendige Zweidrittelmehrheit. 152 Länder stimmten dafür, zehn dagegen. 23 Länder enthielten sich.
Am 29. Dezember 2023 hat Südafrika Klage wegen Völkermords beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht. Israel soll seine Angriffe in Gaza einstellen. Sie hätten einen völkermörderischen Charakter. Südafrika beruft sich in der Klageschrift auf die als Reaktion auf den Holocaust von der UN-Generalversammlung beschlossene Völkermordkonvention.
Am Donnerstag, 11. Januar 2024, hat das südafrikanische Juristenteam seinen Vorwurf gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag vorgetragen. Jacob Reimann schreibt in der «jungen Welt»: Südafrikas Justizminister Ronald Lamola stellte zunächst fest, dass »die Gewalt und die Zerstörung in Palästina und Israel« nicht erst am 7. Oktober 2023 begonnen hat. Vielmehr hätten die Palästinenser »systematische Unterdrückung und Gewalt« seit 76 Jahren erfahren. In aller Schärfe verurteilte er die »Gräueltaten« der Hamas und anderer Gruppen vom 7. Oktober, doch würden diese in keinem Fall eine Rechtfertigung liefern, die Völkermordkonvention zu verletzen; Israels Reaktion auf den Angriff habe »diese Linie überschritten«.
Im Hauptteil legte die Juristin Adila Hassim Details der Anklage dar. Mit Stichtag 9. Januar waren demnach 23.210 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet worden, 70 Prozent davon Frauen und Kinder. 7.000 Personen werden vermisst und seien vermutlich ebenfalls tot. Darüber hinaus seien knapp 60.000 weitere verletzt oder verstümmelt worden. Hassim nannte Fälle systematischer Folter an Palästinensern und beschrieb den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe: »Israels Kampagne hat die Menschen in Gaza an den Rand einer Hungersnot gebracht.« Mit Verweis auf Zahlen des Welternährungsprogramms mahnte Hassim: »Von allen Menschen in der Welt, die derzeit unter katastrophalem Hunger leiden, befinden sich mehr als 80 Prozent in Gaza.« Die Juristin nannte weiter die zahlreichen Angriffe auf die von Israel als »sicher« erklärten Fluchtkorridore; es gebe »keinen sicheren Ort in Gaza«.
Hassim zitierte die UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen, Radhika Coomaraswamy, die Ende November 2023 gewarnt hatte, die »reproduktive Gewalt« gegen palästinensische Frauen, Neugeborene und Kinder könnte im Sinne des Artikels 2d der Völkermordkonvention darauf abzielten, Geburten zu verhindern. Die Anwältin Blinne Ní Ghrálaigh nannte die Zahl von durchschnittlich mehr als 117 Kindern, die jeden Tag getötet werden, und die Zahl von täglich über zehn Kindern, denen nach israelischen Angriffen ein oder beide Beine amputiert werden mussten. Bei zahlreichen Frauen würden Kaiserschnitte ohne Betäubung durchgeführt. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF spreche in Gaza von einem »Krieg gegen Kinder«, so Ní Ghrálaigh.
Der Jurist Tembeka Ngcukaitobi führte Indizien für Israels »genozidale Absichten« an, wie sie sich insbesondere in einer Vielzahl von Zitaten hochrangiger israelischer Politiker und Militärs äußerten. So nannte Ngcukaitobi den mehrfach von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geäußerten Verweis auf die genozidale biblische Geschichte der Amalekiter. Im Den Haager Gerichtssaal wurde ein Video abgespielt, in dem eine größere Gruppe israelischer Soldaten diese aufgreift und singend und tanzend die Zerstörung Gazas bejubelt; es gebe »keine unbeteiligten Zivilisten« in Gaza, wird dort gegrölt.
Klaus, MV der DKP Innenstadt, 22. Januar 2024
Über Zionismus, die UNO und Palästina