Köln

Die Finanzlage der Kommunen und die europäische Finanzkrise

Lucas Zeise sprach in Köln zu diesem Thema in der Alten Feuerwache

Lucas Zeise mit Mikrofon.Ma­rio Draghi, Prä­si­dent der Eu­ro­päi­schen Zen­tral­bank (EZB) si­chert ge­gen­wär­tig zu, mit­tels Ou­t­right Mo­ne­ta­ry Tran­sac­tions (OMT) un­be­grenzt Staats­an­lei­hen über­schul­de­ter Staa­ten an­zu­kau­fen. »Sys­tem­re­le­van­te Ban­ken« wer­den so vor dem Bank­rott be­wahrt.

Gleich­zei­tig schrän­ken Schul­den­brem­sen die Kre­dit­auf­nah­me von Bund und Län­dern ein. Kos­ten öf­fent­li­cher Auf­ga­ben wer­den auf über­schul­de­te Kom­mu­nen über­wälzt. De­ren Haus­hal­te sind dann für so­ge­nann­te Kon­so­li­die­rungs­maß­nah­men fäl­lig. Die Fol­gen sind Kür­zun­gen im so­zia­len und kul­tu­rel­len Be­reich. Es schlie­ßen Sport­an­la­gen, Büh­nen, Ju­gend- und Bür­ger­zen­tren. In Köln ha­ben wir zwar im ver­gan­ge­nen Jahr weit­rei­chen­de Kür­zun­gen ab­mil­dern kön­nen. Of­fen­bar soll­te mit dem Dop­pel­haus­halt 2013/14 die Dis­kus­si­on aus dem Kom­mu­nal­wahl­kampf her­aus­ge­hal­ten wer­den. Das ist nicht ge­lun­gen. Aber nach der Kom­mu­nal- und Eu­ro­pa­wahl am 25. Mai droht ei­ne neue Spar­wel­le.

Lu­cas Zei­se war lan­ge Jah­re Kom­men­ta­tor der Fi­nan­ci­al Ti­mes Deutsch­land und hat sich mit ei­ni­gen Bü­chern zum The­ma Geld ge­äu­ßert. Ge­gen­wär­tig wird sei­ne Ko­lum­ne in der Sams­tags­aus­ga­be der »jun­gen Welt« ger­ne ge­le­sen. Ein­ge­la­den ha­ben ihn Oc­cu­py Co­lo­gne und das Bür­ger­zen­trum Al­te Feu­er­wa­che, da­mit er die eu­ro­päi­sche Fi­nanz­ar­chi­tek­tur, ih­re Um­ver­tei­lungs­ef­fek­te vor dem Hin­ter­grund der Ent­wick­lung der Kri­se und die Fol­gen für die Ge­mein­de­fi­nan­zen dar­stel­le.

Ei­ne un­se­rer For­de­run­gen im ver­gan­ge­nen Jahr lau­te­te: Schul­den­schnitt statt Schul­den­brem­se. Um es auf ei­nen kur­zen Nen­ner zu brin­gen: Lu­cas Zei­se hat uns die Rich­tig­keit die­ser For­de­rung be­stä­tigt. Sei­ne Va­ri­an­te des Schul­den­schnitts ist in Zy­pern schon an­ge­wandt wor­den. Bei Scho­nung der klei­ne­ren An­la­gen sol­len die gro­ßen Ver­mö­gen ab ei­ner hal­ben Mil­li­on zur Kas­se ge­be­ten wer­den.

Dass der Ge­dan­ke so fern nicht liegt, be­legt der Um­stand, daß selbst Frau Mer­kel im Jahr 2008 ver­spro­chen hat, dass die An­la­gen si­cher sei­en. Mit dem fol­gen­den Fi­nanz­sta­bi­li­sie­rungs­ge­setz sind zu die­sem Zweck 480 Mrd Eu­ro in die Ban­ken ge­pumpt wor­den. Das ent­spricht et­wa dem An­dert­halb­fa­chen des Bun­des­haus­halts. Ver­gleichs­wei­se ge­ring fiel das Vo­lu­men des Kon­junk­tur­pro­gramms aus, näm­lich 50 Mrd Eu­ro. Die Staats­ver­schul­dung wuchs da­nach von 60% auf 80% des Brut­to­in­land­pro­dukts. Und Ban­ken­ret­tung wur­de über­all Brauch.

­Der Kri­se war die Durch­set­zung ei­ner öko­no­mi­schen Po­li­tik vor­aus­ge­gan­gen, die auf den schö­nen Na­men Neo­li­be­ra­lis­mus hört. Be­gon­nen hat die­se Po­li­tik mit That­cher und Rea­gan. Merk­ma­le sind die Er­hö­hung der Pro­fi­te, Ver­schlan­kung des Staa­tes, Lohn­sen­kung, Schwä­chung und Zer­schla­gung der Ge­werk­schaf­ten. Seit 1980, na­ment­lich seit dem Lambs­dorff-Pa­pier von 1982, mit dem die FDP den Wech­sel von Schmidt zu Kohl ein­lei­te­te, sinkt der An­teil der Löh­ne am Volks­ein­kom­men im Ver­hält­nis zu den Ein­kom­men aus Un­ter­neh­mer­ge­win­nen.

­Seit der In­stal­lie­rung des Eu­ro ge­nie­ßt das deut­sche Ka­pi­tal güns­ti­ge Zin­sen, aber auch in den süd­eu­ro­päi­schen Län­dern sind Kre­di­te zu­nächst bil­lig. Nicht nur in Spa­ni­en bau­te sich ei­ne Im­mo­bi­li­en­bla­se auf. Bi­lanz­un­ter­schie­de wur­den mit Kre­di­ten aus­ge­gli­chen. In der recht­li­chen Kon­struk­ti­on der EU wa­ren Zah­lun­gen an an­de­re aus­ge­schlos­sen, für den Aus­gleich der ent­ste­hen­den Dis­pro­por­tio­nen hat­te der Wett­be­werb zu sor­gen.

­Die Kri­se ist heu­te kei­nes­wegs durch­ge­stan­den. Der Zu­stand der Über­ak­ku­mu­la­ti­on, in dem sich die Welt­wirt­schaft seit Jah­ren be­fin­det und der durch den Aus­bruch der Fi­nanz­kri­se of­fen zu­ta­ge ge­tre­ten ist, dau­ert un­ver­än­dert an, ob­wohl die Fi­nanz­in­sti­tu­te welt­weit durch die Geld­po­li­tik der No­ten­ban­ken, die den Li­qui­di­täts­be­darf der Ge­schäfts­ban­ken je­der­zeit de­cken – und dies zu noch nie da­ge­we­se­nen nied­ri­gen Zin­sen weit un­ter­halb der In­fla­ti­ons­ra­te – ge­stützt wer­den. Die Fi­nanz­ver­mö­gen wur­den auf Kos­ten der Lohn­ab­hän­gi­gen vor der Ent­wer­tung ge­ret­tet. Die wei­ter be­ste­hen­de Do­mi­nanz und Über­pro­por­tio­na­li­tät des Fi­nanz­sek­tors ver­hin­dert aber den im Ka­pi­ta­lis­mus sonst üb­li­chen Wie­der­auf­schwung. Wir ha­ben es al­len­falls mit ei­ner Zwi­schen­er­ho­lung zu tun. Die Fra­ge ist, ob die­se Ka­pi­tal­men­gen spon­tan oder or­ga­ni­siert ent­wer­tet wer­den. Es gibt kei­ne In­stanz auf dem Glo­bus, die letz­te­res be­werk­stel­ligt. Von der Kriegs­ge­fahr nicht zu re­den. Was die La­ge in den Kom­mu­nen an­geht, kom­men wir um den Kampf ge­gen dro­hen­de Kür­zun­gen nicht her­um.

Lu­cas Zei­se kan­di­diert auf der Lis­te der DKP zum Eu­ro­pa­par­la­ment.

Foto aus YouTube-Video: »Euro-Krise: €-Austritt? – Schuldenschnitt?! – Was tun?«