Köln

Skandal des Kalkbergs

Der gelbe Hügel Kalkberg in Köln.

Rettungshubschrauberstation auf dem Kalkberg Köln. Links, auf der ovalen Sandfläche, war eine Kuppe aufgeschüttet worden, die ab Dezember 2014 wieder abgetragenen werden musste, um den Berg zu entlasten. In der Mitte die Station mit Hangar, davor der Hubschrauberlandeplatz. Am Horizont rechts der Kölner Dom.

 

Problem Kalkberg

 

Referat Klaus Stein im KV der DKP Köln, 12. April 2016
In seiner Sitzung vom 15. März 2016 hat der Rat der Stadt den Bau der Hubschrauberstation auf dem Kalkberg zunächst mal auf Eis gelegt, nachdem sich im vergangenen Frühjahr ein Teil des Gebäudes abgesenkt hatte. Einstimmig. Ein Weiterbau ist nicht zu erwarten. Alle Parteien beschwerten sich darüber, daß sie von der Verwaltung, namentlich durch Stadtdirektor Kahlen zum Zwecke ihrer Zustimmung zu dem Projekt falsch informiert worden seien. Aber offenbar wurde von der Verwaltung hier bis zum Ende gepokert. Noch am Vortage zeigten sich Kahlen und der Chef der Feuerwehr optimistisch. Sie wollten der Öffentlichkeit die Realisierbarkeit der Hubschrauberstation glauben machen, für die schon eine höhere zweistellige Millionensumme ausgegeben worden ist. Auch der Rückbau sowie die Sicherung der Halde werden noch einige Millionen verschlingen.

Der Kalkberg besteht im wesentlichen aus Abfällen der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk (CFK), die schon Ende des 19. Jahrhunderts diese Halde einrichtete. Die CFK war eine Gründung des Kaufmannn Julius Vorster und des Chemikers und Apothekers Hermann Julius Grüneberg vom 1. November 1858. Die Firma hieß zunächst Chemische Fabrik Vorster & Grüneberg, Cöln. In Kalk produzierten sie Kalisalze, aber auch andere Düngemittel wie Ammonsulfat und Superphosphat. 1892 wurde der Betrieb in eine GmbH umgewandelt. Sie nannte sich ab da Chemische Fabrik Kalk GmbH (CFK) und verdiente ihr Geld zudem mit Kalisalpeter, Pottasche, Natriumsulfat, Salmiakgeist und Ammoniaksalzen. Nach der Jahrhundertwende kam Soda dazu. 1958 hatte die Firma 2350 Beschäftigte. 1972 wurde die Firma von der BASF übernommen und offenbar halbherzig betrieben. Man versuchte sich an der Herstellung von Brom, aber nachdem die Bromlagerhalle 1985 abbrannte, wurde das aufgegeben. 1988 wurde auch die Düngemittelproduktion beendet. Die Produktion von Calciumchlorid und Soda wurde zum 31. Dezember 1993 eingestellt. Seit der Stillegung der Produktion gibt es die CFK nur noch als Händler für Chemikalien und Düngemittel der K+S AG (vorherige Kali und Salz AG), Sitz Olpener Straße am Bennoplatz, Lager am Eifeltor.

Die Produktionsanlagen wurden abgerissen, das fast 40 Hektar große Gelände musste aufwendig saniert werden, es war verseucht, unter anderem mit Schwefel und Schwermetallen. Eine Grundwasseranalyse stellte schon im im Frühjahr 1986 erhöhte Cyanid-Gehalte an drei Messstellen fest, das Grundwassermonitoring 2011 ergab erhöhte Cyanidwerte an sogar fünf Stellen. Cyanide sind Salze und andere Verbindungen der Blausäure, hochgiftig und in Wasser leicht löslich. Eine Grundwasseranalyse vom 17. Juni 1991 ergab im Abstrom deutlich erhöhte Chloridkonzentrationen. Das bekannteste Chlorid ist Natriumchlorid, vulgo Kochsalz. Im Kalkberg, der lange Jahre der Entsorgung der Abfälle der CFK diente, sind zudem enthalten: Arsen, Blei, Kadmium, Chrom, Kupfer und weitere giftige Chemikalien. Einige hundert Meter weiter nördlich gibt es eine zweite Deponie. Beide gehörten zum Betriebsgelände der CFK. Die heutige Form der Kippe entstand ab den 50er Jahren bis 1973. Ein Gutachten der DMT (Gesellschaft für Forschung und Prüfung mbH 1990 unter dem Dach des Deutsche MontanTechnologie für Rohstoff, Energie, Umwelt e.V., Teil des TÜV Nord) vom 2. Dezember 2011 führt bei der Zusammensetzung beider Berge Aufschüttungen von Kalkschlamm, Kalkgranulat, Schlacken und Bauschutt der CFK an.
Von 1999 bis 2004 wurden Sicherungs-und Sanierungsarbeiten durchgeführt. Unter anderem wurde das Plateau des Kalkberg I mit einer Lehmschicht abgedeckt. Am östlichen Fuss wurde eine Versickerungsmulde angelegt.
In den Jahren 2003 und 2004 wurden die Gebäude der CFK zurückgebaut. Der Boden wurde auf dem gesamten Betriebsgelände in einer Mächtigkeit von 2 Metern abgetragen. Schutt und Boden wurden im Kalkberg I entsorgt.
Im Jahr 2001 konnten das neue Polizeipräsidium und 2005 die Arcaden auf dem Gelände errichtet werden. Der hohe Schornstein wurde am 25. Oktober 1996 gesprengt. Der Wasserturm von 1904 blieb stehen.
Was folgte, nennt man wirtschaftliche Entwicklung von Grundstücken. Das ehemalige Gelände der CFK ist immerhin 40 Hektar groß. Außer dem Bau von Präsidium und Arcaden stehen mittlerweile weitere Gebäude hier: das Odysseum (seit 2009), die Firma Bauhaus, Wohnhäuser. Nur von einem Anbau des Polizeipräsidiums ist bekannt, daß der Bau- und Liegenschaftsbetrieb das Grundstück gekauft hat. Der entsprechende Untersuchungsausschuss des Landtages ermittelt immer noch. Das Gelände der CFK ist durch die Hände der Grundstücksentwicklungsgesellschaft GSE gegangen. Die drei Buchstaben der Firma verweisen auf Heinz Hermann Göttsch, SRheinEstate (eine 100%ige Tochter der Stadtsparkasse) und Engel Vermögensverwaltung.
Ende der 90er Jahre hatte die GSE das gesamte CFK-Gelände gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war der Kalkberg als Altlast mit Sanierungsbedarf bekannt. Die zu erwartenden Kosten dieser Sanierung sind, ebenso wie die Kosten für die Bodensanierung des restlichen CFK-Geländes, preismindernd in den Kaufpreis des CFK-Geländes eingeflossen. Eine auch nur teilweise nachträgliche Erstattung der Sanierungskosten bedeutet alleine schon vor diesem Hintergrund eine doppelte Kostenkompensation für die GSE, schreibt Boris Sieverts am 29. Januar 2014 in der NRhZ. Der Kauf des Kalkbergs war für die GSE ein gutes Geschäft. Zumal der  Kalkberg mit seinen chemischen Altlasten unverkäuflich schien. Sieverts fragt vor diesem Hintergrund, wieso die Stadt den inmitten von Wohngebieten gelegenen Kalkberg von Anfang als Standort für die Hubschrauberstation favorisiert hat.
Ich erinnere an den Deal der Adenauer-Enkel mit den Domgärten. Die Stadtrevue berichtete, daß Anfang des vierten Quartals 2007 die Bauwens-Gruppe unter anderem gemeinsam mit der Sparkassentochter SK Corpus und der Pareto GmbH, dem Projektentwickler der Kreissparkasse, Verhandlungen mit dem Besitzer des Grundstücks »Domgärten I« aufgenommen und schließlich Kaufoptionen vereinbart habe. Mit dem Ziel, dort Wohnungen zu errichten. Schließlich habe dann jedoch der Kölner Bauunternehmer Heinz Hermann Göttsch das Rennen gemacht und sich im Mai 2008 die Option auf das Gelände gesichert. Dann habe Göttsch die Bauwens-Gruppe angefragt, auf dem Areal das Wohnprojekt umzusetzen, während er sich auf den vorgesehenen Gewerbeteil konzentrieren wollte.
Der BLB sei dann im Juni 2008 an Göttsch herangetreten und habe dem Konsortium Göttsch/Bauwens in Aussicht gestellt, statt Wohnungen und Gewerbe eine neue Fachhochschule zu errichten, und das möglichst schnell. Ein politischer Beschluss zur Verlagerung lag indes gar nicht vor, jedoch hatte der damalige NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) signalisiert, die schwarz-gelbe Landesregierung favorisiere einen Neubau. Bauwens-Adenauer sagt, er habe nach der Offerte des BLB noch im Juni 2008 OB Fritz Schramma, die Kölner Ratsfraktionen sowie die Spitzen der Kölner Verwaltung informiert. Für den Bau am Standort Bayenthal habe er grundsätzlich Zustimmung signalisiert bekommen. Bauwens-Adenauers Geschäftspartner Heinz Hermann Göttsch ist ins Visier der  Staatsanwaltschaft geraten: Es geht um Ermittlungen hinsichtlich Korruption bei der Errichtung des Polizeipräsidiums auf dem ehemaligen CFK-Gelände in Kalk. Das Areal war im Besitz der Firma GSE, an der Göttsch beteiligt ist. Unangenehm dürfte für Bauwens-Adenauer sein, dass er zurzeit mit Göttsch eine ohnehin umstrittene Shopping-Mall auf dem Helios-Gelände in Ehrenfeld plant. Ebenfalls nicht zum Renommee des IHK-Präsidenten dürfte die staatsanwaltschaftliche Durchsuchung der Bauwens-Zentrale am 9. Februar 2011 beigetragen haben – lediglich zur Beweissicherung, wie das Unternehmen am selben Tag mitteilte, »gegen unsere Gruppe laufen keine Ermittlungen«. Soweit die Stadtrevue.
Tatsächlich untersucht auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Landtag zum BLB sowohl das Geschäftsgebaren der Adenauer-Enkel wie das von Göttsch.

Im Juni 2012 beschließt der Stadtrat den Ankauf des Kalkbergs. Bezüglich der Schadstoffwerte verbreitet die Stadt positive Informationen. Diese hätten sich nach neueren Messungen verbessert, sodass die Kuppe des Kalkbergs wohl nicht abgetragen werden müsse. Die Bauarbeiten für die Stationsgebäude und des Landeplatzes würden voraussichtlich im Frühjahr 2013 beginnen, heißt es im Juli 2012. Die Stadt Köln will die Bürger ab sofort in loser Folge mit einem Infobrief über die Rettungshubschrauber-Station Kalkberg auf dem Laufenden halten. Der Newsletter werde per Post an alle Haushalte rund um den Kalkberg verteilt: 15.000 Exemplare lasse die Stadt dafür drucken.

Aber im vergangenen Frühjahr musste der Bau der Station gestoppt werden, weil er sich neigte. Der Kalk im Berg gab nach. Mitterweile sind weitere Schäden festgestellt worden. Blei und Arsen drohen auszutreten. Die Böschung ist zu steil. An einer Stelle ist sie abgesackt. Heiner Kockerbeck hat für die Linken im Stadtrat auf dessen Sitzung am 15. März kritisiert, dass die Stadt sich beim Kalkberg in Abhängigkeit eines Investors begeben habe. Sie habe die Projektierung der Hubschrauberstation in den Jahren 2005 bis 2011 der GSE überlassen. Das erste Gutachten zur Bebaubarkeit des Kalkbergs, das sich heute als eklatant falsch herausstellt, sei 2005 im Auftrag eben dieses Investors erstellt worden.
Der Umfang der Grundstücksspekulation mit dem CFK-Gelände zu Lasten der Stadt scheint mir aber noch gar nicht erfasst.
Heiner Kockerbeck berichtete im Rat, dass am Samstag, den 5. März in höchster Eile ein 400 Meter langer Schutzzaun am Fuß des Kalkbergs angebracht werden musste, weil Gefahr bestand, dass Böschungen unvorhergesehen abrutschten und Personen gefährdeten. Damit sei die Situation am Deponieberg dramatisch eskaliert. Das endgültige Scheitern des Bauprojekts liege mit dem nun veröffentlichten dritten Zwischenbericht des Gutachter-Instituts in der Luft.
Mit Blei und Arsen verseuchter Kalk liege offen an der Oberfläche des Bergs.
Eine akute Gefahr von Kalkaustritt sei ferner die Folge von Fehlern beim Anlegen der Baustraße, welche den Berg hinauf zur Baustelle führt.
Die Böschungen des Deponiebergs seien schon in der Vergangenheit vielfach deutlich zu steil angelegt worden, weshalb teilweise bereits Abschnitte abgerutscht seien.
Der Kalkberg sei hochgradig ein Sanierungsfall.
Kockerbeck: «Aufgrund schwerer Fehler in der Vergangenheit bis in die jüngere Zeit hinein wird die Stadt Köln viele Millionen Euro nur dafür aufwenden müssen, dass die Sondermülldeponie nicht abrutscht und die umliegenden Viertel und Straßen gefährdet. Würde die Hubschrauberstation fertiggebaut, würde dies nach heutigem Stand weitere 7 Millionen Euro kosten. Das nennt man auch ein finanzielles Desaster.»

In der Ratssitzung werden als Alternativen noch die Standorte Flughafen Kurtekotten in Flittard und Geestemünder Straße in Niehl genannt. Wichtig sei auch die Einbeziehung des Klinikums Merheim. Mit scheint der Skandal des Kalkbergs nicht nur im Versagen des Stadtdirektors zu liegen. Den ganzen Umfang des Sumpfes konnte ich noch nicht erfassen. Es geht um das riesige Gelände der CFK. Wieviel hat die GSE dafür bezahlt? Wie ist die Sparkasse in diese Geschäfte involviert? Wie hoch ist der Schaden für die Stadt? Im welchem Verhältnis stehen private Gewinne zu Verlusten öffentlicher Kassen?
Es ist zu hoffen, dass auch vom BLB-Untersuchungsauschuss des Landtags noch Informationen kommen.

Text: Klaus Stein, 12. April 2016
Foto: © Raimond Spekking & Elke Wetzig
CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)