Gerresheim

Kreißsaal ohne Hebammen

Bei SANA in Gerresheim

Klinikgebäude, Haupteingang mit Taxi.
SANA-Klinik Gerresheim: bunt, neu und profitabel – ohne Geburtshilfe.


Im Bereich der Gräulinger Straße 120, dem Sitz des SANA-Krankenhauses in Gerresheim, hat es in der Vergangenheit mehrere tiefgreifende Umbrüche gegeben, die den kapitalistischen Verwertungsinteressen geschuldet waren. Noch vor dem Krankenhaus lag dort ein großartiger Schwerpunkt der Düsseldorfer Ziegelindustrie, der allerdings zerbrach, als die Lehmbestände zur Neige gingen. Aus militärisch-politischen Gründen endete auch die Zeit des benachbarten Zwangsarbeiterlagers gegenüber am Ratinger Weg. Auf dem Areal südlich der Bergischen Landstraße wurde 1971 das Gerresheimer Krankenhaus errichtet. Und das wurde in kommunaler Regie geführt. Bis Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) eingriff.

Erwin war beseelt von der «Schwarzen Null». Also Tafelsilber verkaufen und die Schuldenuhr im Rathaus scheinhaft korrigieren. Dabei kam es 2007 zu einem rechnerischen «Kunstgriff», denn der neue Besitzer, die SANA Kliniken AG, bekam 51 Prozent der Anteile und damit die volle Entscheidungsgewalt über alle Abteilungen, auch die Geburtshilfe, und bei der Stadt Düsseldorf blieben 49 Prozent ohne Befugnisse.

Für den Verkauf gab es die Zustimmung in den Rathäusern von Gerresheim und Düsseldorf. Nicht zu 100 Prozent. Die DKP, die mit einem Mandatsträger im Gerresheimer Rathaus vertreten war, votierte dagegen. Sie argumentierte, dass es für die Stadt und ihre Bürger zumindest langfristig nicht von Vorteil sei, wenn kommunales Eigentum, zumal ein Krankenhaus, privatisiert wird. Verschiedene Anträge brachte sie ein, um das Projekt zu stürzen. Aber Erwins Adlaten stimmten die DKP regelmäßig nieder.

Ein Aushängeschild unter den Fachabteilungen: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Hier zeigt sich aktuell, wie sich der Ausverkauf und der Verzicht auf Verfügungsgewalt auswirkt: Es wurde nicht rechtzeitig dafür gesorgt, dass der Personalschlüssel im Kreißsaal so verbessert wird, dass es zu keinen Ausfällen kommen kann. Genau das ist aber in einem Umfang passiert, so dass der komplette Kreißsaal in Gerresheim von SANA geschlossen wurde. Unter dem Gesichtspunkt der Konzentration wurden die werdenden Mütter auf ein anderes SANA-Krankenhaus orientiert: nach Benrath. Das ist für die Menschen im Stadtosten aber keine Nahversorgung mehr. Besonders dann nicht, wenn die Wehen einsetzen.

Schon vor anderthalb Jahren hatte die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auch die SANA-Kliniken aufgefordert, über einen Tarifvertrag Entlastung zu verhandeln. Die Argumente: «Durch die Personalnot ist der Druck auf die Beschäftigten enorm», «Gesundheit darf nicht gefährdet werden.» Unter kapitalistischen Verwertungsbedingungen ist der Personalschlüssel im Kreißsaal von SANA in Gerresheim kein singuläres Problem.

Jan von Hagen ist als Gewerkschaftssekretär von ver.di-NRW für Krankenhäuser zuständig: «Bundesweit fehlen 162.000 Stellen, 70.000 allein in der Pflege. 64 Prozent der Pflegekräfte müssen nachts allein durchschnittlich 26 Patient/innen pflegen und versorgen. Die Arbeitgeber haben die Verantwortung für gute Arbeitsbedingungen, die durch entsprechende Tarifverträge zu regeln sind. Der Gesetzgeber hat die Verantwortung für eine gute Gesundheitsversorgung mit einer vorgeschriebenen Personalausstattung und einer ausreichenden, zweckgebundenen Finanzierung.»

Das gilt auch für die Kreißsäle. Der NRW-Landesverband der Hebammen stellt fest: «Die Geburtshilfe in NRW steht haarscharf vor dem Desaster.» Besonders problematisch sei, dass in einigen Kliniken eklatante Unkenntnis über die Arbeitsinhalte von Hebammen herrsche und arbeitsrechtliche Vorgaben immer wieder außen vor bleiben. Der Appell des Verbandes geht deshalb an die Kliniken: «Es liegt an ihnen, gute Arbeitsbedingungen schaffen, um Hebammen anzuwerben und so in Geburtshilfe zu investieren!»

Neuer Geschäftsführer von SANA Kliniken ist jetzt Dr. Marc Heiderhoff. Er löst Christian Engler ab. Engler war während der Anfangsturbulenzen der Klinik zum Nachfolger von Dr. Birgit Fouckhardt-Bradt berufen worden. Auch in mehreren Abteilungen war es zu einem auffälligen Personalwechsel gekommen. Die DKP hatte schon in dieser Phase der jüngeren Krankenhausgeschichte Mängel im Personalbereich diagnostiziert. Vorschlag für die «Therapie»: Rekommunalisierung des kompletten Krankenhauses.

Schon vor zweieinhalb Jahres suchte Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) nach Quellen für die «Schwarze Null» im städtischen Haushalt. Dabei soll er auch über den Verkauf der restlichen kommunalen Anteile des SANA-Krankenhauses nachgedacht haben. Wenn er den Verkauf mit eigenen Kräften nun durchziehen will, muss es sich auf die «Ampel-Koalition» von SPD, Grünen und FDP stützen. Das schafft ihm keine Freunde bei den Kolleginnen und Kollegen an der Gräulinger Straße…


Text und Foto: Uwe Koopmann