Köln
Kölscher Spaziergang durch Düsseldorf
Ehrenhof mit Kunstpalast – Altbier, Hofgarten, Libeskind
Sonntag, den 29. November 2015
Organisiert von der DKP-Gruppe Köln Innenstadt, namentlich von der hier klandestin wirkenden Fraktion «Ködüfreu» (Köln-Düsseldorfer Freundschaftsgesellschaft). Die Ködüfreu ist vor Jahren mal öffentlich wirksam geworden durch das Training von Omnipotenzphantasien. Immerhin sind Wirkungen heute noch nachweisbar.
Wir entsteigen der U-Bahn an der Haltestelle Tonhalle/Ehrenhof. Von der Haltestelle aus ergibt sich eine gute Sicht auf die Nordseite der Kunstakademie.
Architekt war Hermann Riffart (1840-1914). 1871 brannte das ehemalige kurfürstliche Schloss am Burgplatz ab. Im Schloss war bis dahin die Kunstakademie untergebracht. Sie wurde nach dem Brand am ehemaligen Sicherheitshafen neu gebaut. Die Ateliers sind, wie es sich gehört, nach Norden ausgerichtet. Sechs Meter hoch, im Sommer kühl.
Es handelt sich um Neorenaissance, also um ein Bauwerk, das sich stilistisch an der Renaissance orientiert. Bauzeit 1875-1879. Im zweiten Weltkrieg ist die Akademie schwer getroffen worden.
Düsseldorf war bis zum Wiener Kongress 1815 Hauptstadt des Herzogtums Jülich-Berg, rechtsrheinisch erstreckte es sich bis hinter Siegburg, Deutz war ausgenommen, Mülheim gehörte dazu. Deswegen steht dort ein Jan-Wellem-Denkmal. Nach 1815 war Düsseldorf Hauptstadt der Rheinprovinz Preußens. Nur zeitweise hatten hier die Herzöge auch residiert. Ausnahme: Jan Wellem (1658-1716).
Nach der Übernahme gründeten die Preußen 1815 eine Kunstakademie in Düsseldorf. Damit wollten sie geistig Einfluss nehmen. Im Verhältnis zu Preußen war das Rheinland industriell weit entwickelt und politisch zu frech. Hier war das Bürgertum stark. Infolgedessen galt es, für die Leitung der Akademie feudal eingestellte Künstler zu finden. Zuerst fiel die Wahl auf Peter Cornelius (1783-1867), gebürtig aus Düsseldorf, ein Nazarener, also ein Maler, der im Sinne eines rückwärtsgewandten Katholizismus am Malstil von Raffael und anderen Renaissancekünstlern anknüpfte. Cornelius indes folgte bald einem Ruf nach München. Neuer Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie wurde 1826 Friedrich Wilhelm von Schadow (1788-1862), Sohn von Gottfried Schadow (1764-1850), Bildhauer in Berlin mit engen Verbindungen zum preußischen Königshaus. Bekannt ist die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, aber auch die Prinzessinnengruppe (zufällig stoßen wir im Foyer des Kunstmuseums auf eine bunte Replik). Wilhelm machte die Düsseldorfer Malerschule berühmt. Er steht für eine sehr konservative, aber auch solide akademische Ausbildung, die aus ganz Europa Künstler anzog.
Vor der Tonhalle sehen wir Fragmente des Denkmals der 39er von Jupp Rübsam (1896-1976). Ursprünglich zeigte das Denkmal zwei auf dem Bauch liegende Krieger, wie Sphinggen (Mehrzahl von Sphinx), mit überproportionierten Händen. Die rechte Figur trägt einen Stahlhelm, der linken war der verwundete Kopf verbunden. Jetzt fehlt er ganz. Das Denkmal ist auf Initiative von Angehörigen des in Düsseldorf stationierten Niederrheinischen Füsilierregiments Nr. 39 entstanden und wurde am 1. September 1928 enthüllt. Allerdings setzte sofort eine öffentliche Diskussion ein, in der das Denkmal als «Frontverhöhnungsdenkmal» bezeichnet wurde. Im Mai 1930 wurde sogar ein Sprengstoffanschlag auf das Denkmal verübt; das Düsseldorfer Tageblatt rügte damals, dass die Polizei nichts unternommen habe. Die Nazis rissen es gleich am 28. März 1933 ab und lagerten die Reste auf dem städtischen Bauhof.
Als Ersatz wurde ein raumgreifendes, kriegsverherrlichendes Denkmal am 9. Juli 1939 am Reeser Platz aufgestellt, ein von Faschisten heute noch bevorzugter Kundgebungsort. Für die Fragmente des ursprünglichen Denkmals fand sich 1978 immerhin ein Platz wenige Meter vom ursprünglichen Standort vor der Tonhalle.
Auf diesem Platz wurden schon am 11. April 1933, einen Monat, bevor das im ganzen Reich geschah, Bücher im Rahmen einer Kundgebung von etwa tausend uniformierten Mitgliedern der Hitlerjugend und evangelischer Jugendbünde verbrannt. Es flogen Bücher von Arnold Zweig, Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Heinrich Heine und Erich Kästner ins Feuer.
Am 3. Oktober 1965, einem Sonntag, wiederholte sich eine solche Bücherverbrennung (u.a. Grass, Kästner, Camus, Nabokov, Sagan) an der Rheinwerft/Oberkasseler Brücke durch den «Deutschen Jugendverband Entschieden für Christus» (EC). Erich Kästner bemerkte den Skandal und machte ihn öffentlich.
Die Tonhalle ist Teil der Ehrenhofs. Er ist 1926 entstanden und diente mit seinen Gebäuden der Ausstellung Gesolei (Gesundheit, soziale Fürsorge und Leibesübung), die seinerzeit mit nationalistischen Untertönen kurz nach Abzug der französischen Besatzung eine wirtschaftliche Blüte anzuzeigen hatte. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Steinfiguren, unter anderem die «Aurora» von Arno Breker (1900-1991), dem späteren Lieblingsbildhauer von Hitler. Der Architekt der Anlage war Wilhelm Kreis (1873-1955). Er hat auch das Wilhelm-Marx-Haus entworfen, das wir nachher noch zu sehen bekommen. Kreis lehrte an den Kunstakademien in Düsseldorf und Dresden abwechselnd Architektur und machte unter den Nazis eine steile Karriere. So war er an den Planungen für die Umgestaltung Berlins beteiligt und wurde 1943 Präsident der Reichskammer der bildenden Künste. Der Ehrenhof selbst lässt ansatzweise schon den Monumentalismus erkennen, der für Rerpräsentationsbauten der Nazis üblich wurde.
Heute sind in den Gebäuden um den Ehrenhof das ehemals städtische Kunstmuseum, heute Teil der Stiftung «Museum Kunstpalast», und das private NRW-Forum untergebracht. Im Kunstpalast gegenüber dem Kunstmuseum war bis 1998 Platz für wechselnde Ausstellungen.
Im Ehrenhof steht auch der «Aufsteigende Jüngling» von Georg Kolbe (1877-1947). Nachdem schon im 19. Jahrhundert die Versuche, ein Denkmal für den gebürtigen Düsseldorfer Heinrich Heine (1797-1856) aufzustellen, am Widerstand konservativer Düsseldorfer gescheitert waren, ergriff 1929 ein «Ehrenausschuss des Ausschusses zur Errichtung eines Heine-Denkmals» die Initiative. Ihm gehörten an: Käthe Kollwitz, Gerhart Hauptmann, Max Liebermann, Heinrich und Thomas Mann, Arthur Schnitzler, Selma Lagerlöf, Upton Sinclair, Romain Rolland und Maxim Gorki. 1930 wurde diese Initiative vom NS-Blatt «die Volksparole» als «Düsseldorfer Kulturbolschewismus» charakterisiert.
Schließlich entschied sich am 1. Mai 1932 die Jury für Kolbes «aufstrebenden Jüngling». Die Plastik wurde aber von der bürgerlichen Presse und den «Düsseldorfer Jonges» abgelehnt und in Düsseldorf nie als Heine-Denkmal akzeptiert. Am 22. März 1949 kam sie an ihren heutigen Standort. Erst nach 1997 wird der Bezug zu Heine durch eine Inschrift mitgeteilt. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der Bildhauer wegen seiner Nähe zum NS-Regime als belastet. Im Jahr 1949 war sowas noch empfindlich registriert worden. Ähnliche politsche Belastungen bei Maillol sind schon vier Jahre später, 1953, anlässlich der Aufstellung eines anderen Heine-Denkmals, kein Thema mehr.
Wir zahlen unseren Eintrittspreis an der Kasse des Kunstmuseums.
Kernstück seiner Sammlung ist die große Gemäldesammlung des Kurfürsten Johann Wilhelm zu Pfalz-Neuburg, kurz Jan-Wellem, und seiner Frau Anna Maria de Medici gewesen. Die Sammlung bestand vor allem aus niederländischen und flämischen Bildern, namentlich von Rubens. Untergebracht war diese Sammlung zunächst in der 1709 bis 1714 errichteten Gemäldegalerie am Schloss (heute Burgplatz). Aus Sorge vor Napoleons Beutelust kam der größte Teil der Sammlung 1805 nach München und bildete dort den Grundstock für die Alte Pinakothek. 1870 verzichtete Preußen auf die Rückgabe. Die Reste sowie Teile der Sammlung der Kunstakademie sowie eigene Ankäufe und Spenden fanden ab 1928 Platz in den heutigen Räumen.
1979 stellte man im Gebäude des Kunstmuseums Baumängel fest. Das Museum wurde komplett erneuert, bis es 1985 wiedereröffnet werden konnte. Die Sanierung löste aber nicht die Probleme des Raummangels. 1988 wurde ein Wettbewerb für eine Nutzung des gegenüberliegenden Kunstpalastes ausgeschrieben. Dieser Kunstpalast hatte aber den Düsseldorfer Künstlern seit je als ökonomisches Rückgrat gedient. Hier fanden die Winterausstellungen statt. Dennoch galt bald der Kunstpalast als baufällig. Dem Raumbedarf von Kunstmuseum und Kunstpalast wurde mit den Ergebnissen eines Wettbewerbs zwar Rechnung getragen. Sie wurden aber «aufgrund einer verschlechterten Wirtschaftslage» nicht umgesetzt.
Zu allem Überfluss brannte es am 11. September 1993 im Museum. Ruß bedeckte Wände, Decken und vor allem die Exponate. Wiedereröffnung am 3. Dezember 1994. Aber es dauerte noch Monate, bis alle Bilder gereinigt waren und ausgestellt werden konnten.
Angesichts angeblich leerer Kassen dachte die Stadt 1995 über neue Pläne nach.
Im Zuge einer Public-Private-Partnership 1997 wurde sodann die Stiftung museum kunst palast gegründet. Am 1. September 2001 öffneten die Tore nach Fertigstellung des Neubaus des Kunstpalastes, gleichzeitig mit dem Neubau des Hauptsitzes von E.on in unmittelbarer Nachbarschaft. Der Kunstpalast geriet gewissermaßen zum Foyer des Verwaltungsgebäudes von E.on.
Das Jahresbudget der Stiftung beträgt mittlerweile 15 Millionen Euro. Bei einem jährlichen städtischen Zuschuss von 7,2 Millionen Euro und des Unternehmens E.on von 1,1 Millionen Euro hat das Museum Schulden in Millionenhöhe angesammelt, die nun mit einem Sparprogramm abgebaut werden sollen. Es handelt sich offenkundig um Folgen einer ungünstigen finanziellen Lage des Konzerns. Nach Verlusten 2011 beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat Einsparungen von jährlich 1,5 Milliarden Euro. 10 000 der weltweit 80 000 Arbeitsplätze fielen weg, 60 Prozent davon in Deutschland. In der Düsseldorfer Zentrale 800 Stellen. Passend dazu stellte auf Veranlassung von E.on im Jahre 2012 die Unternehmensberatung «Boston Consulting Group» fest, dass das Museum ineffizient wirtschafte.
Ohnehin blieb der Sammlungsflügel ab 2009 bis Mai 2011 wegen neuerlicher Renovierungsmaßnahmen geschlossen. Aus Gründen gerichtlicher Beweissicherung in Folge eines alten Wasserschadens ist gegenwärtig der zweite Stock nicht mehr zugänglich. Das spart Kosten. Zudem soll diese Sperrung in den kommenden Jahren beibehalten werden.
Seit Mai 2011 gibt es also eine neue Hängung. Opfer ist vor allem die Düsseldorfer Malerschule, aber auch Bilder der klassischen Moderne. Der Platz ist so geschrumpft, dass die Bilder des 19. Jahrhunderts nicht mehr repräsentativ gezeigt werden können. Ihr historische Entwicklung ist nicht mehr nachvollziehbar. Große und bedeutsame Werke verstauben im Magazin. Just die ästhetischen Zeugen politischer und sozialer Auseinandersetzungen des Vormärz und des Revolutionsjahres 1848 finden nur unzulänglich Platz.
Höchst bedauerlich ist der Umstand, dass die Hussitenpredigt von Lessing, vormals als Leihgabe in Düsseldorf, nur noch in Berlin zu sehen ist. Es stellt ein Schlüsselbild für die aufkommende Opposition und politische Tendenz im Vormärz dar.
Karl Friedrich Lessing (1808-1880)
Hussitenprediger, 1836
230 cm mal 290 cm, Öl auf Leinwand
Alte Nationalgalerie Berlin (vormals Kunstmuseum Düsseldorf als Leihgabe).
Der Reformator Jan Hus wurde trotz Zusicherung freien Geleits anlässlich des Konzils in Konstanz 1415 aus Gründen der Ketzerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Folge waren Aufstände seiner Anhänger, der Hussiten, in Böhmen – Ritter, Bauern und Kleinbürger.
Es sind Malerkollegen porträtiert worden: der Reiter links ist Schirmer, August Becker der reichgekleidete Betende rechts, Hildebrandt der Kniende mit dem Schwert links und der Krieger mit Helm und Lanze, Emil Ebers, vermutlich der mit verbundenem Auge Kniende links.
Zu dieser unzeitgemäß aufrührerischen Historienmalerei gab womöglich der Kölner «Bischofsstreit» Anlass. Dabei ging es darum, welcher Kirche die Kinder von Eltern unterschiedlicher Konfession zuzuordnen seien. Hier hatten die protestantischen Preußen andere Vorstellungen als der katholische Klerus.
Auf die Geste des Hussitenpredigers, mit der er den Pokal dem Betrachter entgegenstreckt, spielt Johann Peter Hasenclever in seiner «Atelierszene» ironisch an. Das Bild wird Hasenclever zugeordnet, indes sollen alle Dargestellten daran gearbeitet haben.
Johann Peter Hasenclever (1810-1853)
Atelierszene, 1836
Der kleinwüchsige Greven reckt gegenüber dem nachlässig gekleideten Wilms eine Weinflasche hoch. Das zeichnet Grashof, der links sitzt. Demonstrativ schleppt Hasenclever in offenkundig programmatischer Absicht eine Gliederpuppe weg. Es geht den Kommilitonen sichtlich um den Realismus, die idealistische Haltung der Nazarener lehnen sie ab.
Ein großformatiges Gemälde ist als Windfang zur Wand gekehrt. Die Künstler in diesem Atelier fühlen sich als Akademieopposition. Sie bevorzugen die mittleren und kleineren Formate der Genremalerei. In der Hierarchie des Akademismus sind sie Außenseiter, sie fühlen sich nach «Sibirien» verbannt. Der Titel «Sibiria» auf dem aufgeschlagenen Buch spielt darauf an. Der Realismus hindert Hasenclever aber nicht an einer schulmäßigen Komposition des Bildes. Er ordnet die Bildfläche so virtuos wie die Choreographie der Figuren auf dieser Bühne.
Die Geste, mit der eine schlichte Weinflasche dargeboten wird, wird mehrfach wiederholt. Sie persifliert das Pathos, mit dem der protestantische Hussitenprediger das «Abendmahl in beiderlei Gestalt» fordert. Protestantisch waren in Düsseldorf zu dieser Zeit nicht nur die meist jungen preußischen Beamten, zu denen wir die Lehrer der Akademie zu zählen haben, die Schadow aus Berlin mitgebracht hatte, sondern auch das wohlhabende Bürgertum in Düsseldorf.
Immerhin bekommen wir einige Bilder des «sozialen Genres» der Zeit zu sehen:
Karl Wilhelm Hübner (1814-1879)
Die schlesischen Weber, 1844
77,5 cm mal 104,5 cm, Öl auf Leinwand
Kunstmuseum Düsseldorf
In seinem Aufsatz «Rascher Fortschritt des Kommunismus in Deutschland» hat Friedrich Engels im Dezember 1844 Hübners Gemälde ausführlich beschrieben und gewürdigt:
«Lassen Sie mich … ein Bild von Hübner, einem der besten deutschen Maler, erwähnen, der wirksamer für den Sozialismus agitiert hat als hundert Flugschriften. Es zeigt einige schlesische Weber, die einem Fabrikanten gewebtes Leinen bringen, und stellt sehr eindrucksvoll dem kaltherzigen Reichtum auf der einen Seite die verzweifelte Armut auf der anderen gegenüber. Der gutgenährte Fabrikant wird mit einem Gesicht, rot und gefühllos wie Erz, dargestellt, wie er ein Stück Leinen, das einer Frau gehört, zurückweist; die Frau, die keine Möglichkeit sieht, den Stoff zu verkaufen, sinkt in sich zusammen und wird ohnmächtig, umgeben von zwei kleinen Kindern und kaum aufrecht erhalten von einem alten Mann; ein Angestellter prüft ein Stück, dessen Eigentümer in schmerzlicher Besorgnis auf das Ergebnis warten; ein junger Mann zeigt seiner Mutter den kärglichen Lohn, den er für seine Arbeit bekommen hat; ein alter Mann, ein Mädchen und ein Knabe sitzen auf einer Steinbank und warten, dass sie an die Reihe kommen; und zwei Männer, jeder mit einem Packen zurückgewiesenen Stoffes auf dem Rücken, verlassen gerade den Raum, einer von ihnen ballt vor Wut die Faust, während der andere die Hand auf des Nachbarn Arm legt und zum Himmel zeigt, als ob er sagt: Sei ruhig, es gibt einen Richter, der ihn strafen wird. Diese ganze Szene spielt sich in einem kalt und ungemütlich aussehenden Vorsaal mit Steinfußboden ab; nur der Fabrikant steht auf einem Stück Teppich, während sich auf der anderen Seite des Gemäldes, hinter einer Barriere ein Ausblick in ein luxuriös eingerichtetes Kontor mit herrlichen Gardinen und Spiegeln öffnet, wo einige Angestellte schreiben, unberührt von dem, was hinter ihnen vorgeht, und wo der Sohn des Fabrikanten, ein junger Geck, sich auf die Barriere lehnt, eine Reitgerte in der Hand, eine Zigarre raucht und die unglücklichen Weber kühl betrachtet. Dieses Gemälde ist in mehrern Städten Deutschlands ausgestellt worden und hat verständlicherweise so manches Gemüt für soziale Fragen empfänglicher gemacht.» (MEW 2, 510 f.)
Wilhelm Joseph Heine (1813-1839)
Gottesdienst in der Zuchthauskirche, 1837
51,5 cm mal 67,5 cm, Öl auf Leinwand
Düsseldorf, Museum Kunstpalast
Eine größere Fassung des Bildes hängt in Leipzig.
1836 wurde der Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig verhaftet. Zusammen mit Georg Büchner hatte er den «Hessischen Landboten» verfasst. Ein Jahr später war Weidig tot. Selbstmord, wie offiziell verlautete. Die zeitgenössischen Stimmen indes sprachen von der Folter und ihren Folgen. In Hessen und im Rheinland entstand eine Protestbewegung. Das Bild gehört in den zeitlichem Zusammenhang mit einer Pressekampagne des rheinischen liberalen Bürgertums, in welcher für alle deutschen Staaten eine öffentliche Gerichtsbarkeit verlangt wurde.
Die Gefangenen, die Heine hier zeigt und einem für uns unsichtbaren Prediger zuhören, werden als trotzige und selbstbewusste Individuen gezeigt, anständige Leute, die sich in der Zeit des Vormärz als Demokraten betätigten, aber als «Demagogen» verfolgt wurden.
Wie schon vorher das Bild «Der Hussitenprediger» zeige ich eine Abbildung aus Wolfgang Hütts Buch über die Düsseldorfer Malerschule:
Johann Peter Hasenclever (1810-1853)
Das Lesekabinett, 1843
35 cm mal 43 cm, Öl auf Leinwand
Städtisches Museum Remscheid («Haus Cleff» in Remscheid-Hasten – gegenwärtig aus Kürzungsgründen geschlossen)
Auf der hinteren Wand des Raumes hängt eine Karte vom Balkan. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts brachen dort immer wieder Aufstände gegen das osmanische Reich los, nachdem sich die Griechen bereits 1829 hatten befreien können. 1841 beispielsweise kam es zu offenen Aufständen der Serben in Niš.
Lesekabinette oder Lesegesellschaften hatten sich in Deutschland im Zuge der Aufklärung entwickelt. Für das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts gelten sie als «zentrale Institutionen der Kulturvermittlung» (Wolfgang Ruppert, Bürgerlicher Wandel, Frankfurt 1981) und sind charakteristisch noch für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Entstanden waren sie zum Zwecke der Verbreitung aufklärerischen Gedankengutes durch Lektüre, Vorträge und politische Debatten. Als Stützen «der Neuerungssucht» und des «revolutionären Ungeistes» wurden sie vielfach diffamiert oder gar verboten. Man setzte ihnen schon mal einen Zensor vor die Nase, der das politische Spektrum der abonnierten Zeitungen zu überwachen hatte. Im 19. Jahrhundert veränderte sich zunehmend der Charakter der Lesegesellschaften. Sie öffneten sich einer größeren Anzahl von Mitgliedern, und es verstärkte sich ihr geselliger Charakter. (Knut Soiné, Johann Peter Hasenclever, Neustadt/Aisch, 1990)
Als 1840 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen den Thron bestieg, knüpfte man an den Wechsel auch im Rheinland große Hoffnungen bezüglich der Liberalisierung des politischen Lebens, gar auf eine Verfassung. In der Tat wurden auch einige Gemaßregelte der «Demagogenverfolgungen» rehabilitiert. Das Spionagesystem wurde beseitigt. Und zu Weihnachten 1841 gab es eine liberale Zensurverfügung, die als beachtlicher Schritt zur Pressefreiheit aufgenommen wurde.
Aber im Januar 1943 wurde die Zensur erneut verschärft und eine Reihe von Zeitungen verboten. Die «Rheinische Zeitung» (Vorgänger der Neuen Rheinischen Zeitung von 1848/49) mit ihrem heimlichen Chefredakteur Karl Marx traf es am 31. März 1843.
Der Hund links am Bildrand stiehlt einem der Zeitungsleser die Wurst vom Teller. Dieser ist von seiner Lektüre so fasziniert, dass er den Diebstahl noch nicht bemerkt hat. Es handelt sich um eine politisch-moralische Allegorie, die satirisch die Behäbigkeit des damaligen rheinischen Bürgertums aufs Korn nimmt. Die Bürger auf diesem Bild interessieren sich deutlich für die Befreiungskriege in fremden Ländern, vergessen aber darüber ihre eigenen unmittelbaren Interessen. In diesem Sinne allegorisch könnte auch der siegesgewisse Schachspieler rechts im Bild sein. Sein Nachbar jedenfalls schätzt die Siegeschancen nicht ganz so optimistisch ein. Beide Szenen machen zusammen mit der dritten (das Paar links im hinteren Raum) auch die Zeit zum Thema: nur einen kleinen Augenblick lang wird die Wirklichkeit kenntlich:
- das Paar nur solange, wie das Licht brennt,
- der Hund wird gleich mit den Würsten unter dem Tisch verschwinden
- die Siegesgewissheit des Dicken wird schon beim nächsten Schachzug eine Abkühlung erfahren.
Außerdem beschäftigen wir uns ausführlich mit einer Abbildung im Buch von Wolfgang Hütt.
Johann Peter Hasenclever (1810-1853)
Bitte um Arbeit, 1849/50
Es ist eine zynische Pointe, dass ausgerechnet dieses historisch und künstlerisch hervorragende Werk dem Publikum vorenthalten wird. Voraussetzung dafür ist
a) die Privatisierung der Verfügung über die Kunstschätze der Stadt,
b) die Kürzungen, die in Folge der Gewinneinbußen von E.on das Museum Kunstpalast treffen,
c) die politische Auswahl der Exponate angesichts einer minimierten Ausstellungsfläche. Von Kenntnissen revolutionärer Traditionen soll das Publikum verschont bleiben.
Ein Wort zu dem Hallenser Kunstwissenschaftler Wolfgang Hütt (geb. 1925 in Wuppertal): Er promovierte 1957 über «Die Düsseldorfer Kunst und die demokratische Bewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts». Aus der Dissertationsschrift des DDR-Wissenschaftlers ist 1964 die erste Monographie über die Düsseldorfer Malerschule hervorgegangen. Es erwies sich als Standardwerk zu diesem Gegenstand. Eine erweiterte Auflage erschien 1984 sowie eine noch einmal veränderte Neuauflage 1995. Die Ausstellung des Kunstmuseums Düsseldorfer Malerschule im Jahr 1979 stand noch unter dem Eindruck der erstmals von Wolfgang Hütt formulierten Sichtweise auf die widersprüchliche Entwicklung der Düsseldorfer Malerschule. Eine weitere Ausstellung «Die Düsseldorfer Malerschule und ihre internationale Ausstrahlung (1819-1918)» im Kunstpalast 2011 relativierte die Bedeutung des «sozialen Genres», schon gar die Leistung Hasenclevers. Sein Hauptwerk «Bitte um Arbeit» wurde als «weitgehend deutungsoffene Pattsituation» (Katalog Band I, S. 204) fehlinterpretiert.
Beim Verlassen des Museum müssen wir feststellen, dass uns der Regen die Laune beim Spaziergang durch den Hofgarten verderben würde. Einigen ist das nur recht. Alle bewegen sich sodann schnurstracks in eine Brauereigaststätte. Nach dem Essen und einigen Gläsern Altbier dunkelt es schon sachte. Dennoch holen wir jetzt den Programmpunkt Hofgarten nach. Es gibt aber Hindernisse durch Baumaßnahmen. Die Brücke ist gesperrt.
Den Hofgarten hat Maximilian Friedrich Weyhe (1775-1846) nach dem Muster englischer Landschaftsgärten gestaltet, nachdem unter Napoleon die Festungen geschleift worden sind.
Weyhe war seit 1803 «Hofgärtner». 1811 wurden von Napoleon, sechs Wochen nach seinem Besuch in Düsseldorf, durch «ein kaiserliches Dekret über die Verschönerung der Stadt Düsseldorf» die Mittel bereit gestellt, den Hofgarten nach Weyhes Plänen zu erweitern.
Die englischen Landschaftsgärten hatten die idealen, «arkadischen» Landschaften auf Bildern von Nicolas Poussin und Claude Lorrain zum Vorbild. In diesen Bildern tummelten sich mythologische Gestalten in pastoralen Landschaftsidyllen.
Vorlagen fanden die beiden französischen Maler des 17. Jahrhunderts in der Landschaft, die Rom umgab, der Campagna, die landwirtschaftlich nur extensiv genutzt wurde, wenig kultiviert schien und durch Ruinen an die Größe des antiken römischen Reiches erinnerte. Diese Kombination von scheinbar natürlicher Landschaft mit antiken Ruinen wurde in den englischen Landschaftsgärten übernommen.
An wenigen Stellen des Hofgartens ergeben sich Blickwinkel, die mit einem gewissen Kalkül das Ratinger Tor im Hintergrund zeigen (gebaut 1811-1815, Architekt Adolph von Vagedes). Das Besondere an dessen klassizistischer Architektur sind übrigens die basis(fuß-)losen dorischen Säulen, die nach der aufsehenerregenden Entdeckung von Paestum (im Jahre 1752) mit seinen dorischen Tempeln Mode wurden.
Als ein Stück von Arkadien darf man den damals neuen Teil des Hofgartens verstehen. Auf der Stelle der ehemaligen, 1801 geschleiften Befestigungsanlagen errichtet, war er damals auch als Friedenssymbol dienlich. Der heutige Autolärm stört indes.
Der östliche Teil mit ihren Alleen ist älter. Hier waren noch tradierte ästhetische Gesichtspunkte der französichen Gartenarchitektur mit geometrischen Mustern und perspektivischen Alleen wirksam. Geplant hat ihn Nicolas de Pigage.
Bis 1831 wurden der neue Hafen im Norden (heute Rampe der Brücke nach Oberkassel), der Hofgarten mit Landskrone sowei der Kanal an der Canalstraße, die 1851 in Königsallee umbenannt wurde, und der Schwanenspiegel geschaffen.
Am 13. August 1848 begaben sich der preußische König Friedrich Wilhelm IV. und sein Vetter Friedrich in einer Kutsche zum Schloss Jägerhof, dem Wohnsitz von Friedrich. Auf der Kastanienallee, der heutigen Kö, wurde aber nicht nur gejubelt. Es gab auch Unmutsbekundungen von Demokraten. Die gipfelten in Pferdeapfelwürfen, sodass der Mantel des Königs verdreckte. Soldaten griffen ein: vier Tote und zahlreiche Verletzte waren die Folge. Drei Jahre später, 1851, wird die Kastanienallee, vorher Canalstraße, in der Hoffnung auf Versöhnung in Königsallee umbenannt.
Dann stehen wir gegenüber dem sogenannten Kö-Bogen. 1999 war davon erstmals die Rede. Offenbar hatte die HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation Holdings PLC mit Sitz in London) angeregt, den Jan-Wellem-Platz umzunutzen, dessen Funktion als Straßenbahnknotenpunkt mit dem Ausbau der U-Bahnen hinfällig wird. Benannt ist das Projekt nach dem Viertelkreis-Bogen der einstigen Hofgartenstraße. Der Jan-Wellem-Platz wurde nach Entwürfen des New Yorker Architekten Daniel Libeskind mit einem Gebäudekomplex aus Einzelhandels-, Büro- und Gastronomienutzungen bebaut. Tunnel werden Hofgartenstraße und Hochstraße ersetzen.
Das Projekt war hoch umstritten. Die Diskussion mündete in ein Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Jan-Wellem-Platzes. Das fand am 13. April 2008 statt und hatte zum Ziel, den Verkauf des Jan-Wellem-Platzes an einen Investor zu verhindern. Die Mehrheit der teilnehmenden Bürger (82,4 Prozent) hatte zwar mit «Ja» gestimmt, doch das waren 28 325 Stimmen zu wenig. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 16,8 Prozent. Nötig wären 20% gewesen, um das Quorum zu erreichen.
Mitte Oktober 2008 zogen sich mehrere Bewerber aus dem Ausschreibungsverfahren zurück: ironischerweise auch die Bank HSBC Trinkaus, die die Initiative ergriffen hatte, ebenso Hochtief und Züblin. Baubeginn war der 17. August 2009. Der Zeitplan sieht vor, dass ab 20. Februar 2016 die U-Bahn Wehrhahn-Linie in Betrieb geht. Kölner können da neidisch werden.
Das Thyssen-Hochhaus ist in den Jahren 1957 bis 1960 von den Düsseldorfer Architekten Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg errichtet worden. Der Bauherr war die Phoenix-Rheinrohr AG Vereinigte Hütten- und Röhrenwerke. Hier richtete sie ihren Firmensitz ein, 1964 wurde er von der Thyssen-AG übernommen. Thyssen verkündete im Frühjahr 2007 seinen Wegzug aus Düsseldorf und verkaufte die Immobilie für geschätzte 100 Millionen Euro an die Deutsche Bank. Gegenwärtig ist dieImmobilie an verschiedene Firmen vermietet. Das Architekturbüro HPP hat in der Folge seines berühmten Dreischeibenhochhauses ein fast vollständiges Monopol auf Bürobauten in Düsseldorf genießen können. Helmut Hentrich, nach dem auch der Platz vor der Tonhalle benannt ist, gehörte zur Blase der Architekten, die schon vor 1945 mit öffentlichen Aufträgen versehen wurden. 1952 kam es deswegen zum Düsseldorfer Architektenstreit.
Im Hofgarten bekommen wir noch einige Denkmäler und Plastiken zu sehen.
Adolf Donndorf (1835-1916)
Cornelius-Denkmal, 1879
Bronze, Sockel aus Granit
Hofgarten/Corneliusplatz
Der Name Corneliusplatz ist vor einigen Jahren auf Wunsch des Steigenberger Parkhotels abgeschafft worden zugunsten der Postadresse Königsallee 1a.
Das Denkmal mit den Seitenfiguren «Poesie» und «Religion» erinnert an den Maler Peter von Cornelius (1783-1867), «Nazarener», erster Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie (1819-1826). An der Vorder- und Rückseite befinden sich die Reliefs «Malerei», «Germania», «Italia», darunter im Rankwerk «Faust und Helena». Die Inschriften der Städte Berlin, München und Rom geben weitere Orte von Cornelius' Tätigkeit an. In Düsseldorf hatten seine Studenten nicht viel von ihm, weil er sich meist in München und Rom aufhielt. Deswegen löste ihn in seiner Heimatstadt schon bald der Berliner Wilhelm von Schadow ab. Cornelius war ab 1825 Akademiedirektor in München, ab 1841 in Berlin.
Karl Hilgers
Kriegerdenkmal 1870/71, 1892
Laasa-Marmor
Hofgarten (Nähe Landskrone)
Das Kriegerdenkmal erinnert an die Gefallenen des Preußisch-Französischen Krieges von 1870/71. Die Inschrift auf der Vorderseite ist durch die kürzliche Renovierung kaum noch zu lesen: «Ruhm ward dem Sieger genug/ und Jauchzen und grünender Lorbeer/ Tränen von Müttern geweint/ schufen dies steinerne Bild» (Hermann Sudermann). Rückseite: «Ihren geliebten Söhnen, welche in den siegreichen Jahren 1864-65-70-71 den Heldentod starben, weiht dieses Denkmal die dankbare Stadt Düsseldorf.»
Henry Moore (1898-1986)
Reclining Figure in Two Parts, 1983
Bronze (Breite 3,6 m)
Hofgarten hinter dem Opernhaus
Karl Hartung
Schumann-Denkmal, 1956
Bronze
Hofgarten hinter dem Opernhaus
Der Komponist Robert Schumann (1810-1856) war 1850-53 städtischer Musikdirektor in Düsseldorf. Mit seiner Frau Clara, geb. Wieck, wohnte er 1852-54 in der Bilker Straße 15.
Walter Scheufelen/Kurt Räder/Bernd Bodechtel
Grabbe-Denkmal
Granitsockel, Bronze 1986
Christian Dietrich Grabbe dichtete Dramen und war Theaterkritiker an Immermanns Bühne in Düsseldorf. Sein Stück «Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung» wird heute noch aufgeführt. Grabbe (geb. 11. Dezember 1801) hielt sich am Ende seines kurzen Lebens unter Immermanns Fittichen vom 9. Dezember 1834 bis 22. Mai 1836 in Düsseldorf auf. Er wohnte in der Ritterstraße 70 (heute 26) bei der Witwe Andries. Im Sommer 1835 verließ Immermann Düsseldorf für mehrere Monate, um mit seiner Theatertruppe in Elberfeld zu gastieren. Die Abwesenheit von Immermann tat dem alkoholkranken Grabbe nicht gut. Häufig zechte er sich im Stammlokal der Düsseldorfer Künstler «Zum Drachenfels» auf der Rheinstraße. Ab Dezember 1835 schrieb er Theaterrezensionen im «Düsseldorfer Fremdenblatt». Im Februar 1836 überwarf er sich mit Immermann, reiste nach Detmold zurück und starb dort am 12. September 1836.
Aus Detmold stammen zwei weitere Dichter, die sich gut kannten und mit Düsseldorf und Köln in verschiedener Weise verbunden sind: Ferdinand Freiligrath und Georg Weerth. Alle drei hatten übrigens auch mehr oder weniger intensiven Kontakt mit Heine. Im kommenden Jahr jähren sich nicht nur die Todesjahre von Heine und Weerth zum 160. Mal, sondern auch der von Grabbe zum 180., der von Freiligrath zum 140. Mal.
Das Opernhaus ist in den Jahren 1954-56 errichtet wurde. Architekt Julius Schulte-Frohlinde (1894-1968) war in den Jahren 1936 bis 1945 Leiter der Bauabteilung der Deutschen Arbeits-Front (DAF), 1943 bis 1945 Professor an der TH München. 1952 wurde er Leiter des Hochbauamtes Düsseldorf und bekleidete dieses Amt bis 1959.
Julius Schulte-Frohlinde begann nach dem Abitur zunächst in München ein Architekturstudium, von wo aus er nach Stuttgart wechselte, wo seit 1908 Paul Bonatz lehrte. Er kam über die Planung des Reichsparteitagsgeländes ab 1933 mit Albert Speer in Kontakt, der auch als Berater der neu gegründeten Deutschen Arbeits-Front (DAF) fungierte, einem nationalsozialistischen Einheitsverband als Ersatz für die aus politischen Motiven verbotenen Gewerkschaften. Auf Empfehlung von Speer wurde Schulte-Frohlinde 1934 zunächst stellvertretender Leiter des Amtes «Schönheit der Arbeit», einer Unterorganisation der DAF, und baute eine eigene Bauabteilung auf, deren Leitung er ab 1936 übernahm. Neben Bauten wie den NS-Schulungsburgen Erwitte und Saßnitz oder DAF-Verwaltungsgebäuden gehörten auch das Arrangement und die Durchführung von Volksfesten oder Ausstellungen als auch die Planung des KdF (Kraft durch Freude)-Seebades Prora auf Rügen zu seinen Aufgabenbereichen.
Als Chef des Reichsheimstättenamtes wurde sein zentrales Tätigkeitsfeld der Wohnungs- und Wohnsiedlungsbau. Die konservative, traditionalistische Bauweise Schulte-Frohlindes prägt die Wohnungsbau-Architektur der Nazizeit in erheblichem Maße. Darüber hinaus gehört Schulte-Frohlinde auch mit Publikationen wie dem Vorwort des Buches «Bauten der Bewegung», in dem er mit der Anprangerung einer jüdisch-marxistischen Beeinflussung des deutschen Bauwesens offen antisemitische Tendenzen äußert, zu den führenden Architekten der Nazizeit.
Auf Initiative von Friedrich Tamms, den er von gemeinsamer Arbeit im Wiederaufbaustab kannte, wurde Schulte-Frohlinde nach Düsseldorf berufen.
Das löste unter den Düsseldorfer Architekten Kritik aus, speziell von Seiten des «Zehnerrings», einem Zusammenschluss modern gesinnter Architekten unter Führung von Bernhard Pfau. Von Bernhard Pfau stammt das Ziem-Haus von 1931 an der Ecker Bolkerstraße/Heinrich-Heine-Allee, sowie das Düsseldorfer Schauspielhaus, das 1971 fertiggestellt wurde.
Neben der restaurativen Personalpolitik der Stadt Düsseldorf warf der «Zehnerring» Schulte-Frohlinde dessen Rolle während des Dritten Reichs und seine konservative Baugesinnung vor. Der Streit eskalierte, als Schulte-Frohlinde die Planung des Altstadtrathauses (südliche des Marktplatzes mit dem Jan-Wellem-Denkmal) ohne Wettbewerb übertragen wurde und den Bau in einer rustikalen Formensprache realisierte, die in scheinbar ungebrochener Kontinuität mit baulichen Idealen des Nationalsozialismus steht. Trotz erheblicher Widerstände gegen seine Person als auch seine Bauauffassung blieb Schulte-Frohlinde bis zum Erreichen des Pensionsalters 1959 in dieser Position tätig und zeichnete für die meisten öffentlichen Hochbauten verantwortlich, darunter auch der Wiederaufbau des Opernhauses, für den er seinen Lehrer Paul Bonatz, kurz vor dessen Tode, hinzuziehen konnte.
Das Warenhaus der Kaufhof AG (vormals Kaufhaus Leonhard Tietz), Königsallee 1, ist von Josef Maria Olbrich. Dieses baugeschichtlich bedeutende Beispiel eines Jugendstilwarenhauses hat leider an der Nordseite nicht mehr seine ursprüngliche Fassade. 1960 wurde ein Parkhaus angefügt, das 1985/86 eine Fassade nach modischen Gesichtspunkten erhielt.
Das Warenhaus gehörte ursprünglich einer jüdischen Familie, die es 1935 im Zuge der «Arisierung» weit unter Preis verkaufen musste. Neuer Eigentümer wurde die Westdeutsche Kaufhof AG, der Vorläufer der Kaufhof AG.
Das Carschhaus (Architekt Engler) eröffnete 1915 als Kaufhaus für Herrenbekleidung seine Türen. In den 30er Jahren wurde sein Besitzer, Wilhelm Carsch, von den Nazis enteignet. Nach dem Krieg diente das Carsch-Haus lange Jahre als Kulturzentrum «Brücke», beherbergte für eine Weile die Kammerspiele und wurde 1977 von der Horten AG gekauft.
Zunächst sah es so aus, dass es dem U-Bahn-Bau weichen müsste, doch nach langen Diskussionen mit Denkmalschützern fiel der Beschluss, die Jugendstilfassade zu erhalten und das Gebäude um 20 Meter zu versetzen. Kosten für dieses beachtliche Projekt: 90 Millionen DM. 1979 begann der Abbau des Hauses. Die Fassadenteile wurden einzeln numeriert, archiviert und konserviert. Gleichzeitig begann man mit dem Rohbau ein paar Meter weiter, auf den die Fassade schließlich aufgesetzt wurde.
Wilhelm-Marx-Haus
Neben dem Carschhaus steht das Wilhelm-Marx-Haus, Deutschlands erstes Bürohochhaus aus dem Jahr 1924, von Wilhelm Kreis entworfen. Benannt wurde es nach Wilhelm Marx, dem Oberbürgermeister aus Kaiserzeiten. Der Stil ist eher dem rheinischen Expressionismus als der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen.
In den 20er Jahren, als wirtschaftliche Not und Inflation den Alttag bestimmten, erschien es nahezu unerhört, ein 56 Meter hohes Gebäude mit 6000 Quadratmetern Raum nur für Büros zu errichten. Vielleicht hat auch das zu der nüchternen Architektur des Gebäudes beigetragen, das filigrane Bögen auf der Spitze des Turmes schmücken. 1982-84 wurde das Gebäude erweitert und bis zur Kasernenstraße fassaden- und profilgleich verlängert.
Klaus
Fotos: Wolfgang Berlin, Klaus Stein
- Kölscher Spaziergang durch Düsseldorf. Alle Fotos
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